Donnerst«;, 16. Zum 1870.
8o. 7V.
Vierter Jahrgang.
Amts-^lerküildiguiigsötatt für den Bezirk Schwetzingen.
Badische Hopsen) ei 1 ung.
Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b la t t. - Alle Postanstalten nnd Boten nehmen Bestellungen an. — P r e i S vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltene PctitzeUe oder deren Raum 3 kr. L » k a l a n z e i g e n 2 kr.
intadung.
Der Unterzeichnete ladet die Wahlmänner und Wähler
und der umliegenden Orte auf
Sonntag, den 19. Juni, Nachmittags 3 Uhr
in den Rathhaussaal zu Schwetzingen zu einer Besprechung über die neue Ge-
meindeordnung freundlichst ein.
Ni*. LI. Abgeordneter.
Die katholische Volkspartei und die
Unfehlbarkeit.
Die ultramontaue Presse erbost sich darüber,
daß wir vor Kurzem, mit Bezug aus die Leidens-
geschichte des Pater Hötzl, das Verfahren der herr-
schenden Partei in Rom einmal beim rechten Namen
genannt haben. Inzwischen haben die Anhänger
dieser Partei ans dem Concil ein noch ganz an-
deres Beispiel geistiger Tyrannei geliefert. Die
allgemeine Debatte über die Unfehlbarkeit des Pap-
stes wurde am 3. Juni, obwohl noch 40 Väter
zum Wort eingeschrieben waren, gewaltsam ge-
schlossen; die Opposition wurde durch die Freunde
der Jufallibilitüt einfach niedergestimmt. Flugs
sind die Herren Ultramontanen bei der Hand mit
der Einrede: geschieht es bei euren parlamentari-
schen Versammlungen, geschieht cs vornehmlich beim
Norddeutschen Reichstage nicht ebenso? Elende Aus-
flüchte ! Als ob in einem politischen Parlament
jemals über eine Frage von solcher Beschaffenheit
discutirt und beschlossen werden köumste, wie die
der päpstlichen Unfehlbarkeit! Zudem, wenn in
unfern legislativen Versammlungen wirklich ein-
mal eine Ungerechtigkeit gegen eine beachtenswertste
Minorität begangen, wenn wirklich einmal ein Ge-
setz voreilig angenommen worden, so kann nnd
wird durch eine spätere Tagung dieser Körper-
schaft das Alles wieder gut gemacht werden. Die
Unfehlbarkeit aber, einmal angenommen, bleibt für
alle Ewigkeit ein unumstößlicher Glaubenssatz. Und
endlich: in politischen Dingen ist die Unter-
werfung der Minderheit unter die Mehrheit mög-
lich, ja nothwendig; in Sachen des Glaubens
mag sie einer gewissen Partei nothwendig scheinen
aber sie ist nicht möglich. Es ist der baare Wider-
sinn, daß einem Menschen seine innerste Ueber-
zeugung anbefohlen werden könne. Und
dennoch, was thut das Concil Anderes, wenn es
eine Opposition, die sich ans den gebildetsten der
Mitglieder der Versammlung zusammengesetzt, zur
Annahme eines Dogmas zwingen will, dessen Mög-
lichkeit sie bestreiten?
„Oho", ruft uns da der „Pfälzer Bote"
entgegen, „wo ist hier ein Spur von Zwang?
Der Schluß der Generaldebatte ist geschäftsord-
nungsmäßig beschlossen; im Uebrigen ist im Con-
cil eine beide Parteien zufriedenstellende Fassung
im Werke." Es sind jetzt 4 Wochen her, daß dies
„Organ der katholischen Volkspartei in Baden"
zur Beschwichtigung der erregten Gemüther auS
zuverlässiger Quelle schon einmal die gleiche Mel-
dung von einer solchen „alle Parteien befriedigenden
Fassung" brachte, ja sie damals für die nächsten
Tage in Aussicht stellte. Wie stimmt daS zu der
heftigen Opposition, welche das Unfehlbarkeitsdogma
in den seitdem gehaltenen Kongregationen erlebt
hat? So ängstlich man immer den Schleier des
Geheimnisses um das Concil gezogen, eS ist doch
in die Oeffentlichkeit gedrungen, daß wenige Tage
vor dem Pfingstfest die Erbitterung auf beiden
Seiten so hoch gestiegen war, daß nicht viel daran
fehlte und die frommen Väter wären sich in deS
Wortes eigentlichster Bedeutung in die Haare ge-
rathen. Und trotzdem nnd alledem will uns H.
Bissing heute wieder weiß machen, daß die „be-
friedigende Fassung" im Werke sei? Das ist wieder
eine jener erbärmlichen Ausflüchte, mit denen man
sich eine unbequeme Sache vom Halse schaffen will.
Wir wissen nicht, was die opponirende Min-
derheit schließlich thnn wird; sie hat die Wahl
zwischen Martyrium und fetten Pfründen. DaS
aber wissen wir, daß kein verständiger und ge-
wissenhafter Mann sich durch „Fassungen" fangen
lassen wird. Oder w ll man uns wirklich zumuthen
zu glauben, das Jesuitenregiment in Rom werde
sich die jetzt errungenen Erfolge durch eine „Fas-
sung" ans den Händen spielen lassen? Wie immer
die Form schließlich festgestellt werde, die Sache
bleibt dieselbe — die persönliche Unfehlbarkeit deS
Papstes.
Einen Menschen für einen Gott erklären! —
man drehe nnd wende die Sache, wie man will,
einem denkenden Wesen wird man sie nicht
plausibel machen. In dem Augenblicke, da das
neue Dogma verkündet wird, werden Tausende von
ßinarmig und verkannt.
Novelle v. Friedrich Schödler.
(Fortsetzung.)
Die Sachen waren wenig bedeutend, ich konnte
sie im Nothsall entbehren, oder durch ein Paar
Zeilen darüber verfügen, aber siehe da — eine
Stunde nachher rollte mein Wagen ans der Straße
von Mannheim nach Worms.
Vor mir her schwebte wohlthnend ein freund-
liches Bild, das mich unwillkürlich nach dieser
Richtung zu ziehen schien. Es war keine bestimmte
Absicht, die mich erfüllte, kein ausgesprochener Ge-
danke, sondern eine glückliche Stimmung, die in-
nerlich zu mir selber sagte: Wie wird Maria
überrascht sein, wenn Du auf einmal wieder
da bist!
Allein das äußerliche Leben bereitet uns oft die
schneidendstem Contraste mit der innerlichen Stim-
mung. Im Alten Kaiser geriest) ich in den un-
gemüthlichsten Wirrwarr; es war der achttägige
Worm''^Markt — auch Messe genannt — an-
gebrochen und es wimmelte von Handelsleuten,
Künstlern und Fremden aller Art.
„Ach Herr Wendeland, wie erschrecken Sie
mich!" rief als Willkomm die Alte - Kaiserwirthin
und schlug die Häude zusammen.
„Wie so? fragte ich verwundert.
„Wollen Sie denn bei uns logiren?"
„Nun, das versteht sich doch!"
„Ach Du mein Gott, wir haben ja keine Ecke
mehr frei, Alles ist besetzt bis hinauf unter den
Taubenschlag."
Auch der Wirth kam herbei und lamentirte,
denn mich abzumeisen, das schien doch allen Ge-
setzen der Natur zu widersprechen.
„Ja, ich wüßte wohl einen Ausweg," sagte
endlich die Frau, „aber —"
„Nun?" fragte der Kaiserwirth.
„Wenn wir den Herrn Wendeland in den
Alkoven logirten, hinter des Polen Zimmer."
„Wo denkst Du hin, das gibt der Alte nun
und nimmer zu, er wurde wüthend, als ich ihm
heute denselben Vorschlag zu Gunsten des Herrn
machte, den wir abweisen mußten. Weißt Du
^ nicht, wie mißtrauisch er ist, so daß anfänglich
stets die arme Maria innerhalb seines Zimmers
eine Decke vor die Thüre legen uud darauf schla-
fen mußte. Das hat er noch von den früheren
Verfolgungen."
„Aber wir werden ihn gar nicht fragen,"
sagte Frau Krönig. „Da Zimmer und Alkoven
nur einen Eingang haben, so dürfte Herr Wende-
land nur etwas früher zu Bette gehen und sich
ruhig verhalten."
„Und morgen früh befände ich mich in einer
Mausfalle — da danke ich schönstens," erwie-
derte ich.
„Keineswegs," sagte die Frau; „der Pole
hat schon auf sechs Uhr den Wagen bestellt —
also sind Sie ganz ungenirt."
Ich hatte in der That nur eine geringe Wahl,
denn auch in andern Häusern mußte ich fürchten
abgewieseu zu werden; ich fügte mich also der
sonderbaren Bedingung, als geheimer Schlafkame-
rad untergebracht zu werden. Ein alter Bekann-
ter, der mittlerweile dazugekommen war, nahm
mich für den Rest deS Abends so in Beschlag,
daß ich weder Maria noch ihren Vater zu Gesicht
8o. 7V.
Vierter Jahrgang.
Amts-^lerküildiguiigsötatt für den Bezirk Schwetzingen.
Badische Hopsen) ei 1 ung.
Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b la t t. - Alle Postanstalten nnd Boten nehmen Bestellungen an. — P r e i S vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltene PctitzeUe oder deren Raum 3 kr. L » k a l a n z e i g e n 2 kr.
intadung.
Der Unterzeichnete ladet die Wahlmänner und Wähler
und der umliegenden Orte auf
Sonntag, den 19. Juni, Nachmittags 3 Uhr
in den Rathhaussaal zu Schwetzingen zu einer Besprechung über die neue Ge-
meindeordnung freundlichst ein.
Ni*. LI. Abgeordneter.
Die katholische Volkspartei und die
Unfehlbarkeit.
Die ultramontaue Presse erbost sich darüber,
daß wir vor Kurzem, mit Bezug aus die Leidens-
geschichte des Pater Hötzl, das Verfahren der herr-
schenden Partei in Rom einmal beim rechten Namen
genannt haben. Inzwischen haben die Anhänger
dieser Partei ans dem Concil ein noch ganz an-
deres Beispiel geistiger Tyrannei geliefert. Die
allgemeine Debatte über die Unfehlbarkeit des Pap-
stes wurde am 3. Juni, obwohl noch 40 Väter
zum Wort eingeschrieben waren, gewaltsam ge-
schlossen; die Opposition wurde durch die Freunde
der Jufallibilitüt einfach niedergestimmt. Flugs
sind die Herren Ultramontanen bei der Hand mit
der Einrede: geschieht es bei euren parlamentari-
schen Versammlungen, geschieht cs vornehmlich beim
Norddeutschen Reichstage nicht ebenso? Elende Aus-
flüchte ! Als ob in einem politischen Parlament
jemals über eine Frage von solcher Beschaffenheit
discutirt und beschlossen werden köumste, wie die
der päpstlichen Unfehlbarkeit! Zudem, wenn in
unfern legislativen Versammlungen wirklich ein-
mal eine Ungerechtigkeit gegen eine beachtenswertste
Minorität begangen, wenn wirklich einmal ein Ge-
setz voreilig angenommen worden, so kann nnd
wird durch eine spätere Tagung dieser Körper-
schaft das Alles wieder gut gemacht werden. Die
Unfehlbarkeit aber, einmal angenommen, bleibt für
alle Ewigkeit ein unumstößlicher Glaubenssatz. Und
endlich: in politischen Dingen ist die Unter-
werfung der Minderheit unter die Mehrheit mög-
lich, ja nothwendig; in Sachen des Glaubens
mag sie einer gewissen Partei nothwendig scheinen
aber sie ist nicht möglich. Es ist der baare Wider-
sinn, daß einem Menschen seine innerste Ueber-
zeugung anbefohlen werden könne. Und
dennoch, was thut das Concil Anderes, wenn es
eine Opposition, die sich ans den gebildetsten der
Mitglieder der Versammlung zusammengesetzt, zur
Annahme eines Dogmas zwingen will, dessen Mög-
lichkeit sie bestreiten?
„Oho", ruft uns da der „Pfälzer Bote"
entgegen, „wo ist hier ein Spur von Zwang?
Der Schluß der Generaldebatte ist geschäftsord-
nungsmäßig beschlossen; im Uebrigen ist im Con-
cil eine beide Parteien zufriedenstellende Fassung
im Werke." Es sind jetzt 4 Wochen her, daß dies
„Organ der katholischen Volkspartei in Baden"
zur Beschwichtigung der erregten Gemüther auS
zuverlässiger Quelle schon einmal die gleiche Mel-
dung von einer solchen „alle Parteien befriedigenden
Fassung" brachte, ja sie damals für die nächsten
Tage in Aussicht stellte. Wie stimmt daS zu der
heftigen Opposition, welche das Unfehlbarkeitsdogma
in den seitdem gehaltenen Kongregationen erlebt
hat? So ängstlich man immer den Schleier des
Geheimnisses um das Concil gezogen, eS ist doch
in die Oeffentlichkeit gedrungen, daß wenige Tage
vor dem Pfingstfest die Erbitterung auf beiden
Seiten so hoch gestiegen war, daß nicht viel daran
fehlte und die frommen Väter wären sich in deS
Wortes eigentlichster Bedeutung in die Haare ge-
rathen. Und trotzdem nnd alledem will uns H.
Bissing heute wieder weiß machen, daß die „be-
friedigende Fassung" im Werke sei? Das ist wieder
eine jener erbärmlichen Ausflüchte, mit denen man
sich eine unbequeme Sache vom Halse schaffen will.
Wir wissen nicht, was die opponirende Min-
derheit schließlich thnn wird; sie hat die Wahl
zwischen Martyrium und fetten Pfründen. DaS
aber wissen wir, daß kein verständiger und ge-
wissenhafter Mann sich durch „Fassungen" fangen
lassen wird. Oder w ll man uns wirklich zumuthen
zu glauben, das Jesuitenregiment in Rom werde
sich die jetzt errungenen Erfolge durch eine „Fas-
sung" ans den Händen spielen lassen? Wie immer
die Form schließlich festgestellt werde, die Sache
bleibt dieselbe — die persönliche Unfehlbarkeit deS
Papstes.
Einen Menschen für einen Gott erklären! —
man drehe nnd wende die Sache, wie man will,
einem denkenden Wesen wird man sie nicht
plausibel machen. In dem Augenblicke, da das
neue Dogma verkündet wird, werden Tausende von
ßinarmig und verkannt.
Novelle v. Friedrich Schödler.
(Fortsetzung.)
Die Sachen waren wenig bedeutend, ich konnte
sie im Nothsall entbehren, oder durch ein Paar
Zeilen darüber verfügen, aber siehe da — eine
Stunde nachher rollte mein Wagen ans der Straße
von Mannheim nach Worms.
Vor mir her schwebte wohlthnend ein freund-
liches Bild, das mich unwillkürlich nach dieser
Richtung zu ziehen schien. Es war keine bestimmte
Absicht, die mich erfüllte, kein ausgesprochener Ge-
danke, sondern eine glückliche Stimmung, die in-
nerlich zu mir selber sagte: Wie wird Maria
überrascht sein, wenn Du auf einmal wieder
da bist!
Allein das äußerliche Leben bereitet uns oft die
schneidendstem Contraste mit der innerlichen Stim-
mung. Im Alten Kaiser geriest) ich in den un-
gemüthlichsten Wirrwarr; es war der achttägige
Worm''^Markt — auch Messe genannt — an-
gebrochen und es wimmelte von Handelsleuten,
Künstlern und Fremden aller Art.
„Ach Herr Wendeland, wie erschrecken Sie
mich!" rief als Willkomm die Alte - Kaiserwirthin
und schlug die Häude zusammen.
„Wie so? fragte ich verwundert.
„Wollen Sie denn bei uns logiren?"
„Nun, das versteht sich doch!"
„Ach Du mein Gott, wir haben ja keine Ecke
mehr frei, Alles ist besetzt bis hinauf unter den
Taubenschlag."
Auch der Wirth kam herbei und lamentirte,
denn mich abzumeisen, das schien doch allen Ge-
setzen der Natur zu widersprechen.
„Ja, ich wüßte wohl einen Ausweg," sagte
endlich die Frau, „aber —"
„Nun?" fragte der Kaiserwirth.
„Wenn wir den Herrn Wendeland in den
Alkoven logirten, hinter des Polen Zimmer."
„Wo denkst Du hin, das gibt der Alte nun
und nimmer zu, er wurde wüthend, als ich ihm
heute denselben Vorschlag zu Gunsten des Herrn
machte, den wir abweisen mußten. Weißt Du
^ nicht, wie mißtrauisch er ist, so daß anfänglich
stets die arme Maria innerhalb seines Zimmers
eine Decke vor die Thüre legen uud darauf schla-
fen mußte. Das hat er noch von den früheren
Verfolgungen."
„Aber wir werden ihn gar nicht fragen,"
sagte Frau Krönig. „Da Zimmer und Alkoven
nur einen Eingang haben, so dürfte Herr Wende-
land nur etwas früher zu Bette gehen und sich
ruhig verhalten."
„Und morgen früh befände ich mich in einer
Mausfalle — da danke ich schönstens," erwie-
derte ich.
„Keineswegs," sagte die Frau; „der Pole
hat schon auf sechs Uhr den Wagen bestellt —
also sind Sie ganz ungenirt."
Ich hatte in der That nur eine geringe Wahl,
denn auch in andern Häusern mußte ich fürchten
abgewieseu zu werden; ich fügte mich also der
sonderbaren Bedingung, als geheimer Schlafkame-
rad untergebracht zu werden. Ein alter Bekann-
ter, der mittlerweile dazugekommen war, nahm
mich für den Rest deS Abends so in Beschlag,
daß ich weder Maria noch ihren Vater zu Gesicht