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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

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Oktober (Nr. 116b - 128)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30183#0496

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ist, das noch zu erhandeln wäre; aber zu Waffen
gehörten doch auch Arme, sie zu führen. Haben
sie viel Kanonen gegossen? Seit 14 Tagen reden
sie von der Maffenerhebung. Wo sind die zwei
Armeen, die sie, die eine zum Entsatz von Straß-
burg, die andere Paris zu Hülfe schicken wollten?
Straßburg bedarf derselben nicht mehr, doch Paris
harrt von der Höhe seiner Wälle vergebens nach
Hülfe von den Departements aus!"
— Die preußische Regierung ließ mehreren
Kabinetten eine Denkschrift mittheilen. Dieselbe
spricht die Ueberzeugung aus, die Hauptstadt müsse
über kurz oder lang fallen. Werde der Zeitpunkt
hinausgeschoben bis drohender Mangel an Lebens-
mitteln zur Uebergabe zwinge, so müßten schrecken-
erregende Folgen entstehen. Der deutschen Heer-
führuug sei es in diesem Fall unmöglich, die Be-
völkerung von 2 Millionen nur einen einzigen Tag
mit Lebensmitteln zu versehen. Die Umgegend
von Paris biete alsdann, da deren Bestände für
die diesseitigen Truppen gebraucht würden, auf
viele Tagemürsche eben so wenige Hilfsmittel, es
sei daher nicht gestattet, die Bewohner Paris auf
Landwegen räumen zu lassen. Die unausbleibliche
Folge hiervon sei, daß Hunderttausende dem Hun-
gertode verfallen würden. Der deutschen Heer-
führung bleibe nichts übrig, als den Kampf durch-
zuführen. Wollten die französischen Machthaber
es zu einem Extrem kommen lassen, so seien sie
für die Folgen verantwortlich. So die preußische
Regierung. Was aber sagt die Repnblick? „...Wir
müssen alle Hilfsquellen anspannen, dem Feinde
Hinterhalte legen und den nationalen Kriege an-
fangen. Herbstregen werden kommen. Die Feinde
werden dezimirt werden durch unsere Waffen, durch
den Hunger und durch die Natur. Erheben wir
uns in Masse. Laßt uns lieber sterben, als die
Zerstückelung Frankreichs dulden!"
— Paris erleidet seit wenigen Tagen die
sechszehnte seiner Belagerungen im Verlaufe seiner
Geschichte. Die erste verhängten die Römerr im
Jahre 53 vor Christo über dasselbe. Paris, da-
mals auf die Insel beschränkt, welche jetzt Cite
heißt, wurde nach tapferer Gegenwehr von den
Römern erobert und verblieb 530 Jahre unter
römischer Herrschaft. Im Jahre 465 befreite sie
Childerich I. von derselben, 845 wurde sie von
den Normannen überfallen, geplündert und durch
Feuer ve'heert. 856 wiederholten die Normannen
ihren Raubzug; die Einwohner verließen bei ihrer
Ankunft die Stadt und steckten diese selbst in
Brand. In das Jahr 861 fällt eine neue Heim-
suchung der Stadt durch die räuberischen Barbaren.
Endlich begannen die Pariser jene zu befestigen,
aber noch ehe die Werke vollendet waren, erschienen
neue Horden der Normannen, 30,000 Mann stark
vor den Mauern von Paris, stießen jedoch auf
einen tapfern Widerstand. Die Belagerung währte
länger als ein Jahr. Karl der Dicke kam der
Stadt zu Hilfe, zog aber unverrichteter Sache
wieder ab, mit den Normannen einen schmählichen
Vertrag schließend, durch welchen die Umgegend
ihren Plünderungen preisgegeben wurde, 1358
belagerte der Dauphin Karl, im folgenden Jahre
der König von England Paris vergebens. 1420
wurde Paris von den Engländern genommen und
blieb 16 Jahre in deren Besitz. Ein Versuch
Karl's XII., die Stadt ihnen zu entreißen, wurde
blutig zurückgewiesen, 1462 verwüstete der Herzog
von Burgund die Umgegend von Paris; ein An-
griff auf die Stadt selbst schlug fehl. 1464 schloß
Graf Charolais dieselbe eng ein, aber auch diese
Belagerung blieb ohne Erfolg. In den Vierziger
Jahren des sechzehnten Jahrhunderts bedrohte Karl
V. Paris, zu einer eigentlichen Belagerung kam
es jedoch nicht. Unter Heinrich IV. bestand Paris
jene geschichtlich gewordene Belagerung, die mit
der durch Hunger erzwungenen Einnahme der Stadt
durch den König endete (1594). 1814 war Paris
das Hauptobjekt des ganzen Feldzuges. Am 29.
Mürz langten die Verbündeten in der Nähe der
Stadt an, die sich nach der Schlacht von Paris
am 30., dem darauf folgenden Tage, den Sie-'

gern ergab. 1815 umging Blücher die Befesti-
gungen im Osten und Norden der Stadt, ging
unterhalb derselben über die Seine, worauf nach
einem siegreichen Gefechte die Uebergabe der Stadt
erfolgte. Jetzt hat die sechzehnte Belagerung von
Paris begonnen.
— Petrucelli della Gattina, ein bekannter
republikanischer italienischer Publicist und Abge-
ordneter, der sich seit Jahren in Paris aufhält,
hat unlängst in der Gazetta d'Jtalia seine An-
schauungen über die Lage Frankreichs veröffent-
licht. Herr della Gattina sagt darin:
Die Ueberbleibsel des französischen Heeres
sind gänzlich zerrüttet. Ehrgefühl, Muth, Disci-
plin, Selbstvertrauen, Muth zur Führung, Hoff-
nung auf einen guten Ausgang, Kampflust —
Alles liegt in Trümmern. Es ist das Heer des
Xerxes. Das französische Heer repräfentirte nicht
das Volk; der Soldat bildete einen Staat für
sich und betrieb sein Geschäft handwerksmäßig.
Er hatte hinter sich die Tradition der verschiedenen
siegreichen Kriege des zweiten Kaiserreichs. Dies-
mal aber standen ihm in dem deutschen Volksheere
Krieger gegenüber von unverhältnißmüßig höherer
Intelligenz, dabei geschult, begeistert, an Strapazen
gewöhnt und bereit, Alles für's Vaterland zu
tragen und zu wagen, geführt außerdem von den
besten Generalen unserer Zeit — da war es un-
vermeidlich, daß die Deutschen siegen mußten und
sie werden wieder siegen bis zu Ende, auch wenn
das französische Volk den Krieg zum -Volkskriege
macht.
Als die Verbündeten 1814 im Kriegsrath zu
Vitry beschlossen, direct auf Paris zu marschiren,
und Napoleon gegenüber nur den General Wintz-
ingerode mit einiger Cavallerie und Artillerie zu-
rückließen, war ihre Lage ungleich schwieriger als
der jetzigen Angreifer. Damals operirte Augereau
mit einer Armee bei Lyon im Rücken der öster-
reichischen Corps Bubua; die Verbindung mit
Deutschland war schwierig, fast unmöglich, denn
ganz Frankreich war im Aufstande und die Be-
völkerung von Paris zur Vertheidigung bereit.
Heute stützt sich das Heer, das gegen Paris mar-
schirt, auf zwei andere ungeheure Heere; mit
Deutschland bleiben dieselben in Verbindung durch
eine Eisenbahnlinie, zu der bald noch eine
zweite und dritte kommen werden. Das Land
bleibt verhältnißmäßig ruhig, wozu die gewaltigen
deutschen Cavalleriemassen das Ihrige beitragen,
und im Felde steht kein französisches Heer mehr,
wohin man auch das Auge wendet; denn die ganze
Lebenskraft ist zur Vertheidigung der Hauptstadt
concentrirt. Dort aber steht eine neue Regierung
isolirt den Departements gegenüber, in welchen die
Anhänger des früheren Regiments sich zu den
neuen Zuständen feindlich oder wenigstens theil-
nahmlos stellen. Vielleicht durfte man hoffen, daß
nach dem Falle Napoleons von König Wilhelm die
ersten versöhnlichen Schritte kommen würden. Aber
freilich, es ist schwer, einer Regierung friedliche
Eröffnungen zu machen, die sich nicht Regierung
des Friedens, sondern der Nationalvertheidigung
nennt, die erklärt keinen Zoll breit Erde, keinen
Stein hergeben zu wollen. Nicht nachgeben, sehr
schön! Aber bleibt denn noch irgend welche Hoff-
nung, das wieder zu bekommen, was schon genom-
men ist? oder nur zu verhindern, daß noch mehr
genommen werde? — Paris glaubt Ja, Europa
denkt Nein.

Baden.
Schwetzingen, 15. Oct. Die Jnterni-
rung Johann Jalobi's, die in der demokratischen
Presse so viel Lärm machte, und von dieser be-
reits als die Einleitung zu einer anbrechenden
Reactionsperiooe aufgeblasen wurde, geschah be-
kanntlich deßhalb, weil wir uns in Kriegszeiten
befinden und Kundgebungen zu Gunsten des Fein-
des, wie sie Johann Jakobi an den Haaren her-
beizog, doch einen seltsamen Begriff von der Ein-
müthigkeit des deutschen Volkes in Frankreich er-
wecken, ja letzterem den Gedanken nahe legen

mußten, daß ein Theil der deutschen Bevölkerung
Partei für Frankreich ergreife und einen Druck zu
dessen Gunsten auf die deutschen Regierungen aus-
übeu werde! Bedenkt man dabei, wie sehr die
Franzosen in ihrer Schwerennoth geneigt sind, sich
an den kleinsten Strohhalm anzuklammern und die
geringsten Anzeichen zu ihrem Vortheil zu deuten,
die sich ihren nach Hilfe und Rettung umherirren-
den Blicken darbieten, so muß es als eine große
Unbedachtsamkeit Jakobi's bezeichnet werden, daß
er die demokratische Partei als Fürsprecher unserer
unerbittlichen Erbfeinde blosstellte.
Man sehe doch, wie man in Frankreich —
trotz aller Zerfahrenheit und unleugbaren Spal-
tungen — jede Differenz dein äußern Feinde.-
gegenüber sorgfältig zu verhüllen oder doch abzu-
schwüchen sucht! So beschwört die franz. Amts-
zeitung die Kämpfer in Paris, alle bewaffneten
Kundgebungen zu unterlassen, da sie von dem
außenstehenden Feinde leicht mißverstanden werden
könnten: auch den geringsten Schein
einer Uneinigkeit müsse man ver-
meiden!!
Also darin könnten Herr Jakobi und seine
Freunde noch elwas von den Franzosen lernen!
Meiden auch wir den geringsten
Schein von Uneinigkeit und zeigen wir
unfern Feinden, daß wir i h n e n g e g e n ü b e r
uns nie in Widerspruch befinden können.
Ist der Krieg vorüber, du lieber Himmel!
dann kann und wird der Tanz im Innern wie-
der losgehen, dafür sind die Keime schon gelegt,
aber bis dahin — — — bst!!
Aus Stadt und Land.
8 Schwetzingen, 14. Oct. Mit dem heu-
tigen Tage begeht die höhere Bürgerschule ihren
dritten Stiflungstag. Seit der kurzen Zeit ihres
Bestehens haben sich die Lehrmittel der Anstalt
durch Schenkungen und Ankäufe ansehnlich er-
weitert. Wir erwähnen nur die Büchersammlung,
welche bereits mehr als tausend Bände zählt,
sodann eine Naturalieusammlung, die durch Gaben
in- und ausländischer Thiere, Pflanzen und Steine
bei den Schwesteranstalten des Landes ihres
Gleichen suchen dürfte. Was die Schülerzahl be-
trifft, so ist dieselbe immer eine verhältnißmäßig
beträchtliche. Der theilweise durch die Kriegser-
eignisse verursachte Abgang am Ende des vorigen
Schuljahres wurde durch den Zugang beim Be-
ginne dieses Schuljahres gedeckt. Unter den Neu-
aufgenommenen befinden sich auch solche aus ent-
fernteren Orten, wie z. B. Waghüusel, Oberhausen,
Reilingen, Wallstadt, Edingen. Leider, müssen
wir nur sagen, fehlt der Anstalt noch immer der
erforderliche Abschluß durch eine fünfte Classe.
Möchten doch baldige friedliche Zeiten zur Abhilfe
dieses dringenden Bedürfnisses beitragen.
* Schwetzingen, 14. Oct. Unser prächtiger
Bahnhof, unser Stolz, unsere Freude, erregt die
Bewunderung jedes Reisenden. Aber noch ist in
seiner nächsten Umgebung nicht Alles in Ordnung
und dahin zählen wir den Mangel an Beleuchtung,
der sich von der Heidelberger Chaussee ab bis zum
Bahngebäude in sehr empfindlicher Weife geltend
macht!
Der neuangelegte Weg dahin ist selbstver-
ständlich am Tage nicht einmal gut passirbar, viel
weniger aber noch zur Nachtzeit zumal bei schlechtem
Wetter, wo man jeden Augenblick riskirt auf den
harten spitzen Schroten den Fuß zu verstauchen
oder die Pfützen, die sich da und dort bilden, aus-
zubaden!
Möge diesen Uebelständen doch recht bald in-
soferne abgeholfen werden, als durch genügende
Straßenbeleuchtung der Weg erhellt wird und so
dem Fußgänger Gelegenheit geboten ist, sich die
bessern Stellen der Zufahrtsstraße zu Nutz zu
machen.
Schwetzingen, 18. Oct. Gestern Abend
trafen aus dem Mannheimer Baraken-Lazareth ca.
90 Mann Verwundete und Reconvalescenten hier
ein, welche in den hiesigen Lazarethräumen unter-
 
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