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Heidelberg, Dienstag, 7. März 1822
Nr. 86 * 4. Jahrgang
Verantwort!.: Für innere ».äußerePolitik, Volkswirtschaft u.Feuilleton;
Dr. E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau uns Lokales:
O.Geibel; für die Anzeigen: H. Horchler, sämtliche in Heidelberg
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Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Nnzeigsn-Annahme 2673, Redaktion 2348.
Die Reparationsdebatte auf
der sozialistischen Fünfländer-
konferenz.
Der „Vorwärts" veröffentlicht in seiner Sonutagsnummer
einen ausführlichen Bericht über die bisher nicht bekannte Repara-
tionsdebatte der Frankfurter Sozialistenkonferenz, die schließlich in
der von uns vor 8 Tagen veröffentlichten großen Resolution zur
Reparationsfrage endete. Den Bericht über die Beratungen der Re-
varationskommission erstattete ihr Vorsitzender, der belgische Genosse
Band erbe! de. Aus diesem Bericht dürfte insbesondere die
folgende Stelle über die Frage der von Deutschland zu zahlenden
Kriegspenstonen von allergrößtem Interesse sein.
„Der dritte Punkt, der zu einer Debatte Anlaß gab, betraf die
Frage der Pensionen. Es ist bekannt, daß die Reparations-
kommission der Entente die Gesamrschuldenlast Deutschlands
auf 139 Mtliarden Goldmark festgesetzt hat, wovon 74 Mikiarden
auf die Militärpenfionen entfallen. Die Aufbürdung der Militär-
pensionen auf Deutschlands Lasten steht nun im Widerspruch zu
den 14 Punkten des Präsidenten Wilson, die als Grundlage für
den Abschluß des Waffenstillstandes beiderseits angenommen
worden waren und lediglich von der Wiedergutmachung der
Sach- und Zivilschiiden sprechen, wie noch ausdrücklich am 5.
November 1918 in einem Telegramm, gezeichnet von Clemen-
ceau, Lloyd George und Orlando an Wilson bestätigt wurde.
Es ist klar, daß die Militärpenfionen darunter nicht gemeint
waren und es bedurfte der ganzen Dialektik eines Generals
Smuts auf der Pariser Friedenskonferenz, der damals aus-
Nhrte, daß ein Soldat nach seiner Entlassung wieder Zivilist ge-
worden und daß daher seine Pension als Zivilposten anzusehen
wäre, um Deutschland die Verpflichtung der Pension auszuer-
legen. Die amerikanischen Delegierten auf der Friedenskon-
ferenz Haven diesen Standpunkt entschieden bekämpft und Wil-
son hat sim nur unter dem Druck feiner Kollegen in: Obersten
Rate schließlich gebeugt. Heute aber, wo selbst die Regierungen
der Entente zu der Ueberzeugnng gelangt sind, daß die Schul-
denlast Deutschlands vermindert werden müsse, ist es klar, daß
der die Pensionen betreffende Posten gestrichen werden muß.
Dies setzt aber zugleich die Streichung der gegenseitigen
Kriegsschulden voraus. Das würde an sich für England und
Amerika ein größeres Opfer bedeuten, während Frankreich und
Belgien einen größeren Prozentsatz an den Reparationsleistun-
gen erhielten.
Die französischen Genoffen vertraten bereits in ihrer Denkschrift
im Grunde genommen der: gleiche» Standpunkt, verlangen aber,
in Anlehnung an die Amsterdamer Resolution der Wiener Ar-
beitsgemeinschaft die Internationalisierung aller Kriegspensio-
nen und ihre Uebernayme durch ein internationales Pensions-
institut. Eine Einigung in diesem Difserenzpunkt war in der
Kommission nicht zu erzielen. Auch eine Abstimmung ergab
StimmengleichMt. Persönlich bin ich für den französischen An-
trag, der einen hohen menschlichen Gesichtspunkt zum Ausdruck
bringt, doch bleibe ich allerdings skeptisch über dessen Aus-
stthrungsmöglichkeiten. Das Plenum wird hierüber durch eine
Abstimmung entscheiden müssen.
Damit bin ich mit meinem Bericht zu Ende. Ich möchte ihn
aber nicht schließen, ohne hervorzuheven, welch bemerkens-
wertes Ereignis darin liegt, daß endlich nach fast achtjähriger
Zerstörung der Internationale die Sozialisten der fünf Länder
Europas, die am Reparationsproblem am unmittelbarsten be-
teiligt sind, zufammrntreten und sich so rasch über diesen bedeut-
same« Resolutionsentwurf einigen konnten."
Ans diesem Bericht geht mit aller Deutlichkeit hervor, daß die
sozialistischen Fünfländcrdelegterten der Ansicht sind, daß die 74
Milliarden Militärpensionen ini Widerspruch mit den Wilsomchen
1l Punkten der Grundlage des Waffenstillstandes stehen. Ein-
stimmigkeit konnte in der Kommission über diese Frage nicht er-
Kelt werden, Vie französischen Genossen halten an der Bezahlung
der Pensionen wenigstens auf internationalem Wege sest, ein
Standpunkt, dem sich die Belgier anschlossen, während offenbar die
anderen die Pensionen verwerfen.
Aus der Diskussion, die sich an den Bericht Vandervel-
deZ anschloß, seien folgende Reden hervorgehoben:
Dittman» (U.S.P. Deutschland): Ich beantrage, daß in der
Resolution zum Ansdvuck gebracht! werde, das; Dsutschl-md nur im
Rahmen seiner Leistungsfähigkeit Melder gutzumachen habe. EiM
Umgrenzung der Reparationspslicht Deutschlands ist gerade vom
proletarischen Standpunkte ans notwendig. Wir sind n t e--
m«ls für die Wiedergutmachung im bedingungslose«
Sinns emgetreten. Es mutz auch die Grenze angegeben werden,
Zumal die deutsche Bourgeoisie bestrebt ist, den Versailler Frie-
dens vertrag dazu zu benutzen, die Verelendung der deutschen
Arbeiterklasse zu vervollständigen, den Achtstundentag -abzuschaffen,
di« Löhne berunterz,«Drücken, die Urheiterrechte einMschrüßken. Der
druck der Entente Mrd von ihr als willkommener Vorwand dazu
verwMves. Die Resolution mutz uns die Richtlinie für unsere Aus-
mrandersetznng mit der Bourgeoisie liefern, indem sie die Grenze
der dentschen Leistungsfähigkeit betont und damit auch die Not-
ch^digkeit, die Lasten der Reparationen auf den Kapitalismus
und auf die Bourgeoisie abzuwälze». Deshalb beantrage ich, daß
"'.der Resolution erklärt werde, daß Deutschland nicht zu Matz-
'lahmen gezwungen werden dürfe, die seine Rvbeiterttasse in die
Versklavung treibe.
. daul Levi (KAG. Deutschland): Nach Der Rode VanDerv Südes
l Mbe ich, daß daÄ Schicksal Dieser Resolution ein rein theo re-
in Vsbs sein wird. Was Mr in der Ersüllungspolitik bekämpfen,
m die Ideologie des Krieges. Die Politik der Entente ist nur
"ne Fortsetzung Dieser Ideologie. Ms Sozialisten dürfen Mr
von einer moralischen Verpflichtung zur MeDergutmachuW
nicht sprechen, denn Di« kapitalistischen Regierungen tragen die
Schuld am Kriege. Es sollte die Ausgabe einer internationalen
sozialistischen Konferenz der Abbau der Krtegsideologie sein. Das
geschieht aber nicht, indem der Grundsatz ausgestellt wird, daß
Deutschland wiedergnimachen müsse. Es muß die Illusion zerstört
werden, daß der internationale Kapitalismus imstande fei, das
wivdergutzumache», was er verbrochen hat. Doch zeigten verschie-
dene Stellen der Rede von BanDervelvs, insbesondere als er
vom nationalen Standpunkt Belgiens aus das Prioritätsrecht Bel-
giens hervorhob, daß die KrisgSideolagie weder aus unseren
Reihen, noch aus Der uns vorliegenden Resolution ans gemerzt ist.
Deshalb bin ich lewer nicht in Der Lage, Dem Entwurf meine
Stimme zu geben.
(Levi hat in der RachmittMssttzNttg nochmals gegen miß-
verständliche Auslegungen seiner Rode durch Vaiidervelde Stellung
genomnken und sstn-e Zustimmung zur Resolution erklärt.)
Wels (D.P. Deutschland): ,
Ich kamt den Ausführungen Paul Levis nich 1 zustimmen,
denn sie zeigen eine vollständige Verkennung unserer Beweggründe.
Wenn wir die Wiederherstellung Belgiens fordern, so
geschieht dies, weil wir damit zum Ausdruck bringen wollen, daß
wir die Nentralitiitsverletzung Belgiens, dieses größte Verbreche«
der alten kaiserlich deutschen Regierung, verurteilen. Wenn wir
ferner für den Wiederaufbau der verwüsteten Gegenden in Nord-
f r a n k r e i ch eintreten, so geschieht dies aus Protest gegen die vo«
denr deutschen Militarismus weit über das Maß der militärische«
Notwendigkeiten hinaus angerichteten Zerstörungen. Wir wollen
den Hatz zwischen den Völkern bekämpfen, und zu diesem Zwecke
fordern wir, daß die Völker, die sich gestern mir den Werkzeugen
des Todes aus den Schlachtfeldern gegenüberstanden, sich morgen
mit den Werkzeugen des Friedens auf den gleichen Schlachtfelder«
wiedcrsindeir, um in gemeinsamer Arbeit die Ruinen des Krieges
wieder aufzubauen. (Lebhafte allseitige Zustimmung.)
Wenn die Gedankengänge, die Levi in seiner Rede zum Aus-
druck gebracht von r»-r K»«fsr.en« angenommen werdest würden,
dann hätte dies zur einzigen Folge eine Erstarkung der deutschen
Reaktion, die die Notwendigkeit der Wiedergutmachung verneint.
Die gegenwärtige Fünfländerkonferenz wurde nicht zu denr Zwecke
einbemfen, allgemeine theoretische Anschauungen zum Ausdruck z«
bringe», sondern es wurde als ihr Zweck bezeichnet, die Vorarbeiten
für die große allgemeine sozialistische Konserenz zu leisten und di«
sozialistischen Lösungen praktischer und konkreter Fragen im Hin-
blick auf die Konferenz von Genua anzugeben. Levi hat gemeint,
daß das Schicksal dieser Resolution rein theoretisch bleiben würde,
er selbst aber hat lediglich nach seinem eigenen Geständnis einen
Spaziergang ins Theoretische unternommen. Wenn Levi eine
Partei vertreten würde, die für die Politik und für das Schicksal
seines Volkes verantwortlich wäre, dann hätte er eine solche
Rede nicht gehalten; denn er würde dann einseyen, daß wir auf
dieser Konferenz praktische Arbeit im Hinblick aus Genua leisten
müssen.
Damit verlasse ich Levi und komme zu den Ausführungen
Dittmanns. Ich bin mit seinem ersten Abänderungsantrag
einverstanden, beantrage aber, daß an Stelle des Ausdruckes „Ver-
sklavung" Las Wort „Verelendung" gebraucht werde, das be-
reits in der aus der Luzerner Konferenz im August 1919 ein-
stimmig angenommenen Resolution vorkommt. Damals wurde
bereits zum Ausdruck gebracht, daß die Ausführung des Versailler
Friedensvertrags nicht dazu führen dürfe, daß die Lebenshaltung
der deutschen Arbeiterklasse schlechter werde als die irgendeiner
anderen europäischen Arbeiterschaft. Dieser Grundsatz wurde da-
mals vom Genossen Renaudel formuliert und einstimmig ange-
nommen. (Zustimmung.)
Schließlich habe ich noch zwei kleine Aenderungen zu bean-
tragen: Erstens müßte bet der Erwähnung der Amsterdamer Re-
solution vom April 1921 und der damals von den deutschen sozia-
listischen und gewerkschaftlichen Organisationen zum Ausdruck
gebrachten Notwendigkeit des Wiederaufbaues Nordfrankreichs und
Belgiens das Wort „erneut" hinzugesügt werden, damit nicht
die Meinung entstünde, die deutsche Arbeiterschaft habe sich zu
diesem Prinzip erst damals bekannt. In Wirklichkeit hat sie diese
Notwendigkeit viel früher, ja bereits während der Friedens-
verhandlungen, freiwillig betont. Und schließlich beantrage ich
nach der Rede Levis die Streichung des Wortes „ernstlmittt g",
da Levi erklärt hat, der Resolution nicht zustimmen zu können."
(Der letztere Antrag des Genossen Wels wurde durch die Nach-
mittagserklärnng Levis hinfällig, die Resolution wurde einst im-
m i g angenommen.)
Auflösung des Reichstags?
Reichstagsanfiösnng?
Berlin, 6. März. Helmut v. Gerl ach K-ambt, daß die konk-
msnDc Woche mit Der Auflösung des Reichstages abschlteßen werde.
Er schreibt in Der heutigen „WM am Montag"" »- a. MgenDes:
„Die Re-ichsiagsauflösung anläßlich Der Streikersignisfe wäre ein
Unglück.gewesen, ein UnMick in erster Linie für Die Arbeiterbewe-
gung . . . Ganz anders sind NsuwWlen mit Der Parole: Für
«der Wider Vie Stenern auf Sachwerte! Das gäbe eine imtürliche
Einheitsfront, nicht mir zwischen links- und rechtssozialistischen
Arbeitern, sondern auch zwischen Freien und Christlichen Gewerk-
schaften wie überhaupt zwischen allen Arbeitern, Angestellten und
Beamten."
Die ReichstagsMiflöstkng im jetzigen Augenblick wird von der
SozinlLenlskratie nicht erstrebt, sondern man versucht alles, um Die
Regierung Wirth am Ruder zu erhalten. Das Verbleiben der
Regierung Wirth, das nach Ansicht Der SozialdemokraiischM Par-
tei insbesondere aus «nßenpoWischen -Gründen notwendig er-
scheint, Nldet jedenfalls auch den Abschluß der neuen Woche.
Erneute Regierungskrise?
Berlin, 6. März. Es ist noch nicht abzusehen, welchen Verlauf
diese Woche in innerpoMischer Hinsicht nehmen Mrd. Noch kann
man nicht von einer kritischen Situation sprechen, da sämtliche
Steuerkompro-lnißparteiem Die an Den Steuersragen beteiligt sind,
sich für die Notwendigkeit rascher Steuerarveit -und rascher Ver-
abschiedung erklärt haben. Schwierigkeiten sind jedoch bei den
AusMrung'sSestimmungen über die Erhebung der ZwangsüMeHe
und anderes zu erwarten. Hier gehen die Aussassnn-geil der So-
zialdemokratie und der Deutschen VoMpartei auseinander. Mer
immerhin sind diese Meinungsverschiedenheiten nicht derart, daß
um ihretwillen eine Kabinettskrise wenige Wochen vor Genua ge-
wagt werden könnte. Die Frage, ob Dr. Hermes Finanzmi-nister
wird oder ReichsernährungAminister Weibt, ist gleichfalls nicht aus-
schlaggebend für Das VerbLeibm Der Regierung Wirch. Die So-
zialdemokratie ist sich darüber einig, Daß Herr Hermes für sie als
ReichsernähnmgsminMer ganz unerträglich ist und soweit Mr in-
formiert sind, ist Dem Reichskanzler Diese Auffassung der größten
Partei Deutschlands bereits unterbreitet worden. Solange sich
kein anderer R-eichsftnanzmiuister findet, Der bereit ist, die schwie-
rige« Geschäfte zu erledigen, wird man sich wahrscheinlich mit
Herrn Hermes als Chef Der deutsche» Finanzen absinden müssen.
Die Stenerkompromißverhandlungen.
Berlin, 7. März. Gestern nachmittag weilten die Vertreter des
Reichsverbarvdes Der Industrie, der Landwirtschaft, des Großhan-
dels und des Handwerks im Reichs fiiranzministeriMn, um Wer Die
Frage der Zwangsanleihe gehört zu werde«. RekchsfinanzmmWer
Dr. Hermes wurde von Staatssekretär Schröder und Zapf ver-
treten. Den Vertretern Der Deutschen Wirtschaft wurden bestimmte
Fragen vorgelegt. Sie machten die verschieDsnsten Bedenken gel-
tend. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Ferner weilten gestern Die
Führer Der Deutschen Bolkspanei, Dr, Stresemann und Dr,
Becker-Hessen, beim Reichskanzler. Auch diese Beratung galt
dem Steuerkompromitz mw iw bessnideren Der Zivangswirtschaft.
Leber die Beratung selbst ist soviel zu sagen, Daß Die Steuer-
kompronsißp arteten nach wie vor gewillt sind, auch die Zwangs-
anleihe zustandezubnngen. Auch in dieser Besprechung konnten
natürlich kein« Beschlüsse gefaßt werden. In Parlamentskretsen
rechnet man damit, daß Die Gewerkschaften am Donnerstag noch
einmal vom Reichssinmrzntinister gehört werden sollen. Es ver-
lautet, Daß noch im Laufe Dieser Woche die Zwangsanleihe im
Ausschuß erörtert werden Mrd.
Rathens« über die susrvärLige Politik.
Berlin, 7. März. Der Hauptausschutz des Reichstags tritt
heute vormittag um 10 Uvr zur Beratung des allgemeinen politi-
schen Teiles des Etats des Auswärtigen Amtes zusammen. Bei
dieser Gelegenheit wird Reichsminister Dr. Rathenau, der bet
der Beratung des technischen Teiles des Haushalts des Auswär-
tigen Amtes sprechen! wollte, eine Rede Uber die politische Lage
halten. An diese Rede wird sich wahrscheinlich eins Aussprache
anschließen.
Es bleibt bei 720 Millionen Goldmark für 1822.
London, 6. März. Der Schatzminister Sir Robert Horns
und die übrigen finanziellen Sachverständigen werden morgen nach
Paris reisen, wo am Mittwoch die Unterhandlungen mit dem fran-
zösischen Finanzminister, und wahrscheinlich auch mit italienischen
und belgischen Vertretern über die verschiedenen Finanzsragen und
besonders über das Wiedergutmachungsproblem für 1922 beginne»
werden. „Daily Telegraph" schreibt hierüber: Die Festsetzung der
Gesamtsumme, die Deutschland in bar oder in Waren zu leisten hat,
ist der Wiedergutmachungskommission übertragen worden. Soweit
man erfahren hat, wird die Summe von 720 Millionen Goldmark
in bar und 1450 000 Goldmark in Waren beibehalten werden, wie
das ursprünglich in Cannes festgesetzt worden war. Man erwartet
eine lebhafte Diskussion über die Frage, wie die Kosten der eng-
lischen Besatzungsarmee liquidiert werden können, und über dep^
Kapitalwert der Saarminen, der in der Wiedergutmachungsrech-
nung eingesetzt werden soll.
Die Genfer Verhandlungen vor dem Abschluß.
Berlin, 6. März. Die Telunion erfährt über die Verhand-
lungen in Gens: Präsident Calonder wird sich auf fünf Tage
nach Montreux begeben. Die etwa 14 einzelnen Streitpunkte, über
die bisher noch keine Einigung erzielt worden ist, werden am
11. März formuliert und modifiziert vorgelegt werden. Präsident
Calonder wird dann am 20. Mürz in einer öffentlichen Sitzung
über diese Streitpunkte die Entscheidung fällen. Es besteht natür-
lich die Möglichkeit, Latz man bis zum 11. März in einigen Streit-
punkten noch zu einer Einigung gelangt. Die deutsche Delegation
mit Minister Schiffer an der Spitze wird wahrscheinlich am
20. März nach Deutschland zurückkehren. Das Redaktionskomitee
wird noch mehrere Wochen in Genf zu tun Haven, um die end-
gültige Fassung des deutsch-polnischen Abkommens sestzulegen. Zur
Unterzeichnung des Vertrags kehrt Minister Schiffer später nach
Genf zurück.
Adelsheim, Bo.rberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.
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Heidelberg, Dienstag, 7. März 1822
Nr. 86 * 4. Jahrgang
Verantwort!.: Für innere ».äußerePolitik, Volkswirtschaft u.Feuilleton;
Dr. E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau uns Lokales:
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Die Reparationsdebatte auf
der sozialistischen Fünfländer-
konferenz.
Der „Vorwärts" veröffentlicht in seiner Sonutagsnummer
einen ausführlichen Bericht über die bisher nicht bekannte Repara-
tionsdebatte der Frankfurter Sozialistenkonferenz, die schließlich in
der von uns vor 8 Tagen veröffentlichten großen Resolution zur
Reparationsfrage endete. Den Bericht über die Beratungen der Re-
varationskommission erstattete ihr Vorsitzender, der belgische Genosse
Band erbe! de. Aus diesem Bericht dürfte insbesondere die
folgende Stelle über die Frage der von Deutschland zu zahlenden
Kriegspenstonen von allergrößtem Interesse sein.
„Der dritte Punkt, der zu einer Debatte Anlaß gab, betraf die
Frage der Pensionen. Es ist bekannt, daß die Reparations-
kommission der Entente die Gesamrschuldenlast Deutschlands
auf 139 Mtliarden Goldmark festgesetzt hat, wovon 74 Mikiarden
auf die Militärpenfionen entfallen. Die Aufbürdung der Militär-
pensionen auf Deutschlands Lasten steht nun im Widerspruch zu
den 14 Punkten des Präsidenten Wilson, die als Grundlage für
den Abschluß des Waffenstillstandes beiderseits angenommen
worden waren und lediglich von der Wiedergutmachung der
Sach- und Zivilschiiden sprechen, wie noch ausdrücklich am 5.
November 1918 in einem Telegramm, gezeichnet von Clemen-
ceau, Lloyd George und Orlando an Wilson bestätigt wurde.
Es ist klar, daß die Militärpenfionen darunter nicht gemeint
waren und es bedurfte der ganzen Dialektik eines Generals
Smuts auf der Pariser Friedenskonferenz, der damals aus-
Nhrte, daß ein Soldat nach seiner Entlassung wieder Zivilist ge-
worden und daß daher seine Pension als Zivilposten anzusehen
wäre, um Deutschland die Verpflichtung der Pension auszuer-
legen. Die amerikanischen Delegierten auf der Friedenskon-
ferenz Haven diesen Standpunkt entschieden bekämpft und Wil-
son hat sim nur unter dem Druck feiner Kollegen in: Obersten
Rate schließlich gebeugt. Heute aber, wo selbst die Regierungen
der Entente zu der Ueberzeugnng gelangt sind, daß die Schul-
denlast Deutschlands vermindert werden müsse, ist es klar, daß
der die Pensionen betreffende Posten gestrichen werden muß.
Dies setzt aber zugleich die Streichung der gegenseitigen
Kriegsschulden voraus. Das würde an sich für England und
Amerika ein größeres Opfer bedeuten, während Frankreich und
Belgien einen größeren Prozentsatz an den Reparationsleistun-
gen erhielten.
Die französischen Genoffen vertraten bereits in ihrer Denkschrift
im Grunde genommen der: gleiche» Standpunkt, verlangen aber,
in Anlehnung an die Amsterdamer Resolution der Wiener Ar-
beitsgemeinschaft die Internationalisierung aller Kriegspensio-
nen und ihre Uebernayme durch ein internationales Pensions-
institut. Eine Einigung in diesem Difserenzpunkt war in der
Kommission nicht zu erzielen. Auch eine Abstimmung ergab
StimmengleichMt. Persönlich bin ich für den französischen An-
trag, der einen hohen menschlichen Gesichtspunkt zum Ausdruck
bringt, doch bleibe ich allerdings skeptisch über dessen Aus-
stthrungsmöglichkeiten. Das Plenum wird hierüber durch eine
Abstimmung entscheiden müssen.
Damit bin ich mit meinem Bericht zu Ende. Ich möchte ihn
aber nicht schließen, ohne hervorzuheven, welch bemerkens-
wertes Ereignis darin liegt, daß endlich nach fast achtjähriger
Zerstörung der Internationale die Sozialisten der fünf Länder
Europas, die am Reparationsproblem am unmittelbarsten be-
teiligt sind, zufammrntreten und sich so rasch über diesen bedeut-
same« Resolutionsentwurf einigen konnten."
Ans diesem Bericht geht mit aller Deutlichkeit hervor, daß die
sozialistischen Fünfländcrdelegterten der Ansicht sind, daß die 74
Milliarden Militärpensionen ini Widerspruch mit den Wilsomchen
1l Punkten der Grundlage des Waffenstillstandes stehen. Ein-
stimmigkeit konnte in der Kommission über diese Frage nicht er-
Kelt werden, Vie französischen Genossen halten an der Bezahlung
der Pensionen wenigstens auf internationalem Wege sest, ein
Standpunkt, dem sich die Belgier anschlossen, während offenbar die
anderen die Pensionen verwerfen.
Aus der Diskussion, die sich an den Bericht Vandervel-
deZ anschloß, seien folgende Reden hervorgehoben:
Dittman» (U.S.P. Deutschland): Ich beantrage, daß in der
Resolution zum Ansdvuck gebracht! werde, das; Dsutschl-md nur im
Rahmen seiner Leistungsfähigkeit Melder gutzumachen habe. EiM
Umgrenzung der Reparationspslicht Deutschlands ist gerade vom
proletarischen Standpunkte ans notwendig. Wir sind n t e--
m«ls für die Wiedergutmachung im bedingungslose«
Sinns emgetreten. Es mutz auch die Grenze angegeben werden,
Zumal die deutsche Bourgeoisie bestrebt ist, den Versailler Frie-
dens vertrag dazu zu benutzen, die Verelendung der deutschen
Arbeiterklasse zu vervollständigen, den Achtstundentag -abzuschaffen,
di« Löhne berunterz,«Drücken, die Urheiterrechte einMschrüßken. Der
druck der Entente Mrd von ihr als willkommener Vorwand dazu
verwMves. Die Resolution mutz uns die Richtlinie für unsere Aus-
mrandersetznng mit der Bourgeoisie liefern, indem sie die Grenze
der dentschen Leistungsfähigkeit betont und damit auch die Not-
ch^digkeit, die Lasten der Reparationen auf den Kapitalismus
und auf die Bourgeoisie abzuwälze». Deshalb beantrage ich, daß
"'.der Resolution erklärt werde, daß Deutschland nicht zu Matz-
'lahmen gezwungen werden dürfe, die seine Rvbeiterttasse in die
Versklavung treibe.
. daul Levi (KAG. Deutschland): Nach Der Rode VanDerv Südes
l Mbe ich, daß daÄ Schicksal Dieser Resolution ein rein theo re-
in Vsbs sein wird. Was Mr in der Ersüllungspolitik bekämpfen,
m die Ideologie des Krieges. Die Politik der Entente ist nur
"ne Fortsetzung Dieser Ideologie. Ms Sozialisten dürfen Mr
von einer moralischen Verpflichtung zur MeDergutmachuW
nicht sprechen, denn Di« kapitalistischen Regierungen tragen die
Schuld am Kriege. Es sollte die Ausgabe einer internationalen
sozialistischen Konferenz der Abbau der Krtegsideologie sein. Das
geschieht aber nicht, indem der Grundsatz ausgestellt wird, daß
Deutschland wiedergnimachen müsse. Es muß die Illusion zerstört
werden, daß der internationale Kapitalismus imstande fei, das
wivdergutzumache», was er verbrochen hat. Doch zeigten verschie-
dene Stellen der Rede von BanDervelvs, insbesondere als er
vom nationalen Standpunkt Belgiens aus das Prioritätsrecht Bel-
giens hervorhob, daß die KrisgSideolagie weder aus unseren
Reihen, noch aus Der uns vorliegenden Resolution ans gemerzt ist.
Deshalb bin ich lewer nicht in Der Lage, Dem Entwurf meine
Stimme zu geben.
(Levi hat in der RachmittMssttzNttg nochmals gegen miß-
verständliche Auslegungen seiner Rode durch Vaiidervelde Stellung
genomnken und sstn-e Zustimmung zur Resolution erklärt.)
Wels (D.P. Deutschland): ,
Ich kamt den Ausführungen Paul Levis nich 1 zustimmen,
denn sie zeigen eine vollständige Verkennung unserer Beweggründe.
Wenn wir die Wiederherstellung Belgiens fordern, so
geschieht dies, weil wir damit zum Ausdruck bringen wollen, daß
wir die Nentralitiitsverletzung Belgiens, dieses größte Verbreche«
der alten kaiserlich deutschen Regierung, verurteilen. Wenn wir
ferner für den Wiederaufbau der verwüsteten Gegenden in Nord-
f r a n k r e i ch eintreten, so geschieht dies aus Protest gegen die vo«
denr deutschen Militarismus weit über das Maß der militärische«
Notwendigkeiten hinaus angerichteten Zerstörungen. Wir wollen
den Hatz zwischen den Völkern bekämpfen, und zu diesem Zwecke
fordern wir, daß die Völker, die sich gestern mir den Werkzeugen
des Todes aus den Schlachtfeldern gegenüberstanden, sich morgen
mit den Werkzeugen des Friedens auf den gleichen Schlachtfelder«
wiedcrsindeir, um in gemeinsamer Arbeit die Ruinen des Krieges
wieder aufzubauen. (Lebhafte allseitige Zustimmung.)
Wenn die Gedankengänge, die Levi in seiner Rede zum Aus-
druck gebracht von r»-r K»«fsr.en« angenommen werdest würden,
dann hätte dies zur einzigen Folge eine Erstarkung der deutschen
Reaktion, die die Notwendigkeit der Wiedergutmachung verneint.
Die gegenwärtige Fünfländerkonferenz wurde nicht zu denr Zwecke
einbemfen, allgemeine theoretische Anschauungen zum Ausdruck z«
bringe», sondern es wurde als ihr Zweck bezeichnet, die Vorarbeiten
für die große allgemeine sozialistische Konserenz zu leisten und di«
sozialistischen Lösungen praktischer und konkreter Fragen im Hin-
blick auf die Konferenz von Genua anzugeben. Levi hat gemeint,
daß das Schicksal dieser Resolution rein theoretisch bleiben würde,
er selbst aber hat lediglich nach seinem eigenen Geständnis einen
Spaziergang ins Theoretische unternommen. Wenn Levi eine
Partei vertreten würde, die für die Politik und für das Schicksal
seines Volkes verantwortlich wäre, dann hätte er eine solche
Rede nicht gehalten; denn er würde dann einseyen, daß wir auf
dieser Konferenz praktische Arbeit im Hinblick aus Genua leisten
müssen.
Damit verlasse ich Levi und komme zu den Ausführungen
Dittmanns. Ich bin mit seinem ersten Abänderungsantrag
einverstanden, beantrage aber, daß an Stelle des Ausdruckes „Ver-
sklavung" Las Wort „Verelendung" gebraucht werde, das be-
reits in der aus der Luzerner Konferenz im August 1919 ein-
stimmig angenommenen Resolution vorkommt. Damals wurde
bereits zum Ausdruck gebracht, daß die Ausführung des Versailler
Friedensvertrags nicht dazu führen dürfe, daß die Lebenshaltung
der deutschen Arbeiterklasse schlechter werde als die irgendeiner
anderen europäischen Arbeiterschaft. Dieser Grundsatz wurde da-
mals vom Genossen Renaudel formuliert und einstimmig ange-
nommen. (Zustimmung.)
Schließlich habe ich noch zwei kleine Aenderungen zu bean-
tragen: Erstens müßte bet der Erwähnung der Amsterdamer Re-
solution vom April 1921 und der damals von den deutschen sozia-
listischen und gewerkschaftlichen Organisationen zum Ausdruck
gebrachten Notwendigkeit des Wiederaufbaues Nordfrankreichs und
Belgiens das Wort „erneut" hinzugesügt werden, damit nicht
die Meinung entstünde, die deutsche Arbeiterschaft habe sich zu
diesem Prinzip erst damals bekannt. In Wirklichkeit hat sie diese
Notwendigkeit viel früher, ja bereits während der Friedens-
verhandlungen, freiwillig betont. Und schließlich beantrage ich
nach der Rede Levis die Streichung des Wortes „ernstlmittt g",
da Levi erklärt hat, der Resolution nicht zustimmen zu können."
(Der letztere Antrag des Genossen Wels wurde durch die Nach-
mittagserklärnng Levis hinfällig, die Resolution wurde einst im-
m i g angenommen.)
Auflösung des Reichstags?
Reichstagsanfiösnng?
Berlin, 6. März. Helmut v. Gerl ach K-ambt, daß die konk-
msnDc Woche mit Der Auflösung des Reichstages abschlteßen werde.
Er schreibt in Der heutigen „WM am Montag"" »- a. MgenDes:
„Die Re-ichsiagsauflösung anläßlich Der Streikersignisfe wäre ein
Unglück.gewesen, ein UnMick in erster Linie für Die Arbeiterbewe-
gung . . . Ganz anders sind NsuwWlen mit Der Parole: Für
«der Wider Vie Stenern auf Sachwerte! Das gäbe eine imtürliche
Einheitsfront, nicht mir zwischen links- und rechtssozialistischen
Arbeitern, sondern auch zwischen Freien und Christlichen Gewerk-
schaften wie überhaupt zwischen allen Arbeitern, Angestellten und
Beamten."
Die ReichstagsMiflöstkng im jetzigen Augenblick wird von der
SozinlLenlskratie nicht erstrebt, sondern man versucht alles, um Die
Regierung Wirth am Ruder zu erhalten. Das Verbleiben der
Regierung Wirth, das nach Ansicht Der SozialdemokraiischM Par-
tei insbesondere aus «nßenpoWischen -Gründen notwendig er-
scheint, Nldet jedenfalls auch den Abschluß der neuen Woche.
Erneute Regierungskrise?
Berlin, 6. März. Es ist noch nicht abzusehen, welchen Verlauf
diese Woche in innerpoMischer Hinsicht nehmen Mrd. Noch kann
man nicht von einer kritischen Situation sprechen, da sämtliche
Steuerkompro-lnißparteiem Die an Den Steuersragen beteiligt sind,
sich für die Notwendigkeit rascher Steuerarveit -und rascher Ver-
abschiedung erklärt haben. Schwierigkeiten sind jedoch bei den
AusMrung'sSestimmungen über die Erhebung der ZwangsüMeHe
und anderes zu erwarten. Hier gehen die Aussassnn-geil der So-
zialdemokratie und der Deutschen VoMpartei auseinander. Mer
immerhin sind diese Meinungsverschiedenheiten nicht derart, daß
um ihretwillen eine Kabinettskrise wenige Wochen vor Genua ge-
wagt werden könnte. Die Frage, ob Dr. Hermes Finanzmi-nister
wird oder ReichsernährungAminister Weibt, ist gleichfalls nicht aus-
schlaggebend für Das VerbLeibm Der Regierung Wirch. Die So-
zialdemokratie ist sich darüber einig, Daß Herr Hermes für sie als
ReichsernähnmgsminMer ganz unerträglich ist und soweit Mr in-
formiert sind, ist Dem Reichskanzler Diese Auffassung der größten
Partei Deutschlands bereits unterbreitet worden. Solange sich
kein anderer R-eichsftnanzmiuister findet, Der bereit ist, die schwie-
rige« Geschäfte zu erledigen, wird man sich wahrscheinlich mit
Herrn Hermes als Chef Der deutsche» Finanzen absinden müssen.
Die Stenerkompromißverhandlungen.
Berlin, 7. März. Gestern nachmittag weilten die Vertreter des
Reichsverbarvdes Der Industrie, der Landwirtschaft, des Großhan-
dels und des Handwerks im Reichs fiiranzministeriMn, um Wer Die
Frage der Zwangsanleihe gehört zu werde«. RekchsfinanzmmWer
Dr. Hermes wurde von Staatssekretär Schröder und Zapf ver-
treten. Den Vertretern Der Deutschen Wirtschaft wurden bestimmte
Fragen vorgelegt. Sie machten die verschieDsnsten Bedenken gel-
tend. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Ferner weilten gestern Die
Führer Der Deutschen Bolkspanei, Dr, Stresemann und Dr,
Becker-Hessen, beim Reichskanzler. Auch diese Beratung galt
dem Steuerkompromitz mw iw bessnideren Der Zivangswirtschaft.
Leber die Beratung selbst ist soviel zu sagen, Daß Die Steuer-
kompronsißp arteten nach wie vor gewillt sind, auch die Zwangs-
anleihe zustandezubnngen. Auch in dieser Besprechung konnten
natürlich kein« Beschlüsse gefaßt werden. In Parlamentskretsen
rechnet man damit, daß Die Gewerkschaften am Donnerstag noch
einmal vom Reichssinmrzntinister gehört werden sollen. Es ver-
lautet, Daß noch im Laufe Dieser Woche die Zwangsanleihe im
Ausschuß erörtert werden Mrd.
Rathens« über die susrvärLige Politik.
Berlin, 7. März. Der Hauptausschutz des Reichstags tritt
heute vormittag um 10 Uvr zur Beratung des allgemeinen politi-
schen Teiles des Etats des Auswärtigen Amtes zusammen. Bei
dieser Gelegenheit wird Reichsminister Dr. Rathenau, der bet
der Beratung des technischen Teiles des Haushalts des Auswär-
tigen Amtes sprechen! wollte, eine Rede Uber die politische Lage
halten. An diese Rede wird sich wahrscheinlich eins Aussprache
anschließen.
Es bleibt bei 720 Millionen Goldmark für 1822.
London, 6. März. Der Schatzminister Sir Robert Horns
und die übrigen finanziellen Sachverständigen werden morgen nach
Paris reisen, wo am Mittwoch die Unterhandlungen mit dem fran-
zösischen Finanzminister, und wahrscheinlich auch mit italienischen
und belgischen Vertretern über die verschiedenen Finanzsragen und
besonders über das Wiedergutmachungsproblem für 1922 beginne»
werden. „Daily Telegraph" schreibt hierüber: Die Festsetzung der
Gesamtsumme, die Deutschland in bar oder in Waren zu leisten hat,
ist der Wiedergutmachungskommission übertragen worden. Soweit
man erfahren hat, wird die Summe von 720 Millionen Goldmark
in bar und 1450 000 Goldmark in Waren beibehalten werden, wie
das ursprünglich in Cannes festgesetzt worden war. Man erwartet
eine lebhafte Diskussion über die Frage, wie die Kosten der eng-
lischen Besatzungsarmee liquidiert werden können, und über dep^
Kapitalwert der Saarminen, der in der Wiedergutmachungsrech-
nung eingesetzt werden soll.
Die Genfer Verhandlungen vor dem Abschluß.
Berlin, 6. März. Die Telunion erfährt über die Verhand-
lungen in Gens: Präsident Calonder wird sich auf fünf Tage
nach Montreux begeben. Die etwa 14 einzelnen Streitpunkte, über
die bisher noch keine Einigung erzielt worden ist, werden am
11. März formuliert und modifiziert vorgelegt werden. Präsident
Calonder wird dann am 20. Mürz in einer öffentlichen Sitzung
über diese Streitpunkte die Entscheidung fällen. Es besteht natür-
lich die Möglichkeit, Latz man bis zum 11. März in einigen Streit-
punkten noch zu einer Einigung gelangt. Die deutsche Delegation
mit Minister Schiffer an der Spitze wird wahrscheinlich am
20. März nach Deutschland zurückkehren. Das Redaktionskomitee
wird noch mehrere Wochen in Genf zu tun Haven, um die end-
gültige Fassung des deutsch-polnischen Abkommens sestzulegen. Zur
Unterzeichnung des Vertrags kehrt Minister Schiffer später nach
Genf zurück.