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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

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Januar (Nr. 1 - 13)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30183#0027

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Samstag, 15. Januar 1870.

Ro. 7.

Werter Jahrgang.


Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b la t t. - Alle Postanstalim und Boten nehmen Bestellungenan. — Preis vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigcspaltene Pctitzeite oder deren Raum 3 kr. Lskalanzeigen 2 kr.





auf unser Matt werden sowohl durch die
großh. Postanstalten als bei uuo kroch täg-
lich für d.rs laufende Quartal entgegen

genommen.
Schwetzingen,

12

. Januar 1870.
Lis Expedition.

Die Kampsweise Der uliramoutauen
Presse.
(Lith. Corr.)

An den Waffen erkennt man den Kämpfer,
an der Weise zu kämpfen die Gerechtigkeit seiner
Sache. In der ganzen gesitteten Welt ist es
Brauch, gewisse Waffenarten vom Kampfe prinzi-
piell auszuschließen. Wer sich über diese Sitte
hinwegsetzt, wird von dem anständigen Manne
billig ohne Beachtung gelassen. Im Kampf durch
Wort und Schrift richtet sich der Gebrauch vou
Waffen, welche die mangelnde Beweiskraft durch
die plumpe Wucht der Roheit zu ersetzen suchen,
durch sich selbst. Judeß, die schlechte Waffe kann
durch die Weise, in welcher sie geführt wird, auch
denl Besten gefährlich werdet', sobald es dein Geg-
ner gelingt, die Darstellung so einzurichten, daß
der Leser geblendet wird. So Angeschnitten ist
auch die Sprache der Gasse im Siande, das un-
geübte, vielleicht gar in Vorurtheilen befangene
Auge zu täuschen.
Zu allen Zeiten war es ein Hanptkniff lin-
kischer Streiter, einzelne Worte ans dem Zusam-
menhänge zu reißen und sie zu einer Bedeutung

aufzublühen, die ihnen ursprünglich durchaus fern- >
liegt. Man kann sicher sein , bei jedem Blick in j
die ultramontane Presse dies Feehterstücklein ange-
wandt zu finden. Ein recht in die Angen sprin-
gendes Beispiel hat vor Kurzem wieder einmal der
„Pfälzer Bote" geliefert. Bei Gelegenheit der
Berathung der 2. Kammer über das Bahuprosecl
Heidelberg-Speyer war die Rede auf den Verkehr
zwischen Paris imd Wien gekommen. Dabei hatte
der Abgeordnete lLamey die Bedeutung dieses Ver-
kehrs auf ihr richtiges Maß zurückgeführt und
nebenher die Bemerkung gemacht: überall, wo
mau in Baden eine Eisenbahn projectire, wolle
man den Pariser Verkehr absaugeu; so auch in
Bruchsal mit einer Linie Bruchsal-Germersheim.
Vierzehn Tage laug ist diese harmlose Bemerkung
von dem Zorne des Pfälzer Boten verschont ge-
blieben, da auf einmal erhebt er in Gestalt vou
Correspoudenzeu aus Bruchsal über dieselbe ein
gewaltiges Geschrei. Wozu? Um den Bürgern
von Bruchsal zu erzählen : 1) daß in jener Sitzung
der 2. Kammer ihre höchsten Interessen mit Füßen
getreten wurden, und 2) daß der Vertreter der
Stadt Bruchsal das unerhörte Verbrechen beging,
zu allen diesen Dingen zu schw igeu. Die Schluß-
folgerung ergibt sich von selbst: der nationalliberale
Abgeordnete Weber muß beseitigt werden. Was
ist klarer als das? Nur schade, daß auch der
gespannteste Zuhörer in jener Sitzung von dem
abscheulichen Attentat ans die Bruchsalcr Interessen
gar nichts bemerkt hat!
Ein anderer beliebter Kunstgriff der ultra-
montanen Presse besteht darin, fremde Zustände
ohne Weiteres auf die ganz anders liegenden
Dinge der Heimath zu übertragen. In Roiten-
burg wird ein neuer Bischof eingesetzt; derselbe
tauscht mit seinem Fürsten, dem Könige von Würt-
temberg, Versicherungen des Vertrauens und der

! Harmonie zwischen Staat und Kirche ans. Das
ist nuscxn Ullramontanen ein wehmüthig-rühreuder
Amblick; ja, seufzen sie, wer solch'eine Negieruung
Hütte ! Die dort drüben das Staaisruder führen,
seht hin, sie sind doch bessere Menschen! Nur
schade, daß Herr v. Hefcle auch eines sehr anderen
Geistes Kind zu sein scheint, als gewisse andere
Kreise ihn aufweiseu.
(Schluß folgt.)


Die Dynastie Bouaparte scheint von der lau-
nischen Glücksgöttin beinahe verlassen. Die letzten
Jahre haben dem persönlichen Regiments den To-
desstoß versetzt und in dem Augenblicke, wo sich
der Kaiser endlich eines Theils seiner Macht zu
Gunsten eines parlamentarischen Regierungssystems
entäußert und „mit seinem Volke Friede haben
will", muß ein anderer Bonaparte einen M ord
begehen und damit einen Aufschrei des Hasses und
der Wnth gegen Alles, was den Namen Bona-
parte trägst wachrnfen.
Der Kaiser — kein Kind könnte wohl schuld-
loser an dem begangenen Morde sein, als er —
muß darunter büßen und hätte er selbst dem Jour-
nalisten das tödtliche Blei in den Leib gesendet,
mehr Haß und Rachelust könnte sich nicht gegen
seine Person aussprechen, als es heute in
Paris geschieht.
Die radicalen Blätter führen eine unerhörte
Sprache, die alles hinter sich zurück läßt. Die
„Bonaparte's" werden eine Familie von corsicani-
schen Räubern und Mördern genannt, die mit
Menschenleben und Eiden nach ihrem Gutdünken
spielen. Durch Morde haben sie sich auf den
Thron geschwungen, durch Mord müssen sie sich
I droben erhalten. Das sind die Anschuldigungen,

Aas Wirtfisyaus zu Gransae.
Von Heinrich Zschokke.
(Fortsetzung.)
Wir begrüßten uns gegenseitig mit einer Zärtlichkeit,
als wären wir von jeher die innigsten Freunde gewesen.
„Ich bin Ihr großer Schuldner!" sagte Herr von
Orny zu mir: „Ich hoste, Sie werden mir wenigstens das
Vergnllgen gönnen, Ihnen meine Dankwilligkeit zu zeigen
und Sie in meiner Wohnung zu bewirken. Ich habe
Ihren Rath auf gut Glück befolgt, den Sie mir beim Ab-
schiede gaben. Wissen Sie noch, daß Sie mir empfahlen,
statt nach Italien nach Cransac zu gehen; hier würde ich
Arznei für mich finden? Ich ging nach Italien und fand
sie nicht. Da fielen mir in Florenz Ihre Worte bei. Ich
ging nach Cransac, und fand die Arznei und genas, und
ste war auch nicht gar Übel zu nehmen." — Bei diesen
Worten küßte er die erröthenden Wangen der schönen Frau.
»Glauben Sie ihm nur nicht!" rief Fanchon: „Er
macht zuweilen noch krause Mienen und klagt, die Arznei
ei doch auch bitter."

„Dafür ist's und bleibt's Arznei!" versetzte er lachend'
Es war ein glückliches Pärchen. Orny lud mich ein,
bei ihm zu Mittag zu speisen. Alle Sonntage pflegte die
Familie Albrct bei ihm zu sein. Er erzählte mir, daß er
sich mit seiner Mutter versöhnt und sie zu sich genommen
habe. In den Jahren der Revolution war sie nur den
größten Theil ihres Vermögens gekommen. Das hakte ihn
bewogen, gleich nach seiner Vermählung mit Fanchon, und
zwar auf Fanchons Verlangen, ihr zu schreiben und den
Aufenthalt bei sich anzubieten. Ich lernte sie kennen. Sie
war eine geistvolle Frau, der man im Umgang wohl noch
den Ton der großen Welt und einen gewissen Adelstolz an-
spürtc, die aber unter mannigfaltigen Unglücksfüllcn eine
gewisse Milde der Gesinnung, eine duldende Hingebung in
den Ernst des Verhängnisses, eine religiöse Ansicht des Le-
bens gewonnen hatte, wodurch sie für Jeden um so anzie-
hender wurde.

Es entstand bei Tische ein freundschaftlicher Streit
zwischen den liebenswürdigsten Menschen von der Welt um
meine Person. Orny und Fauchon verlangten, ich müsse
so lauge ich in Cransac verweile, bei ihnen wohnen. Herr

und Frau Albrct aber behaupteten mit vieler Beredsamkeit
das Recht ihrer ältern Ansprüche. Selbst Julietic, Eaton
und Celestine, die jüngern Töchter Albrets, mit denen ich
bald bekannt geworden war, mischten sich kindlich-lebhaft in
den Wortwechsel. Nur die Eine, die ich am liebsten gehört,
deren Stimme entscheidendes Ansehen gehabt haben würde,
nur Annette schwieg. Ich blickte fragend, als möchte ich
ihren Befehl vernehmen, zu ihr hinüber. Sie schien aber
dabei so gleichgültig zu sein, daß cs mich schmerzte. Sie be-
lustigte sich nur an den: lauten Kampfe, als eine Zuhörerin,
die dabei gar nicht interessirt war. Und da die junge Frau
von Orny sie um Hilfe für ihr Haus ries, antwortet An-
nete lächelnd; „Du dcinuthsvolle Fanchon, warum zweifelst
du an deinem Triumph? Wann hattest du je zu deinen
Siegen den Beistand deiner Schwester nöthig?" Aber wie
lächelnd sie auch und wie lustig scherzend sic die Worte
sprach, schien doch dabei, wenn ich mich nicht zu sehr be-^
trog, eine kleine Bitterkeit — nein, nicht Bitterkeit — aber
ein leichter Schmerz um ihre holden Lippen zu schweben^
den ich mir gern zum Voriheil gcdcurct hätte.

(Fortsetzung folgt.)
 
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