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Der Neckar-Bote: Wochenblatt für amtl. u. Privat-Bekanntmachungen — 1845

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Nro. 43 - Nro. 46 (3. Juni - 13. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42424#0183

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Der Reckar = Bote erſcheint
rvöchentlich zweimal , Dienstags
u. Freitags. Der Abonnements= J
preis beträgt für ein Jahr r fl.
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N eck a r -V

VWA 22

Die Einrückungsgebühr für die

QI U k ( grsvaltene Zeile oder deren
j > Raum beträgt 2 kr. Bet An-

zeigen, worüber die Expedition
Auskunkt ertheilt, 3 kr.



Dienstag, den 3. Juni 1 8345.





Buntes aus der Zeit.

Der Vertrag zwiſchen der königl. bairiſchen und der
herzogl. sachsen: meiningen’schen und sachsen-coburg’ſchen
Staatsregierung über den Eisenbahnbau iſt nunmehr
abgeſchloſſen worden. Die Bahn wird von Weimar
nach Bamberg in der Richtung über das Städtchen
Lichtenfels (durch Achatbrüche und Potaſchebereitung
bekannt) führen, und es sind die Koſten beiläufig zu
141 bis 15 Mill. veranſchlagt.

Der gewöhnlich sehr besuchte Ball zum Beſten der
bedürftigen polniſchen Flüchtlinge zu London iſt auf
den 15. Juni festgeſetzt. Die Großherzogin Stephanie
von Baden überſandte dem Vorstand des Polencomite's
vor ihrer Abreiſe ein ansehnliches Geldgeſchenk mit dem
Wununſche, ihren Namen in die Liſte der Ballpatronin-
nen einzutragen. Die hohe Frau iſt am 26. Mai zu
Antwerpen eingetroffen, wo sie den Erbgroßherzog von
Baden im erwünſchten Wohlsein antraf.

Abd-el-Kader iſt mit seinen Truppen in der Richtung
von Süden von ſeinem bisherigen Wohnort aufgebro-
c<en. Man beeilte sich ihm Truppen entgegen zu ſchi-
cken, um ihn zu beobachten und einen Eiufall abzu-
halten.

Bei Gelegenheit der Creditbewilligungen für Algerien
kam es in der franzöſiſchen Kammer zu Debatten, in
denen das Verfahren der Regierung in Algerien und
Marokko von neuem bitter getadelt wurde. So wurde
am 18. März von dem als ſehr tüchtig bezeichneten
Herrn de la Rue ein Vertrag wegen der Gränzſtrei-
tigkeiten abgeſchloſſen, den der Kaiser nachträglich nicht
rectificicte. Da man seinen Vollzug nicht erlangen
konnte, so wird der vorher 14 Tage lang halbofficiell

belobte Officier beschuldigt, seine Vollmachten über--

ſchrittenzu haben, und ſteht in Gefahr ſich desavouirt (in
seinen Handlungen nicht anerkannt) zu sehen. Auch
deſſen wäre das jetzige Cabinet fähig , meinte Herr v.
Beaumont in einer Kammerrede.

Beachtenswerth iſt es, daß bei den Geldunterſtützun-
gen für die deutſch - katholiſche Gemeinde ſich mehrere
Mitglieder der iſragelitiſchen mit namhaften Beträgen
betheiligt haben, auch haben ſich zwei geachtete Anhän-
ger des moſsaiſchen Glaubens für den Anschluß an die
neue Kirche ausgeſprochen – In Schneidemühl soll
Czerski während seiner mehrwöchentlichen Abwesenheit
viele seiner Anhänger verloren haben, deren Bekehrung
der Ortsgeiſtliche ſich sehr angelegen hatte sein lassen.
Daß sich Czerski von seiner Frau trennen lassen wolle,
iſt wohl nur eines jener Gerüchte, welche der Person
und der Sache der Deutſchkatholiken ſchaden sollen.

Nach einem Bericht der Geſellſchaft für Abschaffung
der Sklaverei in London werden jetzt noch jährlich
400,000 Neger aus Afrika weggeſchleppt.





Der Grieche Siwinis,
in ruſſiſchen Dienſten.
(Fortsetzung.)

Das Hazardſpiel, ein Nationalvergnugen der
ruſſiſchen Cavaliere, war ihm durch die Pflicht-
erfüllung eines Verliebten faſt fremd geworden. Er
kehrte um ſo leidenschaftlicher zu dieser Zerſtreuung
zurück. Seine Gedanken aber feſſelte der immer
noch vorherrschende, verhaßte Gegenſtand – er
ſpielte nachlässig , ~ unglücklich, und Tauſende auf
Tauſende glitten dahin.

Mißmuthig über den Verluſt, im Innern ems
pört über die Zurückweisung seiner Liebe, ſuchte er
alle erſinnliche Mittel, die giftigen Stunden zu
tödten, deren Laft er nicht abzuſchütteln vermochte.
Er gab Gelage und Banketts, ohne ſeine Caſſe zu
Rathe zu ziehen. Seine Dienſtverhältniſse zum
Regiment, wie zur Brigade, zur Diviſion wie zum
Corps, boten eine Gclegenheit über die andere, be-
deutende Summen zu erlangen, über die er aller-
dings zu seiner Zcit Rechenschaft abzulegen hatte,
an welche er aber keineswegs dachte.

Nur der Leser , der die ruſſiſchen Armeeverhält-
niſſe von Weitem oder genau kennen lernte, wird
um ſo klarer einſchen, wie leicht es einem Ordon--
nanz-Offizier des kommandirenden Generals wer-
den muſitte, Millionen zu seiner Dispoſition zu fin-
den, über die er vorlaufig nach Belieben ſchalten
und walten konnte. Wer jene Umſtände nicht kennt,
der möge auf Treu und Glauben obige Verſiche-
rung annehmen, denn es würde hier zu weit fuhren,
eine Erörterung der Reichs = und Corps = Ordnung
aufzuftellen.

Wenn jemals eine Uniform als Deckmantel des
unbeschränkten Betrugs entehrt worden iſt, ſo ge-
ſchah es durch den Unterſchleif des Griechen, der
alle Grenzen überſchritt, ohne in Gefahr zu gera-
then, von dem Betrogenen oder Beſtohlenen ange-
klagt zu werden. Das iſt unter obwaltenden Um-
ſtanden kaum denkbar, Was Siwinis in Gruſien
im Großen trieb, findet noch täglich ſtatt, wenn
auch nur um Kleinigkeiten, denen wenigftens eine
Null zur Million fehlt.

Wer Hunderttausende unterſchlägt, wird es ims
mer mit der Vorſicht thun, daß diejenigen, welche
ihm dazu verhelfen, Zehntauſend oder Taufend da-
bei für ſich gewinnen, aus guten Gründen also
wohlweislich schweigen, und da der Staat einzig

| und allein den Verluſt erleidet , kann hochſt ſelten

ein Prozeß ſtattfinden, der den Betrüger entlarve.–
Die bündigſte Legitimation zur verſtohlenen
 
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