Samstag, 11. Juni 1870. >0. «8. Werter Jahrgang.
Amts-Werkündlgluigsökatl für den ZLezirk SchweHingen.
Badische H apfrn r r.i t u n g.
.... ........ ..-
Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b l a t t. — Alle Postcmstalten und Aebi^i, Bestellungen an. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltenc Pelitzeile oder deren Raum 3 kr. L s k a l a n z e i g e n 2 kr.
Einladung.
Der Unterzeichnete ladet die Wahl-
männer und Wähler des unteren Be-
zirks auf
Sonntag, den 12. Jnni,
Nachmittags 4 Uhr
in den Nathhaussaal zu Seckenheim
zu einer Besprechung über die neue
Gerrreindcordnung freundlichst ein.
Vr. Lls.
Abgeordneter.
---
Die Trennung der Kirche vom
Staate.
Beim Beginne des Landtags sprach einmal
Hr. Lindau etwas davon, daß seine Partei die
gänzliche Trennung der Kirche vom Staate er-
strebe. Das Wie? verschwieg er. Auf dem Land-
tage selbst hat die s. g. katholische Volk-Partei nie
einen Antrag in dieser Richtung gestellt und be-!
gründet, vielmehr hat sie gegen alle Anträge ge-
stimmt, welche als Wege zu dieser Trennung an-
gesehen werden können. Dessenungeachtet hat am
Schluß des Landtags Hr. Vissing seine Verwei-
gerung des Finauzgesetzes auch damit begründet,
daß der Landtag die Trennung der Kirche vom
Staate nicht gebracht habe. Dieses Wort scheint
eines der Einigungsworte zu sein zwischen Ultra-
moutanismus und Demokratie, denn auch in de-
mokratischen Blättern Badens liest mau mit sou-
veräner Verachtung gegen die bestehenden kirchlichen
Conflicte die gänzliche Trennung von Staat und
Kirch? als Heilmittel — eine sicher wirkende re-
vulöwbu urudiou — angepriesen. Hr. Lindau's
und Hr. Bissing's Leiborgan hat aber in jüngster
Zeit zu Gunsten der Trennung voll Kirche und
Staat sogar eilten Leitartikel gebracht, der die
nordamcrikanischeu Zustände im herrlichsten Lichte
der Vollkommenheit darstellt und nicht weniger
hofft, als daß d eselben noch alle Amerikaner in
den Schooß der katholischen Kirche zurücksühreu
werden. Iudcß, weder die Demokratie, noch der
„Pfälzer Bote" in seinen Leitartikel hat die Be-
dingungen angegeben, unter denen diese Trennung
eintreten soll.
Man kann gar verschiedene Wege gehen, um
diese Trennung dnrchzuführeu. Ihr oberster Grund-
satz aber wäre offenbar, daß die korporative Ver-
fassung der Kirche aufgehoben würde und der kirchliche
Verein an ihre Stelle tritt. Ans diesen Grundsatz
hin treten schon heutzutage alle kirchlichen Vereine,
die sich neu bilden, in die vollste Freiheit und in
gänzliche Trennung vom Staate. Die sofort ein-
treteude weitere Folge wäre, daß alles Concordats-
rerht, alles Pfründrecht, alles Snftungsrecht, alle
Disziplin, jeder Nest des kanonischen Rechtes auf-
hörte und nur noch der freie Wille der Vereins-
' genossen existirte. Da erhübe sich sofort die große
Frage: wohin fällt das reiche, vom Staate Baden
lauge mit so großer Sorgfalt verwaltete Vermö-
gen der Kirchen? Habsüchtige könnten sagen, wie
Spanien, wie Italien, wie seinerzeit Frankreich es
gethau hat, daß der Staat der Erbe sei. Die
Erbschaft wäre reich, der Staat könnte damit seine
Staats- und Eisenbahnschulden tilgen und es bliebe
noch ein guter Rest übrig. Allein, wenn sie auch
reich wäre, so erschiene es jedenfalls als unbillig
im höchsten Maße, das zur Bestreitung der kirch-
lichen Bedürfnisse — allerdings da und dort im
Übermaße — vorhandene Vermögen wegzunehmen,
und den Genossen der kirchlichen Vereine zu über-
lassen, von nun an aus privaten Mitteln den
Gottesdienst und die Geistlichen zu unterhalten.
Dagegen ist ebenso klar, daß das Kirchenregiment
nicht in deit Besitz des vacant gewordenen Ver-
mögens käme, sondern daß dasselbe, wo es allge-
meines Vermögen ist, der Gesammtheit der Ver-
einsgenossen. wo es locales Vermögen ist. den
örtlichen Vereinen zngewieseu werden müßte und
ihrer freien Verwaltung unterstände. Die weitere
Folge wäre wohl nicht das Recht des Bischofs,
die Pfründen zu besetzen — dazu hätte er gar
kein Recht mehr — sondern das Recht der einzel-
nen kirchlichen Vereine — nennen wir sie Kirchen-
gemeinden Diese würden das Wallrecht und
wohl auch das Recht erhalten, den B.zng ihrer
Geistlichen festznsetzen. denn che Pfründe hätte ja
ausgehört. Welche weitere Veränderungen dabei
für kirchliche Baulasten. für den Jiitercalarsond.
für den Oberstistungsrath und das Recht der Curie,
an der Vermögensverwaltung theilznnehmen. ein-
träten, wollen wir nicht näher aussühren. so we-
nig wie den Umstand, daß von da an die Herren
Bischöfe und ihre Gehülseu, ebenso wie die Herren
Pfarrer und Vicare nicht mehr Beamte, sondern
nur einfache Privatleute, die ein Verein in seine
Dienste genommen hat, vor dem Gesetze sein
würden.
Würde die evangelische Kirche unter diesen
natürlichen Folgen der Trennung von Staat und
Kirche weniger leiden, weil sie das Gemeindeprinzip
bereits anerkennt und seine Eousequenzen sich mehr
bei ihr einbürgern, so würde sicher die katholische
Kirche in ihren Vertretern, den Geistlichen, einen
Schmerzensschrei ausstoßen, der bald in einer ful-
minanten Alloculion an der Tiber in's Lateinische
übersetzt würde. Die s. g. Demokraüe vielleicht
nicht, aber die HH. Lindau und Bissing würden
ihr Kind, nach dessen Geburt sie zu seufzen vor-
geben, sofort verleugnen und behaupten, daß ihnen
ßinarmig und verkannt.
Novelle v. Friedrich Schödler.
(Fortsetzung.)
Nachdem er fort war, blieb sie auf ihrem
Zimmer, schrieb, siegelte ein Packet und trug eS
selbst auf die Post, was mir aufficl, da sie sonst
niemals ausgeht. Am Abend erkundige ich mich
bei dem Herrn Postsecretär, der hier zu Nacht
speist, und denke Dir nur, das Mädchen hat
zwanzig Thaler aufgegebeu."
„Was", rief der Wirth, „zwanzig Thaler!
Ale^ warte nur —"-
„Ja, warte nur", sagte die Wirthin — „ich
stellte Marinka sofort zur Rede; sie gerieth in
große Verlegenheit; liebe Frau Krönig, sagte sie
endlich, dieses Geld, das ich nur mit Mühe und Thrü-
nen erhalten konnte, habe ich der Mutter und den
Schwestern geschickt, die in tiefster Armuth schmach-
ten. Ach. verrathen Sie mich nicht, der Vater
würde mich umbringen. Nun sehen Sie, Herr
Wendeland, was kann man da machen?"
Ich wünschte gute Nacht und begab mich auf
mein Zimmer, aber nicht zur Ruhe, denn eine
Fülle von Vorstellungen drängte sich vor meine
Seele. Belisar und Irene. Oedipus und Antigone,
König Lear und Cordelia — endlich der alle Pole
und seine Marinka reihten sich in meiner erregten
Phantasie au einander, alle ähnliche und verwandte
Bilder gewährend, die zuletzt in der Art sich ver-
mischten und in einander flössen, daß mir einer-
seits die große finstere Greiscngestalt eines von
tragischem Schicksal furchtbar heimgesuchteu Man-
nes eutgegentrat, während ihm zur Seite, wie ein
Cherub, die liebliche Erscheinung der kindlichen
.Hingebung und Treue schwebte, rein, innig und
weiblich. Und von diesem holden Bilde versöhnt,
sank ich endlich in die Arme des Schlafes.
Der alte Mitoschefsky war um folgenden Tage ^
schon früh Morgens unterwegs nach einem der be-
nachbarten Laudstädtcheu gefahren. Ich selbst be-
sorgte ebenfalls einige Geschäfte. Als ich zurück-
kam, war meine erste Frage nach Marinka.
Sie ist im hintern Zimmer, bei den Kindern,
sagte die Wirthin. „Ihnen will ich schon erlau-
ben, meine Pflegetochter dort aufzusuchcn."
Sie begleitete mich nach der bezeichneten Stube
Marinka erhob sich, als wir eiutraken und ich
konnte erst jetzt ihre Erscheinung näher betrachten.
Ein schöner Kopf, mit edlen, feinen Zügen. Das
reiche schwarze Haar als Kranz um denselben ge-
legt, erhöhte die Blässe des Gesichtes. Den zar-
ten Formen der jugendlichen Gestalt erwies sich
der einfache Schnitt des knappen Oberkleides von
dunklem Veilchenblau mit laugen engen Aermeln
besonders günstig. Ein glatter weißer Kragen
war um den Hals gelegt und als einziger Schuck
umgab denselben eine Schnur von Perlen, au
welcher ein kleines, goldenes Kreuz hing. Unwill-
kürlich gedachte ich einer Stelle aus Lenau, wo
der Dichter zu dem mit Perlen geschmückten Po-
lemnüdchen spricht, das auf dem Maskenball ihm
' entgegeuschwebt:
„Hat ein Gott die Freudenzährcn
Au den schönen Hals geweint? —
Doch betracht ich dich genau.
Weiß ich nicht, wie mir geschieht.
Rührst du mir das Herz zur Trauer
Und die heitere Heutung flieht.
Amts-Werkündlgluigsökatl für den ZLezirk SchweHingen.
Badische H apfrn r r.i t u n g.
.... ........ ..-
Erscheint wöchentlich drei Mal nebst der belletristischen Beigabe S o n n t a g s b l a t t. — Alle Postcmstalten und Aebi^i, Bestellungen an. — P r e i s vierteljährlich 45 kr.
Inserate die dreigespaltenc Pelitzeile oder deren Raum 3 kr. L s k a l a n z e i g e n 2 kr.
Einladung.
Der Unterzeichnete ladet die Wahl-
männer und Wähler des unteren Be-
zirks auf
Sonntag, den 12. Jnni,
Nachmittags 4 Uhr
in den Nathhaussaal zu Seckenheim
zu einer Besprechung über die neue
Gerrreindcordnung freundlichst ein.
Vr. Lls.
Abgeordneter.
---
Die Trennung der Kirche vom
Staate.
Beim Beginne des Landtags sprach einmal
Hr. Lindau etwas davon, daß seine Partei die
gänzliche Trennung der Kirche vom Staate er-
strebe. Das Wie? verschwieg er. Auf dem Land-
tage selbst hat die s. g. katholische Volk-Partei nie
einen Antrag in dieser Richtung gestellt und be-!
gründet, vielmehr hat sie gegen alle Anträge ge-
stimmt, welche als Wege zu dieser Trennung an-
gesehen werden können. Dessenungeachtet hat am
Schluß des Landtags Hr. Vissing seine Verwei-
gerung des Finauzgesetzes auch damit begründet,
daß der Landtag die Trennung der Kirche vom
Staate nicht gebracht habe. Dieses Wort scheint
eines der Einigungsworte zu sein zwischen Ultra-
moutanismus und Demokratie, denn auch in de-
mokratischen Blättern Badens liest mau mit sou-
veräner Verachtung gegen die bestehenden kirchlichen
Conflicte die gänzliche Trennung von Staat und
Kirch? als Heilmittel — eine sicher wirkende re-
vulöwbu urudiou — angepriesen. Hr. Lindau's
und Hr. Bissing's Leiborgan hat aber in jüngster
Zeit zu Gunsten der Trennung voll Kirche und
Staat sogar eilten Leitartikel gebracht, der die
nordamcrikanischeu Zustände im herrlichsten Lichte
der Vollkommenheit darstellt und nicht weniger
hofft, als daß d eselben noch alle Amerikaner in
den Schooß der katholischen Kirche zurücksühreu
werden. Iudcß, weder die Demokratie, noch der
„Pfälzer Bote" in seinen Leitartikel hat die Be-
dingungen angegeben, unter denen diese Trennung
eintreten soll.
Man kann gar verschiedene Wege gehen, um
diese Trennung dnrchzuführeu. Ihr oberster Grund-
satz aber wäre offenbar, daß die korporative Ver-
fassung der Kirche aufgehoben würde und der kirchliche
Verein an ihre Stelle tritt. Ans diesen Grundsatz
hin treten schon heutzutage alle kirchlichen Vereine,
die sich neu bilden, in die vollste Freiheit und in
gänzliche Trennung vom Staate. Die sofort ein-
treteude weitere Folge wäre, daß alles Concordats-
rerht, alles Pfründrecht, alles Snftungsrecht, alle
Disziplin, jeder Nest des kanonischen Rechtes auf-
hörte und nur noch der freie Wille der Vereins-
' genossen existirte. Da erhübe sich sofort die große
Frage: wohin fällt das reiche, vom Staate Baden
lauge mit so großer Sorgfalt verwaltete Vermö-
gen der Kirchen? Habsüchtige könnten sagen, wie
Spanien, wie Italien, wie seinerzeit Frankreich es
gethau hat, daß der Staat der Erbe sei. Die
Erbschaft wäre reich, der Staat könnte damit seine
Staats- und Eisenbahnschulden tilgen und es bliebe
noch ein guter Rest übrig. Allein, wenn sie auch
reich wäre, so erschiene es jedenfalls als unbillig
im höchsten Maße, das zur Bestreitung der kirch-
lichen Bedürfnisse — allerdings da und dort im
Übermaße — vorhandene Vermögen wegzunehmen,
und den Genossen der kirchlichen Vereine zu über-
lassen, von nun an aus privaten Mitteln den
Gottesdienst und die Geistlichen zu unterhalten.
Dagegen ist ebenso klar, daß das Kirchenregiment
nicht in deit Besitz des vacant gewordenen Ver-
mögens käme, sondern daß dasselbe, wo es allge-
meines Vermögen ist, der Gesammtheit der Ver-
einsgenossen. wo es locales Vermögen ist. den
örtlichen Vereinen zngewieseu werden müßte und
ihrer freien Verwaltung unterstände. Die weitere
Folge wäre wohl nicht das Recht des Bischofs,
die Pfründen zu besetzen — dazu hätte er gar
kein Recht mehr — sondern das Recht der einzel-
nen kirchlichen Vereine — nennen wir sie Kirchen-
gemeinden Diese würden das Wallrecht und
wohl auch das Recht erhalten, den B.zng ihrer
Geistlichen festznsetzen. denn che Pfründe hätte ja
ausgehört. Welche weitere Veränderungen dabei
für kirchliche Baulasten. für den Jiitercalarsond.
für den Oberstistungsrath und das Recht der Curie,
an der Vermögensverwaltung theilznnehmen. ein-
träten, wollen wir nicht näher aussühren. so we-
nig wie den Umstand, daß von da an die Herren
Bischöfe und ihre Gehülseu, ebenso wie die Herren
Pfarrer und Vicare nicht mehr Beamte, sondern
nur einfache Privatleute, die ein Verein in seine
Dienste genommen hat, vor dem Gesetze sein
würden.
Würde die evangelische Kirche unter diesen
natürlichen Folgen der Trennung von Staat und
Kirche weniger leiden, weil sie das Gemeindeprinzip
bereits anerkennt und seine Eousequenzen sich mehr
bei ihr einbürgern, so würde sicher die katholische
Kirche in ihren Vertretern, den Geistlichen, einen
Schmerzensschrei ausstoßen, der bald in einer ful-
minanten Alloculion an der Tiber in's Lateinische
übersetzt würde. Die s. g. Demokraüe vielleicht
nicht, aber die HH. Lindau und Bissing würden
ihr Kind, nach dessen Geburt sie zu seufzen vor-
geben, sofort verleugnen und behaupten, daß ihnen
ßinarmig und verkannt.
Novelle v. Friedrich Schödler.
(Fortsetzung.)
Nachdem er fort war, blieb sie auf ihrem
Zimmer, schrieb, siegelte ein Packet und trug eS
selbst auf die Post, was mir aufficl, da sie sonst
niemals ausgeht. Am Abend erkundige ich mich
bei dem Herrn Postsecretär, der hier zu Nacht
speist, und denke Dir nur, das Mädchen hat
zwanzig Thaler aufgegebeu."
„Was", rief der Wirth, „zwanzig Thaler!
Ale^ warte nur —"-
„Ja, warte nur", sagte die Wirthin — „ich
stellte Marinka sofort zur Rede; sie gerieth in
große Verlegenheit; liebe Frau Krönig, sagte sie
endlich, dieses Geld, das ich nur mit Mühe und Thrü-
nen erhalten konnte, habe ich der Mutter und den
Schwestern geschickt, die in tiefster Armuth schmach-
ten. Ach. verrathen Sie mich nicht, der Vater
würde mich umbringen. Nun sehen Sie, Herr
Wendeland, was kann man da machen?"
Ich wünschte gute Nacht und begab mich auf
mein Zimmer, aber nicht zur Ruhe, denn eine
Fülle von Vorstellungen drängte sich vor meine
Seele. Belisar und Irene. Oedipus und Antigone,
König Lear und Cordelia — endlich der alle Pole
und seine Marinka reihten sich in meiner erregten
Phantasie au einander, alle ähnliche und verwandte
Bilder gewährend, die zuletzt in der Art sich ver-
mischten und in einander flössen, daß mir einer-
seits die große finstere Greiscngestalt eines von
tragischem Schicksal furchtbar heimgesuchteu Man-
nes eutgegentrat, während ihm zur Seite, wie ein
Cherub, die liebliche Erscheinung der kindlichen
.Hingebung und Treue schwebte, rein, innig und
weiblich. Und von diesem holden Bilde versöhnt,
sank ich endlich in die Arme des Schlafes.
Der alte Mitoschefsky war um folgenden Tage ^
schon früh Morgens unterwegs nach einem der be-
nachbarten Laudstädtcheu gefahren. Ich selbst be-
sorgte ebenfalls einige Geschäfte. Als ich zurück-
kam, war meine erste Frage nach Marinka.
Sie ist im hintern Zimmer, bei den Kindern,
sagte die Wirthin. „Ihnen will ich schon erlau-
ben, meine Pflegetochter dort aufzusuchcn."
Sie begleitete mich nach der bezeichneten Stube
Marinka erhob sich, als wir eiutraken und ich
konnte erst jetzt ihre Erscheinung näher betrachten.
Ein schöner Kopf, mit edlen, feinen Zügen. Das
reiche schwarze Haar als Kranz um denselben ge-
legt, erhöhte die Blässe des Gesichtes. Den zar-
ten Formen der jugendlichen Gestalt erwies sich
der einfache Schnitt des knappen Oberkleides von
dunklem Veilchenblau mit laugen engen Aermeln
besonders günstig. Ein glatter weißer Kragen
war um den Hals gelegt und als einziger Schuck
umgab denselben eine Schnur von Perlen, au
welcher ein kleines, goldenes Kreuz hing. Unwill-
kürlich gedachte ich einer Stelle aus Lenau, wo
der Dichter zu dem mit Perlen geschmückten Po-
lemnüdchen spricht, das auf dem Maskenball ihm
' entgegeuschwebt:
„Hat ein Gott die Freudenzährcn
Au den schönen Hals geweint? —
Doch betracht ich dich genau.
Weiß ich nicht, wie mir geschieht.
Rührst du mir das Herz zur Trauer
Und die heitere Heutung flieht.