Die'ckag, 8. November 1870. Vierter Jahrgang.
Kadisch e H >' pken; eitn n g.
Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beiaab- L o n n L ng s b la t t. - Atir Pastanftalten nnd Boten nehmen Bestellungen an. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltene Petiiznle oder deren Raum 3 kr. Lok a tanzeigen 2 kr.
A u f r u f.
Nachdem sämmlliche Räume des hiesigeu ReservelazarethS, welches zur Zeit 381 Kranke und Verwundete beherbergt,
heizbar eingerichtet sind und unter allen Umständen die Pflege verwundeter und kranker Krieger eine noch für längere Zeit dau-
ernde sein wird, erlauben wir uns. zur Erfüllung unserer umfassenden Aufgabe um fernere Unterstützung an Geld und Victualien
und d. gl. dringend zu bitten.
Besonders erwünscht wären Zusendungen von Sttvvemtoffeu, namentlich Reis, Gerste, Erbsen, Linsen,
Löffeln, Mehl, Schmalz, Schinken, Eier, Weine, Cigarren, Ranchtaback.
Schwetzingen, den 5. November 1870. g
Aiffsichtscommission:
N i ch a r d.
Die Unkenrufe.
6. 0. Das furchtbare Thema „Lötzen" ist
durch die Entlassung Jacoby's aus seiner allerdings
ungerechtfertigten Hast unfern Mißvergnügten aus
den Händen gewunden, bevor sie noch so recht
mit demselben wuchern konnten. Sic sind also
mit ihren Nergeleien wieder auf das weite Feld
des Krieges und seiner unmittelbaren Folgen
angewiesen.
Das Eifern wider die Rückforderung von Elsaß
und Lothringen begann zu erlahmen; die Gründe
waren bereits etwas abgedroschen, man mußte
stärker anftraa.cn. Während die Radicalen in
Deutschland bisher die „Verewigung des Krieges"
nur als eine unvermeidliche Folge dieser Annexion
darstelltcn, hat ein deutscher Haupirepiiblikaner auf
schweizer Boden, Karl Vogt in Genf, heranSge-
funden, daß dieser ewige Krieg bei der ganzen
Maßregel vielmehr die eigentliche Absicht sei.
Tenn, meint er, wenn das dermalige stramme
Militärregiment in Preußen sortbestehen soll, s o
bedarf es des Krieges, zum mindesten der steten
Krigesg e sa h r, und deßhalb ist Bismarck daraus
bedacht, den Frirdensschluß so einzurichten, daß
sich Frankreich bei demselben nicht beruhigen
k a n n. Aber wie ist es da möglich, daß von den
Millionen und aber Millionen annexionsbegeisterter
Deutscher kein Einziger diese Absicht merken sollte ?
Wie kommt es, doß vorwiegend die G e b i l d c t e n
es sind, welche die Rückeroberung des allen Rau-
bes mit aller Entschiedenheit verlangen? Nichts
einfacher — nach H. Vogl — als das: das
hungrige preußische Bcamtcnthnm Hofs! aus die
selten Stellen des Elsaßes — die entschlossene
Forderung der ganzen Nation! Ja, 's ist doch
etwa- Herrliches um den politischen Scharfblick der
Unfehlbaren von 1848!
Ausgiebigeren Stoff indeß, als die Annexion
bietet den Radicalen zur Zeit die deuische Versaß
sungsfrage. So lange man von einem zukünftigen
deutschen Bundesstaate gesprochen hat, sind .als
Grunderfordernisse desselben Centratgewalt, gemein-
sames Parlament und einheitliches Heer betrachtet
worden. Wenn nun heute gemeldet wird, daß das
einheitliche Heer — selbstverständlich unter dem
Oberbefehle des Königs von Preußen — gesichert
sei, so kann das — die volle Wahrheit der Mel-
dung vorausgesetzt — jeden aufrichtigen Patrioten
nur um so mehr erfreuen, als dann jedenfalls das
bisherige Haupthindernis; der nationalen Einigung
beseitigt wäre. Anders aber nrtheilen nufere Ra-
dicalen. Ihnen bedeutet das einheitliche deutsche
Heer nichts als die Besiegelung des preußischen
„CüsarismuS" und der deutsche Staat, welcher sich
ans solcher Basis emporhebt, ist ihnen eine „Gitt-
blüthc" der Heldenthaten unseres Volkes. Nicht
allein in Frankreich — so behaupten sie — die
Freiheit zu erdrücken, sei heute das Bestreben der
Sieger, nein, aus den gegenwärtig in Versailles
abgehaltenen Minisiercouferenzen beschäftige man
sich auch mit der Knechtung Deutschlands, specicll
mit der Vernichtung der Freiheit SnddentschlaiwS.
Man konnte lachen über solch bodenloses Ge-
schwätz, aber es ist doch wahrlich nicht die Zeit
zu Hanswurstiadm. Am allerwenigsten die rothen
Herren selber wollen ihre Einfälle als solche an-
gesehen wissen. Aber was in aller Welt thnt
denn diese erbärmliche Eolerie, die sich mit scham-
loser Verlegenheit deutsche Voikspariei nenn! ?
Wenn sie wirklich Anhang hülle im Volk', warum
tritt sie. und gerade in Lüddcnischtand, in diesem
entscheidenden Augenblicke nicht mit ganzer Mach!
ans den Plan, um ihre Bestrebungen in Ver-
sammlungen und Adressen zur Geltung zu bringen?
Sie weiß, daß sie schmählich dnrchfallcn, daß sie
als ein jämmerliches Häuflein verarmter Schreier
am Pranger stehen würde.
Aber, „was nicht ist, kann werden." Darum
diese unablässigen Unkenrufe aus dem Sumpfe
heraus. Freut sich ein deutscher Patriot des
festen Zusammenschlusses unserer Volkskrast unter
preußischer Führung, so ächzen sie dazwischen ckn
abgestandenes Lied von „Säbelherrschuft" nnd
„Reaction"; lobt man den nngehenchetteu reli-
giösen Zug, welcher angesichts der groß-n Schick-
sale dieses Jahres alle Schichten des deutschen
Volkes durchdringt, als einen Beweis des siu-
iichen Ernstes und der ächten Tiefe des deutscher
Gemnths, so prophezeien sie eine Periode finsteren
Muckerthnms, ja den Untergang der deutschen
Gedankenfreiheit. Nichts ist ihnen zu heilig, daß
sie es nicht anspritzen sollten mit ihrem Geiser.
So, glauben sie, soll die ganze herrliche Volks-
stimmung allmählig vergiftet, zu Mißmuth, Zweifel
und schließlich zu Heller Auflehnung getrieben
weiden.
Sie werden sich arg verrechnen. Statt des
Giftes werden sie unscrm Volke nur einen unüber-
windlichen Ekel einflößen vor dieser Bande theils
Hirnverbrannter, theils moralisch verkommener In-
dividuen, weiche das endlich begonnene Werk des
Wiederaufbaues unseres Vaterlandes zu untergraben
trachten, bloß weil die Weltgeschichte ihre Weisheit
nicht um Rath gefragt hat, oder weil sie keine
Befriedigung ihrer eigensüchtigen Absichten finden.
Und dieser Ekel wird für den künftigen Fortgang
der politischen Volksbildung in Deutschland ein
unschätzbarer Gewinn sein.
I»> Tagesgeschichte.
— Ans Paris, 2l. Ock. wird gemeldet:
Die Bibliotheken sind wieder eröffnet worden Die
Eröffnung der aoole llroit ist ans den 20. No-
vember angesagt. Am 25. Ort. fand auf dem
Montmartre die Explosion einer Bombensabrik
stall, wobei es einen Todten und mehrere Ver-
wundete gab. Diese Voisälle werden die Deut-
sche» zu der falschen Annahme verleitet haben,
daß die Bürger in der Stadt sich bekämpfen.
Lrvchu ist immer noch sehr populär. — 26. Oct.
Megy, der Fahnenträger eines Nationalgarden-
Batmllons ist, wurde vor ein Kriegsgericht gestellt,
weil er sich an seinem Kommandanten vergriffen
hatte. Das Syndikat der Bäcker gab 30,000 Fr.
für Anschaffung einer Kanone. das Gleiche tha:
die Gesellschaft der äe Odrmgs. In den
Theatern finden literarische Matinses statt.
-- Das Angebot eines Waffenstillstandes
unter AusrechrhaUung des Status guo besprechend
bemerkt die „Nordd. Allg. Ztg," : Der Einwand,
daß der drohende Hunger in der Hauptstadt den
Franzosen nicht gestatte, aus das Angebot einzn-
gehen, sei nicht stichhaltig, da nach Angabe der
Belagerten Paris bis zum 15. Dezember hinläng-
lich mit frischem Fleisch versehen sei. Außerdem
sei es nich! nöilllg, daß die Versammlung in Paris
znsammentretk. — Die „Kreuz,ztg." widersprich!
der Anschauung, als wäre es Paris gestaltet, wäh-
Kadisch e H >' pken; eitn n g.
Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beiaab- L o n n L ng s b la t t. - Atir Pastanftalten nnd Boten nehmen Bestellungen an. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltene Petiiznle oder deren Raum 3 kr. Lok a tanzeigen 2 kr.
A u f r u f.
Nachdem sämmlliche Räume des hiesigeu ReservelazarethS, welches zur Zeit 381 Kranke und Verwundete beherbergt,
heizbar eingerichtet sind und unter allen Umständen die Pflege verwundeter und kranker Krieger eine noch für längere Zeit dau-
ernde sein wird, erlauben wir uns. zur Erfüllung unserer umfassenden Aufgabe um fernere Unterstützung an Geld und Victualien
und d. gl. dringend zu bitten.
Besonders erwünscht wären Zusendungen von Sttvvemtoffeu, namentlich Reis, Gerste, Erbsen, Linsen,
Löffeln, Mehl, Schmalz, Schinken, Eier, Weine, Cigarren, Ranchtaback.
Schwetzingen, den 5. November 1870. g
Aiffsichtscommission:
N i ch a r d.
Die Unkenrufe.
6. 0. Das furchtbare Thema „Lötzen" ist
durch die Entlassung Jacoby's aus seiner allerdings
ungerechtfertigten Hast unfern Mißvergnügten aus
den Händen gewunden, bevor sie noch so recht
mit demselben wuchern konnten. Sic sind also
mit ihren Nergeleien wieder auf das weite Feld
des Krieges und seiner unmittelbaren Folgen
angewiesen.
Das Eifern wider die Rückforderung von Elsaß
und Lothringen begann zu erlahmen; die Gründe
waren bereits etwas abgedroschen, man mußte
stärker anftraa.cn. Während die Radicalen in
Deutschland bisher die „Verewigung des Krieges"
nur als eine unvermeidliche Folge dieser Annexion
darstelltcn, hat ein deutscher Haupirepiiblikaner auf
schweizer Boden, Karl Vogt in Genf, heranSge-
funden, daß dieser ewige Krieg bei der ganzen
Maßregel vielmehr die eigentliche Absicht sei.
Tenn, meint er, wenn das dermalige stramme
Militärregiment in Preußen sortbestehen soll, s o
bedarf es des Krieges, zum mindesten der steten
Krigesg e sa h r, und deßhalb ist Bismarck daraus
bedacht, den Frirdensschluß so einzurichten, daß
sich Frankreich bei demselben nicht beruhigen
k a n n. Aber wie ist es da möglich, daß von den
Millionen und aber Millionen annexionsbegeisterter
Deutscher kein Einziger diese Absicht merken sollte ?
Wie kommt es, doß vorwiegend die G e b i l d c t e n
es sind, welche die Rückeroberung des allen Rau-
bes mit aller Entschiedenheit verlangen? Nichts
einfacher — nach H. Vogl — als das: das
hungrige preußische Bcamtcnthnm Hofs! aus die
selten Stellen des Elsaßes — die entschlossene
Forderung der ganzen Nation! Ja, 's ist doch
etwa- Herrliches um den politischen Scharfblick der
Unfehlbaren von 1848!
Ausgiebigeren Stoff indeß, als die Annexion
bietet den Radicalen zur Zeit die deuische Versaß
sungsfrage. So lange man von einem zukünftigen
deutschen Bundesstaate gesprochen hat, sind .als
Grunderfordernisse desselben Centratgewalt, gemein-
sames Parlament und einheitliches Heer betrachtet
worden. Wenn nun heute gemeldet wird, daß das
einheitliche Heer — selbstverständlich unter dem
Oberbefehle des Königs von Preußen — gesichert
sei, so kann das — die volle Wahrheit der Mel-
dung vorausgesetzt — jeden aufrichtigen Patrioten
nur um so mehr erfreuen, als dann jedenfalls das
bisherige Haupthindernis; der nationalen Einigung
beseitigt wäre. Anders aber nrtheilen nufere Ra-
dicalen. Ihnen bedeutet das einheitliche deutsche
Heer nichts als die Besiegelung des preußischen
„CüsarismuS" und der deutsche Staat, welcher sich
ans solcher Basis emporhebt, ist ihnen eine „Gitt-
blüthc" der Heldenthaten unseres Volkes. Nicht
allein in Frankreich — so behaupten sie — die
Freiheit zu erdrücken, sei heute das Bestreben der
Sieger, nein, aus den gegenwärtig in Versailles
abgehaltenen Minisiercouferenzen beschäftige man
sich auch mit der Knechtung Deutschlands, specicll
mit der Vernichtung der Freiheit SnddentschlaiwS.
Man konnte lachen über solch bodenloses Ge-
schwätz, aber es ist doch wahrlich nicht die Zeit
zu Hanswurstiadm. Am allerwenigsten die rothen
Herren selber wollen ihre Einfälle als solche an-
gesehen wissen. Aber was in aller Welt thnt
denn diese erbärmliche Eolerie, die sich mit scham-
loser Verlegenheit deutsche Voikspariei nenn! ?
Wenn sie wirklich Anhang hülle im Volk', warum
tritt sie. und gerade in Lüddcnischtand, in diesem
entscheidenden Augenblicke nicht mit ganzer Mach!
ans den Plan, um ihre Bestrebungen in Ver-
sammlungen und Adressen zur Geltung zu bringen?
Sie weiß, daß sie schmählich dnrchfallcn, daß sie
als ein jämmerliches Häuflein verarmter Schreier
am Pranger stehen würde.
Aber, „was nicht ist, kann werden." Darum
diese unablässigen Unkenrufe aus dem Sumpfe
heraus. Freut sich ein deutscher Patriot des
festen Zusammenschlusses unserer Volkskrast unter
preußischer Führung, so ächzen sie dazwischen ckn
abgestandenes Lied von „Säbelherrschuft" nnd
„Reaction"; lobt man den nngehenchetteu reli-
giösen Zug, welcher angesichts der groß-n Schick-
sale dieses Jahres alle Schichten des deutschen
Volkes durchdringt, als einen Beweis des siu-
iichen Ernstes und der ächten Tiefe des deutscher
Gemnths, so prophezeien sie eine Periode finsteren
Muckerthnms, ja den Untergang der deutschen
Gedankenfreiheit. Nichts ist ihnen zu heilig, daß
sie es nicht anspritzen sollten mit ihrem Geiser.
So, glauben sie, soll die ganze herrliche Volks-
stimmung allmählig vergiftet, zu Mißmuth, Zweifel
und schließlich zu Heller Auflehnung getrieben
weiden.
Sie werden sich arg verrechnen. Statt des
Giftes werden sie unscrm Volke nur einen unüber-
windlichen Ekel einflößen vor dieser Bande theils
Hirnverbrannter, theils moralisch verkommener In-
dividuen, weiche das endlich begonnene Werk des
Wiederaufbaues unseres Vaterlandes zu untergraben
trachten, bloß weil die Weltgeschichte ihre Weisheit
nicht um Rath gefragt hat, oder weil sie keine
Befriedigung ihrer eigensüchtigen Absichten finden.
Und dieser Ekel wird für den künftigen Fortgang
der politischen Volksbildung in Deutschland ein
unschätzbarer Gewinn sein.
I»> Tagesgeschichte.
— Ans Paris, 2l. Ock. wird gemeldet:
Die Bibliotheken sind wieder eröffnet worden Die
Eröffnung der aoole llroit ist ans den 20. No-
vember angesagt. Am 25. Ort. fand auf dem
Montmartre die Explosion einer Bombensabrik
stall, wobei es einen Todten und mehrere Ver-
wundete gab. Diese Voisälle werden die Deut-
sche» zu der falschen Annahme verleitet haben,
daß die Bürger in der Stadt sich bekämpfen.
Lrvchu ist immer noch sehr populär. — 26. Oct.
Megy, der Fahnenträger eines Nationalgarden-
Batmllons ist, wurde vor ein Kriegsgericht gestellt,
weil er sich an seinem Kommandanten vergriffen
hatte. Das Syndikat der Bäcker gab 30,000 Fr.
für Anschaffung einer Kanone. das Gleiche tha:
die Gesellschaft der äe Odrmgs. In den
Theatern finden literarische Matinses statt.
-- Das Angebot eines Waffenstillstandes
unter AusrechrhaUung des Status guo besprechend
bemerkt die „Nordd. Allg. Ztg," : Der Einwand,
daß der drohende Hunger in der Hauptstadt den
Franzosen nicht gestatte, aus das Angebot einzn-
gehen, sei nicht stichhaltig, da nach Angabe der
Belagerten Paris bis zum 15. Dezember hinläng-
lich mit frischem Fleisch versehen sei. Außerdem
sei es nich! nöilllg, daß die Versammlung in Paris
znsammentretk. — Die „Kreuz,ztg." widersprich!
der Anschauung, als wäre es Paris gestaltet, wäh-