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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

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März (Nr. 26 - 39)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30183#0137

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Samstag, IS. März 187». 8». 34. Vierter Jahrgang.


Amts^DerLiündiguuqsötalt für den Bezirk Schwehittgen.

Badi! cht H l> p s c n) e it n n »i

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b la t t. — Alte Postanstalten und Boten nehmen Bestellungenan. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltene Petitzeile oder deren Ranin Ü lr. L s k a l a n z e i g e n 2 kr.

^ N n n d s ch a u.
Unter den Patrioten im bairischen Landtag
ist eine Spaltung ansgebrochen, die zu einer j
Schwächung der Partei fuhren muß Den ultra- ^
montanen Heißspornen geht nämlich die Entwicke- !
lung der Dinge nicht rasch genug non statten, !
weßhalb sie sich mit ihren seitherigen Bundesge- !
nosseu entzweit haben.
Die Universität München ist durch eine von!
Rom ergangene Weisung für Theologen einfach!
„geschloffen" worden. Freilich, wo ein Döl-
linger wirkt, könnte sich „die Milch der from-
men Denkungsart in gührend Drachengift ver-
wandeln"!! Das ist also ein Beispiel von jener ^
vielgepriesenen Unterrichts- und Gewissensfreiheit,
die der Pfälzer Bote so eifrig befürwortet? !
Die Verhandlungen zum Bau der Gotthardt-
bahn nehmen einen lebhaften Fortgang. Die schwei-
zerischen Comiteemitglieder sind in Berlin, wo sie
dieser Tage in mündliche Unterhandlungen mit den
leitenden Persönlichkeiten traten. — In unserer
Zweiten Kammer wurden bereits 3 Millionen
Franken zur Herstellung dieser wichtigen, für Ba-
den und den Norden so werthvollcn Linie ver-
willigt.
Graf Bismarck hat den ReichStagsinitgliedcrn
seine Salons wieder geöffnet und er soll recht
„gemüthlich" und zwanglos mit den Herrn Ver-
kehren. Mit Ausnahme der Polen und Socialisten
erscheinen sümmtliche Partheicn.
Im Schooße des französischen Ministeriums
sollen wegen der Conzilsfrage Differenzen herr-
schen, welche zu einer Ministerkrisis führen können.
Ollivier verlangt, daß Frankreich, selbst wenn
eine Einladung von Rom ergehe, beim Conzile
nicht vertreten werde, D aru dagegen will einen
außerordentlichen Botschafter nach Rom senden,

welcher gegen die Unsehlbarkeitserklärnng Verwah-
rung einzmegen Hütte. Der Kaiser soll die Ansicht
Ollwiers theilen und sich überhaupt verletzt füh-
len, daß ans die längst abgegangene Note noch
keine amtliche Rückantwort von Rom eingelan-
fen ist.
Graf Montalembert, der eifrige, aber freisin-
nige Katholik Frankreichs ist, nachdem er noch in
den letzten Tagen seine Stimme warnend gegen
die Jnfallibilitätserkiürung erhoben hat, aus den
Reihen der Lebenden geschieden.
D>e Humanität des Kaisers aller Reußen kennt
keine Grenzen mehr. Jetzt erlaubt derselbe den
Polen sogar, sich im Gebete — im Gespräche
mit ihrem Gott — der polnischen Sprache zu be-
dienen. Wenn den Polen um solcher Nachgiebig-
keit willen nur nicht wieder der Kamm schwillt!

Baden.
* Schwetzingen, 19. März. Der Pfälz.
Bote nennt in einer Correspondenz „Vom Neckar"
den Beschluß der Zweiten Kammer der Landstände
hinsichtlich der Aoschaffung der Todesstrafe eine
„erschlaffende Seite des Hu m a n i s-
m u s, w c l ch e u n s e r e d e u t s ch e, liberale
Partei be h e r r s ch t" und sucht aus Beispielen,
die er aus Californien und Peru herbeiholt zu
beweisen, daß die Todesstrafe das einzige Miltel
zur Abschreckung sei.
Freilich, wenn unsere Zustände den wilden und
, ungezügelten Sitten jener Goldländer gleichkümen,
wenn bei uns der Mord ein so alltägliches Ver-
brechen wäre, wie ec in den Zeiten der ersten
Ansiedelungen und auch späterhin war, selbst jetzt
noch zum Theile in jenen Landstrichen ist, so
i ließe sich die Sicherheit der Gesellschaft nur durch
> das strikte Wiedervergeltungsrecht erkaufen.

Einen Vergleich zwischen jenen und unteren
Zuständen zu ziehen und aus diesem die Anfrecht-
erhaltung der Todesstrafe auch bei uns rechtfertigen
zu wollen, ist jedoch einfach eine — barbarische
Lächerlichkeit!
Der Pfälzer Bote stellt unserer Bevölkerung,
mit der er ja bekanntlich in recht intimen Bezie-
hungen zu stehen, vorgibt, ein schmähliches Zeug-
nis; aus, wenn er dieselbe mit dem Abschaum
der Menschheit, mit caliiornischen Abenteurern,
Mördern und Dieben auf gleiche Linie stellt und
nur in der Ausübung der Todesstrafe das Schreck-
mittel gegen schwere Verbrechen erkennt. —
Viel näher liegt übrigens die Vermulhung,
daß der edle Pfälzer, getreu dem Principe des
Stillstandes und Rückschrittes einfach deßhalb für
die Todesstrafe schwärm:, weil sie ein Ueberbleibsel
mittelalterlicher Barbarei ist und er den „falschen
Fortschritt" und den „falschen Humanismus" unse-
rer Zeit eben unerbittlich befehdet.
Möge er auf seinem blutwürstigen Standpunkte
bleiben, es muß ja auch solche Käuze geben; ja,
wir zweifeln sogar nicht, wenn die Folter heule
noch bestünde und deren Aoschaffung von den bö-
sen „Liberalen" verlangt würde, daß der Pfälzer
Bote auch für dieses entsetzliche Institut vergange-
ner Zeiten die Lanze einlegen würde.
Karlsruhe, 15. März. Die Erste Kammer
hat heute den zwischen Baden und dem Nordbunde
abgeschlossenen Staatsvertrag wegen wechselseitiger
Gewährung der Rechtshilfe angenommen; ebenso
wurde angenommen der Gesetzentwurf über die
Wahlbezirke für die Wahlen zur zweiten Kammer.
Die Berathung des Gesetzentwurfs, Abschaffung
der Todesstrafe betr., wuroe wegen Unwohlseins
des Berichterstatters Geg.-Rath Dr. Hermann aus
die nächste Sitzung verschoben. — In der Zweiten
Kammer wurde der Gesetzentwurf angenommen

Geschichte eines alten Wandnren-
wachtmeisters.
Es war eine schöne goldene Zeit Anna 17— so nnd
so viel, als Maria Theresia noch regierte nnd in Ungarn
alle Lebensmittel so wohlseil waren, daß es das gelobte
Land mit Recht genannt werden konnte, als das Rindfleisch
noch 5 Kreuzer kostete und wer, zu 1 Kreuzer per Halbe,
fünf Halbe Wein trank, die s chste Halbe gratis bekam, wo
man in manchem Dorfe die Spanferkel wie die jungen
Hunde und Katzen ersäufte, weil man sie weder aufessen
noch verkaufen konnte. — Aber Eines stand damals 17—
u. s. W. noch aufrecht, das hochnotpeinliche Gericht, seine
taktmäßige nach den spanischen Jnquisitionskunststücken mit
allen Nebcnprapisstückchen erlernte und schauerlich gehand-
habte Prozedur; der Wahn stand noch nuverrückt in alter
Kraft: es sei unmöglich einem verhärteten Bösewichte oder
einer noch rasfinirtere» Spitzbübin die Wahrheit herauszu-
bringen ohne Taumschrauben, Ohrenzwickcru, Nasendrücker»,
Glüheisen, Streckmaschinen, Spitzengürteln, Schwefel und
Pech, und wie sie alle nur heißen mochten, diese sinnreichen
schönen Ersuiduugen der peinlichen Examina, spanischen Rc-

ligionseifers und henkerischer Mordlust — mit einein Wort
die Folter, schöner gesagt, die Tortur, stand noch in alt-
herkömmlichem, altehrwürdigein Ansehen unangetastet da,
— diese eiserne Jungfrau der Gerechtigkeit, die mit eiskaltem
G.blute, mit nimmcrsattem Blutdurstc tausende Opfer ver-
schlang, theils zur Ehre Gottes, theils zur Ehre und Sühne
der blinden Frau Justitia, die mit verbundenen Augen,
Schwert und Wage handhabend, allerorts zu sehen war auf
ungarischen KomitatShäusern und österreichischen Stadtgc-
richtsbalkonen.
In diese glückliche unglückliche Epoche aber füllt meine
Erzählung, die mir ein steiualter Paudureu-Wachtmeistcr,
ein Veteran aller Komitats-Panduren, weiland ein Virtuose
in Handhabung des Stockes und Karbatsches erzählte.
Die Erzählung soll mein alter Laczy der Kerkermeister
erzählen, ich bediene mich fast ganz seiner Worte und be-
ginne :
„'S war ein Oberstuhlrichter, mit Namen Farkas
Jmre, ich war damals noch ein junger Pandur, der Ober-
stuhlrichter also war ein Lateiner wie kein zweiter im Ko-
miiate, vielleicht nicht in dreien, ein Jurist, der dem Schur-
ken bis auf den Grund des Herzens sah, und dem der
verstockteste Bosewicht nicht mehr auskonntc, hatte er ihn
einmal in seinem Examen, ein Mann unbestechlich, gerade,

streng und dennoch voll Menschlichkeit, so weit es die hohe
Justiz erlaubte.
Dieser alte FarkaS hatte einen Knecht, einen Kutscher,
der eb.n so gut vierspännig fahre», als die wildeste» Wild-
fäugc beritten machen konnte, übrigens den Garten der
Frau Siuhlrichterin zu einem Paradies umgcschaffen hatte,
auch in der Küche ein tüchtiges kunstfertiges Individuum
war und sonst von der Fischerei, der ^agd und dem Ge-
wchrputzcn Manches wußte, aber der Gottlieb war trotz
seiner Lage, so als halber Leibeigener ein wunderlicher Kauz
in seinen Ideen und er war doch nicht adelig, sollte also
konsequent gar keine Ideen, viel weniger einen eigenen Wil-
len haben; er war fünfzig Jahre so zu sagen voraus, nicht
ganz so biegsam wie ein Kutscher nach dem Lorbilve seiner
laugen Peitsche sein sollte, unv manchmal un offenen Wi-
derspruche mit althcr ömmlichrn Gebräuchen, Sitten unv
Unsitte».
Zu welcher Sekte er sich eigentlich bekannte, konnte
mau nie recht erfahren — er betete in einer katholischen
Kirche cd.» so audächüg und hörte dem Pfarrer der katho-
lischen Gemeinde eben so aufmerksam zu, wie dem Pastor
der augsburgischei, Kousission in der Wohnortsgcmcinde
seines Herrn.
Das beirrte seinen gestrengen Gnädigen durchaus nicht,
 
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