Vierter Jahrgang
ümierstag, 10. November 1870
Amts-DerkündiglUlsisNatt für den Bezirk Schwetzingen
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Die Wendung.
NE. In deinselben Augenblicke-, da der preu-
ßische „Siaatsanzeiger" meldet, daß man mit dem
Angriff auf Paris jetzt nur auf den Befehl des
Königswarte, eröffnete sich die ziemlich anscheinend
begründete Aussicht auf einen nahen Waffensiill-
stand. Man weiß, wie die früheren Versuche, zu
einem wichen und damit zu der Möglichkeit der
Berufung einer den Willen der französischen Na-
tion kundgebenden Volksvertretung zu gelangen, au
der Weigerung der Pariser Regierung scheiterten
Auch die noch vor Kurzem von dem englischen
Cabinet gemachten Bemühungen, einen Waffenstill-
stand zu vermitteln, waren wenig Erfolg verhei-
ßend. Der inzwischen eingetretene Fall von Metz
aber scheint in der Atmosphäre des Parlier Sladt-
hauses nicht ohne ernüchternde Wirkung geblieben
zu sein. Verstärkt wurde dieselbe noch durch die
empfindliche Niederlage eines Pariser Anssallscorps
b?' !a Bonrget am 80. Ort. und so fand Herr
Thiers, den; seinerseits so eben ans einem gänz-
lich erfolglosen Bittgänge an den Höfen von Lon-
don, Petersburg, Wien und Florenz die vollstän-
dige Verlassenheit Frankreichs zur Niederschlagen-
d-n Gewißheit geworden, bei den Herren von der
provisorischen Regierung, als er am 8 l, v. M.
kam, mit ihnen Zn rathschlagen, für W affen M'-
standsverhandlmiaen, weit mehr Geneigtheit, als
es noch wenige Tage zuvor der Fall gewesen sein
würde. Freilich bat ihnen diese Geneigtheit, wie
zu befürchten stand, sofort den Vorwurf des Ven-
raths und einen Aufstand der soeiat - radieaien
Elemente eingetragen. Indeß, das Ansehen und
die Beliebtheit Trochns, der bekanntlich Oberbe-
fehlshaber der Trappen und zugleich Präsident der
Negierung ist, scheint, 'wie das Verhalten der No-
tionalgarde bei der ziemlich rasch unterdrückten
Revolte beweist, bis jetzt wenig erschüttert zu sein.
Außerdem ist die Regierung am 8. h, M., an-
ihr Befragen, im Wege der allgemeinen Abstim-
mung durch die sehr überwiegende Mehrheit der
Pariser Bevölkerung in ihren bisherigen Voll-
machten aus'S neue ausdrücklich bestätig: worden,
was unter den obwaltenden Umständen nichts an-
deres zu bedeuten scheint, als daß die herrschende
Strömung in der Hauptstadt einem Waffenstill-
stände günstig gestimmt ist.
Zwei Fragen jedoch springen sofort in die
Augen: wird es möglich sein, sich über die Be-
dingungen eines Waffenstillstandes Zn ver-
ständigen ? und: wird eventuell die Provinz dem
von der Pari'er Regierung mit dem deutschen
Hauptquartier getroffenen Ueberenttommen zu-
stimmen ?
Graf Bismarck hat Thiers einen Lettägigcn
Waffenstillstand aut Grund des -Status quo, b. h.
der beiderseitigen Stellungen am Tage der Unter-
zeichnung angeboien und über diesen Vorschlag
wird unterhandelt — das ist Alles, was Zur
Stunde, da wir schreiben, über die Sache bekannt
ist. Ganz unklar bleibt dabei, wie es mit Elsaß
und Deuichlothringen gehalten werden soll, derer:
Nicknbetbeiliguug au der Wahl der constituirenden
Versammlung Bismarck früher zur Bedingung
machte, bekanntlich unter dem.heftigsten Proteste
Jules Favrc's. Auch die früher venttlirte Frage
einer neuen Verproviaunrung der belagerten Haupt-
stadt während der Waffenruhe bleibt gänzlich im
Dunkeln. Unserer Ansicht nach kann dieselbe teinen-
salls zugestanden werden; aber selbst wenn oben-
drein noch der Ausschluß der Elsässer und Teulsm-
lolbringer von den Wahlen gefordert wird, auch
daun noch ist, mit der Bedingung des bloßen
Status quo. von unserer Seite das Aeußerste an
Entgegenkommen geleistet. Bei ruhiger Ueberle-
guug müssen die Machthaber in Paris sich sagen,
daß günstigere .Bedingungen niemals zu erlangen
sein werden.
Möglich also, daß mau sich auf Grund der
Bismarck'scheu Vorschläge einigt. Nicht geringe
Besorgnis; aber erweckt alsdann die andere Frage,
nach dem Verhalten des übrigen Landes. Nicht
einmal die Zustimmung der Delegation in Tours
scheint ohne Weiteres gesichert. Eremientz und
Bizoims kann man freilich Ziemlich gewiß sein,
Gambetta aber, den die Eapiinlaiion von Metz
statt zur Besinnung, zur vollendeten Raserei ge-
bracht, zu den furchtbarsten Schwüren unbeugsamer
Hartnäckigken sorlgerissen hat, kann unmöglich ur-
plötzlich au Waffenstillstand denken. Gesetzt aber
auch, er träte ohne alles Widerstreben von seinem
Posten Zurück, und das Hindernis; m Tours wäre
damit beseitigt — 'wird mau aus Lnou, aus Mar-
seille und alle die andern Städte zählen können,
welche w eben der Schauplatz ernstester Unruhen
gewesen sind k
Man sieht, die Frage des Waffenstillstandes
ist nicht so einfach. Wie immer es aber auch
komme, jedenfalls ist eine Wendung der leitenden
Kreise in Paris conualirt, die als das erste Zeichen
rücktehrender Uebcrlegnng lebhaft begriffst werden
darf.
Althrejfach, 7 Nov. i Offiziellst Fort
Mortier Hai beute Nacht 8 Uhr tapiinlir:. tt Off-
nziere, 210 Marin Gefangene kommen nach Ra-
statt. Das Fort gänzlich Znsnmmengesckwssim; von
7 feindlichen Geschützen sind 0 demonntt. Kom-
mandant von Nenbreisach hat versprochen, nicht
mehr nach Altbreisach Zit schießen.
Altllreisttch, 7. Nov. Ich komme soeben
aus Fort Moriicr. Die q»gerichtete Zerstörung
durch unsere brave Artillerie ist und (schreib! ich.
— Die Festung Bels o r t ist nach mehreren
lleinrn siegreichen Gefechten seit dem. 8. November
von diesseitigen Truppen eernirk.
Gez. v. Podbielsli.
Zur Laqesgelcjuchte.
Verkitt/ 7. Nov. Die „Nordd. Allg. Zigst'
und die „.Krsnzztg." schreiben: Die französische
provisorische Regierung bat den ihr angeboteuen
Waffenstillstand abgelehnt.
Karlsruhe/ 8. Nov. Die Verbindung mit
dem 74. Armeekorps geht wieder seit dem ö. d.
Nt. über Epina! ans Besonl mit regelmäßiger Post
Das Hauptqimrtier der großh. Division war an:
genannte'.: Tage noch in Dijon.
Versailles, 7. Nov. In den fünf-
tägigen Verhandlungen mit Thiers ist demselben
ein Waffenstillstand ans Grundlage des militäri-
schen Status quo von jeder Dauer bis zu 28
Tag-cn behufs Vornahme der Wahlen und Gestat-
tung derselben in den occnpirten T hei len Frank-
reichs wiederholt - angeboten worden. Er war
auch nach erneuerter Bewrechnng mit der Parffer
Regierung nicht ermächtigt, das eine oder das an-
dere anznuelmum, er verlangte vor Allem die
Verprovianliruna von Paris ohne ein militärisches
Aeqnivalent bitten zu tonnen. Da diese Forde-
rung für die De Nischen unannehmbar war, io er-
hiklt Thiers gestern aus Paris die Weisung, die
Verhandlung/» abznbr eck! en.
-- Nach Prwatmtttheiluugeu aus Paris ist
Jules Favre mit der Mehrzahl seiner Entlegen
für die Wahlen und für den durch Thiers ver-
mittelten. Waffenstillstand gewesen: Trochn jedoch,
welcher 'dagegen agitiere hat seine Ansicht dnrch-
gesetzi.
- Der französische „Moniteur" vom Sonn-
tag berichtet, daß Gambetta die Loire-Armee anf-
inche. Am Donnerstag tttegraplsirie er an alte
Deparieinenlspräfelleit: „Verdoppeln Sie Ihre
Wachsamlett! Wo Sie immer Bazaine oder einen
seiner Generalsiabsossiziere onireffen, liefern Sie
ihn molffoewa hl hierher." Gleichzeitig enthielt
das Pariser „Journal officiel" an seiner Spitze
folgende Notiz: „Marschnll Baznine hat sich nur
seiner gesnmmien Armee nach heldenmüthigslen
Anstrengungen ans Mangel an Lebensmitteln und
Munition als lriegsgesangen ergeben müssen."
- Aus Paris, lieber eine verungtückle
Eonirerevoinlion in Paris liegen in französischen
Blättern und Prioateorrciponoenzen nähere Ein-
zelheiten vor.
Die hierdnrm vorgernsene Aufregung war un-
gemein, und oie ramente Parsti snetne dieitt.be
znr Ausführung ihrer bekannten Pläne zu be-
nutzen, indem ihre Führer um Nachmittag des
8t. Ort., unterstützt von stmem Theil der Nniional-
garden, in das Hole! de Vitte drangen und dort
die sogenannte „Eommnne" prollnmirstm. Bis 8
Nhr Abends war Paris über die eigentliche Na-
tur der Vorgänge im Hotel de Bille im Unge-
wissen, Nach einigen Angaben handelte es sich
btos darum, die Provisorische Regierung zur An-
nahme des Programme - der „Emumnne" zu be-
wegen; nackt andern war die provisorische Regie-
rung dereris gestürzt und von Blanqni, Flonrens,
Ledru Notlin, Pmu. Biotin, Greppo, De Leiclmze.
Vietor Hugo und LouE Blaue ersetzt worden,
denen sich Dorian und Rdcheiort angeschloiien
hätte». Und diese letzte Auslegung hatte auch
nmige Stunden hindurch alle Aussicht, die richtige
zu werden, indem die Anstiiter der ttoiitierevoln-
tion die Mitglieder der Regierung lange Zeit g -
fangen hielten, um ihnen ibre Abdankung abzu-