Amts-Serkündigmigsökalt für den Bezirk Schwetzingen.
Badische Hnpsenzeitung.
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Am Vorabend des Plebiscits.
Die urplötzliche Entdeckung einer großen Ver-
schwörung — das hatte grade noch gefehlt, um
den Höllenlärm in Frankreich auf den höchsten
Gipfel gradezu hiuaufzu s ch r a u b e n. Denn wie
wenig immer Diejenigen im Rechte sind, welche
die Affaire Beaury und die Bombengeschichte als
ein Laschenspielerstückchen des Pariser Polizeiprä-
fecten ansehen, — jedenfalls hat die Regierungs-
presfe zum Zwecke der Einschüchterung des Publi-
kums mit ihren Berichten über die verbrecherischen
Plane eine halbe Woche lang maßlos übertrieben,
ohne nur einen sichern Einblick in den wirklichen
Sachverhalt zu haben. Und nun, nachdem die
Stimmung auf's äußerste gespannt ist, tritt die
Regierung selbst auf den Plan, um mit der Ver-
weisung aller, in Paris wie in der Provinz, Ver-
hafteten vor den höchsten Gerichtshof einen Ver-
schwörungsprozeß in größtem Style in Scene zu
setzen. Ollivier selbst schildert in grellen Farben
die drohende Gefahr und proclamirt „energische
Unterdrückung." Daneben unternimmt es der
kaiserliche Procurator, das weitverzweigte Complott
ln seinem ursächlichen Zusammenhänge mit dem
vielberedeten Februarcomplott darzustellen, während
'wiederum Ollivier auf's geflissentlichste hervorhebt,
daß die Regierung den Abschluß der Untersuchung
über dies Februarcvmplol verzögert habe, damit
nicht dessen zufälliges Zusammentreffen mit der
gegenwärtigen Bewegung wie ein Plebiscitsmanö-
ver erscheine; nur die Absicht der Revolutionäre,
diesen Waffenstillstand der Regierung zum äußer-
sten Verbrechen zu benutzen, habe es veranlaßt,
daß man aus dieser Zurückhaltung hervortrete.
Allein, wird die Opposition dem gegenüber nicht
daraus Hinweisen, daß gar kein Grund einzusehen,
weshalb die Regierung, nachdem sie das Verbre-
Einarmig und verbannt.
Novelle v. Friedrich Schödler.
I.
Am Haardtgebuge.
Mein Name ist Wendeland und ich mache in
Stopfer. Kork ist gar nicht so von Holz, wie
man gerne glaubt; er ist einzig in seiner Art
und hat in der ganzen Natur nicht seines Glei-
chen. Womit man lange umgeht, das gewinnt
man lieb — ich schwärme für Kork. Zwar muß ich
offen gestehen, daß ich jahrelang in diesem Artikel
gearbeitet habe, ohne selbst recht zu wissen, woher
derselbe stammt und wie er entsteht. Damals
war ich Reisender für die Firma Rosa Girbal u.
Eomp. in Bordeaux, unstreitig das erste Haus in
Kork. Ich mar beständig unterwegs, ich empfing
meine Aufträge und Muster ohne viel zu fragen
nach wie und woher. Was z. B. die Stöpsel be-
trifft, so hätten die meinetwegen ebenso gut fertig
auf den Bäumen wachsen dürfen wie die Eicheln;
die dicken auf großen Bäumen, die dünnen auf
cheu verhindert, gerade in diesen letzten Ta-
gen var der Volksabstimmung mit ihren doch
immer noch sehr unfertigen Veröffentlichungen
vorging? Werden es die Extremen nicht als eine
Wahleiuschüchternng ohne gleichen bezeichnen, daß
man die Gemüther des Volks mit der heftigsten
Anklage verwirrt, ohne daß vor dem 6. Mai über
die ganze Verschmörnngsangelegenheit auch nur
ein einigermaßen klares Unheil gefällt werden
kann ? Nur allzugut weiß mau, wie in der Pro-
vinz der Complotspektakel bereits kräftig zu Gun-
sten der Regierung gewirkt hat — wird da der
Verdacht eines „gemachten" Complots nicht von
neuem Nahrung finden, wenn die Regierung ihren
höchsten Trumpf ansspielte in einem Augenblicke,
wo die öffentlichen Versammlungen über das Ple-
biscit geschlossen sind und die Presse mit Leichtig-
keit mnndtodt gemacht werden kann?
In der That, der politischen Discussion in
Frankreich ist in den letzten Wochen jeder unbe-
fangene Maßstab verloren gegangen. Wie weit
muß es gekommen sein, wenn der Argwohn eines
so kolossalen Betrugs durch die Regierung, wir
sagen nicht unter den radicalen Republikanern,
nein, selbst unter verständigeren Liberalen so hart-
näckig Platz greisen konnte! Und andererseits,
welche Elemente — ganz abgesehen von den meu-
chelmörderischen Plauen einzelner verworfener Sub-
jecte — haben die öffentlichen Versammlungen die-
ser jüngsten Zeit an's Licht gebracht! Man
meinte noch sehr human zu Verfahren, wenn man
den Kaiser zur Galeerenstrafe verdammte! Dann
die arge Lähmung des gewerblichen Schaffens, die
Vergeudung von Zeit und Geld in wüster Auf-
regung , die endlosen Arbeitseinstellungen, dazwi-
schen die rohcommnnistischen Phantasien der Inter-
nationalen Arbeitergenossenschaft. Was ist natür-
licher , als daß solchen Erscheinungen gegenüber
kleinen. Seitdem habe ich Viel erfahren und ge-
lernt. Man kann Vieles aus Büchern lernen, aber
auch Manches unterwegs.
Eines schönen Juniabends fuhr ich in meinem
Wägelchen von Landau nach Neustadt in der Pfalz
— Gott erhalt's — ich werde später noch mehr
von ihr erzählen. Ach, welch ein Land! Vom
Annweilcr Thal heraus über Neustadt bis Dürk-
heim hin dehnen sich in der Ebene unabsehbar die
Weingefilde, steigen die Hügel hinan, bis in den
oberen Höhen die Rebe der Kastanie ihre Hand
reicht, welche längs des Haardtgebirges einen Wald-
gürtel bildet, während Laub- und Nadelholz seine
Gipfel krönt. Es war die Zeit der Rebeublüthe
und der süße liebliche Dust, welchen die unschein-
bare Blüthe des Weinstocks, gleichwie die beschei-
dene Reseda aushaucht, erfüllte die warme, schwüle
Atmosphäre. Ein dunkles Gewölk stand hoch am
Himmel nach Westen und hinter den Bergen, in
den Tbälern des Westrichs hörte man in kürzer
werdenden Pansen grollend ein Rollen des Don-
ners sich nähern, während von Zeit zu Zeit ein
Wetterleuchten aufznckte. Es war ein starkes Wetter
im Anzug. Der Winzer hat es gern, warn es in
der freisinnige, aber besonnene Bürger die Ord-
nung uni jeden Preis, und sei es selbst durch die
eisernste Gewalt, geführt wünscht?
Gerade darin aber liegt das Geheimniß des
Cäsarismus. Für ihn hat der Abgrund, der sich
soeben gähnend aufgethan, nichts besonders Er-
schreckendes. Im Gegentheile, ist doch von kaiser-
licher Seite von vornherein die Parole ausgegeben,
es bandle sich bei dem Plebiscit um die Entschei-
dung zwischen Freiheit, resp. Ordnung und Revo-
lution. Da kann es nur erwünscht kommen, wenn
diese Parole durch Thatsachen recht deutlich illnst-
rirt wird. — Welche Mittel außerdem von der
gouvernementalen Partei, von der Regierung und
von dem Kaiser selbst angewandt worden, um eine
möglichst große Anzahl bejahender Stimmen zu
erzielen, ist bekannt. Neuerdings ist noch hin-
zugekommen, daß auch das Militär abstimmen soll
und zwar nicht in Gemeinschaft mit den übrigen
Bürgern, sondern abgesondert, unter Aufsicht seiner
Oberen. Auch das Mannöver gehört hierher,
daß der französische Gesandte in Rom von dort
berichten muß, wie sehr eine große Anzahl fran-
zösischer Bischöfe es bedaure, nicht persönlich in
ihren Sprengeln für das Plebiscit wirken zu kön-
nen , ja daß viele von ihnen den Wunsch ausge-
sprochen , es möge ihnen wenigstens gestattet wer-
den, im Verein mit ihren Begleitern ihre eigenen
Stimmen bei der französischen Gesandtschaft in
Rom abzngeben.
Kein Zweifel demnach, daß das Resultat der
Abstimmung vom 8. Mai in seiner Mehrheit auf
Ja lauten wird. Schwerlich aber wird diele Mehr-
heit eine so überwiegende sein, wie bei den Ple-
bisciten von 1851 und 52. Denn nicht allein,
daß die Opposition diesmal ganz andere Anstren-
gungen gemacht hat. auch das ultramontane Ele-
ment, an dem man früher eine so kräftige Stütze
die Rebeublüthe donnert, aber der Biedermann,
den das Wetter ereilt, wird eben naß ohne beson-
deren Nutzen und Vortheil. Dies war wohl auch
die Ansicht eines kleinen Herrn in grünem Röck-
lein und gelblichem Strohhut, den ich von ferne
schon an der großen Blechlapsel als einen Bota-
niker erkannte. Ich konnte bemerken, wie er mehr-
mals bald rechts, bald links einbog, da und dort
suchend sich bückte und jedesmal, so oft das Rollen
des Donners sich vernehmen ließ, stehen blieb und
prüfend mit dem Himmel zu accordiren schien.
Ein etwas stärkerer Schlag gab jedoch endlich den
Ausschlag, denn mit einem Satze sprang er von
einem Abhange herunter auf die Landstraße und
begann in hurtigem Trabe den Weg zum nächsten
Dorfe einzuschlagen. In der That, es war hohe
Zeit; ich zog mein Wetterdach herauf und hörte
alsbald einzelne dicke Tropfen aufplatzen. J h ließ
mein Nößlein rascher laufen und hatte in wenig
Decnnden den kleinen Herrn cingeholt.
„Steigen Sie herein zu mir. lieber Herr," rief
ich ihm zu, „Sie zwingen's so nicht mehr."
„Von Herzen gern," erwiederte der Angere-
dete und mit einer Behendigkeit die ich dem Kleinen.