Heidelberg, Donnerstag, S. März 1S22
Nr. 58 * 4. Jahrgang
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Von Professor Dr. Reinhard Strecker.
Das im Steuerausschuß des Reichstags mühselig genug zu-
standegekommene Kompromiß ist für uns Sozialisten wirklich kein
leichtverdaultcher Bissen. Aber freilich, die Regierung muß mit den
Mehrheilsverhältnissen im Reichstag rechnen, wie sie nach den
Jammerwahlen von 1920 zustande kamen und auf ihr lastet außer-
dem der Druck der auswärtigen Politik. Mag man aber auch diese
Entschuldigung gelten lasten, mag man auch unserer Fraktion im
Reichstag volles Vertrauen schenken, falls sie einen so schwierigen
Schritt mtimachen zu müssen glaubt, so darf uns doch das eine
nicht bindern, die dunklen Schattenseiten dieses Steuerkompromisses
unsererseits hervorzuheben. Wenn es anders keinen Zweck hat, so
doch wenigstens den, die Opfer auszuzcigen, die wir von unserem
Standpunkt bet dem Stenerkompromitz bringen müssen und deren
Anrechnung wir seitens der bürgerlichen Parteien verlange»
können, wenn diese sich mit ihren Opfern brüsten wolle».
Eine der wundesten Stellen des Steuerkmnpromisses ist die
für die Genossenschaften stehengebliebene Umsatzsteuer. Ohne Rück-
sicht darauf, daß die Genossenschaft kein Geschäft ist, sondern nur
eine organisierte Bezugsgemcinschaft, die Waren ohne Geivinn an
ihre Mitglieder vermittelt, erlegt man ihr die gleichen Steuern aus,
wie dem Geschäftsmann, der die Warenvermittlung lediglich als
Profitguelle für sich selbst betreibt. Das Händlerblatt „Der Mate-
rialist" hat schon recht, wenn es in seiner Nr. 8 jubelnd von einem
„Sieg über den Gedanken der Gemeinwirtschaft"
schreibt; ivenn cs ferner davon schreibt, daß „die Soztalisterungstdee
eitlen recht unsanften Schlag erlitten" habe; ivenn es „das große
Verdienst der Einzelhandelsvertreter im Reichstag" rühmt. Wört-
lich heißt es weiter: „Die Vertreter des Einzelhandels im Parla-
ment haben aufs neue den Beweis erbracht, das; ihnen die I n -
ter ess en Vertretung des Standes, die ihnen zu treuen
Händen übergeben wurde, Lebensausgabe iin wahren Sinile des
Wortes geworden ist". Soll denn Wirklich Staudesinieressenver-
tretung eine des Menschen würdige Lebensaufgabe seins
War es nicht gerade der Jammer unseres politischen Lebens im
alten Deutschland, daß im Reichstag keine Politik gemacht, sondern
Standcsinteresten vertreten wurden? Und ein solches Verhalten
glaubt man noch besonders loben zu müssen? Steht cs nicht in
direktem Gegensatz zu den eigentlichen Pflichten des Reichstags-
abgeordneten als Vertreter der Volks interesseu? Aber bezeich-
nend sind diese Auslassungen für die spießbürgerlichen Anschauun-
gen, die heute noch in weiten Kreisen herrschen. In diesen Kreisen
hat man aus allen Katastrophen seit 1914 nicht das »lindeste gelernt.
Das Interesse des eigenen Standes wird vertreten rücksichtslos bis
zum äußersten ohne Gerechtigkeitsgefühl, ohne soziales Empfinden,
und wenn auch Steuerlompromitz und Republik und Voll darüber
zugrunde gehen. Auf der Bahn müssen wir weitergehen, wenn
wir Deutschland in absehbarer Zeit wieder in neue Katastrophen
stürzen wollen!
Man sollte meine», daß eine erdrückende Mehrheit des deut-
schen Volkes in berechtigter Ernpörung solche „Standesinteressen-
vertreter", die mit zynischer Offenheit die egoistische Begrenzung
ihres parlamentarischen Horizontes bekennen, bei der nächsten Ge-
legenheit Hinwegfegen würde. Aber Illusionen wollen wir uns
keine machen. Wir kennen ja unser zahmes und lahmes Bürgertum
viel zu gut. Es liest seine volksparteiltchen Stinneszeitungen, es
gibt seine Wahlstimme ab, so wie diese Zeitungen es anregen, und
es hilft damit selbst den Leuten, die ihm das Fell über die Ohren
ziehen. Da sitzt so mancher arme Rentner und jammert über die
Enlwertung seiner Kriegsanleihepapiere; da rechnet so mancher
Oberlehrer aus, wieviel geringer sein Papiergeldgehalt heute ist
als der Friedensgehalt. Da jammert der Kaufmann, der Hand-
werker, der kleine Beamte, die Kriegswitwe über die hohen Stenern
und die hohen Preise. Herr Dr. Becker von der Volkspartei aber
rühmt sich im „Tag", daß seine Partei dauernd mit oeu deutsch-
ittttionalen Freunden in Fühlung geblieben sei, daß seine Partei
die Erfassung der sogenannten Sachwerte verhindert habe, daß sie
die Zahlung von weiteren Zweidriifteln Notopser mit Erfolg be-
kämpft habe, und daß, wen» man schließlich dell Plan einer
Zwangsanleihe anuahm, dieses das geringste Opfer von allen war,
die in diesen Verhandlungen dem Besitz zugemulet worden
waren. Also Herr Dr. Becker steht geradezu ein Verdienst seiner
Partei darin, sich schützend vor den Besitz gestellt zu haben. Selbst-
verständlich aber müssen alle Steuern und Opfer, die man dem
Besitz erspart, der breiten Masse aufgewälzt werden, also dem
Rentner, dem Handwerker, dem Beamten, dem Oberlehrer usw.
Aber bei der nächsten Wahl werden sie alle Hinsehen und werden
aus „nationalen" Gründen Volkspartei wählen, damit Herr Hugo
Stiuues auf seine 7 Milliarden noch eine achte häufen kann, damit
er seine Machtstellung in sämtlichen Jndustriekonzernen verstärken,
seine Handelsschifssflotte mit den Generalsnamen vermehren und
die deutsche Politik im Auslande durch sein rücksichtsloses Auftreten
weiter diskreditieren kann. Vielleicht wird auf diesem Wege dann
Herr Sünnes doch auch noch stark genug, um der armen banke-
rotten Republik ihre Eisenbahnen für einen Schleuderpreis abraufen
und ein weiteres Werkzeug seiner privaten Macht daraus machen
zu können. Man läßt ja nicht locker, auch nachdem man sich in
England mit der Bitte um Unterstützung dieser Pläne einen Korb
geholt hat. Man jammert jetzt wieder darüber, daß die Eisenbahn-
tarife erhöht worden sind. Man verlangt zwar von der Regierung,
sie müsse unbedingt die Rentabilität der öffentlichen Betriebe Her-
stellen, aber selbstverständlich darf das nur auf Kosten der Arbeiter
und Beamten, nicht auf Kosten der großen Industrie gehen. Wenn
Tausende von Arbeitern und Beamten aufs Pflaster fliegen, was
liegt daran? Wenn die Arbeiter, die bet jeder Preiserhöhung
sowieso ins Hintertreffen geraten, Anpassung ihrer Löhne auch nur
annähernd an das Existenzminimum verlangen, dann wird ge-
schrien. Geschrien wird auch, wenn die Beförderung eines Zentners
Kohle von 3.50 auf 4— oder 4.50 Mk. verteuert wird, trotzdem
das immerhin den „nationalen" Wert hätte, dem Staate, also der
Gesamtheit eine Mehretnnahme zu bringen. Gleichzeitig aber
beschließt der Reichskohlenverband den Kohlenpreis um 10 Mk. pro
Zentner zu erhöhen. Darüber wird natürlich in der volkspartei-
lichen Presse nicht weiter räsoniert. Das versteht sich ja ganz vost
selbst, daß die Herren Milliardäre immer noch mehr verdienen
müssen und daß, wem: sie jetzt neue Gruben anlegen, die Kosten
dafür die Allgemeinheit zu tragen hat. Versteht sich unter der
einzigen Bedingung, daß auch diese neuen Gruben trotz des Bei-
trags der Allgemeinheit unbeschränktes Eigentum der Herren
Industriekapitäne bleiben. Und all diesen Widersinn sieht das
bürgerliche deutsche Publikum mit Gelassenheit an, läßt sich von
„nationalen" Tönen berauschen und merkt nicht, daß die „Nation",
zu der es selbst gehört, für jene großen Kapitalmagnaten nur das
Ausbeutungsobjekt darstellt, aus dem sie Saft und Kraft für ihre
Geldbeutelrepublik herausholen. Ueber den „Gedanken der Gemein-
wirtschaft" werden „Siege" davongetragen und diese „Siege" wer-
den in der bürgerlichen Presse mit Freude begrüßt. Wann werden
wir einmal einen Reichstag bekommen, der sich eines Sieges über
die rücksichtslos egoistische macht- und geldhungerige Privatwirt-
schaft rühmte?
M Ms M Kik MWÄkU
Die Gsruerkschaften beim Reichskanzler.
8.?. Berlin, den 8. März.
Der Allgemeine Deutsche Gewerk sch aftsbund hat
eine fünfgliedrige Kommission eingesetzt, die sich mit der Denkschrift
des ReichSfinanzmtnisterS über die Zwangsanleihe beschäftigen
und die Verhandlungen mit der Negierung führen soll. Entgegen
anderen Meldungen habe« die Gewerkschaften die Einladung zu
de»t Verhandlungen, die am Do nnerstag nachmittag 4 Uhr
beginnen solle,», angenommen.
Rach dem Wunsch des ReichSsinanzministers sollte sowohl die
Denkschrift wie auch das Begleitschreiben, die de» Gewerkschaften
sugesiettt wurden, vertraulich behandelt werden. Die freien Ge-
werkschaften haben diese Vertraulichkeit auf das peinlichste beachtet.
Demgegenüber steht die Tatsache, daß ein Teil der bürgerlichen
Presse bereits heute den Fragebogen abdruüt, den das Finanz-
ministerium de» Gewerkschaften zugesandt hat. Angesichts dessen
bleibt die Frage offen: Wer begeht die dauernden Indiskretionen?
Vielleicht Beamte aus den» ReichSftnanzmir» tsterium?
Heute Besprechrmgeu der Parteiführer mit
dem Kanzler.
Berlin, 8. März. Die Erwartungen, daß das Steuerkom-
promiß heute bereits endgültig abgeschlossen werden könne, haben
sich nicht erfüllt. Die Arbeiten des 11. Ausschusses, der die Ver-
brauchssteuern berät, find allerdings heute beendet worden. Auch
der 35. Ausschuß, der die direkten Steuern behandelt, hat sein Pen-
sum aufgearbcitet. Die Besprechung der Parteiführer mit dem
Kanzler, die urspritnglich auf heute nachmittag angesetzt war, ist
für morgen in Aussicht genommen. Die gemeinsame Sitzung
der Steuerausschüsse in Anwesenheit des Kanzlers rrnd der anderen
Regterungsvertreter ist für Samstag geplant. Bis dahin
werden die Berichte über die Verhandlungen fertiggestellt werden.
Das Plenum des Reichstags wird, wen»» es morgen wieder Zu-
sammentritt, zunächst einmal die Branntwetnmonopolsrage vor-
nehmen. Das Stenerkompromitz wird als solches wahrscheinlich
nicht von der Regierung den« Hause vorgelegt werden, sondern von
einer der Parteien als Initiativantrag und wird sich auf
das Mantelgesetz und die Zwangsanlethe erstrecken.
Dr. Hermes Reichsfinanzminister?
Berltn, 9. März. Die Beratungen der Steuernusfchüsse find
abgeschlossen. Die interfraktionellen Besprechungen mit der
Reichsregierung über ihr Ergebnis nehmen ihren Anfang. Die
Behandlung des Steuerkompromisses im Plenum des Reichstags
dürfte am Montag beginne,». In ei,»em Teil der Parlaments-
kreise wird erstrebt, daß die Kompromißparteien sich auf eine ge-
meinsam eErklärung einigen, die von einen» Vertreter einer
der vier Parteien in der Plenarsitzung des Reichstags abgegeben
werden würde. Dadurch würde eine unfruchtbare Generaldebatte
über die Gründe, die die einzelnen Parteien zu ihrer Haltung be-
stimmt haben, vermieden werden. Die voraussichtliche Ernennung
des Dr. Hermes zum Reich sfinanzmi nister dürste erst
erfolgen, nachdem das Steuerlompromitz unter Dach und Fach ist.
Nach der Uebcruahme des Finanzministeriums entsteht die Frage,
ob das Ernährungsministerium eine Umgestaltung erfahren soll.
Wie das „B. T." hört, besteht «ach wie vor die bereits seit längerer
Zeit betonte Absicht, das ErnährungSministerium dem Wirtschafts-
ministerium «mzugltedern. Ob diese unter Schaffung einer beson-
deren Staatssekretkrstelle geschehen soll, darüber steht noch nichts
endgültig fest.
Der „Sozialdemokratische Parlamentsdienst"
teilt mit:
Zu den bereits von uns veröffentlichten Grundzügen der
Zwangsanleihe, wie sie vom Reichsftnanzministcrium geplant wer-
den, ist noch folgendes nachzutragen:
Unter der Annahme eines steuerbaren Vermögens
von 1000 Milliarden berechnet man die Durchschnittsbe-
lastung auf etwa 5 Prozent. Vermögen bis zu 100 000 Mk. sollen
frei bleiben. Für das reine Kapitalvermögen beabsichtigt man die
Freigrenzen bis zu einer Million zu erhöhen. Um aber unter diese
Begünstigung nicht auch solche Personen fallen zu lassen, die Kapt-
talwerte besitzen, welche der Geldentwertung gefolgt sind und dem-
gemätz hohe Erträge «-werfen, oder die neben Erträgen aus Kapi-
talvermögen noch sonstiges Einkommen besitzen, will man die er-
höht« Freigrenze nur denjenigen zubtlligen, deren für 1922 veran-
lagtes Einkommen de« Betrag von 40 000 Mk. nicht übersteigt. Die
Regelung ist ungefähr so gedacht, daß für die ersten 2S0000 Mk. ---
2 v. H., für die nächsten 250 000 Mk. 4 v. H., für die weiteren und
nächstfolgenden 250 000 Mk. 6 bzw. 8 v. H. und für die übrigen
Betrüge 10 v. H. erhebt.
Was die Erhebung der Zwangsanleihe anbelangt,
so sollen für besonders frühe Einzahlungen, etwa bis zum 1. Juli
1922, Anreize durch Gewährung eines Diskonts (5 Prozent
sind geplant) geschaffen werden. Nach den bisherigen Verhand-
lungen mit den Sachverständigen hat man jedoch die Vermutung,
als ob hieraus ein nennenswerter finanzieller Erfolg nicht zu er-
warten ist. Sind Einzahlungen bis zu einem späteren Zeitpunkte
des Jahres 1922, etwa 1. Oktober 1922, nicht erfolgt, so beabsichtigt
man, ans den endgültig zu leistenden Anleihe-Betrag einen erheb-
lichen Strafzuschlag (50 Prozent und darüber) festzusetzen. Solche
Zuschläge solle»« nicht in Frage kommen, wenn der vorausgezahlte
und der endgültig gezahlte Betrag nicht allzusehr (etwa 25 Prozent)
voneinander abweiche,«.
Jede vorzugsweise Ausstattung der Anleihe so« vermieden
werden. Es wird deshalb von« Reichsfinanzministertum ein AuS-
gal-ekurs von 100 Prozent und ein Zinsfuß von 3—4 Prozent nach
Ablauf der dreijährigen Unverzinslichkeit in Erwägung gezogen.
Aus eine besondere Amortisation der Anleihe soll nicht verzichtet
werden. Die Amortisation wird sich aber nach den vorliegerrden
Planen auf -4 Prozent im Jahre zuzüglich der ersparte»« Zinse»
beschränken; eine Auslosung zum Partwert soll vermieden werden.
Soweit bisher feststeht, tvird die Anleihe durch die Darlehenskasse«
belieben werden, damit diejenigen Gewerbetreibenden, welche aus
Mangel an liquiden Betriebsmitteln Schwierigkeiten rnit der Be-
schaffung der Gelder haben, sich eine teilweise Erleichterung ver-
schaffen können. Die Beleihung bei den Darlehenskassen soll nach
Möglichkeit eingeschränkt werde«, um die Ausgabe weiteren Papier-
geldes in erheblichem Umfange und eine Steigerung der Inflation
zu vermeiden. Die vorzugsweise Behandlung, welche Kriegsanleihe«
und die Sparprärnicnanleihe hinsichtlich ihrer Beleihbarkett zu 85
Prozent ihres Variwertcs durch die Darleheuslasseu erfahren, wird
jedenfalls der Zwängsanleihe nicht zuertannt werden. Auch der
auf Kriegsanleihe-Darlehen seitens der Darlehenskassen gewährte
Porzugsztns von 5)4 Prozent wird für die Darlehen auf Zwangs-
anleihe nicht in Frage kommen.
„Respekt vor dem Reichsgericht".
Eberts Besuch beim Reichsgericht.
Berli»», 8. März. Am zweiten Tage sÄner Anwesenheit in
Leipzig anläßlich der diesjährigen Frühjahrsmesse besuchte der
Reichspräsident Ebert auch das Reichsgericht, wo er vom Reichs-
PerichtsPrSstdenicn Delbrück empfangen wurde. Nach VorsM-
lnng der Senatspräsidsnten wohnten der Reichspräsident und die
übrigen anwesenden Reichsnttmster und Minister der Eiuzelstaa-
ten je einer Sitzung des Zivilsenats und des Strafsenats bei. Im
Anschluß daran gab ReichsMichispräfidertt Delbrück ein Frühstück,
bei dem er an den Reichspräsidenten Ebert eine Begrüßung rich-
tete. Präsident Ebert erwiderte etwa folgendes:
„Sichtbar und vernehmlich vollzieht sich der Wiederaufbau der
deutscher« Wirtschaft. Ich habe es beim Besuch der Leipziger Messe
mit stolzer Bewunderung erlebt. Still rind unmerMch geschieht
der nicht minder wichtige Wiederaufbau des deutschen Rechts. Sie,
ytoi«e Herren, haben Set dieser verarrtwsrtungsvollen Aufgabe die
Führung. Das Reichsgericht Hat in bedeutsamen Entscheidungen
bewiesen, daß es seiner Aufgabe bewußt und ihrer Erfüllung »näch-
tig ist. Dem Höchste»« Gerichtshof des Deutschen Reichs ist die
Pflicht zugefallm, den Krieg und die Erschütterungen, die ihn» folg-
ten, juristisch zu liquidieren; die schwerste Ausgabe, die Wohl je
einem Richter obwg, ist -auf Ihre Schultern Mögt. M-sr zu dm
abschreckenden amtlichen Kritiken des Auslandes stehl in bemer-
kenswertem Gegensatz die Anerkennung bedeutender ausländischer
Juristen. Der Reichsminister der Justiz hat bei Beratung des Ju-
stizetatS im Reichstag auf 'das Zeugnis dieser Amr-kenmurg yin-
gewtesm, er hat gesagt: Respekt vor den» Reichsgerichts Ich
schließe mich mk der Reichsvagierung diesem Ausspruch an. Ich
überbringe dem Reichsgericht die Grüße der Reichsleitung und
unseren Dank und unsere Anerieunung für die mühevolle und
treue Arbeit. Ich bin überzeug-t, daß der oberste Gerichtshof des
Reichs der Aufgabe gewachsen ist, auch nach Neuordnung unserer
staatlichen Grundlage, nach der weitgreifenden Umgestaltung des
Rechts und des Verfahrens, das Vertrauen des deutschen Volkes
sich zu bewahren und sich damit dm Höchsten Lohr» zu sichern, der
eine», Richter zuteil werden kann.