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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

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Oktober (Nr. 116b - 128)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30183#0499

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123

Dienstag, IS. Oktober 1870.




Amts-MerknndiglmgM'att üir den Bezirk Schwetzingen.

Jahrgang.


Badische I



Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S c, n n i a g s b la t t. — Alle Postnnstalten und Bote» tchmcn Bestellungen an. - P r e i Z vierteljährlich kr.
Inserate die drcigespaltene Pctitzeilc oder deren Raum 3 kr. L « k a l a n z c i g e n 2 kr.

Die badischen Ultramontanen und
die deutschen Einheitsbestrebnngen.
L. 6. Vor dem Kriege gab es wohl keine
Partei, welche den nationalen Bestrebungen einen
rührigeren Widerstand entgegensetzte, als die Ul-
tramontanen. Ihre ganze Richtung fand gleichsam
den Mittelpunkt in dem ängstlichen Bemühen, um
jeden Preis die süddeutsche Sonderstellung gegen-
über dem norddeutschen Bunde aufrecht zu er-
halten. Die confessionelle Färbung ihrer Ansichten
ließ sie in der Vorherrschaft der protestantischen
Dynastie der Hohenzollern das denkbar größte
nationale Unglück erblicken, das den katholischen
Süddeutschen begegnen könne. Trotz aller concor-
dcuswidrigen Erscheinungen im neuen Oesterreich
blieb ihnen stets der habsburgische Staat eine
Burg der unerschütterlichen Hoffnungen auf die
dereinstige Verwirklichung aller Herrschaftsplane
mit denen die Politik der Päpste des Mittelalters,
Deutschland umfangen hatte. So schrieb noch vor
zwei Jahren R. Baumstark, der geistig befähigtste
und zugleich aufrichtigste der badischen Ultramon--
tanen: „Ich möchte mein Herz auf die Zunge
legen, indem ich es allen öffentlich wirksamen
Katholiken aus tiefster Ueberzeugung zurufe:
Täuschet Euch nicht! Oesterreich ist und bleibt
Euer Hort und Eure Stütze. Diejenige Macht
aber, welche die politische Erbschaft der Reforma-
tion mit ebensoviel Glück als Geschick angetreten
hat, Preußen, wäre Euer Verderben!"
Bei Bekämpfung der Erfolge von 1866 hat
die Partei zu den ungeeignetsten Mitteln gegriffen.
Sie stürzte sich, uncingedenk ihrer conservativen
Ueberlieserungen und der Rücksichten, die sie ihrer
Verbindung mit dem katholischen Clerus schuldete,
in die Strudel einer demagogischen, in den Mitteln
wenig wählerischen Agitation. Es gab in Baden
eine Zeit, da die rothen Demokraten in denKünsten
des Schimpfend und des Verleumdend bei einzelnen
Blättern der katholischen Volkspartei in die Schule
gehen konnten. Wir, die Geschmähten, haben dies
Treiben immer als eine bedauerliche Verirrung
betrachtet, welche schließlich der übel geleiteten
Partei die schlimmsten Früchte tragen müsse. Man
kann sich nicht als den Verfechter der großen
christlichen Grundlagen des gesitteten Staates
darstellen, wenn man in der Aussaat des Hasses
und der Verachtung gegen die zu Recht bestehenden
Einrichtungen alle Orgien jenes äußersten Radi-
calismus mitfeiern will,^welcher sich an den phan-
tastischen Bildern aus der Zeit des Jacobiners
berauscht und in seiner tiefen Unkenntniß der ge-
schichtlichen Wahrheit an Stelle der naturgemäßen
Entwickelung des Staates und Volkes die nichtige
Traumherrlichkeit socialistischer Weltverbesserung
setzen will.
Es war aber wirklich eine Zeit lang dahin
gekommen, daß, ohne den Bestand einer eigent-
! chen Allianz, die Streiter für die absoluteste
aller öffentlichen Ordnungen, die Bekenner der
päpstlichen Unfehlbarkeit, in waffenbrüderlicher Ein-
nacht einherzogen mit den Feinden aller kirchlichen
und staatlichen Autorität — fürwahr ein widriges

und peinliches Schauspiel, das den Parteikämpren
unserer Tage ein trübes Gepräge verlieh.
Der über Nacht hcreingebrochenc Krieg Unter-
brach die Tagesdebatte. In anerkennenswerthem
Verständnisse der Pflichten der Lage vertagte die
nltramontane Presse den innern Kampf, um mit
allen Bekennern des Rechts und der Würde der
zu den Waffen eilenden Nation in Eintracht zu-
sammenzugehen. Die Gerechtigkeit erfordert es,
der badischen nltramontanen Presse das Zengniß
zu geben, daß sie früh und entschieden, im richtigen
Gefühle höherer Pflicht, das von der Z-it und
den Verhältnissen Gebotene geleistet hat Hier
trennte sie sich zuerst wieder von den bisher still-
schweigend mit ihr znsammengehendcn Vertretern
der äußersten Linken der Demokratie, welche erst
spät und widerstrebend vor der hereinbrechenden
Gewalt der Volksstimmung sich znrückzogen und
auch zuerst den Waffenstillstand der inneren Partei-
kämpfe wieder gebrochen haben.
Mögen die Führer der badischen Ultramon
tauen sich die Vortheile ihrer mit dein Ausbruche
des Krieges eingenommenen Haltung nicht wieder
schmälern lassen! Für die Nichtigkeiten deS Da-
seins einer Partei, welche ihre Sache aus die Union
der europäischen Republik gestellt hat, ist es am
Ende ziemlich gleichgültig, ob der Widersinn ihres
Tagesprogramms heute steigt oder morgen fällt.
Bis zum Eintritte des "„tausendjährigen Reiches"
wird dieser Kinderpolitil noch Zeit genug übrig
bleiben, um aus den Wolken auf die Erde zu
kommen. In anderer Lage befindet sich eine
Partei, welche reale Interessen von den Ord-
nungen eines gegebenen Staates der Gegenwart
und seinen Mächten zu erwarten wünscht. So
beschaffen ist heute die Lage der süddeutschen Nl-
tramontancu, welche in dem wiederhergestellten
Reiche deutscher Nation ein berechtigtes Maß freier
Bewegung in ihrem kirchlichen Leben zu finden
hoffen. Die Geschichte Deutschlands marschirt vor-
wärts. Die Ereignisse von 1870 sind nicht der
Anfang einer völlig neuen Periode unserer Ge-
schicke. Sie sind die Fortsetzung und Vollendung
der staatlichen Umgestaltungen. Man kann sich
diesen Schicksalen nicht in den Weg werfen, ohne
zermalmt zu werden. Wer in einer Staatsord-
nung Rechte und Freiheiten beanspruchen will,
darf nicht damit beginnen, die Grundlagen dieses
Staates zu bekämpfen. Es wäre wohl die un-
glücklichste Leitung, welcher die katholische Volks-
Partei Badens ihre ferneren Geschicke anvertrauen
könnte, wenn sie in dem alten Verwirrungsftand
punkte, wie vor dem Kriege, beharren, oder gar
etwa ihre Orientirung über die neue Zeit von
einem vorsündflulhlichen Staatsweisen, wie Moritz
Mohl, in Stuttgart beziehen wollte.
Wir Nationalen, könnten ein solches Schau-
spiel, das die Schadenfreude jedes erbitterten Fein-
des erregen würde, nur mit aufrichtigem Bedauern
sehen. Es würde uns nur schmerzliche Empfin-
dungen erregen, einen Theil unserer Volkskräfte in
unnützen Kämpfen gegen das Unvermeidliche sich
aufreiben zu sehen. Wir sind weit entfernt, un-
fern Gegnern anzusinnen, daß sie irgend eine we-

sentliche Grundlage ihrer kirchlichen Ueberzeu--
gungen ändern möchten. Aber eines wünschen wir
von dieser Partei zu ihrem eigenen Wöhle: Sie
ehrliche Anerkennung der geschichtlich unbestreitbaren
Wahrheit, daß die Hohenzollern zu keinen Z iien
einen andern Grundsatz gegenüber allen restgiwen
Ueberzengungen gekannt und geübt naben, als den
der Toleranz und der Gerechtigkeit. Diele altbe-
währte Ueberlieserung werden sie gewiß am allerwe-
nigsten verläugnen in einer Zeit, welche den König
von Preußen zur Stellung des Herrschers über die
ganze deutsche Nation beruft. Es ist hohe Zen
für alle Verständigen wnter den bisherigen Geg-
nern der nationalen Politik, mit den realen Grund-
lagen der neuen Ordnung Deutschlands ihren
Frieden zu schließen. Billige Rücksichten kann jeder
Staat nur gegen die' Parteien üben, welchen >Kn
eigener Bestand heilig und unantastbar ist.
Zur Hagesgeschichte.
— Ans zuverlässigster Ouelle, schreibt ein
Korrespondent der „A. Mg. Zig." aus Ver-
sailles, wird mir folgender Vorfall berichtet, der
abermals eilt trauriges Licht aus die Art und
Weise der sranzösisch-m Kriegführung wirkt. Vor
mehreren Wochen verschwanden zwei preußische
Ossiziere, die einen Rist in die Umgegend von
Elermont-en-Argonne gemach!. Da keine Spur
thres Verbleibens anfzufiuden war, richtete man
zuletzt an den französischen Kommandanten von
Verdun bei Gelegenheit einer Parlamentärver-
handlung d>e Anfrage. ob die vermißten Osn--
ziere vielleicht als Kriegsgefangene in die Festung
gebracht worden. D-r Kommandant antwortete,
daß er zu seinem Bedauern die Auskunft geben
wüste : jene beiden Ossiziere seien in einem Don
abgestiegen, um eines ihrer Pferde beschlagen zu
taffen. Unvorsichligerwenc seien sie mittlerweile
in das Haus getreten; die Dorfbewohner hätten
sie eingesperrt und erschlagen, und er, der Kom-
mandant der Festung, habe, als er den beklagens*
werlhen Vorfall erfahren, nur noch ein Militär-
detachemeni in das Dorf senden können, um den
durch Meuchelmord gefallenen feindlichen Offizieren
die letzte Ehre zu erweisen.
— Aus Versailles, 30. SepL. erhält das
„Franks. Journal" folgenden Bericht :
Die französischen Bürger-Soldaten schlagen
sich gut. das muß man ihnen lassen. Man scheint
sie an den Kamps gewöhnen zu wollen, um die
Bürgerschaft aus die kommenden D'ngs vorzube-
reiten. Abgesehen davon, daß sie. bereits mehr'
such wenigstens vorübergehende Vortheile davon
getragen haben, wie bei Villeiuis, erkennt man
auch ihre Tapferkeit daraus am Deutlichsten, daß
nur beim letzten größeren Treffen, das unser baye-
risches 6. Jägerbataillon zu bestehen hatte, zu un-
terer Ueberraschung Vorderladergeschütze vorsanden.
mit denen man uns geraume Zeit widerstanden
und ein wahres Höllenfeuer unterhalten hatte.
Gar traurig sieht es hier in der Umgegend aus;
alle Gegenstände tragen die Spuren des Verzweif-
lungskampses. Die Straßen sind anfgeriffen und
durch Verhaue unpassirbar gemacht, an anderen
 
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