Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

DOI Kapitel:
August (Nr. 90b - 103a)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30183#0393

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Freitag, 19. August 1870. Ao. 98. !>. Vierter


Amts-Merklmdigirngsölatt für den Bezirk Schwetzingen.


Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b la t t. - Me Postanstaltm und Baten nehmen Bestellungen an. — Preis vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltene Pctitzeile oder deren Raum 3 kr. L 8 k a l a n z c i g e n 2 kr.

Wdm Kriegsschauplatz.
k Alonssvir, 17. Aitg. 7 Uhr 10 M.
Abds. (Officiell). Gencrallieut. v. Stl-
vcnöleben war am 16. ds. mit dem 3ten Ar-
meecorps westlich vor» Metz auf der Ruckzugs-
straße des Feindes nach Verrinn vorgerückt.
Blutiger Lkampf
gegen die Divisionen von Deeaen, Ladmirault,
Frossard, Canrobert, und die Kaisergarde.
Vom zehnten Corps und von Stvthcilungen
deS achten und neunten Corps unter Oberbe-
fehl des Prinzen Friedrich Carl succesive un-
terstützt gelang eS, den Feind trotz bedeutender
Ueberlegenheit nach Ln«1t8tn:riIiAein ireis-
«enr ILLn^en Metz LurneKrnn orten.
Die Verluste aller Waffengattungeu sind
auf beiden Seilen sehr bedeutend. Diesseits
ist General v. Wedelt gefallen. Rauch und
Grüter verwundet. Der König begrüßte heute
die Truppen auf dem siegreich behaupteten
Schlachtfeld.
A,nv ksetrrltt. Einem Telegramm der
Neuen bad. Landesztg. entnehmen wir, das;
der Verlust der Franzosen 2000 Gefangene,
2 Adler und 7 Geschütze betrug. Der Feind
verletzte die Genfer Convention, indem er auf
die Verbandplätze der Aerzte schoß.
Zubern, 15. August. Die kleine Festung
Marsal (Departement der Meurthe, Arrondisse-
ment Chateau-Salins) ist mit 60 Geschützen in
unsern Händen. (Marsal liegt in sumpfiger und
schwer zugänglicher Ebene an der Teilte, mit 1169
Einwohnern.)
Mundolsheirn, (Hauptquartier der Ba-
denser), 16. August. (Offizielle militärische Nach-
richten.) Die Straßburger Garnison unternahm
Nachmittags einen Ausfall gegen Ostwald (süd-
lich von Siraßburg, an der III), wurde aber
unter Verlust an Mannschaften und drei Geschützen
zurückgeschlagen.
Die mufften Meldungen vom Kriegsschau-
plätze enthüllen das Bestreben des französischen
Heeres, die Entscheidung möglichst lange zu ver-
zögern , sie unter den ihm günstigen Umstünden
und mit dem geringsten Wagniß zu suchen. Das
französische Heer hat die Mosel und den Abschnitt
zwischen der Meurthe und der Mosel aufgegeben;
es scheint die französische Hauptmacht sich nach
Süden zu ziehen, um -vorläufig die Straße nach
Ehalons zu sichern und den Rückzug hinter die
Marne zu decken. Geschieht dieser Rückzug lang-
sam, so würde für die Organisation des französi-
schen Reservccorps allerdings Zeit gewonnen; ob
es aber möglich sein wird, dem französischen Heere
dadurch ein Uebergewicht in der Zahl zu ver-
schaffen, bleibt mehr denn fraglich, lieber die
Bewegungen des deutschen Heeres verlautet selbst-
verständlich nur Weniges und Unzuverlässiges;
gegen den Feind hat sich das deutsche Heer in
eine Wolke von Kavallerie gehüllt, hinter deren
Schleier die wohlberechneten Operationen sich voll-
ziehen.

Tagesgeschichte.
— Anläßlich der massenhaften Ausweisungen
Deutscher aus Frankreich ordnete der Nordbund
an, allen bedürftigen Ansgewiesenen das erfor-

derliche Reisegeld zu gewähren. Die Einleitung
zu freier Beförderung der Aüsgewiesenen ist ge-
troffen.
— In Calais liegt ein Dampfer bereit, um
die Kaiserin nach England herüberznbringen. Ca-
lais ist in Belagerungszustand ei klärt, angeblich
wegen der vielen französischen Flüchtlinge in Dover.
— Das „Journ. officiel" meldet: Bitsch
und Pfalzburg sind noch immer von den Fran-
zosen besetzt.
— Ein französisches Kanonenboot brachte
vier norddeutsche Schiffe vor Malaga auf, dar-
unter die „Perle" und der „Brillant."
— (Kabel-Depesche.) Admiral Farragut ist
gestorben.
— Nach Privatnachrichten, welche der „Kriegs-
zeitung" aus Petersburg zugehen, ist angeblich der
Eisenbahnverkehr auf den russischen Bahnen für
Privatreisende seit mehreren Tagen durch große
Militärtrains an die Westgrenze des Reiches ge-
hemmt, so daß jetzt die Reisenden gezwungen sind,
den Weg nach Deutschland über Schweden und
Dänemark zurückzulegen.
— Der Times wird von ihrem Berichter-
statter in Berlin heute früh telegraphirt, daß Eng-
land es abgelehnt hat, der von Oesterreich und
Italien auf den Vorschlag des Grasen Beust ge-
bildeten Liga beizulreten. Diese Liga sollte be-
zwecken, den Frieden möglichst bald wieder herzu-
stellen, die Gebiete Frankreichs wie Preußens in
ihrer Gesammtheit zu schützen, aber einer even-
tuellen Auflösung des Norddeutschen Bundes Nichts
entgegcnznstellen. (Echt Hr. v. Beust!)
— Die Prinzen von Orleans, deren Dienst-
gesuche von der französischen Regierung abschlägig
beschieden worden sind, kehren angeblich nach Eng-
land zurück.
— Wie die „Kreuzztg." hört, ist Napoleon
schwer erkrankt.

Deutschland.
* Schwetzingen, 18. August. Die frühere
Voraussetzung, daß die Entscheidungsschlacht bei
Metz vor sich gehen werde, scheint sich, neuerer
Nachrichten zufolge, nicht zu reatisiren. Wenigstens
deuten die officiellen Nachrichten aus dem deutschen
Hauptquartier darauf hin, daß die Hauptarmee
von Metz abgezogen ist und sich nach Ehalons
gewendet hat, wo sie es dann wahrscheinlich auf
ein Hauptreffen ankommen lassen wird.
Gleichzeitig rechnet man französischer Seits
auf den Heranzug des Massenaufgebots, welches
das schöne Frankreich aus seinen tausend Nöthen
retten helfen soll und Pariser Journale meinen
in ihrer Exaltation, von der deutschen Armee dürfte
auch nicht Einer mehr „nach seinem Dorfe" zurück-
kehren, um von den überstandenen Leiden zu er-
zählen.
Wir zweifeln übrigens, daß die deutschen
Heere auf einem Nibelungenzuge begriffen sind
und meinen, daß das rasche und doch bedächtige
Vorrücken derselben den besten Beweis dafür liefert,
daß nzän sich weder durch die errungenen Vortheile

einer bedenklichen Sorglosigkeit hingibt, noch die
bevorstehenden schweren Tage unterschätzt! Also
Geduld, wir werden sehen, ob diese überschnappten
Pariser Federhelden die Wahrheit vorausgesehen!
— Straßburg wird jetzt wohl ernstlich zu Leibe
gegangen werden und ist daS Resultat der dort
bevorstehenden Kümpfe wohl schon mit ziemlicher
Sicherheit vorauszusehcn.
AL'attkflN'L a. M., 17. August. Gestern
kam der geheime Oberregiernngsrath Oiberg von
Berlin hier durch, um sich nach dem großen Haupt-
quartier zu begeben. Derselbe wird ungesäumt
in den occupirten französischen Gebietstheilen als
königlicher Kommissarius für die Regelung und
Erhebung der indirecten Steuern fnngiren.
8 HMMoVsr, 17. August. Täglich passiren
unsern Bahnhof jetzt Transporte von Verwundeten,
§ deren Wunden hier neu verbunden werden; an-
fangs wurden an die hiesigen Lazarethe nur ein-
zelne abgegeben, deren Zustand sich unterwegs
so verschlimmert hatte, daß ein fernerer Transport
unmöglich. Seit Samstag beginnen jedoch unsere
Lazarethe sich ebenfalls Zn füllen; morgens" kamen
etwa 150 Verwundete an, nachmittags etwa eben-
soviel, darunter viele Turcos. Zugleich mit den
Verwundeten kamen etwa 80 unvcrwundete Ge-
fangene an, unter ihnen die Frau eines Huf-
schmieds, welche ihren Mann in den Krieg be-
gleitet hatte und nun sein Schicksal thcili. Be-
greiflicher Weise nahmen die Turcos das Interesse
des zu Tausenden versammelten Publikums am
Lebhaftesten in Anspruch. Kleine, magere Ge-
stalten, eine braune in allen Nüancen varirende
Gesichtsfarbe, unheimlich funkelnde Augen, dazu die
wunderlichsten, schmutzigsten Kleidungen, ein solches
Bild boten die Turcos, welche als Vorkämpfer
der französischen Civilisation von dem Imperator
an der Seine gegen uns losgelassen sind. Der
ganze Zug der Gefangenen machte den Eindruck,
als ob man eine Gauklerbande vor sich habe,
welche soeben in einer Scheune auf dem Lande
eine Vorstellung gegeben. Von den leichtverwun-
deten Franzosen, welche wir Lei ihrem Transport in
die Lazarethe zu sprechen Gelegenheit hatten, waren
viele sehr deprimirt, sie versicherten, sie sähen ihr
schönes Frankreich nickst wieder, sie müßten sterben.
Als wir lächelnd auf die leichten Wunden hin-
wiescn, erklärte uns einer der Verwundeten, nicht
an den Wunden würden sie sterben, allein die
Offiziere hätten versichert, die Deutschen heilten
nur die Verwundeten, um — sie alle an einem
Tage zu erschießen. Als das Publikum die Furcht
der Verwundeten erfuhr, brach es in ein so ho-
merisches Gelächter aus, daß die Verwundeten
anfangs ganz verdutzt dareinschauten, schließlich
aber selbst mit einftimmten und sichtbar beruhigt
in die Barackenlazarethe eintraten. Man sieht,
in Frankreich hat man jedes, auch das perfideste
Mittel für anständig gehalten, die Wuth und den
Fanatismus gegen die Deutschen aufs Höchste zu
entflammen, und trotzdem, was ist bis jetzt das
Resultat für die Franzosen in allen Kümpfen, ge-
wesen? — Deutsche Hiebe!
 
Annotationen