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Heidelberg, Mittwoch, 1. Februar 1922
Nr. 27 * 4. Jahrgang
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Die kaukasische Entente.
* Heidelberg, den 1. Februar.
ES ist durchaus begreiflich, das; »nsser Politisches Interesse in
den letzten Wochen und Tagen ans die Konferenz von Cannes, die
Reparationsfrage und das SteueAompromiß konzentriert war.
Das stich Fragen, die den Lebensnerv des deutsche!: Volkes, ins-
besondere der deutschen Arbeiterklasse berühren, von deren Lösung
unser aller Schicksal für die nächste Zukunft mehr oder weniger ab-
hängt. Ueber all dem dürfen wir aber nicht vergessen, daß die
Weltgeschichte unterdessen ihren Gang weitergcht und daß es in
ihr noch andere Probleme gibt, die ebenfalls von nicht zu unter-
schätzender Bedeutung sind und von deren Lösung nicht zuletzt auch
der Gang der politischen Geschichte Europas bestimmt wird. Unter
diesen Problemen, zu denen z. B. das in Washington abgeschlossene
englisch a-merikanifch-tapan-ische Abkommen bezüglich des pazifischen
Ozeans gehört, stets heute die Poltttk des NaHen Orients
mit an erster Stelle. Die Entwicklung der Angorafrage, die
ia zu einem scharfen Metnnngszufammenstoß zwischen der eng-
lischen und französischen Politik geführt hat. die Entwicklung der
Situation in Aegypten und die Politik der sogen, kaukasi-
schen Staaten (Georgien, Armenien, Aserbeidschan, Nordkau-
kasien) erfordern schon deshalb unsere ganze Aufmerksamkeit, weil
sie Lebensfragen der englische« und russischen Weltmachtpolitik sind
weil von ihrer Lösung sehr viel fiir eine zukünftige aktivere deutsche
Außenpolitik abbüngt.
Am Heutigen 1. Februar sollte in Paris die sogen. Orient-
konferen; der cnglisch-franzSstsch-ilcrlienischen Außenminister
öegirmen. Sie ist indessen nach einer gestern abend eingstrofsenen
Meldung noch in letzter Stunde abgchagt worden, angeblich «itf
einen Vorschlag Lord Curzons hin, weil ihm „am Vortage
iirst die Pariser Denkschrift Wer die Auffassung Frankreichs zuge-
sangen sei und er sei nicht in der Lage, sie rechtzeitig zu prüfen.
Die italienische Regierung hat sich diesen Standpunkt Englands zu
eigen gemacht." Wenn rnan die näheren Kommentare der AuS-
landsvrefs« dazu versorgt, so Weitz man. daß die recht erheblichen
eiMtsch-fvanzöstfchen Differenzen noch nichts von ihrer Schärfe
verloren haben und daß England anscheinend Zeit gewtmren will,
um Italien auf seine Seite zu ziehen und ein für Frankreich an-
nehmbares Kompromiß zustande zu bringen, zur gleichen Zeit ver-
öffentlicht das englische auswärtige Amt eine Erklärung, derzufolge
England vor der Politik der ägyptische» Nationalisten zurückzu-
'weichen beginnt und geneigt ist, entsprechend der Lösung der
irischen Frage sein Protektorat über Aegypten aufzugeben, Aegyp-
ten als souveräne» Staat anzuerkennen und der Bildung eines
ägyptischen Parlaments sowie der Wiedererrichtung eines ägypti-
schen Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten zuzustimmerr,
sobald folgende Bedingungen erfüllt seien, die sie als unbedingt
notwendig fiir di/Interessen Aegyptens und des britische» Reiches
»nfc-he:
»Die britische Regierung mutz volle und wirksame Garantien
haben, erstens, daß die Retchsverbirrdungswege gesichert sind,
zweitens, daß Großbritannien das Recht und die Macht zum
Schutz her ausländischen Gemeinschaften in
Aegypten behält, und drittens, datz Aegypten gegen jede unbetei-
ligte oder unmittelbare Einmischung oder gegen einen An-
griff von «utzerihalb geschützt wird.
Sobald ein Abkommen, das diese Bedingungen erfüllt,
»wischen der ägyptischen Regierung u. der britische:» Negierung
entworfen sei werde die letztgermnnte nicht zögern, das Parla-
ment zu ersuchen, etn solches Uebereinkomme» zu genehmigen.
Der Overkommissar in Aegypten, General Allenby, ist
nach London berirfen worden, um der britischen Negierung über
die Lage zu berichten."
Wohl die größte Bedeutung »ruß aber der Note »»gesprochen
werden, Weiche die 4 kaukasischen Republiken an de»
Obersten Rat und die Regierungen der Enteiste gerichtet haben, in
welcher sie ihre Forderungen an die Konferenz von Genua im ein-
zelnen darlcgen. Sie fordern politische und wirtschaftliche Unab-
hängigkeit insbesondere von Rnßland, Hesse» bolschewiMcher Mi-
litarismus schwer auf ihnen lastet und wollen „als einheitliches
Ganzes, völlig abgesondert von Rußland in das System des wirt-
schaftlichen Wiederaufbaus Europas eingeschlofle» sein." Die we-
sentliche» Stellen dieser Note haben folgenden Wortlaut:
1. Die Völker des Kaukasus würden nur dann mit voller
Energie ihre schöpferische Arbeit wieder aufnehmen, wenn sie ihre
Freiheit wiedererlangen, d. b. wenn die kaukasischen Republiken
si' normale demokratische Staatsordnung, die bis zur Okkupation
Vieser Länder durch die russischen und türkischen Truppen dort
herrsch^ wiederhergestcllt würde. Jin entgegengesetzten Falle
würden unaufhörlicher Kampf für di« Unabhängigkeit, unvermeid-
lrche Erhebungen und Kriege diese Länder zu weiterem Nteder-
üang führen.
2. Die Wiederherstellung der normalen OrdnuM sm Kaukasus
iönnte leicht durchgesührt werden durch die Evakuierung der rus-
sisch-bolschewistischen Truppen, dieser einzigen Stütze des bolsche-
wistischen Regimes.
3. Die Notwendigkeit der Schaffung einer Kaukasische» wirt-
schaftliche» Vereinigung ergibt sich unwiderleglich aus folgende»
Erwägungen:
ä) Der Kaukasus ist ein gleichartiger Organismus u.
unterscheidet sich erheblich von Rußland in geographischer und
ökonomischer Hinsicht;
b) seit Jahrhunderten ist der Kaukasus bewohnt von einhei-
mischen Kulturvölkern: Georgiern, Armeniern, Aserbetdfcha-
nern, Tfcherkessen, die in ihren Sprachen, Sitten und Tra-
ditionen istchts gemein habe» mit der städtischen Rasse;
c) die geographischem ethnographische« und ökonomtsche« Un-
terschiede sind von solcher Bedeutung, daß sogar das alte
Rußland diesem Umstande Rechnung trage» mutzte; entgegen
feinem Grundsatz mußte es — cüs einzige Ausnahme tm
Riesenreich — im Kaukasus ein Vizoköwigtum errichten;
ck) die revolutionäre Bewegung nahm tm Kaukasus
einen ganz anderen Verlauf als in Rußland. Während in
Rußland der Bürgerkrieg wütet und bolschewistische Diktatur
und Terror Herrschen, verstanden es die Völker des Kaukasus
die Errungenschaften der Freiheit sich nutzbar zu machen, ge-
regelte Zustände und eine freiheitliche demokratische Staats-
ordnung herzustellen. Diele Tatsache ist Beweis genug für
den Unterschied zwischen Russen und den Kaufastern, hinsicht-
lich der Geistesverfassung wie des Temperaments;
e) der Kaukasus versperrt nicht Rußlands Handelswege, weder
in der Richtung nach Europa, rwch tu der nach Asten.
Im übrigen kann Rußland, ebenso wie die anderen Länder,
die kaukasischen Verkehrswege zur Durchfuhr benutzen;
k) die Industrie des Kaukasus war nicht russisch, sondern Mer
85 Proz. des an der Naphtaindustrie, an der Kupfer-, Kohlen-
und Manganerzförderung beteiligten Kapitals Haven in den
Händen von Ausländern gelegen;
x) der Bedarf Rußlands an den Naturprodukten des Kaukasus
kann nicht seine politische Vorherrschaft im Kaukasus recht-
fertigen. Die Belieferung Rußlands mit diesen Produkten
könnte leicht durch eine» Vertrag geregelt werden.
4. Das Bestreben der Großmächte nach wirtschaftlichem Wie-
deraufbau der Welt findet freudigen Widerhall bet den kaukasische»
Völkern, deren Wunsch eS immer war, die Pforten des Kaukasus
offen zu halten für die Industrie der westliche» Industriestaaten
5. In dem die Kaukasischen Staaten erst vor kurzen: dem un-
glücklichen Regime von Moskau unterworfen wurden, sind sie we-
niger zerrüttet und demoralisiert als Rußland und könnten daher
viel oh er als dieses zu eiiwm normalen Wirtschaftsleben zurück-
kehren.
8. I« ihrem Bestreben, ihre Interessen solidarisch zu verteidi-
gen, haben die vier Kaukasischen Staaten sich zu einer „Union" zu-
fammengefchloffen. Dieser Akt bringt den unabhängigen und ver-
bündeten kaukasischen Nachbarstaaten eine Einigung, wir sie von
der Natur selbst gegeben ist durch dte geographische Lage dieser
Länder zwischen dem Schwarzen und Kaspische» Meere, an der
Kreuzung der wichtigsten Welthandelsftraßen.
Auf Grund dieser Erwägungen richte« dte Vertreter der vier
Kaukasischen Republiken Die Forderung an den Obersten Rat:
1. Jntdas System des wirtschaftliche» Wiederaufbaus Europas
die vier Kaukasischen Republiken als wirtschaftliche Ein-
heit einzuschlietzen, als ein Ganzes, das völlig abgesondert ist
von Rutzlmw;
2. zu bestimmen, datz zur Prüfung der Bedingungen für die
Anteilnahme der Kaukasische» Staate» an dem wirtschaftlichen
Wiederaufbau Europas dte gesetzmäßigen Vertrete?
dieser Staaten ein geladen und gehört werden sollen.
Rathenau deutscher Außenminister.
Berit«, 1. Febr. Der frühere Wiederaufvamninister Dr.
WalterRathenauist gestern zum Minister des Auswärtigen
ernannt worden.
s
Wir haben uns bereits im Leitartikel vom Samstag für die
Berufung Rathenaus tns Auswärtige Ministerium eingesetzt, an-
gesichts der Arbeit, die er in London, Parts und Cannes "für
Deutschland geleistet hat. Nun haben gerade in den letzten Lagen
wieder demagogische Treibereien gegen Rathenaus Berufung ein-
gesetzt, die ihre Hauptursache im Widerstand der Volkspartei gegen
Rathenau haben. Es ist erfreulich, daß Reichskanzler und Reichs-
präsident sich über diese Widerstände großzügig Himveggesetzt und
den Marm berufen haben, der. wie kein anderer an diese Stell-
gehört. Das Retchskabinett hat damit eine äußerst wertvolle Er-
gänzung und die demokratisch-republikanische Koalition eine neue
Festigung erfahren.
Verschiebung der Konferenz von Genua ?
Paris, 1. Febr. Der Londoner „TenrpS"-Korrespo»de«t be-
richtet, datz infolge der Verschiebung der Orientkonferenz in London
der Gedanke an eine Verschiebung der Konferenz von Genua all-
gemein laut werde. Die „Times" betonen vor allem, datz dte
Konferenz von Genua immer weniger Hoffnung aus Er-
folg habe angesichts der französisch-englischen Lage, der zögernden
Haltung der Vereinigten Staaten und dem geringen Enthusiasmus,
der in Frankreich dieser Konferenz entgegengebracht werde.
In einer Meldung aus Berlin wird im Zusammenhang mit
Ressortbesprechungen über die Konferenz von Genua ebenfalls mit-
geteilt, datz man in amtlichen Kreisen der Anschauung ist, daß dte
Konferenz von Genua hinausgeschoben wird.
Die N. S. P. auf dem KriegLpfad.
Man schreibt uns aus der Reichstagsfraktion:
Die Parteileitung der U.S.P. veröffentlichte am Sonntag in
der „Freiheit" einen Aufruf an dte Männer und Frauen der
Arbeit, in welchem der sozialdemokratischen Partei wegen des
Zustandekommens des Stsuerkompromisses dte schwersten Vor-
würfe gemacht werden. „Dis rechtssozialistische Koalititznspolitik
hat vollkommen bankerott gemacht", so heißt es an: Schluffe des
Aufrufes.
Wir stellen demgegenüber fest, datz in allen Besprechungen, die
unter Teilnahme von Führern der U.S.P.D. stattfande«, von den
Letzteren aus aussenpolitischen Gründen der größte Wert darauf
gelegt wurde, datz das Kabinett Wirch-Bauer erhalten bleibt. Vor
den Arbeitern wirft uns die Leitung der U.S.P.D. vor, datz wir
Koalttionspolittk treiben. Hinter den Kulissen sagen uns dieselben
Führer, daß in: Interesse des Auslandsansehens der deutschen
Republik an der Koalttionspolittk nichts geändert werden dürfe.
Diese Zweideutigkeit wird sich an der U.S.P.D. sechst
rächen, denn die Arbeiter wollen eine in ihrem Interesse liegende
eindeutige Politik.
Die Führer der U.S.P.D. sind während der Kompromttzver-
handlnngen, die zunächst nur zwischen Zentrum und Sozialdemo-
kratie stattfanden, täglich auf dem Lausenden gehalten worden.
Als tn den einzelnen Phasen die Führer der Unabhängigen ge-
fragt wurden, wte sie zu dem Verhandlungsstand sich stellen wür-
den, antworteten sie, daß sie erst Stellung nehmen könnten, wenn
das Kompromtßwerk als Ganzes vorliegen würde. Wir geben
zu, datz dte Stellungnahme der U.S.P.D. stark erschwert wurde
durch den Leipziger Beschluß, keinen wetteren Erhöhungen von
Verbrauchsabgaben znzustimmen. Der Versailler Vertrag zwingt
die deutsche Regierung aber, solche Erhöhungen vorzufchlagen.
Das Parlament kommt um sie nicht verum. Mit dem Leipziger
Beschluß läßt sich deshalb praktische Politik überhaupt nicht machen.
Das hätten die Führer der U.S.P.D. ihren Leipziger Parteitags-
delegieren ehrlich sagen müssen. Kurz vorher schien es auch so,
als ob eine bessere Einsicht bet der U.S.P.D. eingekehrt wäre. So
hat z. B. dtese Partei, um die Postvorlage zu retten, dte die Er-
höhung des Briefportos auf 2.— Mk. brachte, dieser Vorlage zu-
gestimmt.
Der Aufruf wirft der sozialdemokratischen Partei vor, datz sie
die Gewertschaftsforderungen tm Stiche gelassen habe. Es steht
fest, datz für die Durchsetzung der Besteuerung der Sachwerte zur
Zeit weder eine Mehrheit in der Regierung, noch im Reichstag zu
finden war. Deshalb mutzten wir uns nach einem Ersatz um-
sehen. So wurde die Zwangsanlethe Gegenstand des Kom-
promisses. Eine Anleihe, die zwangsweise aus die Sachwertbesitzer
umgelegt wird und die ersten 3 Jahre keine, später ganz geringe
Zinsen trägt, ist ein sichtbares Opfer. Darüber darf kein
Zweifel sein. Es wird wohl niemanden geben, der behauptet,
daß nttt einer solchen unverzinslichen Anleihe ein Geschäft gemacht
werden könne. Das Ausbringen einer solchen Anleihe bedeutet
bei dem heutigen Kursstand der Mark, daß SO Milliarden Papier-
mari als fundierte Schuld aufgebracht werden, und um den glei-
chen Betrag der Laus der Notenpreffe gehemmt werden kann.
Würde die Mark weiter fallen, würde das Opfer bet einem späte-
ren Stichtag in Papiermark noch größer werden.
In dem unabhängigen Ausruf wird weiter behauptet, datz das
Opfer der Zwangsanleihe verringert würde durch Verzicht auf
die Einziehung des zweiten Drittels des Reichsnotopfers. Auch
das ist falsch, und nur aus agitatorischen Gründen behauptet der
Aufruf der „Freiheit" das Gegenteil. Schon durch die Regierungs-
vorlage über die Vermögenssteuer sollte das 2. und 3. Drittel des
Reichsnotopfers außer Hebung gesetzt werden. Man hielt das
für zweckmäßig, um die Gesetzgebung über die Vermögenssteuer
zu vereinfachen. Die Vermögenssteuer bleibt aber ein Teil des
Kompromisses. Die Nachkriegsgewinnsteuer wurde fallen gelassen,
weil ihre Erhebung im Jahre 1922 doch nicht möglich ist, wenn
eine Veranlagung für das Reichsnotopfer vorgenommen werden
mutz. Eine solche Veranlagung ist aber dringend und eilig ge-
boten. Dte Veranlagung nach dem Reichsnotopfer kann nur eine
vorläufige sein, damit überhaupt schnell Geld zum Fließen kommt,
was wieder notwendig ist, nm den Lauf der Notenpresse zu hem-
men. Der Ertrag der Nachkriegsgewinnsteuer wurde auf etwa
2 Milliarden Papiermark geschätzt. Bet alledem mutz im Auge
gehalten werden, daß cs jetzt viel mehr darauf «»kommt, die be-
willigten Besitz- und Vermögenssteuern und die Einkommensteuern
der Besitzenden einzuhebem als immer neue Steuern zu schaffen
und dadurch die Finanzämter so zu belasten, datz nicht einmal die
bewilligten Steuern eingehoben werden. Richtig ist, daß mit der
Auflegung der Zwangsanleihe unser außerordentlicher Etat nicht
restlos in Ordnung kommt. Dazu würden aber auch dte Summen
nicht ausreichen, die seiiwrzett als Höchstsummen angenommen
würden, wenn es zur Belastung der Sachwerte gekommen wäre.
Um unser Extra-Ordinarium in Ordnung zu bringen, d. h. um die
Devisen zu beschaffen, die für dte Goldzahlungen und für das
Ausgleichsverfahren notwendig sind, um die Papiermark zu be-
schaffen, die für die inneren Besatzungskosten und für die Abgel-
tung der Sachleistungen nötig sind, bedarf es zunehmender Ein-
sicht in den maßgebenden Ententekreisen. Ohne Erleichterung der
Reparationslasten wird der Etat des Meiches nicht zu Salan-
zieren sein.
Der Aufruf „An dte Männer und Frauen der Arbeit" geht
geflissentlich darüber hinweg, datz die Umsatzsteuer, die sich den
breiten Massen in allen Warenpreisen bemerkbar machen wird, auf
2 Prozent gehalten wird, daß die Zuckerstener nur auf 50 Mk. für
den Doppelzentner festgesetzt wird und nicht auf 100 Mk., wte die
Regierung bis zuletzt wollte. Datz es bet der Biersteuer bei den
Beschlüssen erster Lesung bleibt, d. h„ daß das Wer bei SO Prozent
Stammwürzgehalt nur zu ermäßigten Sätzen yerangezogen wird.
Die U.S.P.D. hat aber vor allen Dingen deshalb keinen
Grund, sich über das angeblich mangelnde Ergebnis des Kom-
promisses zu beschweren, weil sie sich durch ihren Leipziger Be-
schluß als Kompromißpartet leider ausgeschaltet hat. Denn Kom-
promiß suchen konnte nur bedeuten, das richtige Verhältnis zwi-
schen Verbrauchsabgaben und Besitzsteuern zu ftudeu. Wer be-
haupten will, daß auch nur unser tnnerer Etat allein durch Befttz-
und Einkommensteuer tn Ordnung gebracht werden könnte, ist ein
««ehrlicher Demagoge. Der Aufruf behauptet, datz mit dem Steuer«