Dicnsta«, 1°. März 1870. 32. V,°rl-r Jahrgang.
Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n l a g s b l a t t. - AlA Postanstalten und Boten nehmen Bestellungenan. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.
I n seratc die dreigespaltene Pctüzcile oder deren Raum 4 kr. L kalnnzci g en 2 kr.
Das Resultat der Debatte über die
„badische Frage."
80. Allmählich haben sich die Wageil lnschmich-
tigt, welche durch die Verhandlungen des Nord-
deutschen Reichstages von, 24. Febr. heraufbeschwo-
ren waren. Je länger man das- (besprochene er-
wogen, um so mehr hat man den Kern der Sache
von der mißlichen Form geschieden. Der Grund
für die gereizte Sprache des Bundeskanzlers scheint
lediglich in den inneren Verhältnissen Preußens
zu liegen; welches Gewicht aber der sachlichen
Seite seiner Erklärungen, beizumessen, dafür gibt
den besten Maßstab der. Eindruck, welchen dieselben
im Auslände gemacht haben. Aus England aus
Italien, aus Oesterreich sind sehr geachtete Stim-
men vernehmbar geworden, welche in Bismarck's
Worten die offenste und entschiedenste Besiegelung
des deutsch-nationalen Charakters der preußischen
Politik erkennen, ja vom 24. Februar eine neue
Aera unserer nationalen Entwickelung datiren.
Und in der That, seit der Thronrede bei Eröffnung
des constituirenden Reichstags und seit der Bis-
marck'schen Note von, September 1867 ist dieser
Standpunkt nicht so unzweideutig, so überzeuguugs-
voll eingenommen worden. Schon hatte» ja un-
sere Gegner trtumphirend verkündet, daß man in
Berlin definitiv darauf verzichtet habe, das Werk
von 1806 über den Main auszudehnen. Aber die
Thronrede von, 14. Febr. d. I. schlug diese lä-
cherlichen Phantasien mit Eitlem Schlage zu Boden,
und zur besseren Bekräftigung dessen gab Bismarck
am 24. Febr. die feste Versicherung, daß gar kein
Gedanke daran sei, den Mail, zur dauernden Grenze
des deutschen Staatswescns zu machen. Wir ha-
ben diese Bedeutung der Thronrede wie der Bis-
marck'schen Erklärungen sofort in ihrer vollen Trag-
weite gewürdigt, in der Debatte der II. Kammer
vom d. M. wurde der gleiche Punkt besonders
relont, und mit Genugthunng dursle der Präsident
des Gr. Ministeriums des Auswärtigen als eine
msirciuiche Seile der Reichstagsverhandlung> n vom
24. Febr. die Thaisache hervorheben, daß das
Präsidium des nordd. Bundes den bekannten Art. 4
des Prager Friedens in ganz derselben Weise auf-
fasse wie die Großh. Regierung.
Wo ist da nun die „ungeheure Niederlage",
über welche unsere Gegner, die Rothen mit den
Schwarzen um die Wette, Tag für Tag ihr ver-
logenes Siegesgeschrei erhebend Wären wir wirk-
lich über die gegeuwärlige Lage der Dinge anderer
Ansicht gewesen als der Bundeskanzler, hätten wir
Hoffnung genährt aus eilten unmittelbar bevorste-
henden Eintritt Badens in den Nordbund, dann
immer möchte man von einer Schlappe reden, die
wir erlitten. Allein wir haben sofort auf's un-
zweideutigste erklärt, daß lins die Anschauung des
Grafen Bismarck gar nichts Neues sei, daß sich
vielmehr unsere eigene im Wesentlichen gar nicht
von derselben unterscheide. „Ja wohl", höhnen
unsre Gegner, voran die edle „Warte", „so sagt
lnan dann post tostuw." Nun, damit wir ihnen
einmal schwarz auf weiß zeigen, wie wir vor-
dem 24. Februar gedacht haben, so erinnern wir
an die Neujahrsbetrachtung in der ersten Nuinmer
der „Badischen Eorrespondcnz", ivo der Einzelein-
trltt Badens in den Nordbund noch weit offener,
als es von Bismarck's Seite geschehen, unter den
gegenwärtigen Verhältnissen für inopporinn erklärt
wurde. Die gleiche Auffassung hat die ganze bis-
herige Haltung der nationalen und liberalen Partei
bekundet und sie pat in der Debatte vom o. Mürz,
in weicher von den Führern der Partei jeglicher
Zusammenhang mit dem Lasker'schen An'.rage auf's
Bündigste in Abrede gestellt ward, wiederum ihren
Ausdruck gefunden. Wie man unter diesen Um-
ständen voil einein Fiasco der von der eminenten
Mehrheit der Volksvertretung getragenen deutschen
Politik der badischen Regierung reden mag, ist
mehr als unbegreiflich. Aber es muß nun einmal,
wie die Organe der Ultramontanen sagen, eine
ungeheure Niederlage, oder, wie die demokratische
„Neue Badiffhe Landeszeitung", vulg-o „Mann-
heimer Anzeiger" sich populärer ausdrückt, eine
Ohrfeige gewesen sein, und so wäre es denn die
Aufgabe der Vertreter dieser Parteien in der Kam-
mer gewesen, diese Behauptungen zu beweisen und
den Weg zu zeigen, wie es besser zu machen.
Sehen wir zu!
(Schluß folgt.)
* R U U V s ch a U.
Das neue Strafgesetzbuch des norddeutschen
Bundes wird wegen der Ablehnung der Todes-
strafe vom Bundesrathe wahrscheinlich zurückge-
zogen werden. Der Bundeskanzler verlangt zwar
dessen vollständige Durchberathung und behält dem
Bundesrath die endgültige Entschließung vor, doch
läßt sich nicht annehmen, daß eine Verständigung
zwischen dem Reichstage und der obersten Bundes-
behörde zu erzielen ist.
Hinsichtlich der bevorstehenden Unfehlbarkeits-
crklarnng des römischen Papstes schreibt die
Nordd. Allgem. Ztg. : Der erste Eindruck dieses
Aktenstückes ist der eines tiefen Bedauerns. Es
gibt wenige Zeugnisse, welche so augenfällig be-
weis n, bis wohin sich der menschliche Geist ver-
irren kann.
Die Wiener „Presse" bespricht den Rücktritt
des Fürsten Hohenlohe und äußert hinsichtlich der
Haltung die sein Nachfolger zu beobachten habe.
Alles, was ihm vorläufig zu thnn möglich bleibt
Aie Schwindel'öamlm in Heapcl.
Der „Tanziger Ztg." wird über die Lchwindelbanken
laus der letzten Zeit vor ihrem Sturz) geschrieben: Als
1866 nach dem Kriege das Goldagio ungeheuer in die
Höhe gegangen war, errichtete etne ganz unbekannte mittel-
lose Firma, Ruffo und Scilla, eine Bank und versprach
den Einzahlern gegen 100 Frs. Papier nach Verlauf eines
Monats 100 Frs. Gold auszuzahlen. Das Agio stand sehr-
hoch, dis Einleger konnten in einem Monat 10 pCt. und
darüber verdienen, das Gclv strömte den Unternehmern
massenhaft zu. Diese waren ursprünglich von dem Ge-
danken ausgcgangen, die Geschäfte aller kleinen Wechselbuden
an sich zu bringen und mit dem dort crzulten Gewinne
die Einzahler zu befriedigen. Doch bald wuchs ihnen das
Geschäft über den Kopf, die Einlagen wurden Millionen und
nun verzichteten sie darauf, das Geld arbeiten zu lassen,
warfen es in einen Kasten (?) und bezahlten mit den neuen
Zuflüssen die alten Verpflichtungen. Das ging, bis das
Agio sank. Ta fingen die Leute an, mit Einschüsstn ein-
zuhalten, weil das Geschäft nicht mehr lohnte. Darauf
machten Russe, und Scilla bekannt, daß, wenn das Agio
> auch unter -1 pCt. sinken sollte, sie dennoch 4 pCt. monat-
i lich zahlen würden. Das Kapital floß darauf wieder in
^ ungeheuren Lummen hin, die Bank verfügte über Milli-
! oncn, jeden Monat konnte der Einleger sein Kapital zurück-
I nehmen oder für weitere Belasst»^ 4 pEt. eilistreichen,
, macht im Jahr 48 pCt. Das ging also seit l866. Ta
i kam im vorigen September Konkurrenz. Eine andere Bank
kündigte an, sie gebe monatlich 15 pCt. pränumerando.
Nun kam erst wirkliches-Leben in das bisher kaum beachtete
Geschäft. Voni Lande, aus der ganzen Provinz strömten
Millionen nach Neap l, das verschwundene Goldgc-d, wahr-
scheinlich versteck' unv vergraben, kam massenhaft zum Vor-
schein, die Leute versetzten ihre Bctien, Kanfleute verpfände-
j ten ihre Waaren; 15 pEt. prän. im Monat war ein zu
verlockendes Angebot. Natürlich holien am nächsten Ersten
auch von Russe, und Scilla die Leute ihr Eingelegtes zurück,
um cs besser anzulegen und diese sahku sich natürlich genö-
thigt, gleichfalls 15pCt. monatlich zu bieten. Das war im
Lcptembcr. , Ich übergehe die allmälige Entwicklung dieses
Schwindels, der außer bei diesem blinden, sorglosen, wie
wahnsinnig dem Spiele ergebenen Volke wohl kaum noch
in Griechenland oder Spanien möglich wäre, und führe nur
die Thatsache an, daß heute, wie an allen Straßenecken zu
lesen ist, der Zinsfuß auf 30 pEt. prän. gestiegen ist und
93 Banken cpistiren. Nein! 93 existirten am Samstag, als
ich die erste Mitlheilung über diese ganz fabelhaften Unter-
nehmungen bekam, Sonntag früh waren cs bereits 102
und heute, Montag noch.7 neue dazu gekommen, also wäh-
rend ich schreibe, 109 Banken, von denen jede 30pCt. mo-
nallich pränumerando zahl!. Die Folgen lassen sich heute
noch nicht übersehen. Zuuächst ist das Geld mobil geword n
und zu Huberten Millioncii, Russe, und Scilla sollen
allein 80 als Einlage haben, hergcströmt, ephemerer Reich-
thum über Viele ausgegosscn. Uns-gegenüber, so erzählt
mir eine Dame, wohnte ein heruntergekommener Edelmann
mit seiner Familie, der sieh sehr cinschränktc. Jetzt hat er
sein gesamnites Kapital in die Banken getragen und mit
dem Erlös lebt er auf großem Fuß, hält Equipagen, eröff-
net seine Salons an festen Abenden, kurz, er ist ein reicher
Mann. Die soliden Geschäftsleute sind übel daran, die
kleinen sonst zuverlässigen Händler, an die sie ihre Waaren
absetzten, zahlen nicht mehr, sondern bringen, von dem all-
gemeinen Strudel erfaßt, ihren Erwerb in ihre Banken, der
Lar.dmaim, den Erlös seiner Ernten, der Rentier all seinen
kleinen Besitz. Renten und sämmtliche andere Wcrthpapiere
kauft kein Mensch mehr, es wüthet, wie ein Füber in den
Köpfen der Leute, die große Mehrzahl hat keine Ahnung
von der Art solchen Geschäfts und selbst die Einsichtig ren
Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n l a g s b l a t t. - AlA Postanstalten und Boten nehmen Bestellungenan. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.
I n seratc die dreigespaltene Pctüzcile oder deren Raum 4 kr. L kalnnzci g en 2 kr.
Das Resultat der Debatte über die
„badische Frage."
80. Allmählich haben sich die Wageil lnschmich-
tigt, welche durch die Verhandlungen des Nord-
deutschen Reichstages von, 24. Febr. heraufbeschwo-
ren waren. Je länger man das- (besprochene er-
wogen, um so mehr hat man den Kern der Sache
von der mißlichen Form geschieden. Der Grund
für die gereizte Sprache des Bundeskanzlers scheint
lediglich in den inneren Verhältnissen Preußens
zu liegen; welches Gewicht aber der sachlichen
Seite seiner Erklärungen, beizumessen, dafür gibt
den besten Maßstab der. Eindruck, welchen dieselben
im Auslände gemacht haben. Aus England aus
Italien, aus Oesterreich sind sehr geachtete Stim-
men vernehmbar geworden, welche in Bismarck's
Worten die offenste und entschiedenste Besiegelung
des deutsch-nationalen Charakters der preußischen
Politik erkennen, ja vom 24. Februar eine neue
Aera unserer nationalen Entwickelung datiren.
Und in der That, seit der Thronrede bei Eröffnung
des constituirenden Reichstags und seit der Bis-
marck'schen Note von, September 1867 ist dieser
Standpunkt nicht so unzweideutig, so überzeuguugs-
voll eingenommen worden. Schon hatte» ja un-
sere Gegner trtumphirend verkündet, daß man in
Berlin definitiv darauf verzichtet habe, das Werk
von 1806 über den Main auszudehnen. Aber die
Thronrede von, 14. Febr. d. I. schlug diese lä-
cherlichen Phantasien mit Eitlem Schlage zu Boden,
und zur besseren Bekräftigung dessen gab Bismarck
am 24. Febr. die feste Versicherung, daß gar kein
Gedanke daran sei, den Mail, zur dauernden Grenze
des deutschen Staatswescns zu machen. Wir ha-
ben diese Bedeutung der Thronrede wie der Bis-
marck'schen Erklärungen sofort in ihrer vollen Trag-
weite gewürdigt, in der Debatte der II. Kammer
vom d. M. wurde der gleiche Punkt besonders
relont, und mit Genugthunng dursle der Präsident
des Gr. Ministeriums des Auswärtigen als eine
msirciuiche Seile der Reichstagsverhandlung> n vom
24. Febr. die Thaisache hervorheben, daß das
Präsidium des nordd. Bundes den bekannten Art. 4
des Prager Friedens in ganz derselben Weise auf-
fasse wie die Großh. Regierung.
Wo ist da nun die „ungeheure Niederlage",
über welche unsere Gegner, die Rothen mit den
Schwarzen um die Wette, Tag für Tag ihr ver-
logenes Siegesgeschrei erhebend Wären wir wirk-
lich über die gegeuwärlige Lage der Dinge anderer
Ansicht gewesen als der Bundeskanzler, hätten wir
Hoffnung genährt aus eilten unmittelbar bevorste-
henden Eintritt Badens in den Nordbund, dann
immer möchte man von einer Schlappe reden, die
wir erlitten. Allein wir haben sofort auf's un-
zweideutigste erklärt, daß lins die Anschauung des
Grafen Bismarck gar nichts Neues sei, daß sich
vielmehr unsere eigene im Wesentlichen gar nicht
von derselben unterscheide. „Ja wohl", höhnen
unsre Gegner, voran die edle „Warte", „so sagt
lnan dann post tostuw." Nun, damit wir ihnen
einmal schwarz auf weiß zeigen, wie wir vor-
dem 24. Februar gedacht haben, so erinnern wir
an die Neujahrsbetrachtung in der ersten Nuinmer
der „Badischen Eorrespondcnz", ivo der Einzelein-
trltt Badens in den Nordbund noch weit offener,
als es von Bismarck's Seite geschehen, unter den
gegenwärtigen Verhältnissen für inopporinn erklärt
wurde. Die gleiche Auffassung hat die ganze bis-
herige Haltung der nationalen und liberalen Partei
bekundet und sie pat in der Debatte vom o. Mürz,
in weicher von den Führern der Partei jeglicher
Zusammenhang mit dem Lasker'schen An'.rage auf's
Bündigste in Abrede gestellt ward, wiederum ihren
Ausdruck gefunden. Wie man unter diesen Um-
ständen voil einein Fiasco der von der eminenten
Mehrheit der Volksvertretung getragenen deutschen
Politik der badischen Regierung reden mag, ist
mehr als unbegreiflich. Aber es muß nun einmal,
wie die Organe der Ultramontanen sagen, eine
ungeheure Niederlage, oder, wie die demokratische
„Neue Badiffhe Landeszeitung", vulg-o „Mann-
heimer Anzeiger" sich populärer ausdrückt, eine
Ohrfeige gewesen sein, und so wäre es denn die
Aufgabe der Vertreter dieser Parteien in der Kam-
mer gewesen, diese Behauptungen zu beweisen und
den Weg zu zeigen, wie es besser zu machen.
Sehen wir zu!
(Schluß folgt.)
* R U U V s ch a U.
Das neue Strafgesetzbuch des norddeutschen
Bundes wird wegen der Ablehnung der Todes-
strafe vom Bundesrathe wahrscheinlich zurückge-
zogen werden. Der Bundeskanzler verlangt zwar
dessen vollständige Durchberathung und behält dem
Bundesrath die endgültige Entschließung vor, doch
läßt sich nicht annehmen, daß eine Verständigung
zwischen dem Reichstage und der obersten Bundes-
behörde zu erzielen ist.
Hinsichtlich der bevorstehenden Unfehlbarkeits-
crklarnng des römischen Papstes schreibt die
Nordd. Allgem. Ztg. : Der erste Eindruck dieses
Aktenstückes ist der eines tiefen Bedauerns. Es
gibt wenige Zeugnisse, welche so augenfällig be-
weis n, bis wohin sich der menschliche Geist ver-
irren kann.
Die Wiener „Presse" bespricht den Rücktritt
des Fürsten Hohenlohe und äußert hinsichtlich der
Haltung die sein Nachfolger zu beobachten habe.
Alles, was ihm vorläufig zu thnn möglich bleibt
Aie Schwindel'öamlm in Heapcl.
Der „Tanziger Ztg." wird über die Lchwindelbanken
laus der letzten Zeit vor ihrem Sturz) geschrieben: Als
1866 nach dem Kriege das Goldagio ungeheuer in die
Höhe gegangen war, errichtete etne ganz unbekannte mittel-
lose Firma, Ruffo und Scilla, eine Bank und versprach
den Einzahlern gegen 100 Frs. Papier nach Verlauf eines
Monats 100 Frs. Gold auszuzahlen. Das Agio stand sehr-
hoch, dis Einleger konnten in einem Monat 10 pCt. und
darüber verdienen, das Gclv strömte den Unternehmern
massenhaft zu. Diese waren ursprünglich von dem Ge-
danken ausgcgangen, die Geschäfte aller kleinen Wechselbuden
an sich zu bringen und mit dem dort crzulten Gewinne
die Einzahler zu befriedigen. Doch bald wuchs ihnen das
Geschäft über den Kopf, die Einlagen wurden Millionen und
nun verzichteten sie darauf, das Geld arbeiten zu lassen,
warfen es in einen Kasten (?) und bezahlten mit den neuen
Zuflüssen die alten Verpflichtungen. Das ging, bis das
Agio sank. Ta fingen die Leute an, mit Einschüsstn ein-
zuhalten, weil das Geschäft nicht mehr lohnte. Darauf
machten Russe, und Scilla bekannt, daß, wenn das Agio
> auch unter -1 pCt. sinken sollte, sie dennoch 4 pCt. monat-
i lich zahlen würden. Das Kapital floß darauf wieder in
^ ungeheuren Lummen hin, die Bank verfügte über Milli-
! oncn, jeden Monat konnte der Einleger sein Kapital zurück-
I nehmen oder für weitere Belasst»^ 4 pEt. eilistreichen,
, macht im Jahr 48 pCt. Das ging also seit l866. Ta
i kam im vorigen September Konkurrenz. Eine andere Bank
kündigte an, sie gebe monatlich 15 pCt. pränumerando.
Nun kam erst wirkliches-Leben in das bisher kaum beachtete
Geschäft. Voni Lande, aus der ganzen Provinz strömten
Millionen nach Neap l, das verschwundene Goldgc-d, wahr-
scheinlich versteck' unv vergraben, kam massenhaft zum Vor-
schein, die Leute versetzten ihre Bctien, Kanfleute verpfände-
j ten ihre Waaren; 15 pEt. prän. im Monat war ein zu
verlockendes Angebot. Natürlich holien am nächsten Ersten
auch von Russe, und Scilla die Leute ihr Eingelegtes zurück,
um cs besser anzulegen und diese sahku sich natürlich genö-
thigt, gleichfalls 15pCt. monatlich zu bieten. Das war im
Lcptembcr. , Ich übergehe die allmälige Entwicklung dieses
Schwindels, der außer bei diesem blinden, sorglosen, wie
wahnsinnig dem Spiele ergebenen Volke wohl kaum noch
in Griechenland oder Spanien möglich wäre, und führe nur
die Thatsache an, daß heute, wie an allen Straßenecken zu
lesen ist, der Zinsfuß auf 30 pEt. prän. gestiegen ist und
93 Banken cpistiren. Nein! 93 existirten am Samstag, als
ich die erste Mitlheilung über diese ganz fabelhaften Unter-
nehmungen bekam, Sonntag früh waren cs bereits 102
und heute, Montag noch.7 neue dazu gekommen, also wäh-
rend ich schreibe, 109 Banken, von denen jede 30pCt. mo-
nallich pränumerando zahl!. Die Folgen lassen sich heute
noch nicht übersehen. Zuuächst ist das Geld mobil geword n
und zu Huberten Millioncii, Russe, und Scilla sollen
allein 80 als Einlage haben, hergcströmt, ephemerer Reich-
thum über Viele ausgegosscn. Uns-gegenüber, so erzählt
mir eine Dame, wohnte ein heruntergekommener Edelmann
mit seiner Familie, der sieh sehr cinschränktc. Jetzt hat er
sein gesamnites Kapital in die Banken getragen und mit
dem Erlös lebt er auf großem Fuß, hält Equipagen, eröff-
net seine Salons an festen Abenden, kurz, er ist ein reicher
Mann. Die soliden Geschäftsleute sind übel daran, die
kleinen sonst zuverlässigen Händler, an die sie ihre Waaren
absetzten, zahlen nicht mehr, sondern bringen, von dem all-
gemeinen Strudel erfaßt, ihren Erwerb in ihre Banken, der
Lar.dmaim, den Erlös seiner Ernten, der Rentier all seinen
kleinen Besitz. Renten und sämmtliche andere Wcrthpapiere
kauft kein Mensch mehr, es wüthet, wie ein Füber in den
Köpfen der Leute, die große Mehrzahl hat keine Ahnung
von der Art solchen Geschäfts und selbst die Einsichtig ren