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Hübner, Klara; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Im Dienste ihrer Stadt: Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 30: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34908#0161

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148

4. Die Akteure aus dem städtischen Dienstpersonal

und trage ein seidenes Wams, jedoch auch nicht besonders präzise waren.348 Gesich-
ter spielten bei der Identitätsbestimmung im Spätmittelalter keine Rolle, was natür-
lich auch für Läufer galt: So konzentrierte sich die Aufmerksamkeit des Berner
Kanzleipersonals bei der Beschreibung ihres Übermittlers Bürin mit dem ars auf ein
ganz anderes Körperteil.349
Die vordergründige Funktion von Geleitschreiben bestand in der Wahrung
amtsgebundener Privilegien, die dem Dienstmann die Ausführung der Aufträge
erleichtern sollten. Bei mehrtägigen Reisen gehörte dazu vor allem die Organisa-
tion angemessener Unterkünfte sowie die Akquisition von Fortbewegungsmitteln.
Ersteres waren keine Neuerung spätmittelalterlicher Städte, sondern entstammte
dem klösterlichen Bereich. Hier war der personelle Austausch schon im Hochmit-
telalter so intensiv, dass aus Kontrollgründen Geleitsschreiben eingeführt werden
mussten.350 Im 12. Jahrhundert stattete der Steinfelder Propst Ulrich aus dem Aache-
ner Umland seine als Botenläufer tätigen Brüder mit einem Schreiben aus, dass ih-
nen überall zu gastlicher Aufnahme verhelfen sollten.351 Im städtischen Umfeld
wurden solche Geleitschreiben erst viel später und zunächst in anderem Kontext
erwähnt. So in Braunschweig, wo geschworene Läufer im 14. und 15. Jahrhundert
oft zum Pfänden eingesetzt wurden. Die vom Rat beglaubigten Geleitbriefe sollten
vor allem ihrer Autorität Nachdruck verleihen.352 Im Raum der Eidgenossenschaft
drückten sich diese Hilfsverpflichtung an Wirte, Pferdeverleiher oder Fährleute
noch im 15. Jahrhundert vorwiegend durch die entsprechende, sichtbare Ausrüs-
tung der Übermittler aus. Dieser auf Zeichen und Mündlichkeit beruhende Kon-
sens endete jedoch gegen 1500, nicht zuletzt, weil durch die deutlich gestiegene In-
formationsnachfrage mehr freiberufliche Läufer mit ähnlicher Ausrüstung wie
ihre amtlichen Kollegen auf den Markt drängten.353 Damit wurde es für Wirte und
andere Dienstleister besonders schwierig, Verköstigungs- oder Mietpferdschulden
an richtiger Stelle einzutreiben. In einer Satzung von 1509 fordert deshalb der Ber-
ner Rat auch von den privaten Auftraggebern der Läufer, diese mit einem offen brieff
auszustatten, damit sie diesen bei Bedarf zöigen, unnd sich dero mögen behelfenn.354
Somit wären die privaten Auftraggeber verpflichtet, ihre Schulden selbst zu beglei-
chen.

348 So wurde etwa 1475 vom Berner Rat der zur Verhaftung ausgeschriebene Weinpanscher Martin
Walliser beschrieben, siehe: Groebner, Gefährliche Geschenke, 2000, S. 91, Anm 136, Ausführ-
lich dazu: ders.. Der Schein der Person, 2004. Zur Problematik spätmittelalterlicher Steckbriefe,
die weniger dem Gesicht, als der Kleidung Rechnung tragen siehe auch: Schmid, Reden, rufen,
Zeichen setzen, 1995, S. 208. Sie beschreibt ferner das verhältnismässig umständliche, im Oster-
buch von 1485 beschriebene Vorgehen zur Feststellung der Identität der Kleinräte, siehe dort
S. 154.
349 Welti, Berner Stadtrechnungen 14. Jahrhundert, 1896, (1375/11), S. 28.
350 Dazu auch: Wyss, Schweizer Post, 1978, S. 22.
351 Das Geleitsschreiben hatte folgenden Wortlaut: Fratrem presentium latorem quicunque recipere vo-
luerit, sciat, eum professum fuisse in Stanvelt et habere licentiam, ubicunque recipi meruerit, manendi,
in: Karll, Aachener Verkehrswesen, 1905, S. 12, Lauffer, Der Laufende Bote, 1954, S. 70.
352 Gaus, Braunschweig, 1929, S. 185.
353 Mehr dazu etwa bei: Heimann, Visualisierung, 1993, S. 33f., Lauffer, Der Laufende Bote, 1954,
S. 57, Weber, Boten und Herolde, 1946,164f.
354 StaBE, RM 143 (1509), S. 75.
 
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