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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

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Mai (Nr. 52 - 64)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30183#0249

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Tonnersiag, 26. Mai 1870.

Ao. 62.

Vierter Jahrgang.


Fmts-Serkündigrmgsbratt für den Bezirk Schwetzingen.

Badische Hopsenfeitnng.

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe Sonntagsblatt. - Alle Postanstalten und Boten nehmen Bestellungen an. — Pr ei» vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltene Pctitzeüe oder deren Raum 3 kr. L « k a l a n z e i g cn 2 kr.

„Auf den Höhen des süddeutschen
Geistes."
Just in Len Tagen, als eS mit dem Haupt-
werte der diesjährigen Zollparlamentssession schief
zu gehen drohte, gaben sich bekanntlich die Mit-
glieder der „süddeutschen Fraktion" ein solennes
Bankett. Den Festgenoffen stand der Weizen in
lieblichster Vlüthe: voran der Hannoveraner Windt-
horst, der seine Stammeseigenschaft als „Süd-
deutscher" offenbar aus den Zeiten Heinrichs des
Löwen datirt, predigten sie gar hochgemuthen To-
nes den Kreuzzng wider die gottvergessene Ver-
preußnng; edler Begeisterung voll schwärmten sie
von dem unausbleiblichen Siege und droben am
Himmel schimmerte bereits durch die Wolken des
Schlachtendampfes hindurch der welsisch-partikula-
ristisch-uliramontan-revublikanische Regenbogen der
deutschen Zukunft. Da kam das verwünschte Com-
promiß — und die Herren von der „süddeutschen
Fraktion" sollen einstimmig eine auffallende An-
wandlung gezeigt haben, das volle Rund des son-
nigen Antlitzes mit einem langgedehnten und trüb-
seligen Oval zu vertauschen. Es blieb nicht aus,
daß die io interessante Naturerscheinung der Welt
durch die boshaften Nationalliberalen verratheu
wurde. Das forderte Rache, schwere, vernichtende
Rache, und so donnerte denn das Centralsprach-
rohr des badischen Ultramontanismus das große
Wort: „Allerdings ist solche Produktion corrupter
Gesinnungsgymnastik (das Compromißverfahren der
Nationalliberalen) wohl im Stande, die Stim-
mung etwas zu verderben — allein, diesseits des
märkischen Sandes, auf den KöHen des süd-
deutschen Geistes findet fich liebliche Erholung
von jenen widerlichen „Hindrücken."
„Auf den Höhen des süddeutschen Geistes!"
Wo sind diese Höhen? Finden wir sie etwa an

den Stätten der süddeutschen Hochschulen? Ge-
wiß nicht; denn diese sind ja ganz überwuchert
vom Unkraut des Akatholicismus und norddeutschen
Gelehrtenthums. Oder finden wir sie in der Ge-
sammtheit der süddeutschen Kammern? Noch
weniger; denn in Baden dominirt das Stockbettel-
preußenthum , in Württemberg rumort allzusehr
die sonst zu Zeiten willkommene radikale Demo-
kratie und selbst in München wird fortwährend
noch Alles durch den heillosen Liberalismus ver-
giftet. Wo können also jene Höhen des „Bad.
Beobachters" anders gelegen sein, als inmitten
der ultrainontanen Partei? Eine Partei, die den
Mann zu ihren Führern zählt, der den vielbe-
lachten Brief an das Zollparlament geschrieben,
der dann in Berlin demüthig schwieg, derweil sein
Heidelberger Blättchen den allverehrten Präsidenten
Simson der Perfidie beschuldigt; eine Partei, die
einen Professor Greil auf die Rednerbühne schickt,
um in tagelangen Excursen die Zurückdrängung
der gesammten modernen Kultur in die mittelal-
terliche Finsterniß zu predigen; eine Partei, die
laut „Bad. Beobachter" in der weltlichen Herr-
schaft des Papstes das einzige Palladium der
menschlichen Freiheit findet; eine Partei, die in
dem Dogma von der päpstlichen Unfehlbarkeit den
höchsten Triumph irdischer Vernunft verehrt —
eine solche Partei ist es, die sich im Besitze der
Höhen des süddeutschen Geistes erklärt!
Und von diesen Höhen herab rufen sie uns
das siegesgewiffe Wort entgegen: „es dürfte kaum
eine sehr zweifelhafte Frage sein, daß der Süd-
bund bereits als fertiger Bau dastehen könnte,
bevor die Nationalliberalen für ihre Mainbrücke
auch nur einen Stein auf den andern zu fügen
vermöchten." Wohlan ihr schwarzen Baumeister,
baut nur immer zu! Dieser Südbund wird
uns die Arbeit entsetzlich leicht machen. Zeigt

euch nur erst ganz in eurer wahren Gestalt und
die Mainbrücke wird sich von selber bauen, über
die sich das süddeutsche Volk flüchten wird vor
dem Höhenrauch eures Geistes, um wieder auf-
zuathmen im „märkischen Sande." (B. C.)

* Rundschau.
Die internationale Friedens- und Freiheits-
Liga, welche sich auf einem früheren Congresse
in Genf in durchschlagender Weise über ihre Prin-
cipien verbreitete und damals zum Gespött der
ganzen civilisirten Welt wurde, wird ihren vierten
Congreß in Zürich abbalten und hat Johann
Jakobi die Uebernahme des Ehrenpräsidiums
augetragen. Jakobi hat diese ziemlich zweifel-
hafte Ehre abgelehnt, die bittere Pille aber mit
ächt demokratischen Phrasen überzuckert.
Im norddeutschen Reichstage sind die Ver-
handlungen wegen Einführung des neuen Straf-
gesetzbuches wieder ausgenommen worden. Die
Bundesregierungen, vornemlich Preußen, halten an
der Todesstrafe fest, während die Mehrheit des
Reichstages dieselbe beseitigt wissen will. Im
Reichstag wünscht man zum Theil die nochmalige
Vertagung dieser Angelegenheit. Entschiedenere
Stimmen dagegen erheben sich für die endliche
Lösung dieser Frage, die doch herbeigeführt werden
muß und deren Verschiebung an der Sache nichts
ändert und nichts verbessert. Für einen Ausgleich
sind geringe Aussichten vorhanden.
Am Samstag Mittag fand das Nachspiel der
Volksabstimmung in Frankreich statt. Im Stände-
saal des Louvre nahm der Kaiser, umgeben von
seinem glänzenden Hofstaat, die amtliche Mitthei-
lung über das Ergebniß der Volksabstimmung ent-
gegen. Abends wurden zur Ehre dieses Tages
die öffentlichen Gebäude beleuchtet.

Einarmig und verbannt.
Novelle v. Friedrich Schödler.

(Fortsetzung.)
Weiter fuhr Fink fort: „Denken Sie sich ein
Luftschiff, denken Sie Sich ferner an demselben
einen Cylinder, gefüllt mit Centrifugalsalz, gut —
nun wird Aequinoctialsäure hinzugegoffen und es
entwickelt sich ganz wie bei einer Champagner-
flasche die gasförmige Luftballon-Essenz und treibt
den Apparat nach jeder beliebigen Richtung; hätten
Sie so was für möglich gehalten, Bückeborg?"
„Wo Sie es nicht gesagt hätten, Herr Fink,
hätte ich es wahrhaftig nicht geglaubt," erwiederte
dieser im Tone vollster Ueberzeugung; „aber hat
denn ihr Luftschiff auch schon die neu erfun-
denen amerikanischen Windbeutel?"
„Windbeutel — wozu?" fragte Fink.
„Wozu? Dazu, daß der Herr Fink können
kriegen einen Platz bei der Luftschifffahrtsgesell-
schaft," sagte Vückeborg und klopfte fern Ei auf,

während schallendes Gelächter ringsum tönte. Der
Getroffene sprang auf und wollte antworten, aber
Auberle kam ihm zuvor!
„Laß nun die schlechten Witze, Fink," rief er,
„Du siehst, was sie Dir eintragcn. Allons, wir
sind auf dem Trocknen! Wer wettet eine Flasche
Wein: ich mache mich verbindlich, hier aus der
vor mir stehenden Flasche Wein zu trinken, ohne
den Kork heraus zn ziehen.
„Ei," rief einer von den Grünen, „Sie köpfen
die Flasche."
„Nein!"
„Sie bohren ein Loch in den Stopfen," meinte
ein Anderer.
„Nein — ohne irgend etwas an der Flasche
zu verletzen oder überhaupt etwas an derselben
zu machen" — fuhr Auberle fort. „Wer
wettet?"
„Es gilt," rief der junge Mann.
„Nun sehen Sie, mein Herr," sagte Auberle,
ich kehre die Flasche um, gieße in die nun sich
darbietende Vertiefung Wein und trinke denselben
auf Ihre Gesnndheit," — was auch gleichzeitig
ausgeführt wurde.

„Ei, das gilt nicht," rief der Gegenpartner,
„Sie wollten ja Wein aus der Flasche trinken."
„Ganz recht und das habe ich auch gethan;
ich habe aber nicht gesagt, ich wollte von dem
Wein trinken, der sich in der Flasche befindet.
Krönig, eine Flasche auf Rechnung dieses Herrn."
„Aber gilt es eine Flasche, Herr Auberle,"
pipste Zieremann so laut als möglich, „ich trinke
allerdings von diesem Wein, in dieser Flasche,
ohne den Kork herauszuziehen oder die Flasche zu
beschädigen?
„Das möchte ich doch sehen," erwiederte der
Angeredete, „ja — ich halte!"
Behend faßte der kleine Zieremann dle Flasche,
drückte den Kork den Hals hinab in dieselbe und
goß aus der nun frei gewordenen Mündung in
ein Glas und trank es zu Jedermanns Erhei-
terung aus.
Nun war der Neigen eröffnet und man durste
einer ganzen Serie von Prodnctionen aus der
natürlichen Magie entgegensetzen, deren Pointe
mehr oder minder darin bestand, „Einen dran
zu kriegen."
„Ich schlage folgende Wette vor." ließ Herr
 
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