Vierter Jahrgang.
Dienstag, 3. Mai 1870.
Äinls-Mrkündigungsöl'att für den Bezirk Schwetzingen.
Kadischc Hapsknzcitnng.
Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b l a t t. - Aste Postanstalten „nd Baten nehme:, Bestellungenan. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltene Petitznie oder deren Ranin 3 kr. L » k a l a n z e i g e n 2 kr.
Das Zollparlamenl.
86. Der Berliner Parlamentarismus liegt in sei-
nen letzten Zügen — das ist das Thema, welches
die aminationale Presse zwar schon seit Jahr und
Tag nicht müde wird, in allen Tonarten zu
variiren. ans dessen Behandlung sie sich aber ge-
rade jetzt unter freier Benützung des Motivs, „das
Zollparlament" mit ganz besonderer Virtuosität
geworfen hat. Was Wunder auch wenn vorher
die Koryphäen aus der rothen sowohl. wie ans
der schwarzen Seite zu diesen Deklamationen so
tapfer die Parole gegeben!
Nachdem der Volkspartei erhabenster Prophet,
der große Kolb, seinen linksrheinischen Wählern
in längerem Scheidebriese das Zollparlameut als
einen wahren Ausbund von Verlogenheit und Be-
deutungslosigkeit dargestellt, wie hätte es da in
der fröhlichen Pfalz auf der rechten Rheinseite an
einer gleichen männlichen That fehlen
Das gewaltige Dioskurenpaar Lindau
ergriff die Gelegenheit, einen neuen Hauptschlag
gegen das Vettelpreußenthum zu führen, vernich-
tend, wie gewöhnlich. Hr. Lindau legte sein Zoll-
parlamentsmandat nieder in einem Augenblicke,
wo keine Neriwahl mehr angeordnet werden konnte,
Hr. Bissing schrieb seinen berühmten Brief und
zog der Reise nach Berlin den Aufenthalt in Ra-
statt vor. Es hieße die Zeit mehr als unnütz
verdorben, wollte man über diese Dinge nur ein
Wort ver.ieren ; das Enlrüstungsschreiben des Hrn.
Vissing konnte natürlich seinen mächtigen Eindruck j
aus die hohe Versammlung in Berlin nicht ver-
fehlen , die große Heiterkeit, mit welcher es aus-
genommen wurde. beweist das zur Genüge. Ohne
Zweifel durch diesen bedeutenden Erfolg anfgc-
muntert, hat sich Hr. Bissing bewogen gefunden,
das Parlament noch mit seiner Gegenwart zu be-
ehren , und wir zweifeln durchaus nicht. daß er
noch ganz andere Lorbeeren einsammeln wird, wenn
er demselben erst sein politisches Geheimmittel, den
unsterblichen Witz von der Ueberbrückung des Karls-
ruher Landgrabens oerrathen hat — —.
Allzu offen liegt der wahre Grund, weßhalb
die vereinigten seudal-ultrainontan-demokratischen
Partiknlaristen das Zollparlament als bedeutungs-
los verspotten, am Tage, als daß dies Geschrei
erliste Zweifel an der Haltbarkeit des ganzen In-
stituts erwecken könnte. Weil ihnen die nüchternen,
rein sachliches Debatten keine Handhabe bieten,
uin für ihre abseit liegenden Zwecke Skandal zu
machen, darum hat das Zollparlameut für diese
Herren keine Bedeutung. Immer die alte Ge-
schichte vom Fuchs und den säuern Trauben.
Bedenklicher ist es, wenn auf ehrlich nationaler
Se'te bei der Eröffnung der diesjährigen Zollpar-
lamentssession bie und da ein unverkennbarer
sich gezeigt hat. Freilich eine nur zu
! erklärliche Erscheinung: der früheren Ueberschätzuug
! dieses Instituts folgt jetzt bie Unterschätzung. Die
kühnen Hoffnungen. welche man vor zwei Jahren
auf diese „erste Vertretung der ganzen Nation seit
den Tagen der Panlskirche" setzte, sind nicht in
Erfüllung gegangen. Allein, seien »vir gerecht!
Lag denn in dem Wesen, in der vertragsmäßigen
Grundlage des Zollparlaments überhaupt ein
sicherer Anhaltspunkt, der die Erwartung einer
Umgestaltung desselben zum Vollparl nnent hätte
rechtfertigen können?
Im Norden hat man die Dinge von vorn-
herein nüchterner angesehen. Bereits vor, wäh-
rend und nach der crsten Session sind dort auf
nationaler Seite Stimmen genug laut geworden,
welche die Entwicklungsfähigkeit des Zollparla-
! ments zu einer politischen Körperschaft stark be-
izweiselten, in der vielbesprochenen Competenzer-
dürfen ? ^ Mßmuth
^ Bissing
Verschiedene Wege.
Ein Stücklcin aus der guten alten Zeit
(Schluß.)
Ich kehrte nach Heidelberg zurück und leitete das Nö-
thige zu unserer Trauung ein und als sie vollzogen war,
reisten wir, reich beschenkt von der edelu Dame, bei der
Mariechen seit Jahren gewesen war, an unseren neuen
Wohnort.
Wir haben den schritt nie bereut, lins.re Lage war
eine sorgenlose und glückliche bis heute. Zwar hat uns der
Herr den Kindersegen nicht bescheert, aber unsere Tage hat
er heiter und glücklich sein lassen. Dafür sei er gelobt nud
gepriesen.
In Mannheim sind wir allzeit mit großer Achtung
und Ehrerbietung behände t worden, und in dem großen
Kreise unserer Freunde war die Familie des braven Kaus'
Mannes Reiter die erste und theuerste.
Roch Eins muß ich erzählen, sagte der Vetter.
Mit dem Herrn Ehegcrichtsrath kam ich nie zusammen;
doch grüßte er mich allemal sehr zuvorkommend, wenn er
mir begegnete. Er starb vor etwa sieben Jahren. In der
Todesanzeige stand zu lesen, daß er, da seine ebenso ge-
lehrte als geistreiche Toctordissertation so viele Kenntnisse
verrathen und noch so Schönes habe hoffen lassen, unter,
den vielen Berufsgeschäften, die Zeit nicht mehr habe erübri- ^
gen Tunen, den Schatz seines reichen Wissens der Welt l
durch weitere gelehrte Werke zu erschließen. !
Ich lächelte, als ich das las, und reichte das Blatt
meiner lieben Frau.
Sie lächelte auch und sagte: Dieser säet und Jener
erntet. Aber wie erstaunten wir, als sich in seinem Te-
stament ein Codicill fand, das bestimmte, daß der Herr Or-
ganist Christian Schneider ein Legat von Tausend Gulden
erhalten solle, weil er, der Herr EhcgerichtSraih, ihm viücn
Tank schuldig sei.
Liehst Tu, sagte Mariechen, der Mensch war doch noch
der schlimmste nicht!
Was mein eheliches Leben betrifft, schloß der Vetter,
so ist cs ein heiterer -Frühlingstag gewesen, und der Feier-
abend wird, Gott gebe es, ein heiterer sein, denn ich hoffe, '
wir sollen nicht lange getrennt bleiben.
Sehen Sic, sprach mein Rachbar, als er seine Erzäh-
lung beendet hatte, das ist ein Stück kurpsälzcr Geschichte.
Wenn darum die Leute dies alte Regiment loben, geht's mir
allemal wie ein Stich durchs Herz. Ja, es hatte sein Gutes,
aber es war ganz abscheulich viel Schatten bei dem wenigen
Licht.
Weiterung sogor eine direkte Schädigung der Fe-
stigkeit des Norddeutschen Bundes befürchten zu
müssen glunbten. Duher denn auch gegenwärtig
dort die viel unbefangenere Würdigung der wah-
ren Bedeutung des Zollparlaments.
Und wir sollten meinen, jedes Land müßte
dieselbe erkennen! Wenn der größte Vortheil der
nach der Katastrophe von 1866 vollzogenen Neu-
bildung des Zollvereins darin liegt, daß nicht
mehr wie früher jede, auch die kleinste Reform
durch die Einsprache eines beliebigen Kleinfürsten
verhindert werden kann, sondern durch einfache
Mehrheit im Zollbnndesrathe entschieden wird —
würde da nichl dieser Gewinn znm großen Theile
wieder aufgehoben werden, sobald jede von den
Regierungen beschlossene Reform, etwa mit dem
Nordd. Reichstage und den Landtagen von Bai-
ern, Württemberg, Baden und Hessen getrennt
vereinbart werden müßte? Und hat denn eine
einzige gemeinsame Vertretung der Interessenten
eines gemeinsamen Wirthschastsgeaietes nicht schon
an sich ihre höchst bedeutenden Vortheile vor einer
durch künstliche Schranken zerrissenen? — So
klar liegt die große Wichtigkeit einer Einrichtung,
wie sie im Zollparlameut geschaffen ist vor Angen
daß dieselbe nur von Dem bestritten werden kann,
der die Wichtigkeit der von diesem Parlamente zu
behandelnden Fragen überhaupt bestreitet. Und
mit solchem Unverstände ist eben nicht zu rechten.
Die Frage ist nur die, ob eine wirklich gedeih-
liche parlamentarische Wirksamkeit entwickelt werden
kann von einer Körperschaft, deren Befugnisse sich
nur aus einen abgerissenen Theil der Fiuauzwirth-
schaft und noch dazu nur aus die Bewilligung und
Verwerfung von Einnahmen, nicht aber auch von
Ausgaben erstrecken. Da liegt in Wahrheit die
schwache, ja die gefährliche Seite der ganzen
Schöpfung, gefährlich für das Stenerbewillignngs-
Um aber nach einmal auf meinen Herrn Vetter zu
i kommen, so hatte er eine Vorahnung am Schluffe seiner
z Erzählung ausgesprochen, die ihre volle Erfüllung fand,
l Seine treffliche Frau, mit der er ein Leben wie im Him-
mel schon hier auf Erden geführt, starb zuerst und nicht
volle acht Tage darauf folgte die ganze Stadt Mannheim
dem allverehrtcn Manne zu Grabe. Einen Organisten wie
ihn konnten sic nicht wieder finden.
Knmoristisches.
Es ist eine alte, nicht wegzuleugnendc Thatsache, daß
es auf der Welt keinen ärmeren, bemitleidenswerthercn,
schwerer gestraften und mit größerer Ponitenz behafteten
Menschen gibt, als dcn Gastwirth. Der Schöpfer muß, als
er diese Berufsart bei Erschaffung der Erdbewohner in das
große Buch der einem Jeden vorher bestimmten Schicksale
vermerkte, offenbar in der allerschlechtesten Laune gewesen
sein, sonst gäbe es in der That keine Entschuldigung für
das Inslebenrufen eines Standes, der seinen Mitmenschen
absolut nichts recht machen kann, der, was er auch thut
überall anstößt, über dcn unter allen Umständen raisonnirt
wird, kurz eines Standes, der durchaus und in alle Ewig-
keit Alles, aber auch essectiv Alles falsch macht.
Dienstag, 3. Mai 1870.
Äinls-Mrkündigungsöl'att für den Bezirk Schwetzingen.
Kadischc Hapsknzcitnng.
Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b l a t t. - Aste Postanstalten „nd Baten nehme:, Bestellungenan. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltene Petitznie oder deren Ranin 3 kr. L » k a l a n z e i g e n 2 kr.
Das Zollparlamenl.
86. Der Berliner Parlamentarismus liegt in sei-
nen letzten Zügen — das ist das Thema, welches
die aminationale Presse zwar schon seit Jahr und
Tag nicht müde wird, in allen Tonarten zu
variiren. ans dessen Behandlung sie sich aber ge-
rade jetzt unter freier Benützung des Motivs, „das
Zollparlament" mit ganz besonderer Virtuosität
geworfen hat. Was Wunder auch wenn vorher
die Koryphäen aus der rothen sowohl. wie ans
der schwarzen Seite zu diesen Deklamationen so
tapfer die Parole gegeben!
Nachdem der Volkspartei erhabenster Prophet,
der große Kolb, seinen linksrheinischen Wählern
in längerem Scheidebriese das Zollparlameut als
einen wahren Ausbund von Verlogenheit und Be-
deutungslosigkeit dargestellt, wie hätte es da in
der fröhlichen Pfalz auf der rechten Rheinseite an
einer gleichen männlichen That fehlen
Das gewaltige Dioskurenpaar Lindau
ergriff die Gelegenheit, einen neuen Hauptschlag
gegen das Vettelpreußenthum zu führen, vernich-
tend, wie gewöhnlich. Hr. Lindau legte sein Zoll-
parlamentsmandat nieder in einem Augenblicke,
wo keine Neriwahl mehr angeordnet werden konnte,
Hr. Bissing schrieb seinen berühmten Brief und
zog der Reise nach Berlin den Aufenthalt in Ra-
statt vor. Es hieße die Zeit mehr als unnütz
verdorben, wollte man über diese Dinge nur ein
Wort ver.ieren ; das Enlrüstungsschreiben des Hrn.
Vissing konnte natürlich seinen mächtigen Eindruck j
aus die hohe Versammlung in Berlin nicht ver-
fehlen , die große Heiterkeit, mit welcher es aus-
genommen wurde. beweist das zur Genüge. Ohne
Zweifel durch diesen bedeutenden Erfolg anfgc-
muntert, hat sich Hr. Bissing bewogen gefunden,
das Parlament noch mit seiner Gegenwart zu be-
ehren , und wir zweifeln durchaus nicht. daß er
noch ganz andere Lorbeeren einsammeln wird, wenn
er demselben erst sein politisches Geheimmittel, den
unsterblichen Witz von der Ueberbrückung des Karls-
ruher Landgrabens oerrathen hat — —.
Allzu offen liegt der wahre Grund, weßhalb
die vereinigten seudal-ultrainontan-demokratischen
Partiknlaristen das Zollparlament als bedeutungs-
los verspotten, am Tage, als daß dies Geschrei
erliste Zweifel an der Haltbarkeit des ganzen In-
stituts erwecken könnte. Weil ihnen die nüchternen,
rein sachliches Debatten keine Handhabe bieten,
uin für ihre abseit liegenden Zwecke Skandal zu
machen, darum hat das Zollparlameut für diese
Herren keine Bedeutung. Immer die alte Ge-
schichte vom Fuchs und den säuern Trauben.
Bedenklicher ist es, wenn auf ehrlich nationaler
Se'te bei der Eröffnung der diesjährigen Zollpar-
lamentssession bie und da ein unverkennbarer
sich gezeigt hat. Freilich eine nur zu
! erklärliche Erscheinung: der früheren Ueberschätzuug
! dieses Instituts folgt jetzt bie Unterschätzung. Die
kühnen Hoffnungen. welche man vor zwei Jahren
auf diese „erste Vertretung der ganzen Nation seit
den Tagen der Panlskirche" setzte, sind nicht in
Erfüllung gegangen. Allein, seien »vir gerecht!
Lag denn in dem Wesen, in der vertragsmäßigen
Grundlage des Zollparlaments überhaupt ein
sicherer Anhaltspunkt, der die Erwartung einer
Umgestaltung desselben zum Vollparl nnent hätte
rechtfertigen können?
Im Norden hat man die Dinge von vorn-
herein nüchterner angesehen. Bereits vor, wäh-
rend und nach der crsten Session sind dort auf
nationaler Seite Stimmen genug laut geworden,
welche die Entwicklungsfähigkeit des Zollparla-
! ments zu einer politischen Körperschaft stark be-
izweiselten, in der vielbesprochenen Competenzer-
dürfen ? ^ Mßmuth
^ Bissing
Verschiedene Wege.
Ein Stücklcin aus der guten alten Zeit
(Schluß.)
Ich kehrte nach Heidelberg zurück und leitete das Nö-
thige zu unserer Trauung ein und als sie vollzogen war,
reisten wir, reich beschenkt von der edelu Dame, bei der
Mariechen seit Jahren gewesen war, an unseren neuen
Wohnort.
Wir haben den schritt nie bereut, lins.re Lage war
eine sorgenlose und glückliche bis heute. Zwar hat uns der
Herr den Kindersegen nicht bescheert, aber unsere Tage hat
er heiter und glücklich sein lassen. Dafür sei er gelobt nud
gepriesen.
In Mannheim sind wir allzeit mit großer Achtung
und Ehrerbietung behände t worden, und in dem großen
Kreise unserer Freunde war die Familie des braven Kaus'
Mannes Reiter die erste und theuerste.
Roch Eins muß ich erzählen, sagte der Vetter.
Mit dem Herrn Ehegcrichtsrath kam ich nie zusammen;
doch grüßte er mich allemal sehr zuvorkommend, wenn er
mir begegnete. Er starb vor etwa sieben Jahren. In der
Todesanzeige stand zu lesen, daß er, da seine ebenso ge-
lehrte als geistreiche Toctordissertation so viele Kenntnisse
verrathen und noch so Schönes habe hoffen lassen, unter,
den vielen Berufsgeschäften, die Zeit nicht mehr habe erübri- ^
gen Tunen, den Schatz seines reichen Wissens der Welt l
durch weitere gelehrte Werke zu erschließen. !
Ich lächelte, als ich das las, und reichte das Blatt
meiner lieben Frau.
Sie lächelte auch und sagte: Dieser säet und Jener
erntet. Aber wie erstaunten wir, als sich in seinem Te-
stament ein Codicill fand, das bestimmte, daß der Herr Or-
ganist Christian Schneider ein Legat von Tausend Gulden
erhalten solle, weil er, der Herr EhcgerichtSraih, ihm viücn
Tank schuldig sei.
Liehst Tu, sagte Mariechen, der Mensch war doch noch
der schlimmste nicht!
Was mein eheliches Leben betrifft, schloß der Vetter,
so ist cs ein heiterer -Frühlingstag gewesen, und der Feier-
abend wird, Gott gebe es, ein heiterer sein, denn ich hoffe, '
wir sollen nicht lange getrennt bleiben.
Sehen Sic, sprach mein Rachbar, als er seine Erzäh-
lung beendet hatte, das ist ein Stück kurpsälzcr Geschichte.
Wenn darum die Leute dies alte Regiment loben, geht's mir
allemal wie ein Stich durchs Herz. Ja, es hatte sein Gutes,
aber es war ganz abscheulich viel Schatten bei dem wenigen
Licht.
Weiterung sogor eine direkte Schädigung der Fe-
stigkeit des Norddeutschen Bundes befürchten zu
müssen glunbten. Duher denn auch gegenwärtig
dort die viel unbefangenere Würdigung der wah-
ren Bedeutung des Zollparlaments.
Und wir sollten meinen, jedes Land müßte
dieselbe erkennen! Wenn der größte Vortheil der
nach der Katastrophe von 1866 vollzogenen Neu-
bildung des Zollvereins darin liegt, daß nicht
mehr wie früher jede, auch die kleinste Reform
durch die Einsprache eines beliebigen Kleinfürsten
verhindert werden kann, sondern durch einfache
Mehrheit im Zollbnndesrathe entschieden wird —
würde da nichl dieser Gewinn znm großen Theile
wieder aufgehoben werden, sobald jede von den
Regierungen beschlossene Reform, etwa mit dem
Nordd. Reichstage und den Landtagen von Bai-
ern, Württemberg, Baden und Hessen getrennt
vereinbart werden müßte? Und hat denn eine
einzige gemeinsame Vertretung der Interessenten
eines gemeinsamen Wirthschastsgeaietes nicht schon
an sich ihre höchst bedeutenden Vortheile vor einer
durch künstliche Schranken zerrissenen? — So
klar liegt die große Wichtigkeit einer Einrichtung,
wie sie im Zollparlameut geschaffen ist vor Angen
daß dieselbe nur von Dem bestritten werden kann,
der die Wichtigkeit der von diesem Parlamente zu
behandelnden Fragen überhaupt bestreitet. Und
mit solchem Unverstände ist eben nicht zu rechten.
Die Frage ist nur die, ob eine wirklich gedeih-
liche parlamentarische Wirksamkeit entwickelt werden
kann von einer Körperschaft, deren Befugnisse sich
nur aus einen abgerissenen Theil der Fiuauzwirth-
schaft und noch dazu nur aus die Bewilligung und
Verwerfung von Einnahmen, nicht aber auch von
Ausgaben erstrecken. Da liegt in Wahrheit die
schwache, ja die gefährliche Seite der ganzen
Schöpfung, gefährlich für das Stenerbewillignngs-
Um aber nach einmal auf meinen Herrn Vetter zu
i kommen, so hatte er eine Vorahnung am Schluffe seiner
z Erzählung ausgesprochen, die ihre volle Erfüllung fand,
l Seine treffliche Frau, mit der er ein Leben wie im Him-
mel schon hier auf Erden geführt, starb zuerst und nicht
volle acht Tage darauf folgte die ganze Stadt Mannheim
dem allverehrtcn Manne zu Grabe. Einen Organisten wie
ihn konnten sic nicht wieder finden.
Knmoristisches.
Es ist eine alte, nicht wegzuleugnendc Thatsache, daß
es auf der Welt keinen ärmeren, bemitleidenswerthercn,
schwerer gestraften und mit größerer Ponitenz behafteten
Menschen gibt, als dcn Gastwirth. Der Schöpfer muß, als
er diese Berufsart bei Erschaffung der Erdbewohner in das
große Buch der einem Jeden vorher bestimmten Schicksale
vermerkte, offenbar in der allerschlechtesten Laune gewesen
sein, sonst gäbe es in der That keine Entschuldigung für
das Inslebenrufen eines Standes, der seinen Mitmenschen
absolut nichts recht machen kann, der, was er auch thut
überall anstößt, über dcn unter allen Umständen raisonnirt
wird, kurz eines Standes, der durchaus und in alle Ewig-
keit Alles, aber auch essectiv Alles falsch macht.