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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

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Juni (Nr. 65 - 76)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30183#0289

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Dienste. 21. Juni 1870. >o. 72. V,-,t-r Jahrgang.


Amts-H5erkündlgttllgsökatt für den Bezirk Schwetzingen.

Bak> ischc Hopscnzcitnng.

Erscheint «öchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g S b l a t t. - Alle Postanitalten und Boten nehmen Bestellungen an. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespultene Petitzcile oder deren Raum 3 kr. L » k a l a n z e i g en 2 kr.

Atzonnements-Kinkadung.
Mit dem III. Quartale beginnt ein neues Abonne-
ment auf unser Blatt.
Wir glauben sagen zu dürfen, daß unsere wcrthen
Leser mit der politischen Haltung desselben seither völlig
einverstanden waren und es auch ferner bleiben werden.
Die jetzt wieder näher rückende 2»opfensaison wird s
wieder wie sonstige Jahre, unserem Blatte einen ausge-
dehnten, weit über die Grenzen unseres Bezirks reichenden
Leserkreis verschaffen. Wir werden bemüht sein durch Ori-
ginalcorrespondenzcn, durch zuverlässige Maiktberichte rc.
dem weitverbreiteten Stande der H o p f en-
pflanzerwerthvolle, und unentbehrliche Nachrichten an die
Hand zu geben, die ihm die unerläßliche Einsicht in den
Gang des Hopfengeschästs ermöglichen und ihn befähigen,
sein Produkt zu geeigneter Zeit in Uortheilhaftefter Weise
zu verwerthen.
Versäume daher kein Hopfenpflanzer, unser Blatt im
eigenen, wohlverstandenen Interesse zu beziehen!
Abonncmentspreis pro Quartal: Loco Schwetzingen
und im Amtsbezirk 45. durch die Post bezogen (einschl.
der Postprovision) ebenfalls 45 Kr. Anzeigen, der dreige-
spaltene Raum, die Petitzeile 2 beziehungsweise 3 Kr.
Schwetzingen.
Die Expedition.

Politischer Schwindel und ultra
rnontaner Patriotismus.
Als im vorigen Monat der Norddeutsche
Reichstag die Unterstützung des Eisenbahnunter-
nehmens über den Gotthard votirte, wer Hütte da
wohl gedacht, daß in diesem Schritte nicht sowohl
eine Beförderung eines nothwendigen Kulturwerkes,
als vielmehr eine Bedrohung des europäischen
Friedens liege? jetzt urplötzlich thun gewisse Leute
in Paris als stünde die ganze militärische Sicher-
heit Frankreichs ans dem Spiele. Ein Mitglied
des Gesetzgebenden Körpers, ein Herr Monny, will
das Verhältnis; Preußens zur Gotthardbahn in
einer Interpellation zur Sprache bringen und ein
- Theil der Presse meint die Sache sehr ernst auf-

fassen zu müssen. Warum das Alles? Weil Bis-
marck, als er den Reichstag um Bewilligung der
geforderten Summe anging, die Worte sagte: „Es
müssen gewiß die verbündeten Regierungen tief
von der Ueberzeugung durchdrungen sein, daß die
politischen Interessen es empfehlen, zwischen Deutsch-
land und Italien eine Verbindung zu schaffen,
welche lediglich von dem neutralen Zwischenlande,
der Schweiz, abhüngig ist. und nicht im Besitze
einer der großen europäischen Mächte sich bc-
i findet."
Wo in aller Welt liegt denn in diesen Worten
eine Gefahr für Frankreich? Ter „Moniteur
universel" hat's herausgefunden: Graf Bismarck
hat dem Reichstage die Gotthardbahn als eine
„strategische Route gegen den gemeinsamen Feind"
dargestellt. Gewiß, ein Bischen Sommerlogik ist
in diesen heißen Tagen schon erlaubt; aber Tol-
leres, als diese Entdeckung des „Moniteur." kann
denn doch auch bei noch höherem Hitzegrade schwer-
lich gefunden werden. Das winde doch jedes
Kind in Frankreich als einen vollendeten Blödsinn
begreifen, wollte man annehmen, daß Preußen,
um Frankreich anzugreifen, nach Italien gehen
würde. Und ebenso könnte man auf dem Redac-
tionsbüreau des Moniteur wohl wissen, daß auch
eine italienische Armee nähere Wege nach Paris
finden würde als über den Gotthard. Dabei ist
das in der Neutralität der Schweiz gelegene Hin-
derniß nicht einmal in Anrechnung gebracht. Aber
gesetzt auch, diese Neutralität würde von Deutsch-
land oder Italien nicht respectirt, so hatte trotzdem
der „Constitutione!" kaum nöthig darauf aufmerk-
sam zu machen, daß alsdann Frankreich beiden
Theilen jedenfalls zuvorkommen könne, um die
Communication über die Alpen abzuschneiden, mag
man über die Stärke der schweizerischen Miliz
denken wie man will, dazu um den Gott-

hardpaß neutral zu erhalten, wird sie doch immer
Manns genug sein.
Mit etwas geringerem Aufwands von Wider-
sinn haben andere pariser Blätter die deutsche
Subventionirung der Gotthardbahn mit der fran-
zösisch-belgischen Eisenbahnangelegenheit in gleiche
Linie gestellt, welche im vorigen Jahre die Welt
einige Zeit in Athem erhielt. Der Unterschied
liegt auf der .Hand. Eine französische Gesellschaft
wollte die belgische Eisenbahn als ihr Eigenthuiu
erwerben; von dergl. ist hier nirgends die Rede.
Und dann geht durch Belgien allerdings die „stra-
tegische Route" direct auf die preuß. Rheinprovinz.
So sucht man vergebens nach einem plau-
sibeln Grunde, um deßwillen unsere Nachbarn,
die in ihrem gesetzgeb. Körper doch wohl Besseres
zu thun hätten, als Allotria zu treiben, es mit
der Sache ernst ue. inen tonnten. Und dennoch,
wozu wird hier eine Angelegenheit, die Frankreich
gar nicht erwähntz zu einer acuten Frage der
auswärtigen Politik hinaufgeschraubt? Weil —
die Interessenten des Projectes einer Bahn über
den Simplon durch Erregung der französischen
Nationaleitelkeit und Eifersucht eine Subvention für
ihr bisher ziemlich aussichtsloses Unternehmen zu
erlangen hoffen. Das ist das ganze Geheimniß.
Wenn übrigens einzelne Chauvinisten aus
dieser Angelegenheit .bereits ernste diplomatische
Verwicklungen hervorgehcn sahen, so haben sie sich
arg verrechnet. Die verständigeren Franzosen
lachen bereits ebenso über die ganze Geschichte,
wie es die verständigen Deutschen von vornherein
thaten. Nur das „Organ der katholischen Volks-
partei in Baden", der „Pfälzer Bote", findet
noch in seiner Nr. vom 16. Juni, daß die
Mony'sche Interpellation gegenwärtig das „wich-
tigste Ereigniß" sei und stellt dem gesetzgebenden
Körper das Zeugniß aus, daß er „das Gefahr-

Einarmig und verbannt.
Novelle v. Friedrich Schödler.
(Fortsetzung.)
In jenen Niederungen von Norddeulschland
besteht der Wechsel nur im Uebergang von end-
losem Kieferwald zu weitgedehnten Rüben- oder
Kartoffelfeldern, von Haide zu Moor, von fettem
Marschland zu trostlosem Sand oder Sumpf. Le-
ben und Wirthschaft ist daher sehr verschieden vom
Süden; die Gaben der Natur sind wenig mannig-
faltig und alloerbreitet, aber es erscheinen die be-
deutenden Wirthschafleu als Sammelpunkte eines
großen und concentrirten Wohlstandes. Der Rei-
sende eines alten und renommirten Hauses ist bei
den Besitzern solcher Rittergüter meist wohl aus-
genommen, zumal wenn er bei öfterer Wiederkehr
als ein Mann von angemessener Haltung und
gediegenem Wesen sich bewährt hat. So saß ich
noch spät bei dem Hrn. v. Strahlen auf Hotorp,
indem er mich wiederholt zurückgehalten hatte, als
ich Miene zum Aufbrecheu machte.

„Seien Sie unbesorgt, Herr Wendeland," >
sagte er, „Sie kommen zeitig genug zu meinem
Vetter auf Nöören. Ich lasse Ihnen noch zwei
von meinen besten Pferden Vorspannen und gebe
einen Fahrknecht mit, da geht es gleich anders."
So geschah es anch. Ich bestieg endlich
meinen Vierspänner, eine in diesem Lande der
vorzüglichsten Pferdezucht sehr gewöhnliche Erschei-
nung, und überließ dem Knechte das Fahren. In
dcn Mantel gehüllt, sah ich, wie der Wmd die
Wolken über Moor und Haide jagte und die Nacht
schnell sich herabsenkte. Trotz unserer vier Pferde
mußte der Wagen zuweilen im Schritt gehen,
wenn er fußtief im Sande einsank. Plötzlich hielt
das Gefährt still — die Pferde schnaubten und
der kleine Hund, der als Freiwilliger vom Gute
mitgclaufen war, fing an zu bellen.
„Was gibt es?" fragte ich den Fahrknecht.
„Das weiß der Teufel," antwortete derselbe,
„die Pferde bäumen sich, wenn ich zuhaue; da
muß etwas sein, wovor sie scheuen."
Ich übernahm die Zügel, der Knecht stieg ab
und ging um nachzusehen.
«Herr Gott," rief er plötzlich, „da liegt ein

Mensch quer über die Straße, dicht vor den Hu-
fen der Pferde.
Auch ich sprang jetzt hinunter und in der
That lag da ein Mann, das Gesicht zur Erde
gekehrt, regungslos gleich einem Todten. Ich eilte
zum Wagen und zündete eine kleine Laterne an,
die ich bei tnir führte, der «Knecht wendete den
Körper um und ich leuchtete ihm in's Gesicht —
es mar Mitoschefskh, der alte Pole — todt, oder
sterbend.
„Ach, lieber Herr," rief der Knecht, „das ist
der einarmige Pole, der sich schon lang in der
Gegend herumtreibt; der ist wieder betrunken und
schläft seinen Rausch aus. Den haben wir schon
öfter so gefunden. Wir wollen ihn hier auf die
Seite legen."
„Nein." sagte ich, „nun und nimmermehr
dürfen wir eine Creatur so ihrem Schicksale über-
lassen."
Mit Mühe luden wir den schweren Körper
auf den Wagen und ich setzte mich zum Knecht.
Nach einer halben Stunde erreichten wir einen
einsamen Haidekrug. Wir luden unsere Last ab.
— Auch der Krugwirth erkannte dieselbe sogleich
 
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