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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

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Juli (Nr. 77 - 90a)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30183#0325

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Dienj'iag, 12. Auii 1870. ^o. ^>1. VieUcv ^ahiglulg.


Amts-H'erliündiguttgsölatt für de» Aezirir Schmetzingcn.

Kadis ch r K apfrn; ritu n g.

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe ^ o n n t a g s b l a t t. — Alle Postanstalten »nd Boten nehmen Bestellungen an. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dceigespaltenc Petitzeile oder deren Raum 3 lr. Lskalanzeigen 2 kr.

Wie sich die „katholische Volkspar
tei" mit der Unfehlbarkeit abfindet.
Es ist nicht lange her. daß wir einmal ge-
zeigt haben, wie die Leiter der s. g. katholischen
Volkspartei in Baden über ihre Stellung zmm
Krage der päpstlichen Unfehlbarkeit ein auffallendes
Stillschweigen beobachteten, wie höchstens der „Pslz.
Bote" von Zeit zu Zeit, zur Beschwichtigung der
besorgten Gemüther seiner Getreuen, eine „Fassung"
des Dogma's in Aussicht stellte, welche alle Par-
teien befriedigen sollte. Wo ist diese „Fassung"
geblieben? Wenn je ein wirkliches Compromiß
zwischen der Mehrheit und der Minderheit des
Concils möglich gewesen wäre, so hätte das uner-
wartet oppositionelle und doch vermittelnde Auf-
treten des Cardinals Guidi das Signal dazu geben
müssen. Man weiß indeß, daß derselbe an aller-
höchster Stelle statt Dankes den bittersten Tadel
geerntet hat. Neuerdings schrieb nun auch eines
der offfciösen Organe der römischen Curie: Es
gibt noch immer eine Anzahl wahrer Esel, welche
von der Versöhnung sprechen wie von einer Sache,
welche leicht zu bewerkstelligen wäre." Angesichts
einer so offenen Sprache von der eignen Seite
konnte der „Pfälzer Bote" unmöglich wagen, au
seiner elenden Ausflucht von der „befriedigenden
Fassung" noch länger sestzuhalten. Unentschiedenes
Schwanken aber konnte im gegenwärtigen Augen-
blick auch nicht mehr frommen; es war höchste
Zeit für die Häupter der katholischen Volkspartei,
Farbe zu bekennen. So wurde denn die Parole
ausgegeben.
Bezeichnend ist es, daß der Tllkan und Ab-
geordnete Lender — ohne Zweifel der politisch
befähigtste unter den ultramoutanen „Führer" —
dem harrenden Volke dieselbe zuerst offenbaren
mußte, — bezeichnend besonders durch die Art,

Aie deutsche Konversationsstunde.
Novelle von P. Würz.
(Fortsetzung.)
2,
Ter arme Studiosus, der sich niemals in der
Naturlehre zurecht gefunden batte, antwortete ver-
zagt: „Ganz aus denselben Ursachen, aus denen
sie im Sommer entstehen."
„Aber", fuhr Marie fort, und der Studiosus
sah das Schreckliche schrittweise kommen, „aber
Sie sind heute recht unartig, Sie zwingen mich,
meine noch größere Unwissenheit einzugesteben; ich
weiß nämlich nicht einmal, aus welchen Ursachen
sie im Sommer entstehen, geschweige im Winter.
Nachdem Sie meine Demüthigung gesehen, bitte
ich, daß Sie mich gütigst belehren wollen."
Waldcn war aus sieben Himmeln gefallen,
er wußte von der fraglichen Sache gerade so viel,
wie seine Schülerin, und entschloß sich endlich zu
der Antwort: Man wisse es augenblicklich gar
nicht genau, die ylte Theorie sei als unhaltbar

wie er es that. Auf einer feit Wochen mit großen!
Eclat vorbereiteten s. g. Katholikenversammlnng
am Sonntag, 3. Juli, in Gengenbach erging er
sich zunächst in einer neuen Erzählung des alten
Mührchens von den „demokratischen" Zielen der
i tath. Volkspartci, und das in einer Weise, die den
republikanischen „Mannh. Anzeiger" zu einem wah-
ren Dithyrambus ans den Mann hingerissen hat.
Alsdann wurde der versammelten Menge von den
kleinen Geistern eine Resolution vorgetegt, deren
erster Theil unbedingtes Vertrauen ans die unter
der Erleuchtung des heil. Geistes tagenden Väter
des Concils, unbedingte Unterwerfung unter ihre
Beschlüsse decretirte. Nachdem dieselbe angenom-
men war, erhob sich wiederum H. Lender, um
(nach dem Referat des „Mannh. Anz.") zu con-
statiren, daß d>e Resolution nicht unter seiner Mit-
wirkung abgefaßt sei. „Er selber sei persönlich
gegen die Unfehlbarkeitserklärung des Papstes und
hätte es lieber gesehen, diese Frage wäre den Bi-
schöfen nicht vorgelegt worden. Allein, wenn die
Kirche beschlossen habe, so müsse gehorsamt werden
wenn inan nicht nustreten wolle." Alsdann er-
goß sich der Redner von Neuem iu einen Strom
der rothesten Phrasen, um die eben gereichte bittere
Pille durch demokratische Süßigkeiteu schleunigst ver-
gessen zu machen.
In der Tbat eine Komödie, wie sie schlauer
nicht Hütte ersonnen werden können. Uni die
Glorie des Lenderschen Freimuths noch intensiver
zu machen, berichtet der „Mannh. Anz." noch
obendrein, die Resolution sei hinter Lenders Rücken
eingeschoben worden. Wahrhaftig, man muß sich
einer unverwüstlichen Naivität erfreuen, um ans
einen solchen Gedanken zu kommen. Oder hat H.
Lender auch nur im Geringsten etwas von der >
Resolution Abweichendes gesagt? Alle Achtung^
wenn er etwa für den Fall der Verkündigung des

Uasehlbarkeitsdogma's seinen Austritt aus der
römisch- katholischen Kirche in Aussicht gestellt,
uud wenu er seine Zuhörer zu dem gleichen Schritte
ermnthigt hätte. Wer solches aber im Ernst von
H. Lender erwarten wollte, würde dem Gelächter
des ganzen Lande verfallen. Er würde voraus-
setzen, daß H. Lender ans tiefster Ueberzengung
dein Glauben an die persönliche Unfehlbarkeit wider-
strebe, während er selbst sich doch nur für einen
Gegner der Unfehlbarkeit? erklürung gehalten
wissen will, d. h. für einen Parteigänger der Kette-
ler uud Eons., deren ganze Opposition darin ihren
Grund hat, daß sie von der Verkündigung des
Dogma's bei dem jetzigen Bilduugsstaude des deut-
schen Volkes eine bedenkliche Beeinträchtigung ihres
Ansehens, ihrer Macht befürchten.
Das also ist die ganze Weisheit dieser katho-
lischen Bolkspartei gegenüber dem unglaublichen
Glaubenssätze: Die Minderheit hat sich der Mehr-
heit in unbedingtem Gehorsam zu fügen. Freilich
meinen die Herren sich vollständig salvirt zu haben
wenn sie daraus Hinweisen, daß die gleiche Maxime
das eigentliche Fundament aller, auch der liberal-
sten coustitutiouelleu Staatswesen sei. Aber hat
man je eine abgeschmacktere und unwahrere Ver-
gleichung gehört? Der Staat berührt fast nur die
äußere n Lebensverhältnisse; wer sich in staat-
lichen Dingen der Mehrbeit unterwirft, behält doch
seine freie politische Ueberzengung. Die Tätig-
keit der Kirche aber gilt der Pflege der inne li-
cht e n Gefühle, der heiligsten Ueberzeu-
! g n ii g e n. Uud iu solche n Fragen verlangen,
i daß mau sich der Mehrheit unterwerfe, d. h. daß
mau sich von Anderen eine Ueberzengung dictiren
lasse, von der mau selbst nicht überzeugt ist —
das ist entweder ein Unsinn oder die unerhörteste
Tyrannei. Unerhört — denn in der katholischen
Kirche ist es von uralten Zeiten her die Tradition

verwiesen, und eine neue noch nicht allgemein an-
erkannt.
Bei diesen Worten trat die Professorin ein,
welche unbemerkt seit einer Viertelstunde an der
Thür gestanden hatte. Sie verzog den Mund zu
einem sehr kritischen Lächeln, blieb aber sonst
stumm. Meine schien noch etwas aus den Lippen
zu haben, unterdrückte es aber, als sie die Ge-
bieterin sah.
Daraus ersuchte Walden noch seine Schülerin,
bis zur nächsten Stunde einen Brief au eine Freun-
din zu schreiben; den Inhalt überlasse er ihr, sie
möge schreiben, was sie wolle. Das Gewitter war
uuterdeß vorüber, er empfahl sich. „Wie schreck-
lich", sagte er, als er auf der Straße war, „daß
das Mädchen kein Herz hat."
„Dummkopf", fuhr er nach einer Weile fort,
sich au die Stirn schlagend, „was könnte es dir
auch nützen, wenn sie eins hätte; sie wird wohl
eins haben, nur für dich, armen Studenten nicht."
Wie er so mit Selbstgesprächen und Selbst-
bcstrafung beschäftigt dahin ging, begegnete ihm
ein befreundeter Student.
„Höre", sagte dieser, „wie siehst du au-?

Du kommst mir vor, als kämest du direct vom Hän-
j gen oder gar vom Häugeugewordeuseiu; keim
! Spur vom alten Leben, das sonst durch deim
j Adern floß, uud pfui! der philiströse Hut! Com-
i Million, was fehlt dir?"
„Was mir fehlt", antwortete Walden, „das
j läßt sich nicht genau beschreiben, es ist so ein all-
j gemeiner, nicht recht greifbarer Kummer, es ist
Verdruß über zerplatzende Seifenblasen, Aergcr
über nicht haltbare Luflschlösser, Seufzer üder
wunderschöne, nute,gehende Ideen."
„Sprich den Unsinn nicht weiter, ich merke
schon wo es d'.r fehlt, du bist absolut uud schlecht-
hin verliebt, uud kommst von einem Gauge, wo
du dir nichts als Zweifel geholt hast; alter Freund,
junges Blut ! laß fahren, was Liebe heißt, komm,
geh mit mir."
„Wo gehst du hin?"
„Geraden Wegs iu die Kneipe; wir kommen
bei deiner Wohnung vorbei, da legst du den Hut
von Seide ab, setzest dein Cerviskäppchen aus,
steckst die Pfeife iu den Mund uud ergibst dich
meiner Leitung. Ich bin zwar kein Mediciner,
aber vielleicht kann ich dich doch heilen, wn. ich
 
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