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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1870

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Oktober (Nr. 116b - 128)
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https://doi.org/10.11588/diglit.30183#0517

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Donnerstag, 27. Oktober 1870.

No 127.

Vierter Jahrgang.


K- ^ -

Amts-Merkündiguiigsökatt für den Bezirk Schwetzingen..

i» d i s



t t n) t i t u n g.

Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der k-lletristischen Beigabe S o n n t a g s b la t t. - Me Postanstaltcn und Boten nehmen Bestellungen an.
Inserate die dreigespaltene Pctiizeile oder deren Raum 3 kr. L « kalauzeigen 2 kr.

Preis vierteljährlich 45 kr.

Zur Hagesgeschichte.
Kürrsheirn, (westl. von Schlettstadt) 23.
Olt. Offiziell. In der verg. Nacht wurde die
erste Parallele gegen die Südwestfront von Schlett-
stadt auf 560 bis 700 Schritte von der Festung
ausgehoben. Diesseits stehen 32 Geschütze im
Feuer. Verlust unsererseits nur 3 Mann.
Altbreisach, 23. Oct. In der Nacht vom
22. aus 23. Ruhe hier und vor Schlettstadt. Heute
früh gegen 8 Ühr bis Mittags 2 Uhr heftiges
Feuer vor Schlettstadt; mehr oder minder starke
Rauchsäulen deuten abermals auf allsgebrochenes
Feuer.
Karlsruhe, 25. Octvber. Telegramm des
Generals v. Schmeling aus Kinzig heim, 24.
Oct., Abends 6 Uhr:
Schlettstadt hat kapitulirt.
2400 Gefangene sind ans dein Marsche nach
Rastatt, 120 Geschütze sind genommen.
— Ter an der Spitze des Armeewesens als
Gambetta's Kriegssekretär gestellte Ingenieur Frey-
einet hat, laut Mitgetheilt in den neuesten Zei-
tungen voll Tours;, seine Amtswirtsamkeit damit
begonnen, die Generalstabskarte von Frankreich
photographiren zu lassen, um damit „jetzt" sämmt-
liche Offiziere der französischen Armee zu ver-
sehen ! Ironisch fügten einige Zeitüngen dieser
Meldung bei: „So werden denn künftighin unsere
Landeskinder fast ebenso genall das Kriegstcrrain
kennen, wie die preußischen Offiziere."
— Ein Ballonbrief aus Paris an die Lon-
doner Daily News zeigt uns, was Trochu von
der Lage denkt. Diesem zufolge soll sich der Ge-
neral Regierungspräsident noch am 5. d. gegen
einen vertrauten Freund folgendermaßen geäußert
haben: „Es ist unmöglich, die Thätigkcit und
Umsicht zu überschätzen, welche die verschiedenen
Kommandanten unserer Vertheidigungswerke wäh-
rend der letzten 3 Wochen entfaltet haben. Als
die Preußen zuerst bei unseren Außenwerken an--
langten, hätten sie deren viele ohne Schwierigkeit
und Opfer durch eineil Handstreich ui ihre Gewalt
bekommen können. Heute können sie, deß bin ich
so gut wie gewiß, Lein einziges ohne regelrechte
Belagerung mehr nehmen. Andererseits verhehle
ich mir nicht, daß alles, was sie bisher gethan,
die Absicht bekundet, uns durch eine lange müh-
selige Cernirung ausznhungern, nicht aber unsere
Mauern in Trümmer zu schießen und Paris in
Brand zu stecken. Sie führen die Belagerung
nach denjenigen praklischen Grundsätzen, die unter
allen möglichen die ungünstigsten und beschwerlich-
sten für den französischen Charakter sind. Hätten
sie die Forts beschossen oder Bomben in die Stadt
geworfen, Männer, Weiber und Kinder hätten
dagegen tüchtig znsammengestanden. Indem sie
aber unsere Geduld durch Nichtsthun erschöpfen
und uns den stetigen Druck einer langwierigen
Belagerung fühlen tasten, zwingen sie uns, unter
Verhältnissen zu kämpfen, die für das Tempera-
ment meiner Landsleute die allerungünstigsten sind.

Alls alle Fälle sind wir für 2 Monate verpro-
viantirt lind die meisten unserer Haushaltungen
aus einen halben Monat darüber. Innerhalb
zweier Monate kann sich manches zu, unfern Gun-
sten gestalten. Tie Provinzen werden nimmer
sagen können, Laß sic nicht Zeit genug zu unserer
Befreiung gehabt hätten. Wofern sie den ernsten
Willen haben, zu tommen, wird ihnen Paris durch
seine Allsdauer den Weg gezeigt haben."
— Folgende Mittheilnngcn über die Armee
der Loire ziehen wir ans zwei Briefen der Daily
News „ans Tours den 16. und 17." aus: Gene-
ral Bourbaki hat sofort nach seiner Ankunft in
Tours das Kommando der französischen Truppeu-
massen übernommen. Alls seinen Befehl rückte»
noch am nämlichen Abend die sämmtlichen in den
Kasernen, Wohnhäusern, dem Schloß n. i. w.
einquartirten Truppen aus und schlugen ihr Lager
in der Ebene aus, indem der General sagte, er
habe keine Lust, Soldaten ein paar Meilen voll
dem Feinde und hart vor einer großen Schlacht
in Gebäude einzuquartieren. In wunderbarer
Weise »lacht er die Truppen rührig, und schon
zeigen sich die Wirkungen eines ellergischen Kom-
mando, aus welches die Leute ihr Vertrauen setzen.
Außerdem habeil jetzt alle Vorgesetzte, vom Korpo-
ral an auswärts, absolute Gewalt über Leben und
Tod ihrer Untergebenen, die sie aus der Stelle
für einen einzigen Lallt niederschießen können.
Ein paar Beispiele dieser Art, welche in verschie-
denen Corps vorgekommen sind, fangeil bereits
an, ihre Wirkung geltend zu machen. Jeden Tag
bekommen die Franzosen Verstärkungen, und nach
dem, was ich höre, mit meinen eigenen Anschau-
ungen, glaube ich, daß jetzt 80,000 bis 100,000
Mann aus dem linken Ufer der Loire stehen. Aber
abgesehen davon, daß etwa die halbe Mannschaft
der Linie Rekruten sind, die noch vor 5 Tageil
nie ein Gewehr in Händen gehabt hatte», man-
gelt cs in ganz bedauerlicher Weise an Munition.
— Man glaubt nicht, daß Metz sich noch
länger zu halten in, Stande sei. Wenigstens gilt
dies von der Armee Bazaines, die sich in die
schützende Umgebung von Metz gerettet. So soll
bei den letzten, durch General Bayer gepflogenen
Unterhandlungen Bazaine auch nur eröffnet haben,
daß er und eine Armee von 80,000 Mann streng
zu scheiden sei von der unter einem Kommandanten
stehenden Besatzung von Metz, die ca. 15,000
Mann umfasse. Der Marschall wolle sich mit den
80,000 Mann gefangen gebeil, dagegen habe er
über die Besatzung der Festung keine Verfügung
und mit dieser müsse der Kampf fortgesetzt wer-
den. Im Hauptquartier entschied man sich für die
letztere Alternative, zumal da man jetzt überzeugt
zu sein glaubt, daß die Aushungerung der Ba-
zain'schen Truppen bald ilr Ziel erreicht haben
werde. Daß man hieraus rechnet, geht daraus
hervor, daß fast alle Eisenbahntrains von inilit -
rischer Seite mit Beschlag belegt sind. Sofort soll
alsdann die Hälfte der Metzer Belagernngsarmee
nach Paris dirigirt werden, während die andere
Hälfte der Südarmee zngetheilt werden wird.

— Lyoner Berichten zufolge erhielt die Be-
völkerung Befehl zu zweimonatlicher Verprovian-
tirung.
— Die griechische Regierung hat offiziel die
französische Republik anerkannt; reiche Griechen in
Marseille werben eine Legion für Frankreich.

Baden und Elsaß.
ö. 6. Zu Anfang des Krieges, als von
Norddeutschland aus die Phrase von der „Be*
lohnung der süddeutschen Treue" in Schwun
kam, war es ein beliebtes Thema politischer Kan,
gießerei, von einem zukünftigen Königreich B
mit der Hauptstadt Straßburg zu jsprechen.
Baden selbst hat dieser Plan unseres Wis
wenig Anklang gesunden. Die Organe der i
tionalen Partei haben gleich Anfangs von ihm
abgerathen. Auch Hr. Baumstark erklärt, daß die
Ultramontancn als Partei an dieser Frage „ledig-
lich kein Interesse" haben? Dagegen scheint Hr.
Bissing anderer Meinung zu sein: immer von
Neuem kommt sein „Pfälzer Bote" aus eine Er-
werbung des oberen Elsasses für Baden zurück,
nicht ohne die Miene eines Vorwurfs gegen die
Regierung, daß sie nicht eine dahingehende For-
derung stelle, deren Gewährung doch gewiß keinem
Zweifel unterliege. Bald wird die allemannische
Stammesgemeinschaft als Lockmittel benutzt, bald
der „ganz enorme" Reichlhum des oberen Elsasses,
der für die badischen Steuerkassen eine treffliche
Ausbeute liefern würde. Der letztere Grund ist
von so einleuchtender Kraft, daß es allerdings
schwer begreiflich wäre, wollte man sich den fetten
Bissen entgehei: lassen — vorausgesetzt, daß die
Sache nicht einen Haken hat.
Den hat sic aber. Sollte es für einen kleinen
Staat wie Baden wirklich so leicht sein, sich eine
Provinz wie das obere Elsaß cinzuverleiben und
alsbald den geschilderten Nutzen ans ihr zu ziehen?
Trotz aller allemanisch-verwandtschastlichen Be-
ziehungen täuscht sich Niemand darüber, daß das
Elsaß nur gezwungen zu Deutschland zurückkchrt.
Von Frankreich ans wird aus lange Zeit in der
verlorenen Provinz unter der Oberfläche agitirt
und conspirirt werden; nur ein militärisch-abso-
lutistisches Regiment wird den daraus erwachsen-
den Schwierigkeiten wirksam begegnen können.
Wie soll Baden mit seinen geringen Hülssmitteln
ein solches Regiment durchführen? Wir reden nicht
von Straßburg, welches — wenn man es über-
haupt zum „oberen" Elsaß hinzurechnen will
als Festung jedenfalls von Bundes- oder preu-
ßischen Truppen besetzt sein würde.' Woher aber
soll Badeii die Kräfte nehmen, uni Fabrikstüdtc,
wie Mühlhausen, in Schach zu halten und zugleich
die Schlupfwinkel der Vogesen zu bewachen? Es
ist klar, daß die Regierung in den ersten Jahren
sactisch nicht von Baden, sondern nur von der
Bundescentralgewalt geführt werden könnte. Da
frügt man sich aber doch, ob es nicht viel ein-
facher wäre, die Provinz sofort allein der Bundes-
centralgewalt unterznordnen. Obendrein noch würde
der für Baden in Aussicht gestellte finanzielle


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