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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Januar bis April)

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Nr. 31 - Nr. 40 (6. Februar - 16. Februar)
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Tageszeitung für die Werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinzheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Bömberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einsthl. TrSgerlohn 10,— Mk. Anzeigenpreise:
Die eii spaltige Petitzeile (36 mm breit) 2.— Mk.. Reklame-Anzeigen
(93 mm bicit) 6.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlatz nach Tarif.
Ceheimnnttelanzeigen werden nicht ausgenommen.
bescl astsstundcu: 8—'-,6 Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 11—12Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Arr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Mittwoch, 8. Februar 1922
Nr. 33 » 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton:
Tr.E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O.Geibel; für die Anzeigen: H. Horchler, sämtliche in Hcidslberz.
Druck u. Verlag der Unterbadischen Ber agsa statt G. rn. b.H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schrooerstratze 30.
Fernsprecher: Auzeigen-Annahme 2373, Redaktion 2318.

Abbruch des EisenbahMrstreiks.
Kerne Massenentlassungen.

Die Stellung des Reichskanzlers.
Berlin, 8. Febr. (Eig. Drahtb.) Die Besprechungen, die
zwischen der ReichSrcgterung und den Vertretern der Gewerkschaften
wegen Beilegung des Streiks geführt worden sind, wurden am
Dienstag nachmittag vom Reichskanzler mit Vertretern des Deut-
schen BcamtrnbundcS und Allem Vertreter der Post wieder aus-
genommen. Sic führten gestern abend zu einem positive»
Ergebnis. Die Verhandlungen bezogen sich zunächst nur aus
die Frage der
Disziplinierung der streikende« Beamte«.
Nachdem die Beamtenvcrviinde unter inzwischen geklärten Voraus-
setzungen den völligen Abbruch des Streiks in Aussicht
gestellt hatten, wurden zwei Vertreter der Relchsgcwerkschaft zu
einer letzten Aussprache zngezogen. ES wurde, nachdem das Kabi-
nett von dem Gang der Verhandlungen Kenntnis genommen und
das vom Kanzler vorgctragene Ergebnis bewilligt hatte, iiber
solgcnde Erklärungen Acbereinstimmung erzielt:
Die ReichSgewerkschaft gibt die Erklärung ab, daß sie
«och heute denStretkulSbeendeterklären wird. Nach-
dem der- Reichskanzler seinerseits im Namen der ReichSrcgterung
auögeführt hat, das) bet sofortigem Abbruch des Streiks die Diszi-
plinierung nach den von dem gefaulten Kabinett aufzustellcnden
Richtlinien erfolgen werde. Die ReichSrcgterung wird bei
ofortigem Abbruch des Streiks in Anwendung und Durchführung
der Disziplin armastnahme« von Maffendisztplinarverfah-
re» und Masscnentlassungen absehcn. In Frage kommenden Be-
amten wird selbstverständlich das Beschwerderecht etngeräumt.
Damit kann der Streik der Eisenbahnbeamten als beendet ange-
sehen werden.
Die Vertreter der ReichSgewerkschaft gaben di« Zusicherung,
däst ste »och am Abend an ihre Organisationen telegraphisch die
Weisung des Abbruches des Streiks ergehen laste«.
Ueberall Wird man erleichtert aufatmen. Der Eisenbahner»
streik ist beendet, die drohende Gefahr eines Generalstreiks und
-- einer ungeheuren innerpolitischen Katastrophe ist abgewendet. Ueber
die Einzelheiten des Streiks, die Lehren, die aus ihm zu ziehen sind
und die Ergebnisse, die erzielt worden sind, wird in den nächsten
Tagen noch wiederholt zu reden sein. Das eine aber kann heute
schon gesagt werden: Das Ergebnis steht in keinem Verhältnis zu
dem aufgewendeten Mittel. Mag der Streik auch vielleicht das eine
Gute gehabt haben, daß er der Regierung und allen denen, die
nichts gelernt und nichts vergessen haben, gezeigt hat, daß die
unteren und mittleren Beamten aus die Tauer nicht mehr mit sich
spielen lassen und daß so rasch als möglich an eine soziale Revision
der ganzen Besoldungsordnung gegangen werden mutz — dieser
Druck hätte auch aus andere Weis« als durch eine völlig ungewerk-
schaftliche Stillegung der gesamten Eisenbahn erreicht werden kön-
nen. Es ist durchaus erfreulich, datz sich die Autorität der Regie-
rung durchgesetzt hat und datz uns eine Kabinettskrise erspart wor-
den ist. Auf der anderen Seite wird man es durchaus verstehen,
wenn die Negierung zwar aus Maffenmatzregelungen verzichtet, da-
gegen von Fall zu Fall gegen einige Hauplhetzer und Rädelsführer
das Disziplinarverfahren eröffnen will unter Einräumung des
Beschwerderechtes. Es ist im Interesse unseres gesamten Wirt-
schaftslebens nur zu wünschen, datz der normale Betrieb der Eisen-
bahn so bald als möglich in vollem Umfange wieder ausgenommen
wird.
Der sozialdemokratische Parteivorstand leitete
die Verhandlungen ein.
Mit grober Verspätung erreicht uns heute morgen die fol-
gende Meldung unseres Berliner Bureaus, die wir,
trotzdem sie manchen Einzelheiten bereits überholt ist, veröffent-
liche- wÄl sie zeigt, datz es der sozialdemkr. Parteivor-
stand war, der die min seit Montag dauernden Verhandlungen
eingoleitel hat und.datz es ihm zu danken ist. wenn der Eisenbah-
Nerslrcik nicht zu einer völligen wirtschaftlichen Katastrophe führt.
Berlin, S. Fcbr. (Eig. Meldung.) Buch der Sonnlag
hat keine wesentlichen Acndcrungcn in der Strciklage gebracht. Die
Erwartung des Rcichsvcrkchrsmiuisters, dast der Streik durch die
Isolierung der Reichsgewerkschaft zusammcnbrcchen
würde, sind nicht in Erfüllung gegangen, wenn auch an einzcliren
Stellen die Streikenden wieder zur Arbeit erschienen sind. Dieses
sieringe Plus wurde schon durch den Eintritt der badischen
Eisenbahner in den Streik mehr als ausgewogen. Die
uneingeschränkte Wetterführung des Streiks, sa die teilweise Ver-
schärfung desselben, sind ein Zeichen dafür, dast die Streikenden
von ihrem guten Recht überzeugt sind und datz daher noch mit
oiner längeren Streildaucr zu rechnen wäre, wenn eine Vcrmitt-
lungsaktion dem gegenwärtigen Zustand nicht bald ein Ende
wachen würde. Eine solche Vcrmtttlungsaktion erscheine um so
wehr angebracht, als der Schritt der Gewerkschaften nicht den er-
warteten Erfolg hatte und als sowohl seitens der Reichsgcwcrk-
schaft, wie auch scitcns der Regierung nicht immer richtig gehan-
delt worden ist. In dieser Uebcrzcugung hat der sozialdemo -
"«tische Parteivorstand die schwierige Aufgabe über

nommcn, die beteiligten Sekten einander näher zu bringe», um so
das Deutsch« Reich vor wetteren wirtschaftlichen Schäden zu be-
wahren. Schon am SamStag nachmittag sanden Verhandlungen
zwischen dem Reichskanzler und dem Parteivorstand statt, die er-
gaben, datz dem Reichskanzler eine Einigung auf zufriedenstellen-
der Basis erwünscht ist. Die Genossen Hermann Müller
und Otto Wels verhandelten hierauf in den Räumen des Par-
tctvorstandcs mit Führern der ReichSgewerkschaft über dir Diffe-
renzpunkre. Die Besprechungen führten nur zu einem vorläufigen
Ergebnis und wurden deshalb am Sonntag vormittag 1V Uhr
fortgesetzt. Man einigte sich auf einer Grundlage, welche der auf
X12 Uhr angesctztrn Kablnettssitznng4, an der von der So-
zialdemokratie wiederum Hermann Müller und Wels,
vom Zentrum Spahn und Höfler und von den Demokraten Erke-
lenz teilnahmcn, vorgetragcn wurde. Trotz aller Bemühungen
unserer Parteiführer, zu einem Ziele zu gelangen, ergaben sich in
der Kavincttssitzung grotze Schwierigkeiten, zumal meh-
rere Minister nicht nur die Verhandlungen mit der RcichSgc-
wcrkschaft, sondern überhaupt jedes Verhandeln ab-
lehnt en. Schliesslich einigte man sich dahin, datz am Montag
morgen 1v Uhr mit dem Beamtenbund, dem bekanntlich die
ReichSgewerkschaft angeschlossen ist, erneut Verhandlungen über
die Beilegung des Streikes zu führen sind. Die Verhandlungen
werden sich ausfchlictzlich auf die sachlichen Forderungen
der ReichSgewerkschaft beziehen. Ueber die Ansprüche
dieser Gewerkschaft sind, tML behauptet wird, in der Ocffcntlichkcit
durchaus irrige Mitteilungen gemacht worden. ES triftt z. B.
nicht zu, datz die Streikleitung irgend welche Aenderungcn im
im Rctchöverkchrsministcrium und andere radikale Massnahme»
verlangt habe, sondern die Wünsche dehcn hauptsächlich dahin, datz
seine Verlängerung der Arbeitszeit und eine Neu-
regelung der Lohnforderungen eintritt. Ueber diese
beiden strittigen "Punkte wird heute verhandelt werden. In An-
betracht der schwierigen Lebensmittelversorgung» in der sich bereits
«in Teil der deutschen GrotzftSdte befindet und angesichts dessen,
datz viele Grotzstadtbetrtebe infolge KohlenmangclS thre Beschäf-
tigung nicht aufrecht erhalten können, erwartet man in matzgcbeu-
den Kreisen, datz die Besprechungen zwischen Regierung und Be-
amtcnbund bald zu einer Verständigung führen werden und datz
die Reichsgewerkschaft kir aller Kürze den Streikabbruch proklamie-
ren kann. Vorläufig wird der Streik weitcrgrhen. Sobald eine
Einigung erzielt und die Streikparole rückgängig gemacht ist, wird
die Verordnung des Reichspräsidenten automa-
tisch fallen. Mit einem regelmäßigen Zugverkehr ist auch bet
rascher Beendigung des Streiks vor Ende dieser Woche kaum zu
rechne».
Die Rheinlandfrage
als internationales Problem.
Nachfolgender Artikel, welcher Anfang Dezember
ISA in der .Europäischen Staats- und Wirtschafts-
Zeitung" erschienen ist und eigentlich durch den Re-
gierungswechsel in Frankreich überholt ist, möchten wir
doch unseren Lesern nicht vorenthalten, da er sehr viel
Interessantes bietet. Die Schriftlcttung.
* Heidelberg, den 6. Februar.
Selbstverständlich ist die Frage des künftigem Schicksals der
Rheinland« ein internationales Problem, d. h. ein solches, an
dem die ganze Welt interessiert ist. Denn es ist klar, datz jede Po-
litik der Versöhnung und Verständigung zwischen Deutschla:ld
und seinem westlichen Nachbar ans die Dauer unmöglich werden
muh, wenn es den Franzosen gelingt, ihre LosreitzungS- und
Annektionspolitik im Rheinland mit Erfolg durchzuflchren. Ein
solches Ergebnis, datz angeblich nur der .Sicherung" Frankreichs
gegen einen nicht provozierten Angriff dienen soll, würde mit na-
turnotweiidiger Gewalt eine unreparierbare Spannung und eine
ständige Kriegsgefahr erzeugen. Und jeder Krieg wird heute,
nach dem Wort des klugen amerikanischen Staatsmannes Hill, ein
Weltkrieg sein. Nicht um der schönen Augen Deutschlands willen
haben Wilson und Llovd George WLihrend der Friedensberatnngen
den Forderungen Elemenccaus, der, noch besonders von Poincarö
unterstützt, das ganze linke Rheinuser für Frankreich verlangte, den
schärfsten Widerstand entgegengesetzt. Damals ist es zu jener
Szene gekommen, von der Wilson nach dem Bericht des „Malin"
den amerikanischen Frirdeusdeiegierten Mitteilung machte. Lle-
menceau sagte, der amerikanische Präsident habe ihm wütend zu-
gerufen, er sei prodeutsch und das Bercttungsztmmer verlassen; es
sei möglich, datz die Konferenz auffliege. Ciemenceau hat mit sei,
nem eisernen Willen sonst so ziemlich in allen Stücken aus der
Konferenz seinen Willen durchgesetzt. Nur die Sorge um den
europäischen Frieden in der Zukunft war die Ursache des hartnäk-
kigen Widerstandes, auf den er in diesem Punkte stieß. Und ge-
nau so wie damals ist das Problem der Rheinlands heute das
Problem der französische» Annektion auf geradem
Woge oder ans Umwegen.
Denn die Möglichkeit der Annektion auf Umwegen verstand
Clemcnceau dann doch in den Friedensvertrag hinein zu bringen
und die Mehrzahl der Franzosen fühlt sich heute schon des zu-
künftigen Besitzes der Nheingrenze sickler. Es wird nur wenig«
unter ihnen geben, die wirklich der Meinung sind, datz nach 15 Jah-
ren, d. h. am 2S. Juni 1934, der letzte französische Soldat die
Brückenköpfe von Mainz mrd Kehl verlassen soll. Es wird gut

sein,- um sich klar zu werden, worauf sich die französischen Absich-
ten gründen, sich die einschlägigen Bestimmungen des Friedens-
vertrages ins Gedächtnis zurück zu rufen. Es handelt sich um
eures der allerletzten Kapitel des Vertrages, das .Bürgschaften füv
die Durchführung" überschrieben ist. Darin bestimmt der Artikel
428: .Um die Ausführung des gegenwärtigen Vertrages durch
Deutschland sicher zu stellen, werden die deutschen Gebiete westlich
des Rheins, einschlietzlich der Brückenköpfe während eines Zeit-
raums von 15 Jahren nach Inkrafttreten des gegenwärtigen
Vertrages, durch die Truppen der alliierten und assoziierten Mächte
besetzt gehalten." Der nächste An. 429 bestimmt dann, datz bet
pünktlicher Ausführung -er Vertragsbedingungen diese Besetzung
nach und nach eingeschränkt wird. Und zwar sollen nach Ablauf
von 5 Jahren der Brückenkopf von Köln md Umgebung, nach
Av'auf von 10 Jahren der Brückenkopf von Cobleng und die Nach-
barbczirke, nach Ablauf von 15 Jahren die Brückenköpfe von
Mainz und Kohl und das übrige besetzte deutsch« Gebiet geräumt
werden. Dann enthält dieser Artikel noch folgende wichtige Be-
stttnmungeu: .Erachten zu diesem Zeitpunkt die alliierten und asso-
ziierten Regierungen die Siü>erheit gegen einen nicht herausge--
forderten Angriff Deuifchlands nicht als hinreichend, fo darf Vie—
Zurückziehung der Bcsatzungstruppeu in dem zur Erlangung der
genannten Sicherheit für nötig craclstet gehaltenen Matze aufgc-
schoben werden." Der Art. 430 setzt folgendes fest: .Stellt wäh-
rend der Besetzung oder nach Ablauf der oben vorgesehenen 15,
Jahre die Ncparaiionskommission fest, datz Deutschland sich wei-
gert, di« Gesamtheit oder einzelne oder ihm nach dem gegenwär-
tigen Vertrage obliegenden Wiedergutmachungsverpslichkungen zu
erfüllen, so werden die im Art. 429 genannten Zonen sofort wie-
der durch alliierte und assoziierte Streitkräfte,ganz oder teilweise
besetzt." Nach dem, was wir seither erlebt haben, ist es ohne wei-
teres erkennbar, datz diese ganzen Bestimmungen von Anfang bis
Ende durchaus französische Mache sind, die die übrigen Alliierten,
nachdem ste die französische Annektion verhindert zu Haven glaub-
ten, ungesehen geschluckt haben. Man beachte namentlich folgendes:
es ist nirgends gesagt, wie die einzelnen Besatznngszonen unter
Vie alliierten Mächte verteilt werdest. Natürlich aber war schon
damals bei den Franzosen beschlossen, wie es nun auch tatsächlich
der Fall ist, datz die Brückenköpfe von Mainz und Kehl, also die-
jenigen, die zuletzt geräumt werden sollen, in die Hände der
französischen Truppen gelegt wurden. Datz das in bestinunier
Absicht geschehen und wie die Franzosen das auszunsttzen ge-
denken, werden wir gleich seben. Vorher sei aber noch daran er-
innert, datz auch die Zusatzvestimmungen des Art. 429. der vom
Aufschub der Räumung im Falle .nicht gmrügender Sicherheit ge-
gen nicht herausgesordcrte Angriffe Deutschlands" spricht, eine in
sehr listiger und geschickter Weise von Frankreich in den Vertrag
bineingebrachte Bestimmung ist. Die Alliierten, die damals dm
berühmten Tardien'schen Garantievertrag mit Frankreich abge-
schlossen hatten, haben sich weiter nichts dabei güdacht, denn dieser
Vertrag bot natürlich mehr als hinreichende Sicherheit. Die
Franzosen aber sicherten sich schlauer Weise schon im voraus ge-
gen die dann tatsächlich eingstretene Möglichkeit, daß der Garantie-
vertrag vom amerilanischen Senat »sicht ratifiziert werde, und das
Fehlen dieses Earanttevertrages ist ihnen heute garnicht so unan-
genehm, um den Widerstand gegen die künftige Räumung des be-
setzten Gebietes vorzubereite«.
Was sich heute in der NheiiKandfrage in Frankreich abspielt,
das ist eine Bestätigung des frivolen Clemenceau'schen Mostes,
^atz der Frieden nur »die Fortsetzung -es Krieges mit andere»
Mitteln" sei. Entgegen dem Wortlaut seiner Bestimmungen ist
der Friedensvertrag dazu ausgenützt worden, das zu verwirklichen,
was von Anfang an dgs französische Kriegsziel gewesen ist. Scho»
iir dem Geheimvcrirag mit dem zaristischen Rußland, dessen Ver-
öffentlichung wir den BMchewiki verdanken, war die Annektion
des linken Rheinusers in Form eines durch Zollunion mit Frank-
reich verbundenen Pufferstaates vorgesehen, dessen Brückenköpfe
von den Franzosen zur ständigem Bedrohung Deutschlands für
immer besetzt bleiben sollten. Auch damals schon wurde dieser
Landraub beschönigender Welfe eine »Garantie gegen eine In-
vasion" genannt. Von den Manöver«, die die Franzosen versucht
haben und noch versuchen, mit Hilfe der rheinischen Separatisten
diese Pufferstaat-Jdce zu verwirklichen, brauchen wir hier nicht
ausführlicher zu reden. Es genügt hier, scstzustellcn, daß sie, dank
nameMlich der Haltung der rheinischen Arbeiterschaft, abgeschlagen
sind und nur dazu geführt Haven, den Patriotismus und die
Reichstreue der rheinischen Bcvö'kerung, ungeachtet mancher uner-
freulichem Erscheinungen aus wirtschaftlichem Gebiet, zu stärken
und zu belcbcn. Sie wendet sich jetzt wieder mehr den Methoden,
die Annektion mittels der Fallstricke durchznsetzen, Vie sie ihren
Alliierten und uns in den zitierten Artikeln des Vertrages gelegt
haben. Selbst während der jüngsten Zeit, in der die Einsicht von
der Undurchsührbarkeit der RcparationSbestimmungen bei den
Gläubigerstaaten schon allgemein durchgedrungen ist, ist in keine»»
von ihnen außer Frankreich, weder in England noch in Amerika
deshalb etwa die Idee einer Verlängerung der Besetzung erörtert
worden. Im Gegenteil, Amerika hat nach der Ratifikation des
Sonderfriedens die Zurückziehung seiner Truppen eingekeitet, und
datz der größte TM der englischen öffentlichen Meinung froh sein
wird, wenn die 5 Jahre, Vie sie an der Besetzung beteiligt sein sol-
len, vorüber sind, darüber ist gar kein Zweifel. Höchstens kann
man annchmen, daß die Belgier, nachdem sie sich ausdrücklich durch
ein militärisches Bündnis an Frankreich geknüpft haben, auch in
der Räumungssrage deren Standpunkt teilen werden. Wie äugen»
blicklich die offizielle Stellung der französischen Regierung
irr der Frage ist, ist nicht ganz klar. Am Weihnachtsabend 1920
noch hat sich der Ministerpräsident Lehgues in der Kammer aus-
drücklich die Interpretation Tardieus zu eigen gemacht, datz in-
folge des Wegfalls des franz Ssiscl-eu Sckutzvertrags die zeitliche
Beschränkung der Besetzung auf 15 Jahre bereits gefallen sei. In
unglaublich willkürlicher Art Hai er als» dir Feststellung, die nach
 
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