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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

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September (Nr. 103b - 116a)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30183#0459

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Xo. U4 a

wiener ^ul)cgang.

Soimtaa, 25. September 1870.


Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S a n n t a g s l> la t L. - Alle Postanstalten und Boten nehmen Bestellungen an. — Pr e i s vierteljährlich 4S kr.
Inserate die dreigcspaliene Petitzcile oder deren Raum 3 kr. Lekalanzeigen 2 kr.








MttNvoLshcim, 22. Sept. Gestern Nacht
II Uhr wurde nach der Lünette 52, die verlassen
waeine Faßbrücke geschlagen und das Werk
besetzt- Beim Einlogiren unserer Truppen eröffnete
der Feind ans das Werk ein starkes Feuer. Das:
34. Regiment und eine Compagnie Gardeland-
wehr (Lissa) behaupteten sich und logirten sich ein.
Major Quitzow blieb todt. Unsere Verluste sind
nach nicht ermittelt, aber nicht unbedeutend.
In Lünette 53 wurden 5 Kanonen genommen.
Vor; der Armee vor Paris. Fer-
rieres, 22. Scpt. Bei der Cernirung von Pa-
ris kam es zu folgenden siegreichen Gefechten: Am
17. warf die 17. Brigade feindliche Bataillone nörd-
lich des Waldes Von Brevannes über den
Hausen. Am 18. war ein kleines Gefecht bei!
Bion (?) Am 19. fand die Zurnckwerfung des,
Feindes ans der verschanzten Stellung daselbst;
durch das 5. preußische und das 2. bayerische Corps j
bis hinter die Fort Z statt, wobei 7 Geschütze ab-j
genommen wurden. Die diesseitigen Verluste sind
verhältnismäßig sehr gering. In Versailles wurden
2000 Mobilgardisten gefangen. Sevres, das
diesseits Garnison verlangte, wurde besitzt.

Zm Hagesgeschichte.
* Schwetzingen, 25. Scpt. Während
Aller Blicke ans daS Drauia gerichtet sind, dessen
Schlußakt voraussichtlich vor Mid in Paris
spielen wird, geht, beinahe unbeachtet, ein Thron
in Trümmer, welcher Jahrhunderte kommen und
gehen sah und der trotz aller Wandlungen der Zeit
erst in unfern Tagen füllt:
Die Gage der weltlichen Herrschaft des
Wapstthums sind dahin! Mom ist in den
Händen der Italiener!
MjMorEmarmes, der König-Ehrenmann indes
Wortes verwegenster Bedeutung, welcher vor Aus-
bruch des deutsch-französischen Krieges nicht wußte,
ob er sich seinen! Vormünder Napoleon als Spieß-
geselle gegen Deutschland anschließen 'und dafür
Rom a's Belohnung annehmeu oder ob er neutral
bleiben tolle, entschloß sich im cntscheidenen Mo-
mente für die Neutralität. Nicht etwa, als ob er
sich ein Gewissen daraus gemacht hätte, gegen
seinen Verbündeten von 1866 zu ziehen — GotC
bewahre, so etwas ist bei Bictor'n nicht — blos
die Hiebe, die gleich von vornherein die Franzosen
bekamen, schreckten ihn vor einem Bündnisse mit
Frankreich ab und machten es ihm klar, daß Rom
chm auch — und noch viel sicherer — zur Beute
werden müsse, wenn Frankreich, geschlagen und
machtlos, seinen Einfluß aus die italienischen An-
gelegenheiten verloren habe.
Und der König-Ehrenmann hat sich nicht ge-
täuscht. Frankreich ist geschlagen, die napolconi--
schs Dynastie, die ihn seither sowohl protcgtrte als
bevormundete, ist verjagt, an ihrer Stelle herrscht
eine republikanische Regierung, die wohlwisiend,
daß sie keinen neuen Gegner sich schaffen darf,
Wrctor Kmannel freie Kand auf Uom ge-
geben hat.

Gedrängt van der öffentlichen Meinung seines
eigenen Volkes und aufgefordet von der päpst-
lichen Bevölkerung flat Motor Kmarmer seine
Truppen die romijche Grenze überschreiten
und auf Uom vorrücken lassen!
Heroischer Lhaten hat es nicht bedurft, der
morsche Kirchenstaat ging aus Rand und Band
ohne daß eine ernstliche Anstrengung zu seiner
Erhaltung von irgend einer Seite her versucht
wurde.
Die päpstlichen Söldner haben nach einem
höchst matten Widerstande, der nur 21 Opfer seitens
der italienischen Truppen und eine etwa
fünffache Zahl Verwundeter erheischte, das Feld
geräumt und den Italienern Rom überlassen.
Man behaupte jetzt noch, daß in unfern Tagen
keine weltgeschichtlichen Tyaten mehr geschehen ! !
Der „N. fr. Pr." wird unterm 19. Sept.
aus London telegraphirt: Die vom englischen Ca-
üinet vermittelte Zusammenkunft zwischen Jules
Favre und Graf Bismarck in Meaux ist von dem
Letzteren angenommen worden. Was davon ver-
lautet, zeigt, daß die Preußischen Forderungen hinter
denen, die in der deutschen Presse erhoben werden,
Zurückbleiben; die von Preußen prätendirte neue
Grenze zieht sich senkrecht längs der Mosel und
den Vogesen. In London suchte Thiers für Frank-
reich eine Allleihe von 1200 Millionen Francs zu
sichern, um Geld in Bereitschaft zu haben, damit
beim Friedensschluß die Occupation sogleich ende.
Aus Paris verlautet, daß die dortige Regierung kei-
nen Frieden schließt, wenn Preußen aus dem Ein-
züge seines Heeres in Paris beharrt. Mir dieser
Beschränkung hat Jules Favre von seinen Kollegen
sehr weitgehende Vollmachten,
PrN'is, 20. Sept. lieber die napoleonische
Wirthschast dürfen wir interessante Aufschlüsse er-
warten. Die jetzt von der provisorischen Regierung
zum Druck vorbereitete Privat - Correspondeuz der
kaiserlichen Familie bietet ausreichenden Stoff dazu.
Jules Claretie, eines der Mitglieder der Sichtuugs-
kommisffou, schreibt darüber tu einem durch die
„Ctoche" veröffentlichten Privatbriese: „Ich bin in
Gemeinschaft mit Keratry und Estaacelin an der
Arbeit, die Correspondeuz des Kaisers, der Kaiserin
und ihrer Pieiri's für die Veröffentlichung vorzu-
bcreitcn. Sie können sich keine Vorstellung von
der Tiefe dieses Schmutzes machen. Das Land,
wenn es das lieft, was wir jetzt lesen müssen,
wird einen Reiz zum Erbrechen empfinden." —
Es sei an dieser Stelle bemerkt, daß das Sümm-
chen, welches Louis Napoleou und seine Familie
sich „erspart" haben, ans die beschei dne Höhe von
200 Millionen Francs sich beläuft.
Ptrris, 22. September. Auf die Anfrage
der englischen Regierung hat der französische Ma-
rinemmistcr au Lord Lyon erklärt, daß die fran-
zösische Flotte auch in der Ostsee den Befehl zur
Rückkehr erhalten habe, nähere Mittheilungen über
die Ausführung des Befehl? seien indeß noch
abznwarten.
Victor Hugo, der vor Kurzem bekanntlich
einen Aufruf au die Deutschen erlassen hat, aus
welchem wir einige Stellen miltheilten, wendet sich

jetzt mit einem zweiten Ausrufs an die Franzosen.
Wir wollen aus dieser Ausgeburt eines über-
spannten PoetengehirnS nachstehend ebenfalls einige
Stellen geben. Der Aufruf beginnt: „An die
Franzosen! Wir haben Deutschland brüderlich ge-
warnt. Deutschland setzt seinen Marsch aus Paris
fort. Es ist vor den Thoren. Das Kaiserreich
hat Deutschland angegriffen, wie es die Republik
angegriffen hatte, unversehens, als Verräther; und
heute rächt sich Deutschland wegen dieses Krieges,
den der Kaiser ihm gemacht hat, an der Republik.
Es sei. Die Geschichte wird urtheilen. Was
Deutschland jetzt thun wird, ist seine Sache; aber
wir, Frankreich, wir haben Pflichten gegen die
Nationen und gegen das Menschengeschlecht. Er-
füllen wir sie. Die erste aller Pflichten ist das
Beispiel. Der Augenblick, in dem wir uns be-
finden, ist eine große Stunde für die Völker . . .
^öenn es sich ereignete, was unmöglich ist, daß
Frankreich unterläge, so würde das Maß des
Versinlens, welches es erleiden würde, das Fallen
des Höhenmessers des Menschengeschlechtes anzeigen.
Möge der Löwe von 92 sich ausrichten und sträuben
und man möge den ungeheuren schwarzen Schwarm
der zweiköpfigen Geier entfliehen sehen bei dem
Schütteln dieser Mähne . . . Kein Stillstand,
keine Ruhe, kein Schlaf! Der Despotismus greift
die Freiheit an, Deutschland verletzt Frankreich.
Möge an der düsteren Hitze unseres Bodens diese
kolossale Armee schmelzen, wie Schnee! . . . Seid
schrecklich, Patrioten! Haltet nur an, wann ihr
vor einer Hütte vorbeiziehen werdet, um ein kleines
schlafendes Kind auf die Stirn zu küssen. Denn
das Kind ist die Zukunft, denn die Zukunft ist
die Republik u, s. w."
ALS der „Heiligen" Stadt.
Aus Paris, 13. Sept., erhält die Wiener
„Presse" eine Correspondeuz, welche trotz des ver-
alteten Datums noch von Interesse ist. „Ich muß
gestehen" schreibt der Berichterstatter, „diese Revue
über die Pariser Kernbesatzung und über das Volk
von Paris machte aus mich den Eindruck eines
mächtigen Fiascos. Nicht so dachte ich mir die
Haltung der letzten Vertheidiger von Frankreichs
Ehre am Vorabende der neu beginnenden Kämpfe.,
Nicht so stellte ich mir den letzten Aufschrei, die
Schlußdemonstration eines begeisterten Volkes vor,
das täglich erklärt, sich unter den Trümmern von
Paris begraben zu lassen, dem Feinde da draußen
den sichern Garaus machen zu wollen. Lau und
matt spielte sich die ganze Scene ab, tragikomisch
aber, was den militärischen Theil derselben anbc-
langt. Es ist allerdings wahr, ich habe heute
über Hunderttausend vollständig bewaffneter Na-
tionalgarden gesehen. Die Einen hatten ChaffepotS,
die Anderen Tabatieres, ein großer Theil sogar
Minie-Kapselgewehre. Ein Theil derselben war
vollständig adjttstirt und gut gerüstet, die Anderen
standen in Blousen, die Mehrzahl in gewöhnlichen
Civilkleidern. Aber ich vermißte ganz und gar
jenes militärische äußere Selbstvertrauen, jene
soldatische Grwandheil, die man heute schon von
den Leuten fordern konnte, und ich mußte da
 
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