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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

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September (Nr. 103b - 116a)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30183#0443

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No. 110. a.

wiener ^zar-rgang.

Freitag, 16. September 1870



Amts-Merkündiguilgsökatt sur den Bezirk Schwehingen.
ndis ch t H n p f c n z r i t »l n g.

Erscheini wöchentlich drei Mal nebst der belletri' 'che:- Beigabe Sonntagsblatt. - Alle Postanstalten und Boten nehmen Bestellung:n -:r. - Preis vierteljährlich 45 kr.
I n sera " -e V: dreigespaltene Pctitz

igespaltene Pctitzeile oder deren Raum 3 kr. Lskalanzeigen 2 lr.

Atom Kriegsschauplatz.
Mrilldolsheim, 12. Sept. Nachdem heute!
Morgen der Geschützkampf wieder einmal außer-
ordentlich heftig gewesen und auch wieder ein
Ausfall versucht worden, war es den Tag über
sehr stille, und in diesem Augenblicke (5—6 Uhr-
Abends) schweigt das Feuer gänzlich; nur ein
ziemlich entferntes dumpfes Krachen läßt von Zeit
zu Zeit vermuthen, daß von Kehl aus die Be-
schießung fortdauert. Immer noch scheint es in
der Citadelle zu brennen, während im Uebrigen von
Bränden in der Stadt nichts wahrnehmbar ist.
Paris, 13. Sept. (Offiziell.) Die Seine-
brücke bei Corbeil wnrde gesprengt. In Nogent
sind gestern Ulanen eingerückt, welche bei schwerer
Strafe beim Abzüge die Zerstörung der Seine-
brücke untersagten. 8000 Preußen und viele
Pioniere sind gegenwärtig in Chalons. In Channy
warten preußische Kürassiere Zuzug ab, womit
Soissons und La Fere eingeschlossen werden sollen.
In Vancouleurs stehen 2500 Bayern.
Der Präsekt von Laon, Peraud, wurde ver-
haftet und vor Moltke geführt.
General Theremin (der Kommandant der Ci-
tadelle) liegt verwundet im Lazarett) und wird
streng bewacht.

Zur Tagesgeschichte.
Paris, 10. Sept. Jules Favre trifft Vor-
bereitungen zu seiner Abreise von Paris; er geht
mit mehreren seiner Collegen nach Tours. Die
Regierungsorgane geben sich Mühe, den Parisern
einznreden, daß „die Regierung" in Paris bleibe
und nur die Dienstzweige verlegt würden, die
keine Unterbrechung mit der Provinz gestatteten.
Merkwürdig ist dabei jedoch, daß gerade der Mi-
nister des Innern in Paris bleibt. Es scheint,
daß Gambetta und die extremeren Elemente der
provisorischen Regierung sich die minder entschlos-
senen Collegen vorläufig vom Hals schaffen wollen.
Favre schmeichelt sich, wie aus einer Mittheilung
der Patrie erhellt, noch stark mit dem Zustande-
kommen eines Waffenstillstandes durch Vermittlung
der europäischen Diplomatie.
Schon am Abend des 0. Sept. fand in
Paris eine erste Demonstration vor dein Hotel des
amerikanischen Gesandten statt. Der Gesandte
wurde mit einer Rede begrüßt, deren Phrasen-
schwulst alles übersteigt. Z. B.: „Der Ocean,
der uns trennt, ist nicht tiefer, als die Gefühle,
die uns verbinden." — 20,000 Spahis werden
in Paris ans Afrika erwartet Man kann sich
denken, durch welche Lügen diese Schlachtopfer ge-
worben wurden. An Reiterei soll es den Vertei-
digern von Paris allerdings am meisten fehlen.
— Die „Nordd. Allg. Ztg." erklärt in ihrein
Leitartikel: Nach französischem Staatsrecht ist für
Deutschland die Negierung im Hotel de Ville
vollständig Null. Sie sagt weiter, das Ereigniß
von Laon beweise, daß man mit Leute nicht unter-
handeln kann, die zu solchen Gewalttaten auf-
rufen, sondern nur mit der Regierung, die völker-
rechtlich von uns anerkannt und bereit ist, das

Völkerrecht zu achten. Die N. A. Z veröffent-
licht ferner zwei Aktenstücke, welche den Beweis
liefern über die feindliche völkerrechtswidrige Be-
handlung, welcher deutsche Militärs in Belgien
ausgesetzt waren.
— Alis Paris wird gemeldet: Von Don-
nerstag 6 Uhr Morgens darf Niemand ohne Spe-
zialerlaubniß des Ministers des Innern die Stadt
betreten oder verlassen.
Das Bombardement von M e tz hat in der
Nacht vom 9. zum 10. September begonnen.
— Nach der Erzählung eines ans Lyon an-
gekommenen, vertriebenen Württembergers herrscht
dort die unglaublichste Auflösung. Auf dem Stadt-
hause sind zwei Regierungen: eine rothe und eine
blaue. Jede erläßt Dekrete in Masse, von der
Pariser des Herrn I. Favre n. Gen. will keine
von beiden etwas. Militär ist außer Mobilgar-
den keines in Lyon.
— Thiers Mission besprechend, sagt das
„Jonrn. de St. Petersburg" : Hoffentlich werde
derselbe nach Beendigung seiner Mission Frank-
reich die Ueberzeugung beibringen, welche einer
glücklichen Lösung günstig sei. Hiezu sei erfor-
derlich, daß Thiers selbst manche seiner Tendenzen
und Ueberzengnngen opfere. Dies würde ein
großes Beispiel für Frankreich sein, wo Thiers
Einfluß, wie seine Mission beweist, größer sei,
denn je.
— Der Papst versammelte das diplomatische
Corps, um gegen den Einmarsch der italienischen
Truppen zu protestircn. Letztere stehen einige
Meilen von Rom.

Baden.
* Schwetzingen, 16. Sept. Thiers, der
alte schlaue Fuchs, bereist mit Windeseile die
europäischen Höfe und bettelt um Sympathien und
Allianzen, Favre hofft sogar in der Stunde der
höchsten Noth auf eine Einmischung der nord-
amerikanischen Republik, welche doch
hoffentlich ihre jüngste Schwester in der alten Welt
nicht im Stiche lassen wird und so klammert man
sich in Paris an jeden Strohhalm, an jeden, wenn
auch noch so fernher schimmernden Hoffnungsstrahl
zur Rettung der Stadt Paris vor der „JnvasioiL
oer Deutschen!
Ja, zum Gulnk! Was haben sich die guten
Pariser denn eigentlich unter dem Kriege vorge-
stellt? Als er erklärt wurde, jubelten sie ja und
der Ruf: nach Berlin, nach Berlin! wurde von
den wogenden Menschenmassen tausendfältig ange-
stimmt und bildete das Feldgeschrei der haupt-
städtischen Flaneurs.
„Mit leichtem Herzen" haben die Franzosen
den Krieg unternommen, für sie war es ja selbst-
verständlich, daß die französischen Heere in Deutsch-
land einbrechen und daß deutscher Boden den
Tummelplatz für ihre Kriegsoperationen bilden
würde! Sie haben auf das Kriegsglück gebaut;
es hat sie verlassen — was nun weiter? Sie müssen
sich also auch Hineinsinden in die selbstgeschaffene
Lage! Wir hoffen, daß den Parisern die Kriegs-

lust gründlich v, zkn und ihr Uebermuth exempla-
risch gezüchtigt wwd!
Wir wünschen nicht einmal, daß Feigheit die
Thore von Paris öffnet, sondern daß die Deut-
schen stürmend sich die Wege in das große Ratten-
nest bahnen müssen und diesem übermüthigen
Volke alle Schrecknisse des Krieges zu kosten geben,
damit es endlich empfindet, was es heißt, einen
Krieg vom Zaune zu brechen, für den man keine
besseren Motive hatte, als .den Wahn: besser
gerüstet zu sein, als der übersallene
Nachbar!
Vermischtes.
— Eine eigenthümliche Feldpost ist dieser
Tage vom Kriegsschauplatz abgegangen und zu
Oberwittstadt, A. Boxberg, angekommen. Es war
ein kleiner Luftballon, stark 3 Fuß hoch, aus
wasserdichtein leichtem Stoff gefertigt und mit der
Inschrift versehen:
„koste 8,6rosto,ticiu6.
Lg,1Ion cle pÜLi-mueion.
Ville äe Nein, 9. Le^ternder.
7lN LLllOL."
Ferner war in französischer Sprache unge-
fähr Folgendes zu lesen: „Man bittet den Fin-
der dieses Ballons, die an dem Ballon angehef-
teten Briefe ans der nächsten Post aufzugeben."
Der Ballon war also ein Luftpostillon, der
mit einem Felleisen voll Briefen aus der mit einem
undnrchbrechbaren Waffenring umgebenen Festung
Metz kam und der — gewiß wider Willen des
Postmeisters — ans deutscher, statt auf französi-
scher Erde angelangt ist. Er wurde dem großh.
Bezirksamt Voxberg und von diesem dem großh.
Kriegsministerium übermittelt. Die Briefe, welche
die Luftreise von der Mosel bis zur Tauber ge-
macht haben, sollen im Wesentlichen Privatbriefe
sein. Dem Vernehmen nach ist dem Hauptquartier
des Königs Wilhelm von der Sache Mittheilung
gemacht worden.
Neueste Hopfemrachrichten.
0. L. Nürnberg, 14. Sept. Die Zufuhren
seit letztem Donnerstag betrugen kaum 150 Ballen,
meist halbtrockene Waare und wurden diese täglich
zu billigeren Preisen abgegeben.
Am Samstagsmarkte kaufte man geringe
Markthopsen zu fl. 15 — 18 und bessere zu fl.
20-25.
Mittel Württemberger erzielten fl. 30—36,
dergleichen Prima fl. 36—40. Hallertauer lösten
fl. 30—37. Einige Bällchen Spalter Landhopfen
wurden zu fl. 40 verkauft.
Man glaubte, daß heute starke Zufuhren zu
Markt kommen würden, was aber nicht der Fall
war, denn es wurden nur ca. 300 Ballen herein-
gebracht. — In Folge dessen war die Stim-
mung auch etwas animirter. Man kaufte Markt-
waare zu fl. 18^-25 und Aischgründer zu fl.
27—30.
Prima Württemberger und Badische waren
gefragt und gut zu fl. 35—40 verkäuflich.
(Weitere günstige Berichte von Nürnberg über
den vorerwähnten Marktverlauf liegen uns vor.
 
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