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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

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Oktober (Nr. 116b - 128)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30183#0495

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Samstag, 15. Dklober 1870. ^o. 122. Vierter Jahrgang.


Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b la t t. — Alu Postanstalien und Boten nehmen Bestellungen an. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltene Pctiizeile oder deren Raum 3 kr. L s k a l a n z c i g c n 2 kr.

Telegramm
Sr. Mas. des Königs Wilhelm
an
Ihre König!. Hoheit die G r o ß h e r z o g i n.
Versailles, 12. Oct. Gestern siegreiche
Schlacht bei Orleans dnrch General von der Tann,
8., 22. Division. Die Loire-Armee völlig ge-
schlagen; einige Tausend Gefangene. Kampf dauerte
von halb 10 Uhr bis Abends 7 Uhr in sehr schwie-
rigem Terrain. Bei Dunkelheit Orleans ge-
nommen; Feind hinter Loire zurück, hat große
Verluste, diesseitige verhältnismäßig gering. De-
tails noch nicht bekannt.
(gez.) Wilhelm. ,
Ein der Klsrh. Ztg. zugegangencs offizielles!
Telegramm meldet dasselbe; von der Einnahme
der Stadt Orleans sagt es, dieselbe sei erstürmt
worden. Es kämpfte — anßer den obengenannten
Divisionen — das e r st e bayerische Korps.
Zur Hagesgeschichte.
— Ein gemischtes Corps aus Truppen der
Armee des Kronprinzen unter General v. d. Tann
hat am 10. d. einen Theil der Loire-Armee bei
Orleans geschlagen, 1000 Gefangene gemacht, 3
Geschütze erobert. Feind in regelloser Flucht.
— Die französischen Truppen, welchen die
badische Brigade unter Generalmajor v. Degcnfeld
am 6. d. bei Le Menil (Dep. der Vogesen) ein
siegreiches Gefecht lieferte, scheinen zu der Lyoner
Armee gehört zu haben, welche zwischen Belfort und
Langres bis Epinal vorgeschoben sein sollte. Da
diese Armee nach der Mittheilung eines den Fran-
zosen nicht ungünstigen Correspondenten eines Wie-
ner Blattes vor einigen Tagen kaum mehr als
20,000 Mann zählte, so müßte man annehmen,
daß es die badische Brigade sogar mit dein beträcht-
lichsten Theile derselben (circa 14,000 Mann) zu
thun gehabt habe. Jedenfalls trat ihr ein organi-
sirtes Corps entgegen. Auffallend ist nach den
bis jetzt eingetroffenen Nachrichten über dieses Ge-
fecht der Umstand, daß die Mehrzahl der Gefangenen
Linie ist. Leider ist der diesseitige Verlust, wie
dem „Fr. Jonrn." aus Karlsruhe geschrieben
wird, im Verhaltniß zu der Zahl unserer Truppen
sehr beträchtlich.
— Die „Karlsr. Ztg." bringt über das am
Sonntag scholl bekannt gewordene siegreiche Ge-
fecht der badischen Truppen bei St. Nemy und
Nompatelize folgende Einzelheiten:
Die mobile Kolonne unter Kommando des
g oßh. bad. Generalmajors v. Degenfeld bestand
noch einigen kleineren Affairen bei Champenay am
4 und Raon l'Etape am 5. gestern bei Nompa-
1 lize ein äußerst hartnäckiges Gefecht. Die ersten
Scharmützel spielten mit Franctireurs, welche den
V, rmarsch der Kolonne durch die Vogesen zu stören
G Zen.
Eine Salve und ein kräftiges Hurrah der
a gegriffenen Detachements genügte jeweils, um
oSe Banden zu zersprengen. Erst gestern stellte
n . eine größere Kolonne, geführt von General
Plevin. Nach siebenstündigem heftigem Kampfe en-

dete der heiße Tag mit vollständigem Znrückwcrfen
des Gegners in der Richtung aus Epinal.
Die französischen Truppen hatten den An-
marsch der badischen Colonue in einer lang aus-
gedehnten, theilweise verschanzten Stellung, gestützt
auf die Dörfer: rechts St. Reiny und links Nom-
patelize, erwartet.
Nompatelize auf dem linken Flügel und St.
Remy auf dem rechten Flügel wurden alsbald
(10 Uhr Vorm.) angegriffen und mit stürmender
Hand von Hans zu Hans genommen.
Vier Stunden lang drehte sich der Kamps
um den Besitz dieser beiden Dörfer, welcher trotz
heftiger Offensivstöße des Gegners behauptet wurde.
Gegen halb 4 Uhr avancirte der linke deutsche
Flügel, unterstützt von dein wirksamen Feuer zweier
Batterien und warf den Feind aus der von ihm
besetzten Waldlisiere zurück; der rechte deutsche
Flügel drückte kräftig nach, und gegen halb 3 Uhr
war der Feind in vollem Rückzuge.
Die Franzosen ließen 700 bis 80t) Todte
und Verwundete auf dem Schlachtfelde und ver-
loren über 600 Gefangene. Dieser glänzende Er-
folg wurde mit einem Verlust von 300 bis 400.
Tobten und Verwundeten gegen einen mehr als
doppelt überlegenen Feind errungen.
Von Karlsruhe ist am 9. Oct. bereits
ein trefflich ausgerüsteter großer Verwundeten
Transportzug abgegangen, um die badischen Ver-
wundeten abzuhölen.
— Preußen macht Massenankäufe in russi-
schen Schafpelzen. Die russischen Journale sehen
darin die Ueberzeugnng Preußens, daß der Krieg
nicht sobald ein Ende nehmen werde.
— Der Berner „Bund" meldet: Die Fort-
setzung des Kriegs bedroht Frankreich mit einein.
empfindlichen Ländergebictsverlust auch in Afrika,
indem nach Nachrichten über Tunis und Malta
in Algier der Aufstand in vollein Gange ist. Der-
selbe brach im Südosten der Provinz Konstantine
unter dem Stamme Ulet Jacob aus, und es
schlossen sich weiter- die Stämme südlich von Schott
und Dscherile, die '.nächtigen Ssuata Ulet, Tarn
und Bez. Aincr an.
Die „Grenzboten" schreiben in ihrem jüngsten
Kriegsberichte aus Frankreich: „Die Provisorische
Regierung hat aus frevelhafter Verstörung den
Krieg der Bürger und Bauern gegen die feind-
lichen Heere proklamirt. Dieser Act hat denn auch
in einem Theile Frankreichs zur Bildung von
Banden geführt, welche, halb Patrioten, halb
Räuber, unseren Heeren hie und da lästig wer-
den. Es sind einige Feldjäger und einige Postil-
lone abgeschossen worden, es sind Wagen mit Ver-
wundeten und Proviant, sogar eine Colonnc von
Proviantwagcn aufgehoben, es sind kleinere De-
tachements überfallen und gefangen; mail hat ans
den Häusern und Hecken auf durchziehende oder
gar auf kämpfende Truppen geschossen, Hai sogar
Verwundete und Einquartirte gemeuchelt und einige
Mal scheußlich verstümmelt. Dafür sind durch
unser Obercommando oder - unsere Soldaten den
Thütern etwa folgende Strafen aufgelegt worden:
Außer 250 Flaschen Champagner (fjfr dep Schuß

beim Eintritt in Reims) in Summa etwa 3,000,000
Frs. Contribution, 20—30 einzelne Häuser nie-
dergerissen, 20—30 ganze Dörfer angezündet und
niedergebrannt, 150—200 Bauern erschossen oder
verbrannt, dazu auch Weiber und Kinder, welche
sich an Mordthaten betheiligt hatten." Traurige
Nothwcndigkeit des Krieges! Um so gerechtfer-
tigter ist die Sehnsucht der Völker, daß der Friede
endlich der normale Zustand werde.
— Je ernster das Verhängniß sich über der
Hauptstadt Frankreichs zusammenzieht, um so sicht-
barer wird die Unfähigkeit der augenblicklichen
Leiter. Es fehlt nicht an den üblichen großen
Worten, nicht an dem republikanischen Schwulst
der Phraseologie, aber hinter den großen Worten
ist das eitle Nichts. Der Schwung der Bevölke-
rung, die nationale Erhebnng, die Siegeszuver-
sicht, die Einigkeit, Alles ist unächt, gemalt, für
kurze theatralische Effekte zugerichtet, hinter den
Coulissen siehts ganz anders aus. Jules Favre
schreibt per Luftballon an Cremieur vom 29. Sept.:
„Hier geht Alles wunderbar. Nie wird der Welt
ein größeres Schauspiel gegeben, als das einer
durch die Freiheit wiedergeborenen und sich zur
Vertheidigung ihres Herdes und ihrer Ehre er-
hebenden Bevölkerung. Daher sind wir voll Ver-
trauen und haben große Mühe, die Nationalgar-
den zurückzuhalten, welche Ausfälle machen will.
Sic können diese Nachrichten der Provinz und Eu-
ropa zu wissen thun." Und Europa — wie be-
zeichnend ! Die vollendete- Einschließung und Ab-
sperrung von der übrigen Welt scheint die Pariser
vollends um alle Besinnung, um alles Verständ-
nis; des Wirklichen gebracht zu haben, es ist das
reine Delirium, was aus Gambetta's, des Mini-
sters des Innern neuester Proklamation spricht.
In TourS selbst, wo man doch noch einige Füh-
lung mit der Welt besitzt, beginn: man, unge-
blendet durch die Phrasen des Herrn Favre, aufs
schärfste über die sogenannte Regierung in Paris
zu urtheilen. Mau höre z. B. was der in Tours
erscheinende Constitutionnel voll Grimm über die
Unfähigkeit „von etlichen Abgeordneten der Linken"
sagt, „die vor nun schon einen: Monate die Lei-
tung der Staatsangelegenheiten in die Hand ge-
nommen", aber bis jetzt nur Stellen vergeben,
nur demolirt und dabei die Zeit vergeudet Hütten:
„Sic haben gewirthschaftet wie im dicksten Frie-
den, Präfekten- und Unterpräfektcnstelleu an alle
Ueberläufer von der Presse und Richterstellen an
Advokaten vertheilt, die an Clienten leinen Ueber-
sluß hatten; sie haben sogar dnrch Absetzung fast
aller Bürgermeister die Hand au die Gemeindege-
walt gelegt und in 4 Wochen fast alle Räder der
Verwaltungsmaschine in Verwirrung gesetzt.
Mau glaubte, daß diese Republikaner doch
incht ganz von dem Geiste ihrer Vorfahren mbge-
fallen, daß sic vielleicht im Stande wären in
Frankreich den wunderbaren Aufschwung von 1792
wieder hervorzurnsen und Legionen ans -er Erde
zn stampfen. Nachdem sie 4 Wochen am Ruder,
sind sic noch fern von diesen Hoffnungen. Zwar
haben sie viel Waffen gekauft und vielleicht sogar
so viel, daß iu ganz Frankreich kein Gewehr mehr
 
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