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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

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April (Nr. 40 - 51)
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No. 40.

Vierter Jahrgang.

Samstag, 2. April 1870.


Ämts-M'rküildiijimgsl'tatl für den Bezirk Schwetzingen.
Kadischr Hr> p? rnfciiniig.

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b l a t t. — Alle Postanstalten und Boten nehmen Bestellnngenan. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.j
Inserate die dreigespaltene Petitzeile oder deren Raum 8 kr. L i- k a l a n z e i g e n 2 kr.

Die Lage in Württemberg.
(Schluß.)
L6. Das wäre also ein vollständiges Nachge-
ben der Regierung. Allein, die Sache liegt an-
ders. Nicht allein auf eine Aenderung der mili-
tärischen, sondern auf eine solche der politischen
^Stellung der Regierung war es von der großdeutsch-
demokratischen Liga abgesehen. Ganz Anderes,
als möglichst große Ersparnisse lag in dem Anträge
der Fünsundvierzig; das Kriegsdienstgeseß von
1868 sollte abgeschasft, der Alliauzvertrag mit
Preußen bedeutungslos gemacht, womöglich ganz
beseitigt werden. Unter diesen Umständen liegt
allerdings der Schwerpunkt der Antwort, die auf
die dreimonatliehe Bewegung gegeben worden, we-
niger in den Versprechungen der Negierung, als
in den Personen der neuen Minister. Und nach
dieser Seite hin ist Succow freilich die deutlichste
Antwort, die in Stuttgart überhaupt gegeben wer-
den konnte. Mag es dem neuen Kriegsminister
vielleicht gelingen, ein Wunder der Sparsamkeit
zu leisten — daß das Princip der gegenwär-
tigen Heeresorgauisation und damit die Gegenbe-
dingung eines wirksamen Allianzverhältnisses mit
dem Nordbunde ausrecht erhalten bleibt, dafür ge-
währt Succow's Vergangenheit die sicherste Bürg-
schaft.
Was wird nun von -Leiten der Opposition
geschehen ? Möglich, daß die Zahmeren unter den
Großdeutschen angesichts der Erklärung des Staats-
anzeigers, daß die Regierung die Selbstständigkeit
Württembergs wahren werde, mit Varnbüler wie-
der Frieden zu machen suchen; die Volkspartei
indeß wird schwerlich darauf verzichten, das Land
in eine neue und vielleicht etwas weniger harm-
lose Aufregung zu stürzen. Welche Stellung die
Regierung dem gegenüber einzuuehmen gedenkt.

scheint in der Person des neuen Ministers des
Innern angcdeutet zu sein.
Wir sind weit davon eimfernt, uuserm Nach-
barstaate eine Epoche des Absolutismus zu wün-
schen; sockle sie aber kommen, so mag sich das
würtiembergische Volk dafür nicht bei seiner
Regierung, sondern bei Herrn Earl Mayer und
seinen Freunden bedanken. Eine Massenagitation
kann ersprießli/h sein, wenn sich ihre Bestrebungen
auf dem Boden der realen Verhältnisse, innerhalb
der Grenzen dßs Möglichen bew gen; verlieren sie
sich in das Reich der Träume, so können sie gar
leicht einen Punkt erreichen, wo es die Staatsge-
walt für gut hält, die sonderbaren Schwärmer
zur Besinnung zurückzuführen. Von Herzen wün-
schen wir, daß das schwäbische Volk von selbst,
ohne Beihülfe einer unangenehmen Lection, zu
dieser Besinnung gelange. Die Landesversamm-
lung vom 20. d. M. hat so gefühlsinnig ge-
schwärmt von dem „großen einigen Vaterlande."
Nn>i, möge man sich denn doch einmal erinnern,
daß dieses große Vaterland nicht auf einer Insel
der Leligen liegt, sondern daß es von verschiede-
nen andern, auch großen und noch viel einigeren '
Vaterländern umgeden ist, und daß diese Vater-
ünder leider noch immer die menschliche Gewohn-
heit haben, von Zeit zu Zeit über einander her-
zufallen. Gegen solche Ueberfülle muß man ge-
rüstet, und zwar w i r k s a m gerüstet sein. Nun
ist die Nation in ihrer großen Mehrheit der An-
sicht, daß diese wirksame Rüstung nach dem System
eingerichtet sein müsse, welches sich 1866 so über-
raschend bewährt hat. Wir dächten, da sollten
die Lchmaben denn doch begreifen, daß da, wo
es sich um dir Vertheidigung der höchsten Güter
einer Nation handelt, die Minderheit sich der emi-
nenten Mehrheit unbedingt zu fügen hat. Frei-
lich, Hr. Karl Mayer ist des unerschütterlichen

I Glaubens, daß der schwäbische Stamm der Eckstein
l sei, um den sich die Entwickelung der gesummten
deutschen Nation drehe, und daß deßhalb keine
nationale Organisatien zu Recht bestehen könne,
so lauge nicht die würtiembergische Volkspartei
ibr Amen dazu gesagt. Nüchternere Beobachter
sollen indeß der Ansicht sein, daß eine wesentlich
bescheidenere Auffassung seiner Bedeutung dem
württembergischen Volke für die Folgezeit ungleich
heilsamer sein dürfte.

Baden.
* Schwetzingen, 31. März. (Der Man ri-
ll e i IN e r Verkündiger und die b a d.
Lokalpresse.) (Schluß.)
Die bad. Laudesztg. gibt sich nemlich dazu
her in einer ihrer letzten Nummern für den Mannh.
„Verkündigw" in einer Art und Weise Neclame zu
machen, die aller Rücksichten baar geht welche mau
der bad. Lokalpresse schuldet.
Da wird, wahrscheinlich zum bessern Verständ-
nis; und' als Einleitung über den Uebelstand un-
serer Preßverhältnisse geklagt, der sich in einer
Unzahl von Ortsblüttern und Blättchen kundgebe,
die vis zur Einführung der bad. Correspondenz
blos vom Raube lebten. Dann findet es der betr.
Herr Korrespondent beinahe noch bedauerlich,
dag durch die Benützung der bad. Corresp. „das
Eharaeteristisrhe in der Art des Raubes" verloren
gegangen.
Endlich aber geht der Hr. Corresp. zum
Haupthema über und weiß nun ein Liedchen von
einem Blättlein zu pfeifen, welches „im wackern
Kampfe mit den Gegnern seine Kraft erprobt" u.
bei so und so oftmaligem Erscheinen nur so und
so viel kostet. (Merkste wat? !) Diesem wackern
Blatte — der Mannh. „Verkündiger'' genannt —

Geschichte eines alten Uanduren-
wachtmeiffcrs.
(Schl u ß.)
„So oft wir an einem Hochgerichte vorüberfuhren, betete
er für die Seelen der Gerichteten und für ihre Richter; das
fiel mir auf, ein Gefpräch mit ihm über Hinrichtung und
Folter, eben als wir am Hochgerichte vorüberfuhren, erweckte
in mir die Zweifel, Theophil könnte Recht haben: „Der
Gerechte unterliegt den Martern der Folter, wie der
Schuldige !
„Verdammt mich nicht, daß ich diese fürchterliche Probe
an ihm machte!
„Ich versteckte die Pfeife in feinem Bette, ich nahm
das Silber vom Pferdegeschirr und Reitzeug aus der Sat-
telkammer verdächtigte, beschuldigte den ehrlichen Burschen
und übergab ihn der Gerechtigkeit.
„Ich glaubte die Unschuld müsse siegen, und die Qua-
len der Folter übcrstehen, ich wußte ja, er fei unschuldig!
»Er hat ein Gcständniß einer That abgelegt, die er
nicht gethan. Seiner Pein los zu werden, sagte er auch
dann »Ja", als ich ihm den Platz angab im Garten, an

dem ich das Silber vergraben hatte, die Nacht vorher, ehe
ich hereinkam zur Inquisition. Seht, man hat eS dort ge-
funden — über drei Monate schon dauert sein Arrest und
die Untersuchung, das Silber müßte also in dem feuchten
Grunde, in dem es lag, erblindet sein, aber seht, cs ist hell
und glänzend, als ob es erst vom Goldschmied käme und
ich allein wußte die That.
Es war eine schauerliche Probe an der Menschheit!
Ich habe an den drei Tagen als Thcophil peinlich verhört
wurde, Höllenqualen der Seele gelitten, da ich wußte, cs
werde ein Unschuldiger auf meine Veranlassung gemartert,
aber sic mußte meiner Meinung nach geschehen — sie ist
geschehen — zur Belehrung für alle Kriminalrichter!
Ich aber kann und will nie mehr Richter sein, wo der
Mord und Peinigung zum Privilegium werden kann, und
habe nur eine Bitte au Euch, meine Herren, merkt dieses
entsetzliche Exempel und bittet am Throne unserer weisen,
huldreichen und großen Königin Maria Theresia um Auf-
hebung der barbarischen Gerichtsprocedur, der Folter!
„Du aber, unglücklicher, gemarterter Mensch und Mit-
bruder, Märtyrer für eine bessere Zukunft, kannst Du ver-
zeihen deinem Herrn, der an Dir diese schauerliche Probe
vornahm, so verzeihe — meine mehr als dreimonatliche
Gewissensqual, meine Seelensolter deiner drei schmerzlichsten

Tage bitten für mich, verzeihe, und mein Gewissen findet
keinen Vorwurf mehr!"
„Wie? Ich wäre also der Letzte gewesen, der gefoltert
wurde? Die Folter käme ab in Ungarn durch mich! O,
ich verzeihe Euch, meinen Richtern und Henkern!" rief Theo-
phil weinend.
„So sei denn nicht mehr mein Knecht, sondern mein
Sohn, ich adoptire Dich als Sohn und rcchtsgiltigcn Erben
vor allen diesen Herren, denn ich bin ja kinderlos."
In dem Augenblicke schmetterte ein Posthorn vor dem
Komitatshause, eine Estafette von der hohen Statthnlterci
in Ofen.
Der Obergespan löst das Siegel, liest für sich und
ruft mit glänzenden Augen und sichtbarer Rührung:
„Auf dringende Vorstellungen und besonders unabläs-
sige Bitten des hochherzigen Ministers Sonncnfels in Wien
hat unsere große Königin Maria Theresia die Folter abgc-
schafft!"
„Vivat! Maria Theresia!"
Und all das Volk zerstreute sich jubelnd und verwun-
dert über all das Neue, so cs gehört.
 
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