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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0160

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4.5. Der statt Sachen und geschafft getruwlich ze fertigen

147

4.5.5.6. Geleitschreiben
Das Aufkommen von Geleitschreiben für Übermittler zu Beginn des 16. Jahrhun-
derts hatte mehrere Gründe. So sollte ihr Einsatz dem Missbrauch der Zeichen von
Läufern Vorbeugen, was in Konfliktsituationen gängiges Mittel der gegnerischen
Propaganda war. Ferner hingen Geleitsschreiben mit der Abrechnung von Über-
mittlungsaufträgen zusammen.
Falsche Boten mit gefälschten Briefen waren den Zeitgenossen nicht unbe-
kannt. Der Tagsatzungsabgesandte, welcher im Juni 1515 mit einem dringenden
Appell zur Aushebung neuer Truppen für den norditalienischen Kriegsschauplatz
unterwegs war, musste erstaunt feststellen, dass ihm bereits ein Bote zuvorgekom-
men war. Dieser hatte angeblich im Namen der Eidgenossen verkünden lassen,
dass solches unnötig sei und dass man stattdessen alle Kontingente zurückrufen
solle.345 Gezielte Desinformation durch offiziell wirkende Übermittler war auch in
der Eidgenossenschaft mindestens seit den Burgunderkriegen probates Mittel me-
dialer Kriegsführung. Letzteres wirkte sich in Bern auch auf den Wortlaut des Läu-
fereides von 1481 aus. Die Verpflichtung jedes Läufers, dem Rat alle zu melden, die
das silberne Wappenschild ohne Autorisierung trugen, bezog sich auch auf einen
potenziellen Missbrauch dieses für das herrschaftliche Selbst Verständnis der Stadt
so wichtigen Zeichens.346 Zumindest im Nahbereich war dies in Friedenszeiten eher
schwierig. Wie Beispiele aus Freiburg i. Ue. zeigen, kannte das ohnehin häufig in
Bern geschulte Amtspersonal die vertrauenswürdigsten Berner Stadtläufer sogar
beim Namen. So wurde etwa Rudolf Dietrich, der 1477 die Siegesnachricht von
Nancy überbrachte, ebenso namentlich erwähnt wie sein späterer, besonders lange
amtierender Kollege Hans Norder, dessen Name in der Rechnung von 1512 zwei-
mal auftaucht.347 Anders in Kriegszeiten, wenn die Nachrichtenübermittlung durch
den Beizug vieler, teilweise ratsferner Gelegenheitsboten personell unüberschaubar
wurde.
Geleitschreiben hatten allerdings keineswegs die Funktion moderner Aus-
weispapiere. Die Merkmale, nach welchen eine Person identifiziert wurde, konzen-
trierte sich in einer Gesellschaft, die dafür keine einheitlichen Parameter besass,
meist auf Äusserlichkeiten. Dazu gehörte etwa auffällige Kleidung oder markante
physiologische Merkmale, die mit Umschreibungen, die betreffende Person sei dick

345 Zum Phänomen der falschen Boten siehe auch: Usteri, Marignano, 1974, S. 195, Schwinkhart,
Chronik, 1941, S. 97, Sieber-Lehmann, Nationalismus, 1995, S. 356, Anm. 56, Groebner, Ge-
fährliche Geschenke, 2000, S. 91, Anm. 113.
346 [...] und ob sy suss yemand gesechen, sibrin oder minder biichsen miner Herren an ir bevelch tragen, das
sollen sy ouch an min hem oder einen stattschriber bringen, damit die gevertiget werden [...], In: StaBE,
A1629, Das nüw Eydbuch, fol. IX. Es handelte sich dabei offensichtlich um eine überregionale
Praxis, eine vergleichbare Formulierung findet sich auch in der Strassburger Botenordnung von
1484, siehe: Gachot, Louffende Boten, 1964, S. 6.
347 Item a Dietrich le messagier de Bema pour lez novellez quil apportast, que Nansy estoit rendu, ordonne
per mess(ieu)rs - XX s, in: Büchi, Akten, 1916, S. 76, Hans Norder: Des ersten hansen norder ein
loiffer von bernn uf miner Herren geheiss - ii Ib viii s, in: StaFR, CT 220, 1512/11, fol. XII/2.: Des
erstem1 hansen norder dem läuffer von bernn uff miner Herren geheiss - ii Ib viii s, in: StaFR, CT 225,
1515/11, fol. XII/1.
 
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