Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

DOI Kapitel:
Juni (Nr. 65 - 76)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30183#0293

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
No. 73.

Vierter Jahrgänge


Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g S b l a t t. - Alle Postanstalten und Boten nehmen Bestellungen an. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltcne Petitzeile oder deren Raum 3 kr. L s k a l a n z e i g c n 2 kr.

Tie Gemenrdcwahlen.
Wer den Verhandlungen des letzten Land-
tages über das Gemeindegesetz gefolgt ist, Lee
tonnte wahrnehmen, daß es nicht die leichteste sei-
ner Arbeit war. Es galt die Wiederbeseitigung
der unter dein Einfluß der Verhüllnisse durch
das Gesetz von 1851 in die Gemeindeordnung ge-
kommenen Principien.
Das Gesetz vom 14. Mai über die Verfas-
sung und Verwaltung der Genieinden, wie es durch
die endliche Vereinbarung der drei Factoren, Re-
gierung. erste und zweite Kammer zu Stande ge-
kommen, jetzt vorliegt, ist das freisinnigste Ge-
meindegesctz, welches überhaupt existirl. Die Ge-
setzgebung keines europäischen Landes gewährt der
Gemeinde eine solche Freiheit und Selbstständigkeit
in der Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten;
die Staatsaufsicht ist nach Möglichkeit beschränkt
und tritt nur dort ein, wo wegen Beschränktheit
der örtlichen und Bevölkerungsverhültnisse die
Bedingungen einer genauen Controls fehlen, oder
wo durch notorisch ungeschickte fehlerhafte Verwal-
tung das wirthschaftliche Interesse der Gemeinde
selbst, oder das allgemein sittliche und staatliche in
schwerer Weise gefährdet erscheint. Der Modus,
nach welchem der Bürgermeister und die Mit-
glieder des Gemeinderaths gewühlt werden, ent-
spricht den am weitesten gehenden Forderungen,
welche überhaupt gestellt werden können, und die
für die Wahl des Ausschusses jetzt angmommene
Klasseneintheilung ist eine solche, daß sie im Ver-
gleich mit der seit 1851 bestandenen, kaum noch
diesen Namen verdient. Es hat nicht an Stim-
men gefehlt, welche gegen mehr als eine dieser
Bestimmungen, insbesondere gegen die directe nnd
geheime Wahl des Bürgermeisters und des Ge-
meinderaths, und den Wegfall des Bestälignngs-

ßmarmig und vcrömmt.
Novelle v. Friedrich Schödler.
( S ch l U ß. )
Der Inhalt lautete:
„Verehrter Herr l Mein unglücklicher Va-
ter ist ein Preuße, aber von polnischer Abkunft.
Er begleitete ein angesehenes Amt in Breslau
und wir lebten in guten Verhältnissen. Beim
Ansbruch der polnischen Revolution ging er im
Auftrag nach der Grenze — es war der Weg
zu seinem Verderben. Von polnischen Verwand-
ten wurde er in politische Verwicklungen —
vom Adel zu Trinkgelagen und zum Spiel ge-
zogen. Er erlag den Schwächen, die das Erb-
theil seiner Abstammung waren. Seine Ent-
lassung war die Folge, meine Mmter mit
mehreren Kindern gerietst in tiefes Elend. Ter
Vater trieb sich in Posen umher und sank im-
mer tiefer; eines Tages stürzte er im Rausche
und brach den Arm: mitleidige Menschen nah-
men sich seiner an, er wurde verbunden und

rechtes der Negierung gewichtige Bedenken erhoben,
und beute fehlt es nicht an Stimmen, welche
dieses Gemeindegesetz nicht nur für ein gefährliches
Experiment, sondern geradezu für eine unglückliche,
aut die Dauer nicht lebensfähige Schöpfung er-
klären. Tie Mehrheit der zweiten Kammer, be-
kanntlich fast ganz der nationalliberaleu Richtung
angehörend, welche nach den Stylübungen der
ultramontanen und demokratischen Presse eine so
traurige Rolle spielen soll, war es, welche das
Gesetz gegen den Widerstand theilweise der Re-
gierung, zumeist gegen den der ersten Kammer
durchsetzte.
Wußten denn jene Männer, was sie thaten?
gaben sie sich Rechenschaft über den möglichen Er-
folg ihrer Bestrebungen? — Nun wir denken,
daß wenn in der That ihr eigenes llrtheils- und
Schlnßvermögen sihnen die möglichen Coiisequeuzen
derselben nicht Vor Augen geführt haben sollte,
dieses durch die Entwürfe der Gegner mündlich
und gedruckt in hinlänglicher Weise geschehen sei.
Und dennoch herben sie jes gettan! Sie haben es
gethan in dem Glauben an den gesunden verstän-
digen Sinn der Mehrheit der Bevölkerung, sie
haben es gethan in der Absicht und Hoffnung,
auch diejenigen, welche bisher gegen alle öffent-
lichen Angelegenheitelt, insbesondere gegen das
Gemcindewesen sich nur passiv und gleichgiltig ver-
halten haben, aus ihrer behaglichen Ruhe aufzu-
rütieln, sie waren sich bewußt, ein freisinniges
Gesetz machen zu wollen für eine Bevölkerung,
von welcher sie voraussctzlen, daß sie die Freiheit
ertragen und vernünftigen Gebrauch davon machen
könne; an dieser wird es sein, den Beweis zu
führen, ob diese Hoffnungen gerecht oder ob sie
illusorisch waren.
Der Gemeindeverband ist seinem innersten
Wesen nach ein wirthschaftlicher, und wann und

den Arm in der Schlinge, nach einem Wirths-
hause gebracht. Ein Reisewagen hielt grade
vor demselben nnd ein Herr, in kostbare Pelze
gehüllt, war im Begriff einzusteigen. Als er
den Verwundeten erblickte, fragte er polnisch:
„Sie sind ein Pole?" — „Ja wohl," lautete
die Antwort. „Flüchtling und verwundet?" —
„Ter Arm ist hui", sagte mein Vater. „Neh-
men Sie, was ich entbehren kann," fuhr der
Fremde fort, „aber seien Sie getrost, Sie wer-
den keine Noth lüden. Man wird das Unglück
ehren, wenn es sich zeigt." Mit diesen Worten
übergab ihm Fürst Ezarwrisky, denn dieser war
es, euie Börse mit zwanzig Pistolen und bestieg
seinen Wagen. Dieses Gold, diese Worte be-
stimmten die Rolle meines Vaters — Sie
kennen dieselbe — ach — und noch hat er sie
nicht ausgespielt. Er nahm sogar die Jugend
seiner Kinder zu Hilfe, um auf die Rührung
guter Menschen zu specnliren, und ich als das
jüngste war das letzte Opfer.
Urlheilen Sie nun, aber verurtheilen Sie
mich nicht. Mein Loos war unaussprech-
lich elend. Doppelt schmerzlich empfand ich es,

wo immer noch allgemein politische Tendenzen im
Gemeindehaushalt sich vorgedrüngt haben, hat es
jedesmal zum Schlimmen geführt. Wahrung der
Selbstständigkeit nach jeder Richtung, richtiges Anf-
sassen zeitmäßiger Bedürfnisse unter Einhaltung
kluger Sparsamkeit und strenger Ordnung, in diese
Worte läßt sich die Aufgabe der Geiueindever-
waltuugsbehörden zusammenfassen. Wir stehen
im Begriff, diese Behördm nach dem neuen Ge-
setz neu zu bilden; es gilt — sich über die Na-
men der Männer zu verständigen, welche den
Wählern vorgeschlagen werden sollen. Es ist
Zeit, daß man sich sammele, „Herunter von dem
Rathhause mit den Leuten von bisher, und hin-
auf die Männer des Volkes", so schreiben die
Blätter einer Partei, welche in einer bestimmten
Frage ihren Willen nicht durchsetzen konnte; —
prüfet die Vorschläge, die man euch macht, so
lautet unser Rath, seht zu, ob nicht, Eitelkeit,
Phrasenmacherei oder einseitige Parteisucht mit
unterlaufe, seid bestrebt, von der gebotenen Frei-
heit einen verständigen, dem Geiste des Gesekes
entsprechenden Gebrauch zu machen, damit nicht
die düstern Prophezeihungen der Gegner von dessen
Unhal-barkeit ei itreten Vor Allem sage Niemand :
— „es wird auch ohne mich gehen" — sondern
es erfülle Jeder seine öffentliche Pflicht, die Unter-
lassung derselben müßte sich emvfindlich rächen.
Baden.
Schwetzingen, 22. Juni. Gestern fand
nach Ablauf der gesetzlich n Dienstzeit des Bürger-
meisters Lindner in Brühl eine Neuwahl daselbst
statt. Von 182 Wahlberechtigten haben 170 ihre
Stimmen abgegeben nnd fielen davon 166 auf
Gemeinderath Wilhelm Eber. Diese glänzende
Wahl darf als eine ersprießliche für die Gemeinde
betrachtet werden, da Wilhelm Eder, früher Be-

wenn gute und edle Menschen mir ihre Theil-
nahme gewährten. Auch Sie, inein verehrter
Herr, haben mir eine seltene Ehre bewiesen;
denn die Theilnahme, welche gewöhnliche Män-
ner mir erzeigen mochten, war geeignet, mich
mit Schrecken zu erfüllen.
Noch gedenke ich jener Stunde, wo ich mit
Ihnen den Tom betrat, wo ich flehte zur
Mutier Gottes, um Erlösung für mich und um
eine gesegnete Zukunft für Sie; ach — welch
ein Vertrauen hatte ich zu Ihnen gefaßt —
Alles hätte ich Ihnen enthüllen mögen, um
meiner innern Rechtfertigung willen, nnd doch
— wie könnte ein Kind den eigenen Vater
verrathen!
Und daß grade Sie das entsetzliche Ge-
heimnis; entdecken, daß Sie sieh mit berechtigtem
Abscheu wegwenden mußten, dies vollendete
mein Unglück. Eine Aenbernng mußte eintrc-
ten. Ich erklärte den Vater meinen unbeug-
samen Entschluß, ihn in dieser Rolle nicht län-
ger zu begleiten. Er schlug mich und trat
mich mit Füßen, aber ich blieb beharrlich; er
mußte mich hierher zur Mutter und den Schw^
 
Annotationen