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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

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Juni (Nr. 65 - 76)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30183#0305

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Donnerstag 30. Zum 1870. §«. 76. V.ert-r Jahrgang.


Amts-Mrkülldigttttgs6latL für den Bezirk Schwetzingen.

Badische K a p s e n z c i t n n g.

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b l a t t. - Alle Postanstalteii und Boten uehmeu Bestellungen an. — P r e i s viekteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltene PctitzeUe oder deren Raum 3 kr. Lskalanzeigen2kr.

Der Ultrarnontanismus bei den
Gemeindewahlen.
Das Centralcomiie der s. g. katholischen Volks-
partei hat Angesichts der bevorstehenden Gemeinde-
wahlen einen Ausruf an die Gesinnungsgenoßen
der Lindau und Konsorten, d. i. an alle die, welche
der neukatholischen Kaplansherrschast unterthan sind,
erlassen, in welchem zu einer gewissenhaften Aus-
übung des Wahlrechts im Sinne des Ultramon-
tanismus ausgesorbert wird. Der verhültnißmüßig
anständigen Sprache dieses Aufrufs hat der „Pfäl-
zer Bote" eine nähere Beleuchtung seines Sinnes
beigefügt. Nachdem derselbe zuerst auf die Vor-
züge des neuen Gemeindegesetzes aufmerksam gemacht
beginnt er seinen Feldzug gegen die Liberalen,
also gerade gegen die Leute, denen allein das Volk
diese Gemeindeordnung zu verdanken hat, mit der
gewöhnlichen Gemeinheit und empfiehlt schließlich —
das ist die Quintessenz seiner Weisheit —, wo-
möglich einen Katholiken zu wählen, welcher thut,
was der Kaplan von ihm haben will.
Die demokratischen Bestimmungen der neuen
Gemeindeordnung, welche den kleinen Ausschuß be-
seitigt und die Wahlen des Bürgermeisters und
der Gemeiuderäthe der gesummten Bürgerschaft
übergibt, machen es möglich, daß der bei dem
katholischen Landvolk und in einigen kleinen Städten
hochgeschraubte Einfluß des Ultramontanismus, der
nirgends das Mittel der Gewissensbeängstigung
gescheut hat, um sich die Herrschaft über die Ge-
müther der Frauen und Schwachen zu erringen,
da und dort, wo er seither die Herrschaft im Ge-
meinderath noch nicht in der Hand hatte, sie
erlangt. Wo der Glaube nicht ansreicht, da wird
ja die Phrase vom Verpreußen, vom Militaris-
mus, von der Votksaussangung und so manche
andere sinnlose aber effectreiche Redewendung ver-

fangen. Man hat der liberalen Partei zum Vor-
wurf gemacht, daß sie durch den in die Gemein-
deordnung gelegten weitreichenden demokratischen
Zug es möglich gemacht habe, daß die ultramon-
taue Partei, an deren Fersen sich das Häuflein
der Afterdemokraten hängt, welche feil genug
denken, um aus Haß gegen die nationale Idee
dem Ultramontanisinus zn dienen, bei den Wahlen
Siege zu verzeichnen bekomme, die ihr sonst nicht
zn Theil geworden wären. Wenn es sich in der
Staatenentwickelung blos um augenblickliche Er-
folge handeln würde, könnte der Negierung und
besonders der II. Kammer mit Recht dieser Vor-
wurf gemacht werden; allein, d^e Aufgabe einer
gesunden Politik ist eine weitere als die, bloß für
die nächsten Tage zu sorgen. Die liberale Partei
muß vor Allem ihrem Prinzips treu bleiben, wel-
ches kein anderes ist, als die Anerkennung der
Gleichberechtigung aller Bürger des Landes, sie
muß diesen Grundsatz zur Geltung bringen,
auch wenn er momentan da und dort den Sieg
von Gegnern znr Folge haben sollte, welche, wie
die Ultramontanen, im Gegensätze zu jedem staat-
lichen und demokratischen Grundsatz die Bürger
confessionell scheiden, den Triumph ihrer Re-
ligionsgenossen und die Unterdrückung der ersten
aller Freiheiten, der Gewissensfreiheit, bezwecken,
und bezwecken müssen, wenn sie ächte Ultramontane
sind. Der Grundsatz der liberalen Partei kann
und darf nicht der fein, den die Lüge und die
Verleumdung ihr unterschieben wollen, daß sie, um
die Herrschaft zu besitzen, selbst illiberale Gesetze
schaffe oder erhalte, und illiberal regiere. Es ist
dafür gesorgt, daß der Besitz der Gewalt sich selbst
die nöthige Gegnerschaft erzeugt, und freie Insti-
tutionen bieten dieser auch das Mittel, wenn die
Zeit kommt, das System der Gewalt zu ändern.
Also, wenn auch der Ultramontanismus in einzel-

nen Gemeinden siegt und seine Werkzeuge das Ge-
meinderegiment erlangen, so wird gerade darin ein
Mittel gegeben sein, ihn erfolgreicher zu bekämpfen,
als dies vorher der Fall war. Die Einigkeit der
Gemeindebeamten mit denen, welche sie beeinflussen
wollen, wird keine ungetrübte bleiben, die freieren
Elemente in oer Gemeinde werden sich lebhafter
und energischer rühren, kein Regiment kann die
Unzufriedenen der eigenen Partei zufriedenstellen,
und je mehr es leichtsinnig versprochen hat, um so
weniger kann es halten. Zn allen Zeiten ist in
lebensfähigen Gemeinwesen, in Staaten n. Städten
die Macht wieder an Die zurückgefallen, welche sie
mit Gemeinsinn und ohne Eigennutz verwaltet
haben und sie nicht zum Zweck einer einseitigen
Politik ausbenteten. Diesen Gemeinsinn, diese
Uneigennützigkeit aber will der ächte Liberalismus.
Und ebendarum wäre es eine irrige Besorgniß,
zu fürchten, daß die Wahlsiege der Ultramontanen
sehr weittragend seien. Sie werden es in dem
Maße weniger sein, je ihätiger die liberale Partei
in der Arbeit ist und je deutlicher sie eben jenen
Grundzng ihres Wesens an's Licht kehrt, daß sie
frei von Egoismus nur das Recht und durch das
Recht das Wohl des Volkes will.
Baden.
Schwetzingen, den 28. Juni. Gestern
fand, nachdem die gesetzliche Dienstzeit des Bürger-
meisters Philipp Maas in Friedrichsfeld abgelanfen,
eine Neuwahl Statt, bei welcher von 117 Wahl-
berechtigten 114 ihre Stimme abgegeben haben.
Maas ging mit 59 Stimmen als Sieger ans dem
ziemlich heftigen Wahlkampfe hervor. Es stand
hier der eingeborne Bauernstand den Arbeitern
gegenüber, welche Bäckermeister Frei als ihren
Candidaten ausersehen hatten, der 55 Stimmen
auf sich vereinigte. Möge nun der Friede in der

Länder- und Wölkerkunde.
Die Nilschwelle in Aegypten. Der bekannte
Schriftsteller, Professor Herrn. Masius in Leipzig
entwirft im 2. Bande seiner ebenso vielseitig lehr-
reichen als anziehenden „Naturstudien", die bereits
in 6 Auflagen erschienen und iu's Englische, Hol-
ländische und Dänische übersetzt sind, ein Gemälde
von der merkwürdigen, zu Eingang genannten Na-
turerscheinung, wovon wir unfern Lesern im Fol-
genden einen Abriß vorlegen wollen. DerAegyp-
lier, beginnt er, kennt nur zwei Jahreszeiten, und
der Regulator derselben ist der wachsende und fal-
lende Nil. Betrachten wir zunüch t das Land vor
Eintritt der Stromschwelle. ES ist die Zeit un-
seres Frühlings. Aber während bei uns sich in
Feld und Wald die große Wiedergeburt der Erde
fröhlich vollzieht, liegt Aegypten von der Sonne
verbrannt und zerrissen da. Kein Quell erfrischt
den Boden, keine Wolke sendet Regen; statt ihrer
haucht nur der Chamsinwind sein Feuer über das
geborstene Staubfeld. Nicht selten ergreift auch
den Menschen verderbend die Gluth der unver-

hüllten Sonne; denn gerade in diesen Monaten
fordern Seuchen und Pest zuweilen viele tausend
Opfer. Aber auch die Kraft der Gesunden erliegt
der allgemeinen Lähmung. Erst wenn der Nil
den tiefsten und die Sonne den höchsten Stand
erreicht hat, endet Typhon, der böse Genius nach
dem Glauben der Alten, seine Herrschaft. Nord-
wärts, vom Meer herauf rauschen Kühlung ath-
mende Winde, die Boten des rettenden Gottes,
und nun beginnt die große Verwandlung. Unter
einem stets klaren Himmel, ohne irgend welche vor-
hergegangene Anzeichen wechselt, wie durch über-
irdische Mmtzt, ein großer Strom seine Wasser
und sein User. Vorher hell und durchsichtig, flie-
ßen jetzt plötzlich seine Wellen trübgrün und bald
braunroth, und wahrend sie bis dahin ununter-
brochen sanken, steigen sie jetzt ununterbrochen em-
por, weit hinaus über das gewohnte Bett, gleich
als rege sich in ihrem Schoße ei» verborgenes
Leben. Wir wissen, das; der Nil von den mäch-
tigen Gewittern geschwellt wird, welche innerhalb
der tropischen Regenzeit Tag und Nacht ihre
Wassermaffen auf das Hochland von Sudan und
Abyssinien herabstürzeu und daß die seit Jahr-

tausenden beobachtete Gesetzmäßigkeit dieser Erschei-
nung von dem gesetzmäßigen Eintritt eben jener
Epoche abhüngt. Sie selbst aber wird hinwie-
derum durch den regelmäßig wechselnden Stand
der Sonne bedingt. Wie das Wasser aus den
Quellseen gegen Norden fließt, rückt auch die Re-
genzeit nordwärts vor. Unter dem Aequator be-
reits mit dem Ende des März beginnend, tritt
sie je tiefer hinab, um so später ein, und in der
regenlosen Zone des Unterlaufs vom Nil verrüth
erst gegen Ende Juni's der steigende Strom den
gewaltigen Zuwachs der Wasser. Um die Mitte
August'S überschreitet der Fluß in Aegypten seine
User und überfluthet allmälig das ganze Thal bis
zum Fuß der fernen Berge hin, um während des
Oktobers in seine Grenzen zurückzukehren und
eben so gleichmäßig, als er gewachsen, znr niedrig-
sten Ebbe herabzusinken. Das höchste Maß der
Steigung beträgt für Unterägypten heute noch ge-
nau ebenso wie in den Tagen Herodot's (II, 13.)
15—16 Fuß, und die Wassermengc, welche der
Strom in dieser Zeit dem Meere zuwälzt, ist
zwanzigmal größer, als zuvor. Bleibt er aber,
^ wie zuweilen, unter jenem Maße, dann treffeu
 
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