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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Januar bis April)

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Nr. 11 - Nr. 20 (13. Januar - 24. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48721#0063
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Tagsszeituttg für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,

Adelsheim, Boxberg, Tauberbischofrheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einlchl. Trägerlohn 10.— Mk. Anzeigenpreise:
>"e einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 2.— Mk., Reklame-Anzeigen
(W mm breit) S.- Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittelanzeigen werden nicht ausgenommen.
! 8—'/,6 Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11—12 Uhr.
^EZEmntoKaU^MNr^^^ Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelbergs

Heidelberg, Freitag, 13. Januar 1S22
Nr. 11 * 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u.äußere Politik, Volkswirtschaft ».Feuilleton:
Dr.E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales.-
O.Geibel; für die Anzeigen: H. Horchler, sämtliche in Heidelberg.
Druck u. Verlag derUnterbäoischsn Verlagsanstalt G.m.b.H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahms 2673, Redaktion 2848.

Abbruch der Konferenz non Cannes.
Das Kabinett Briand zurückgetreten.
Poinears Nachfolger? — Der Eindruck in
London.
Baris, 13. Jan. Das Kabinett Briand ist znrück-
aetreten.

Nach einer Information des „Berliner Tageblatt" aus Parts
wird in der Kammer davon gesprochen, datz Poincareder Nach-
folger BriandS sein würde, falls die Regierung heute zurürktritt.
Der Kriegsmintster Barthou war vor allem im Kabinett gegen
Briand. Ihm sei bereits ein Portefeuille in dem künftigen Kabi-
nett zugrfichert worden. Unter den »vetteren Ministern des Kabi-
netts Poincare werden der Chefredakteur des „Matiu" und Herr
De Lasteyrt genannt.
Poincars mit der Kabinettsbildung beauftragt.
Parts, 12. Jan. (Havas.) PoincarS ist mit der Bildung
des neue»» Kabinetts beauftragt worden. Er wird morgen seine
endgültige Antwort geben.
Kr. Heidelberg, den 13. Januar.
Das Kabinett Briand ist zurückgetreten, die Konferenz von
Cannes vorzeitig und ohne definitive Beschlüsse abgebrochen: das
m die Situation, wie sie sich heute morgen aus Grund der neuesten
Meldungen aus Paris und Cannes darstellt. Wir haben bereits
-eitern geschrieben, datz die Vorgänge in Paris einen wohlvorbe-
rerteten Vorstotz der reaktionären Opposition gegen Briand bilden
Mi briand hat es angesichts der Stimmung, die er gestern tm
Ministerrat und besonders in der Kammer antraf, vorgezogen, zu-
ruckzntreten. Briand sagte am Schlüsse seiner gestrigen Kammer-
rede, die von erregten Zurufen der Nationalisten wiederholt unter-
brochen wurde, er habe geglaubt, die nötige Autorität zu besitzen,
um in Cannes im Namen Frankreichs zu sprechen, aber — so fuhr
er init einer Bewegung der Enttäuschung fort — er habe nicht
das Recht, auf einen Kampfposten zu treten, wenn er nicht die Ge-
wißheit habe, leinen Dolchstich zu erhalten. Mit erfreulicher Klar-
heit hat Briand seine Politik in Cannes dargelegt und verteidigt,
mit einer ebenso erfreulichen Schärfe hat er das Unheilvolle der
reaktionären Katastrophenpolittk blotzgelegt.
Briand hat freiwillig feinen Rücktritt genommen und doch ist
er gestürzt worden. Warum? Weil er als vernünftiger Politiker
und ehrlicher Franzose aus der fett Versailles wesentlich veränder-
en Politischen und wirtschaftlichen Weltlage die Konseguenzen zu
E,en und Frankreich vor einer unheilvollen Isolierung zu be-
wahren versucht hat. Wiederholt mutzten wir die politische Ver-
nunft und Mäßigung Briands anerkennen, mit der er der deutschen
-uoglerung sein Vertrauen aussprach und dem deutschen Erfüllungs-
villen gerecht zu werden sich bemühte, deshalb und weil »vir gesehen
mven, wie die französische Rechtsopposttion gegen Briand von Tag
zu ^ag stärker wird, waren wir der Auffassung, datz es Aufgabe
ver deutschen Politik sei, Briands Politik so weit als nur möglich
-u stützen und zu fördern in unserem eigenen Interesse. Wir müssen
aber heute die Anklage erheben, datz die Politik unserer Rechts-
parteien und Rechtspresse — die „Südd. Zeitung" forderte erst vor-
gestern Rückkehr zu einer deutschen Politik von Blut und Eisen! I —
^-östschen Reaktionären a la Poincare zum Sturze Briands
m die Hände gearbeitet hat. Schort nach den Londoner Besprechun-
gen zwischen Llohd George und Briand, als feststand, datz wesent-
»rwe Aenderungen tu der Reparationspolttik vorgenommen werden,
"^ Briands Stellung aufs höchste gefährdet. Als nun gar die
Meldungen aus Cannes Erleichterungen für Deutschland erkennen
netzen, als dort die europäische Wirtschaftskonferenz mit Deutsch-
ond und Rußland beschlossen wurde, als man Ratüenau nach
holte und als der englisch-französische Garantievertrag sich
n'und mehr zu einem Vertrag gegen die Uebergrifse des frair-
w'tichen Militarismus auszuweiten schien, da war das Matz voll,
man warnte Briand, Ministerrat und Auswärtiger Senatsausschutz
re egraphierten ihm, datz das Land solche Nachgiebigkeiten nicht
erstehen würde, Briand eilte nach Paris und — ging.
. " s nun? So ernst und schwierig auch die Situation ist,
! , 'herzliche Ueberraschungen sie uns noch in den nächsten Stun-
e? r vnngen kann, »vir haben keinen Grund, den Kopf zu verlieren.
mag sein — was wir »roch gar nicht einmal glauben — datz
4wmcare oder ein ähnlicher Briands Nachfolger wird. Aber auch
" i >' ""chdern die Dinge einmal so »veil gediehen sind, wie sie
l^ner Rede darlegte, schließlich nur Briands Politik
^elven können, oder eben zum Nachteil Frankreichs ein schweres
^MLao erleben. Eines aber steht heute schon fest: Der Verlauf der
nonserenz von CMncs hat die deutsche Erfüllungspolttik als die
Briand hat sich gestern angesichts der
^Lietfchaftschaos für die interstaatliche Gemeinschafts-
inbett ausgesprochen und er bat festgestellt, daß in der Repacattons-
wmmstston eine Mehrheit für das Moratorium für Deutschland
bestehe: „Cs gibt eine Mehrheit, die nach Prüfung den Londoner
Zahmngspwn «wandern will." Umso notwendiger ist jetzt die ge-
laoe und lotisequente Fortsetzung der deutschen Politik, die Vor-
gänge in Vans dürfen jetzt unter keinen Umstünden zu irgendwel-
chen mnerpolttischen Krisen führen.

Mie ErklävUAgTrr Briands vor der Kammer.
Paris, 13. Jan. Gestern abend fiel in Paris die von vielen
gefürchtete, aber von wenigen erwartete Entscheidung. Br fand
erklärte seine Demission. Ohne abzuwarten, von der
Kammer in die Minderheit gesetzt zu werden, schloß er seine Rede
vor dem Parlament mit den Worten: „Um nach Cannes zurttck-

zukehren, brauche ich volles Vertrauen und volle Autorität. Wäh-
rend meines Aufenthaltes in Cannes habe ich gefühlt, daß ich dieses
Vertrauen nicht besitze. Ich bin hierher gekommen, um zu sagen,
was in Cannes vorgegangen ist. Keinen Augenblick sind die In-
teressen Frankreichs vernachlässigt worden, und nachdem ich dieses
gesagt habe, trete ich von der Macht zurück." Unter allgemeiner
Bestürzung verließ der Ministerpräsident mit allen Ministern den
Saal. Diese Lösung hatte man gestern nachmittag umso weniger
erwartet, als es schien, datz Briand,in der Ministerratssitzung
von gestern nachmittag eine Verständigung erreicht habe. Die
Sitzung, der eine längere Besprechung Briands mit Millerand
vorausgegangen war, hatte sich allerdings sehr lange hinaus-
geschoben. Ein offizielles Bulletin an die Presse erklärte dann, daß
der Ministerrat einstimmig und vollkommen mit dem Ministerprä-
sidenten einig gehe. Briand äußerte sich aber zu den Journalisten:
„Ich habe meinen Kollegen auseinandergesetzt, was in Cannes
tatsächlich vorgegangen ist und nicht, was über Cannes behauptet
worden ist. Heute nachmittag werde ich vor die Kammer treten,
um wenigstens ein letztesmal mit ihr zusammen zu sein." Diese
Erklärung wurde aber mit dem gleichen Humor ausgenommen, mit
dem Briand sie aussprach.
Gegen 3 Uhr begab sich der Ministerpräsident in die mit Zu-
schauem überfüllte Kammer, in der sämtliche Deputierte anwesend
waren. Er begann seine Rede mit der Erklärung, er wisse nicht,
ob er im Interesse Frankreichs nicht anderswo sein sollte. Aber er
sei gekommen, weil er es für seine Pflicht halte, die laut gewordene
Unruhe zu beschwichtigen und die entstellenden Berichte über die
Konferenz von Cannes richtigzustellen. Er sprach sodann über die
Konferenz von Cannes. Das erste in Cannes besprochene Problem
sei das des Weltfriedens gewesen. Hier sei man übereingekommen,
datz die Reparationssrage auf der großen Wirtschastskonferenz von
Genua weder direkt noch indirekt behandelt werden soll, datz der
Vertrag von Versailles in keiner Weise angetastet werde und datz
Frankreich alle seine Garantien behalte. Die Staaten, die damit
nicht einverstanden sind, werden auf der Konferenz nicht erscheinen.
Was die Zulassung der Sowjetvertreter anbelangt, gab Briand zu
verstehen, daß man feste Garantien von ihnen verlangen werde.
Er stellte die Frage: Wie wäre es denn möglich, datz Frankreich
bei einer solchen Konferenz abwesend sein würde? Bei der Er-
wähnung der Reparationssrage erhob sich zum erstenmal ein
Lärm, als Briand erklärte, er stelle es der Reparationskommission
anheim, Deutschland eine Stundung zu gewähren, und es sei nicht
an Frankreich, diese zu verweigem, wenn sich in der Reparations-
kommission dafür eine Mehrheit ergibt. Diese Mehrheit aber sei
sicher. Es sei eine Tatsache, datz der Zahlungsplan geändert wer-
den müsse. Die lärmenden Proteste schnitt Briand mit den Worten
ab: „Ich frage Sie nicht um Ihre Meinung, ich mache hier nur
Mitteilungen" und er fuhr fort: Die französischen Vertreter haben
sich gegen die Stundung gewehrt und behauptet, Deutschland habe
seine Finanzen verschwendet. Sicher sei, datz Frankreich nicht
einen Centime verliere und seine ganze Forderung erhalte, denn
England bringe Opfer, ebenso Belgien. Das Abkommen von
Wiesbaden, das nicht anerkannt war und das uns mehr gibt,
als uns eigentlich zukommen, ist jetzt zur Tatsache geworden.
Allerdings, was die deutschen Verfalltage für die Reparation an-
belangt, so konnten wir den Zusammenbruch des Kurses nicht Vor-
aussehen. Wir haben versäumt, die deutschen Auslandsdevtsen
zu beschlagnahnren. Ich gebe meine Schwäche zu, aber es ist noch
nicht zu spät. Morgen werden Maßnahmen getroffen werden
und hoffentlich gelingt es uns. Wir widerspenstigen Gläubiger
müssen Opfer bringen. Ja, wir erhalten sogar mehr, als man
uns schuldet. Diese Worte riefen auf der Rechten lebhafte Pro-
teste hervor und der Ministerpräsident wollte die Tribüne verlassen.
Nur durch den Beifall der Linken und des Zentrums setzte er seine
Darlegungen fort und erklärte zum Schluß zum englisch-französi-
schen Vertrag: Wenn Frankreich bedroht ist. wird uns England
mit all feilten Kräften zur Seite stehen. Eine solche Garantie
zählt nicht wenig. Ich kann verantworten, was ich getan habe.
»
London, 12. Jan. Hier betrachtet man die Pariser Krise
mit ziemlicher Ruhe. „Daily Chronicle" hält die Auflösung des
Parlaments in Anbetracht der Haltung des Senats für kaum mög-
lich und erinnert Frankreich daran, datz die englische Negierung
nötigenfalls die angestrebten Ziele auch ohne Frankreich weiter
verfolgen würde, insbesondere bezüglich Rußlands. Nach eng-
lijcher Beurteilung ist die Krise weniger zurückzuführen auf die
Reparationssrage als auf die Bedingungen, die Lloyd Ge-
orge für den G a ranticvertrag stellte und durch seine Rutz-
landpolittk.
Die „T imeS" schreiben: Der Schaden, der durch den Zusam-
menbruch dieses ersten Versuches, in Cannes eine sichere Grund-
lage für Europa zu schaffen, könne schwerlich übertrieben werden.
Die Krise würde auch auf die Washingtoner Konferenz Schatten,
Wersen «nd das Mißtrauen erneuern, das in Amerika durch dir
Franzosen in der U-Bootsrage erzeugt worden sei.

Die Verhandlungen mit Rathenau.
Nach einem amtlichen Bericht hat die Reparationskommission
die deutschen Vertreter über die drei Fragen in dem Briefe
der Reparationskommission vom 16. Dezember 21 angehört: Erstens
darüber, welche Zahlungen Deutschland am 15. Januar und
am 15. Februar leisten könne, zweitens über den Zahlungs-
modus des Restbetrages der nach dem Zahlungsstatut fälligen
Teilzahlungen und drittens Uber die für die Zukunft zu leisten-
den Garantien. — Nach den Morgenmeldungen der Pariser
Zeitungen aus Cannes soll Rathenau die drei Frage»: wie
folgt beantwortet haben: Er legte das Defizit der deut-
schen Han de lsbilanz und die daraus folgenden Schwierig-
keiten für die Beschaffung der Devisen dar, die nur durch Pro-
dukttons st eisern ng und Exportvermehrung be-
hoben werden könnten. Dies wiederum wäre erst nach Abbau der
Zollschranken und Einführung einer neuen Weltwirtschastspolittk
möglich. Sodann erklärte Rathenau, zum 15. Januar und 15.
Februar könne Deutschland nicht mehr als 200 Millionen Goldmark
und zwar in Raten von 80, 90 und 30 Millionen zahlen. Einige
der Garantien, die die Alliierten für das Moratorium forderten,
könne Deutschland annehmen. Zum Schluß forderte Rathenau,
vom Obersten Rat gehört zu werden. Diesem Wunsche wird heute
morgen entsprochen werde»:.
Abbruch der Konferenz von Cannes.
Cannes, 13. Jan. (Priv.-Tel. der „Frkf. Ztg.") Die Konfe-
renz des Obersten Rates hat durch de« Rücktritt Briands ein vor-
zeitiges Ende erfahren. Als die Nachricht eintraf, wurde die
Sitzung des Obersten Rates, in der Dr. Rathenau das Expose
über die finanzielle und wirtschaftliche Lage Deutschlands und die
Folgen, die aus einer Ablehnung des deutsche,: Gesuchs um ein
Moratorium entstehen müßten, vortrug, von Lloyd Ge-
orge mit der Mitteilung der Pariser Meldungen unter-
brochen und nach kurzer Pause mit der Erklärung wieder er-
öffne», datz der Rat wegen Fehlens cttwr der in ihm vertretenen
Regierungen — Loucheur war nicht wieder erschienen — »licht
nrehrbeschlutzfähtg fei. Es werde geprüft werden, ob eine
Fortsetzung der Verhandlungen möglich fei. Das Resultat dieser
Prüfung war, wie voranszusehen, negativ. Auch eine von Rathe-
nau gegebene Anregung, die Fortführung der sachlichen Arbeiten
durch Einsetzung von Unterkomnrisstonen zu ermögliche,»,
erwies sich als ungangbar.
Bon besonderes Bedeutung erscheint der von Lloyd George ge-
machte Hinweis, datz im Augenblick die Reparationskom-
mission die einzige beschlutzfähige Behörde der Alliierten sei.
Es ist wahrscheinlich, datz zwischen dieser und der deutschen Dele-
gation die Verhandlungen fortgesetzt werden. Die alliierte« Dele-
gationen verlassen morgen Cannes.
Paris, 12. Jan. Der Sonderberichterstatter der Havas-
agentur meldet aus Cannes: Minister Loucheur hat die Demis-
sion des Kabinetts im Laufe der Sitzung des Oberste» Rates gegen
5 Uhr erfahren. Er erklärte den Chefs der alliierten Delegationen,
er befinde sich in der Notwendigkeit, Cannes heute abend zu ver-
lassen. Trotz des Ersuchens von Lloyd George beharrte Loucheur
dabet, abzuretsen. Der Oberste Rat hat die Mitglieder der
Reparationskommission ««gegliedert, um rmch der Abreise von
Loucheuer die Verhandlungen mit den deutsche» Vertretern fort-
setzen zu lassen. Erst nach der Bildung des neuen französischen
Kabinetts könne die Rede von der Einberufung eines neuen Ober-
ste» Rates sein. Ein Teil der französischen Delegation verlässt
heute abend mit Minister Loucheur Cannes, der Rest wird morgen
abend abreisen. Lloyd George verläßt Cannes am Sonntag.

Badische Politik.
Die süddeutschen Staatspräsidenten in
München.
München, 12. Jam (Dra h 1S erich t.) In Begleitung deS
Ministerpräsidenten Graf Lerchenfeld besuchte»: die Staats-
präsidenten D r. Hieber und D r. Hummel heute das Münche-
ner Rathaus. Unter Führung der beiden Bürgermeister besichtigten
die Minister in Begleitung einiger Herren des diplomatischen
Dienstes die Repräsentationsräume des neuen Rathauses, nm so-
dann mit den Führern der Rathausfrattionen einen kleinen Imbiß
einzunehmen. Hierauf begrüßte Bürgermeister Schmidt die Er-
schienenen namens des Stadtrats und der Einwohnerschaft.
Anknüpfend an die Darlegungen, datz der Besuch nicht aus
einem politischen Anlatz erfolgt sei, sonder»: vom würltembergischen
Staatspräsidenten aus eine Erwiederung des Besuches des Grasen
Ledchenseld vom badischen Staatspräsidenten aus ein Freund-
schaftsbeweis des badischen Volkes bedeute, hielt Bürgermeister
Schmidt es doch für selbstverständlich, datz wenn führende Staats-
männer zusammenkamen, sie auch über die gemeinsame Not des
Reiches und der Länder ihre Gedanken austauschen. Er legte dabei
seinerseits die Notlage des »Reiches und die Treue zum Reiche als
gegeben dar. Er verkannte aber auch nicht, daß durch die neue
Steuergesetzgebung und den Aufgabenkreis, der den Gemeinden
zufällt, die Gemeinde»: iw große Not geraten sind und bat der:
Staatspräsidenten, für ihre Länder wie um ihre Einwirkung auf
die ReichspoliM bedacht zu sein, die Lebensfähigkeit der Gemein-
den und ihre Selbständigkeit als Verwaltungsoraanc zu erhalten
 
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