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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Bo«berg, Tauberbischofrheim und Wertheim.
agsanstalt G.m.b.H., Heidelberg.
'öderstraße 89.
ne 2673, Redaktion 2648.
Druck u. Verlag der Unterbadische.-
Geschäftsstelle: Sä
Fernsprecher: Anzeigen-Anna!
Heidelberg, Montag, 16. Januar 1932
Nr. 13 * 4. Jahrgang
Die1r»Ä?-' Monatlich einschl. Trägerlohn 10.- Mk. Anzeigenpreise:
^8 (36 INI» breit) 2.- Mk., Reklame-Anzeigen
( mm b^ni) 6.— Mk. Ber Wiederholungen Nachlaß nach Tarif,
werden nicht ausgenommen.
/»6 Mr- Sprechstunden derRedaktion: 11—12 Uhr.
Postscheckkonto KarlsruheNr. 22877. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.
Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft «.Feuilleton:
Dr.E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O.Weibel; für die Anzeigen: H.Lorchler, sämrlrche in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadischen Verlags« ""
Eeschäftsstr
Fernsprecher: Anzeige
Das Kabinett Poineare.
Wer fürchtet sich vor Poineare?
Heidelberg, den 16. Jan.
Es ist ein Zeichen dafür, daß die sogen. Ersüllungspolitik doch
Mht ganz nutzlos geblieben ist, wenn jetzt selbst die rechtsstehende
Presse Deutschlands von der Tatsache, daß Herr Poineare die Bil-
dung der neuen französischen Regierung übernommen hat, mit ver-
hältnismäßiger Gelassenheit Kenntnis nimmt. Vor einem ^ahr
Noch war Poineare für Jedermann in Deutschland der schwarze
Mann. Seine Wiederkehr zur Macht 'hätte man damals als eine
große Gefahr für Deutschland betrachtet. Heute ist es aber doch
ganz anders. Heute klingt durch alles, was über den französischen
Ministerwechsel gesagt und geschrieben wird, die Frage durch:
„Was kann der Mann uns eigentlich tun?" Die Antwort aus
diese Frage lautet: Wenn wir eine vernünftige Politik treiben,
d. h. wenn wir in der Hauptsache in den Bahnen der bisher be-
triebenen bleiben, dann kann er uns überhaupt nichts tun. Wenn
Deutschland bereit und entschlossen ist, jede Zahlung zu leisten,
die es leisten kann, ohne seine Volkswirtschaft zu zerstören, und da-
mit seine weitere Zahlungsfähigkeit in Frage zu stellen, dann kann es
aiis alles Wettere die Philosophie des Steimklovserbans aus An-
zengrubers „Krenzelschrsiber" anwenden: ,,S' rann Dir nix
g'schehnl" Wer ins Wasser gefallen ist, braucht den Regen nicht
mehr zu fürchten.- Wir sind aus dem Londoner Papier der En-
tente 132 Milliarden Goldmark schuldig. Herrn Poineare isird es
nicht gelingen, diesen Betrag zu erheben. Wir sollen nach dem
Londoner Finanzdiktat jährlich 3 >4 Milliarden Goldmark in Geld
n Waren zunächst u. später mehr bezahlen. Wir werden von dieser
Phantastischen Summe so viel bezahlen, wie wir bezahlen können.
Daß wir nicht alles bezahlen können, das weiß heute alle Welt, und
alle Welt hält jeden, der etwas anderes behauptet, für emen
Schwindler.
Schulden haben wir nicht an Frankreich, sondern an die En-
lenke, von der Frankreich seinen Anteil zu fordern oat. Frankreich
hat an uns Rechte nur als Mitglied einer Gemeinschaft von Gläubi-
gern. Es hat keine Gläubiger- und erst recht leine Vollstreser-
rechte gegen uns von Staat zu Staat. Ob wir unsere Pflichten
bis zur Grenze des Möglichen erfüllen, oder ob wir hinter dreien
Grenzen zurückgeblieben sind und Zwangsmatzregeln ausgesetzt se
sollen, das hat nicht Frankreich, sondern dir Rrparations-
k 0 mmissi 0 nzu bestimmen, in der sich Frankreich nach Briands
letzter Kammererklärung augenblicklich in der Minderheit besi , .
Erst wenn die Reparationskommission uns sür ichmdig erklärt und
Maßregeln gegen uns vorgeschlagen hat, kann der Oberste Rat üb
diese Maßregeln beschließen, und in ihm sind die Kräfte ebenso ver-
teilt wie in der Reparationskommission. Die Reparalion^-kom
Mission wird uns, weil wir die ersten Raten von 1922 nicht von
bezahlen können, nicht schuldig erklären, sie wird keine GÄvalt
maßregeln gegen uns Vorschlägen, und der Oberste Rat wtrv ne
Mht beschließen. Auf lästige Kontrollmatzregeln werden Wir uns frei-
lich gefasst machen müssen. Die waren schon ,n London zwischen
Briand und Lloyd George beschlossen. Der Regierungswechsel in
Frankreich kann in dieser Beziehung höchstens zu Verzögerungen
führen, die wir nicht zu bedauern brauchen, möglicherweise auch
zu Veränderungen, die — man staune nichtl — unter Umstanden
gewisse Erleichterungen in sich schließen könnten. Denn die For-
derungen der Londoner Abrede zur Verteuerung der deutschen
Lebenshaltung — und Produktionskosten — entsprangen englischen
und nicht den in diesem Falle entgegengesetzten französischen Inter-
essen. Was vielleicht einmal zwischen dem Frankreich Poincares
und England verabredet werden könnte, wird schwerlich sür uns
härter sein als was zwischen Lloyd George und Briand geplant
worden ist.
Manche Zeitungen sprechen von ernsten Zeiten, die uns aus
dem französischen Regierungswechsel drohen. Für uns hat es nicht
erst dieses Regierungswechsels bedurft, um uns erkennen zu lassen,
daß die Zeiten für uns sehr ernst sind. Warum sie jetzt für uns
ernster geworden sein sollen, ist nicht ohne weiteres einzusehen.
Man mutzte denn anniehmen, Poineare würde die tzrosze Torheit ve-
gehen, aus eigene Faust Gewaltmatzregeln gegen Deutschland zu
unternehmen. Daß er das tun wird, ist wenig wahrscheinlich.
Täte er es, so würde schlimmstensulls eine iveftcre Reihe deutscher
Städte französische Besatzung erhallen, was allerdings eine In-
samie, ein flagranter Vertragsbruch, eine, das Verhältnis der
beiden Völker noch weiter vergiftende Sinnlosigkeit wäre, aber in
seinen Folgen für Frankreich vielleicht doch noch schlimmer Märe
wie für Deutschland. Denn Europa, vor allem England wird sich
einen solchen Akt französischer Eigenmächtigkeit nicht gefallen lassen,
er bedeutet für Frankreich Isolierung und Konflikt mit aller Welt,
auch mit einem wachsenden Teil feiner eigenen Bevölkerung, die
nicht nach immer neuen militaristischen Krastgebärden, sondern
nach gesichertem Frieden und geordneten Verhältnissen verlangt.
Herr Poineare ist freilich bis zu einem gewissen Grade ein
Knecht seiner eigenen, tönenden Verheißungen. Aber er hat im-
merhin die schöne Ausrede, daß er nach einem Jahre der Regie-
rung Briands allzu schwierige, politische Verhältnisse gefunden
habe, und er wird nicht verfehlen, sich ihrer zum Schutz zu bedienen
bei all den Enttäuschungen, die seine Politik seinen Anhängern
bringen mutz.
Und noch mit einer anderen Tatsache mutz gerechnet werden:
Wenn Frankreich gegen Deutschland stark sein will, mutz es sich
mit England vertragen, d. h. es mutz das ertragen, was die Geg-
ner Briands die Abhängigkeit von England nennen. Will Frank-
reich von England unabhängig werden, so mutz es versuchen, zu
einer eigenen Verständigung mit Deutschland zu kommen. I
Letztere schließt aber jede Gewaltpolitik gegen Deimchmnd am-, j
Es gibt, real gesehen, für Frankreich nur zwei Wege. Die erste
Etappe des einen heißt „Londoner Abkommen zwischen Briand
und Lloyd George". Dir erste Etappe des anderen heißt —
Wiesbadener Abkommen zwischen Rathenau und Loucheur. Herr
Poineare wird einen der beiden oder diese beiden gehen uttlsscn.
Alles andere ist bloß nationalistisches Phrasengeklingel und dum-
mes Zeug.
Wit erkipsinden also vor Herrn Poineare keine Furcht. Furcht
brauchen wir nur vor den Dummheiten zu haben, die wir selber,
nicht aber vor jenen, die vielleicht andere begehen könnten Eine
Dummheit wäre es, übermütig zu werden und auf den Konflikt
zwischen England und Frankreich zu spekulieren. Wenn wir in
den Bahnen unserer bisherigen Politik bleiben und womöglich
unsere Beweise des guten Willens noch verstärken, brauchen wir
uns keine Sorge darum zu machen, ob nun Herr Poineare oder
sonst wer Ministerpräsident von Frankreich ist.
Das Kabinett Poineare.
Parts, den 16. Januar.
Das Ministerium Poineare hat im Lause des gestrigen Vor-
mittags mehrmals noch Umgruppierungen erfahren. Seit
gestern nachmittag ist es aber endgültig gebildet und heute
abend hat der ehemalige Präsident der Republik dem Präsidenten
Millerand seine Mitarbeiter vorgestellt. Das Kabinett setzt
sich, wie folgt, zusammen:
Auswärtige Angelegenheiten Poineare,
Stellvertretender Ministerpräsident, Justiz und
Elsatz-Lothringen: Barthou,
Krieg und Pensionen: Maginot,
Marine: Ratbertt,
Finanzen: de Lasteyrte,
Inneres: Maunoury,
Unterricht: Berard,
Oeffentliche Arbeiten: Le Troquer,
Landwirtschaft: Cheron,
Kolonien: Sarraut,
Handel: Dior,
Befreite Gebiete: Retbel,
Arbeit: Teyroynet,
Gesundheitswesen: Strauß.
Unter st aatssekretär beim Ministerpräsidenten: Col-
rat, für die Handelsmarine: R i 0, sür das Post- und Telegraphen-
wesen: Laff 0 nt, für den technischen Unterricht: Visa!, für die
Lustschiffahrt: Eynac.
Diese 10 Minister verteilen sich der Parteigruppierung nach
wie folgt: 4 Minister sind Mitglieder der demokratisch-republikani-
schen Linken, nämlich Maunoury, Maginot, Berard und Barthou;
3 Minister sind Mitglieder der Partei Arago, nämlich de La-
steyrtr, Dior und Raibertt; einer ist radikaler Sozialist
(Sarraut); einer ist Mitglied der republikanisch-sozialen Union
(Reibe!); einer ist Mitglied der Linksrepubltkaner (Le
Troquer). Von den 4 Senatoren, die die Ministerposten er-
halten haben, sind 2 aus der Gruppe der republikanischen
Unfton entnommen (Poineare und Cheron), 2 gehören derradi -
kalen Gruppe an (Strauß und Leyronnet). Von den fünf
Unter st aatssekretären ist einer Mitglied der republikanisch-
sozialistischen Partei (Laffont); 2 andere sind Sozialrepublikaner
(Rio und Visal); der vierte ist Linksrepubltkaner (Eynac) und
Unterstaatsfekretär Colrat gehört der demokratischen Linken an.
Die Unterredung Lloyd Georges mit Poineare.
Paris, 15. Jan. Die Unterredung Poincares mit
Lloyd George, die gestern nachmittag in der englischen Bot-
schaft stattfand, dauerte etwa 1)4 Stunden. An offiziellen Stellen
wurde über ihren Inhalt mitgcteilt, daß der Verlauf der Unter-
haltung äußerst heftig gewesen sei. Man unterstrich den rein
persönlichen Charakter der Aussprache, die jedoch ein Vorspiel für
die kommenden Verhandlungen sein dürste. Sowohl Lloyd George
als auch Poineare hätten die Notwendigkeit einer gemeinsamen
Politik für Frankreich und England in engster Solidarität betont.
Auf die Frage, ob die in Cannes auf der Tagesordnung stehenden
Fragen zur Erörterung gelangt seien, wollte man an offiziellen
Stellen keine Auskunft geben.
Paris, 16. Jan. Ueber die Unterredung, die gestern zwi-
schen Poineare und Lloyd George stattfand, wird jetzt
noch folgendes bekannt: Poineare erklärte, daß er keine Entscheidung
fällen könne, er sei jedoch überzeugt, daß kein ernster Kon-
flikt zwischen den beiden Ländern entstehen könne. Er hoffe,
daß in den künftigen Verhandlungen in den wichtigen Fragen
Uebereinstimmung erzielt werde. Dies sei notwendig, bevor man
den französisch-englischen Vertrag unterzeichne. An zahlreichen
Stellen der Welt stünden sich heute französische und englische Inter-
essen gegenüber, der hier liegende Stoff für Differenzen müsse aus
der Welt geschafft werden. Daher müsse man die gesamte Lage
prüfen und natürlich auch die Frage der Reparationen, des euro-
päischen Wiederaufbaus und des nahen Ostens. Dann brachte
Poineare die verschiedenen Wünsche auf Abänderung und Erweite-
rung des Vertrags vor. Die Garantiedauer von 10 Jahren sei zu
kurz. Auch sei ein Zusatz erforderlich, daß Frankreich und England
gemeinsam intervenieren würden, wenn Deutschland Polen an-
greife. Auch sei eS wünschenswert, daß sofort Zusammenkiinfte von
französischen und englischen Generalstäblern ersolgen, um die Prak-
tischen Einzelheiten im Falle einer Mobilisation zu erläutetn.
Lloyd George erklärte, er wünsche Vor allem die Frage der
Reparationen und der Wiederherstellung Europas erledigt zu sehen.
Er lege ganz besonderen Wert darauf, datz sofort eine Zusammen-
kunft zwischen dem neuen französischen Finanzminister mit Robert
Harne stattfinde. Poineare erklärte sich bereit, die Konferenz zu
veranlassen. Weiter sagte Lloyd George, Lor- Curzon werde am
Montag nach Paris kommen und Gelegenheit nehmen, mit Poin-
care verschiedene auswärtige Fragen zu erörtern, namentlich hin-
sichtlich des nahen Ostens. Poineare erklärte sich zu einer solchen
Unterredung bereit. Dann sprach man von der Konferenz von
Genua, wöbet Poineare sagte, Frankreich werde diese Konferenz
selbstverständlich beschicken, aber er selbst werde nicht erscheinen.
Die Unterredung dauerte fast zwei Stunden.
Rathenau über das Moratorium.
Heute Kabincttssttzung.
Paris, 14. Jan. Der Sonderberichterstatter des Hablogramm
hatte Gelegenheit, sich einige Minuten mit der deutschen Delegation
zu unterhalten, die er um Auskünfte befragte. Die deutsche Dele-
gation glaubt, datz die Beziehungen zwischen Deutschland und den
Alliierten sich bestem und datz die Unterhandlungen von Cannes
autzerordentlich viel nützen könne:», wenngleich sie praktisch durch
die französische Mtnisterkrise behindert worden seien. Dr. Rathe -
nau habe ihm erklärt, datz Deutschland die Entscheidung des Wte-
dergutmachungsausschustes annchme. Er habe hierüber schon nach
Berlin berichtet und er zweifele nicht daran, datz die deutsche
Regierung vollkommen mit dem übereinstimme, was er vor der
Wiedergutnmchungskommission und dem Obersten Rat dargelegt
habe.
Mitglieder der deutschen Abordnung Heven hervor, datz ihnen
seitens der interalliierten Delegierten ein Sutzerst höflicher Empfang
bereitet sei. Die Verhandlungen wurden in den angenehmsten For-
men geführt. Die auf der Konferenz herrschende Atmosphäre sei
einer Verständigung recht günstig gewesen. Das Deutschland
einstweilen wenn auch nur kurzfristig gewährte Entgegenkommen
scheine zu guten Hoffnungen sür eine endgültige Regelung zu be-
rechtigen. Auch die Einladung zur Wtrtschastslonferenz in Genua
eröffne günstige Aussichten sür den Wiederaufbau Mittel- und Ost-
europas.
Berlin, 14. Jan. In der heute morgen begonnenen Chef-
besprechung in der Reichskanzlei, an der autzer den Mlnistem Ver-
treter aller an dem Reparattousproblem interessierten Restarts teil-
nahmen und die bis zum Mittag dauerte, wurden entscheidende
Beschlüsse nicht gefasst. Man gedenkt die Rückkehr Rathenaus
und der deutschen Abordnung aus Cannes abzuwarten, die vor-
aussichtlich morgen abend erfolgen wird. Am Montag nach-
mittag um 4 Uhr tritt dann das Kabinett zu einer grundlegen-
denKabineltssitzung zusammen, an der auch Rathenau
und voraussichtlich die anderen Delegierten tcilnehmen werden.
Die sür nachmittags vorgesehene Konferenz des Reichskanzlers »nit
den Parteiführern über Steuerfragen wird wahrscheinlich ver-
schoben werden, zumal die neugeschäsfene Lage nicht ohne Ein-
wirkung auf die Steuersragen bleiben dürfte.
Prag oder Budapest?
(Vor» unserem Wiener Korrespondenten.)
* Wien, den 13. Januar.
Der Vertrag, der in dem Schlosse Lana bei Prag zwischen
den Regierungen Oesterreichs und der Tschechoslowakei abgeschlossen
wu de, bedroht die österreichische Regierung, die einer Koalition
zwischen Christlichsoztalen und Großdeutschen ihre Entstehung ver-
dankt, mit einer schweren Krise. Die Grotzdeutschen sind in größter
Erregung und drohen mit der Sprengung der Koalition und mit
dem Rücktritt ihres Ministers. Wie schwer die Krise ist, geht nicht
nur daraus hervor, daß die Christlichsozialen sich rüsten, die Er-
regung der Großdeutschen dadurch zu besänftigen, daß sie ihnen
einen größeren Anteil an der Regierung anbteten, sondern auch
daraus, datz sie jetzt krampfhafte Anstrengungen machen, sich als
Opfer der Rennerschen Außenpolitik hinzustellen, die in
einem „Geheimvertrag" mit der Tschechoslowakei Oesterreich die
stärksten Bindungen auferlegt habe, so datz der Vertrag von Lana
nur eine Folge dieser Bindungen sei.
Ob es den Christlichsoztalen gelingen wird, die Großdeuischen,
sei es dadurch, daß sie alle Schuld auf die bösen Sozialdemokraten
abwälzen, fei es dadurch, daß sie den Grotzdeutschen mehr Minister-
posten anbieten,'zu beruhigen, läßt sich natürlich schwer Voraus-
sagen. Schliesslich wird den Grotzdeutschen nicht viel anderes übrig
bleiben, als sich aus dem Schmollwinkel herauszubegeben; denn
eine Regierungsbildung mit den Sozialdemokraten ist ganz aus-
geschlossen. Die Sozialdemokraten lassen sich aus ihrer Oppositions-
stellung durch keine Lockrufe herauslocken — so ist eben eine Regie-
rung nur möglich, wenn die beiden bürgerliche» Parteien sie bilden.
Zu dem Experiment der Neuwahlen werden sich weder die Christ-
lichsozialen noch die Grotzdeutschen gerade jetzt entschlietzen. Es
Würde für keinen von beiden irgend etwas herauskorumen.
Allerdings wird es den Großindustriellen nicht leicht fallen,
ihre Truppen, die sie zum Kampf gegen den Vertrag, der die Deut-
schen in der Tschechoslowakei und den Anschluß an Deutschland
verrate, aufgerufen haben, wieder zurückzurufen. Denn man mutz
ihnen zugeben, daß der Vertrag unglaublich ungeschickt
stilisiert ist und auch bet nicht übernationalen Leuten den An-
schein erweckt hat, als ob er für wirtschaftliche Vorteile, namentlich
eine Anleihe von 500 Millionen tschechischen Kronen, die Würde
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Das Kabinett Poineare.
Wer fürchtet sich vor Poineare?
Heidelberg, den 16. Jan.
Es ist ein Zeichen dafür, daß die sogen. Ersüllungspolitik doch
Mht ganz nutzlos geblieben ist, wenn jetzt selbst die rechtsstehende
Presse Deutschlands von der Tatsache, daß Herr Poineare die Bil-
dung der neuen französischen Regierung übernommen hat, mit ver-
hältnismäßiger Gelassenheit Kenntnis nimmt. Vor einem ^ahr
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Mann. Seine Wiederkehr zur Macht 'hätte man damals als eine
große Gefahr für Deutschland betrachtet. Heute ist es aber doch
ganz anders. Heute klingt durch alles, was über den französischen
Ministerwechsel gesagt und geschrieben wird, die Frage durch:
„Was kann der Mann uns eigentlich tun?" Die Antwort aus
diese Frage lautet: Wenn wir eine vernünftige Politik treiben,
d. h. wenn wir in der Hauptsache in den Bahnen der bisher be-
triebenen bleiben, dann kann er uns überhaupt nichts tun. Wenn
Deutschland bereit und entschlossen ist, jede Zahlung zu leisten,
die es leisten kann, ohne seine Volkswirtschaft zu zerstören, und da-
mit seine weitere Zahlungsfähigkeit in Frage zu stellen, dann kann es
aiis alles Wettere die Philosophie des Steimklovserbans aus An-
zengrubers „Krenzelschrsiber" anwenden: ,,S' rann Dir nix
g'schehnl" Wer ins Wasser gefallen ist, braucht den Regen nicht
mehr zu fürchten.- Wir sind aus dem Londoner Papier der En-
tente 132 Milliarden Goldmark schuldig. Herrn Poineare isird es
nicht gelingen, diesen Betrag zu erheben. Wir sollen nach dem
Londoner Finanzdiktat jährlich 3 >4 Milliarden Goldmark in Geld
n Waren zunächst u. später mehr bezahlen. Wir werden von dieser
Phantastischen Summe so viel bezahlen, wie wir bezahlen können.
Daß wir nicht alles bezahlen können, das weiß heute alle Welt, und
alle Welt hält jeden, der etwas anderes behauptet, für emen
Schwindler.
Schulden haben wir nicht an Frankreich, sondern an die En-
lenke, von der Frankreich seinen Anteil zu fordern oat. Frankreich
hat an uns Rechte nur als Mitglied einer Gemeinschaft von Gläubi-
gern. Es hat keine Gläubiger- und erst recht leine Vollstreser-
rechte gegen uns von Staat zu Staat. Ob wir unsere Pflichten
bis zur Grenze des Möglichen erfüllen, oder ob wir hinter dreien
Grenzen zurückgeblieben sind und Zwangsmatzregeln ausgesetzt se
sollen, das hat nicht Frankreich, sondern dir Rrparations-
k 0 mmissi 0 nzu bestimmen, in der sich Frankreich nach Briands
letzter Kammererklärung augenblicklich in der Minderheit besi , .
Erst wenn die Reparationskommission uns sür ichmdig erklärt und
Maßregeln gegen uns vorgeschlagen hat, kann der Oberste Rat üb
diese Maßregeln beschließen, und in ihm sind die Kräfte ebenso ver-
teilt wie in der Reparationskommission. Die Reparalion^-kom
Mission wird uns, weil wir die ersten Raten von 1922 nicht von
bezahlen können, nicht schuldig erklären, sie wird keine GÄvalt
maßregeln gegen uns Vorschlägen, und der Oberste Rat wtrv ne
Mht beschließen. Auf lästige Kontrollmatzregeln werden Wir uns frei-
lich gefasst machen müssen. Die waren schon ,n London zwischen
Briand und Lloyd George beschlossen. Der Regierungswechsel in
Frankreich kann in dieser Beziehung höchstens zu Verzögerungen
führen, die wir nicht zu bedauern brauchen, möglicherweise auch
zu Veränderungen, die — man staune nichtl — unter Umstanden
gewisse Erleichterungen in sich schließen könnten. Denn die For-
derungen der Londoner Abrede zur Verteuerung der deutschen
Lebenshaltung — und Produktionskosten — entsprangen englischen
und nicht den in diesem Falle entgegengesetzten französischen Inter-
essen. Was vielleicht einmal zwischen dem Frankreich Poincares
und England verabredet werden könnte, wird schwerlich sür uns
härter sein als was zwischen Lloyd George und Briand geplant
worden ist.
Manche Zeitungen sprechen von ernsten Zeiten, die uns aus
dem französischen Regierungswechsel drohen. Für uns hat es nicht
erst dieses Regierungswechsels bedurft, um uns erkennen zu lassen,
daß die Zeiten für uns sehr ernst sind. Warum sie jetzt für uns
ernster geworden sein sollen, ist nicht ohne weiteres einzusehen.
Man mutzte denn anniehmen, Poineare würde die tzrosze Torheit ve-
gehen, aus eigene Faust Gewaltmatzregeln gegen Deutschland zu
unternehmen. Daß er das tun wird, ist wenig wahrscheinlich.
Täte er es, so würde schlimmstensulls eine iveftcre Reihe deutscher
Städte französische Besatzung erhallen, was allerdings eine In-
samie, ein flagranter Vertragsbruch, eine, das Verhältnis der
beiden Völker noch weiter vergiftende Sinnlosigkeit wäre, aber in
seinen Folgen für Frankreich vielleicht doch noch schlimmer Märe
wie für Deutschland. Denn Europa, vor allem England wird sich
einen solchen Akt französischer Eigenmächtigkeit nicht gefallen lassen,
er bedeutet für Frankreich Isolierung und Konflikt mit aller Welt,
auch mit einem wachsenden Teil feiner eigenen Bevölkerung, die
nicht nach immer neuen militaristischen Krastgebärden, sondern
nach gesichertem Frieden und geordneten Verhältnissen verlangt.
Herr Poineare ist freilich bis zu einem gewissen Grade ein
Knecht seiner eigenen, tönenden Verheißungen. Aber er hat im-
merhin die schöne Ausrede, daß er nach einem Jahre der Regie-
rung Briands allzu schwierige, politische Verhältnisse gefunden
habe, und er wird nicht verfehlen, sich ihrer zum Schutz zu bedienen
bei all den Enttäuschungen, die seine Politik seinen Anhängern
bringen mutz.
Und noch mit einer anderen Tatsache mutz gerechnet werden:
Wenn Frankreich gegen Deutschland stark sein will, mutz es sich
mit England vertragen, d. h. es mutz das ertragen, was die Geg-
ner Briands die Abhängigkeit von England nennen. Will Frank-
reich von England unabhängig werden, so mutz es versuchen, zu
einer eigenen Verständigung mit Deutschland zu kommen. I
Letztere schließt aber jede Gewaltpolitik gegen Deimchmnd am-, j
Es gibt, real gesehen, für Frankreich nur zwei Wege. Die erste
Etappe des einen heißt „Londoner Abkommen zwischen Briand
und Lloyd George". Dir erste Etappe des anderen heißt —
Wiesbadener Abkommen zwischen Rathenau und Loucheur. Herr
Poineare wird einen der beiden oder diese beiden gehen uttlsscn.
Alles andere ist bloß nationalistisches Phrasengeklingel und dum-
mes Zeug.
Wit erkipsinden also vor Herrn Poineare keine Furcht. Furcht
brauchen wir nur vor den Dummheiten zu haben, die wir selber,
nicht aber vor jenen, die vielleicht andere begehen könnten Eine
Dummheit wäre es, übermütig zu werden und auf den Konflikt
zwischen England und Frankreich zu spekulieren. Wenn wir in
den Bahnen unserer bisherigen Politik bleiben und womöglich
unsere Beweise des guten Willens noch verstärken, brauchen wir
uns keine Sorge darum zu machen, ob nun Herr Poineare oder
sonst wer Ministerpräsident von Frankreich ist.
Das Kabinett Poineare.
Parts, den 16. Januar.
Das Ministerium Poineare hat im Lause des gestrigen Vor-
mittags mehrmals noch Umgruppierungen erfahren. Seit
gestern nachmittag ist es aber endgültig gebildet und heute
abend hat der ehemalige Präsident der Republik dem Präsidenten
Millerand seine Mitarbeiter vorgestellt. Das Kabinett setzt
sich, wie folgt, zusammen:
Auswärtige Angelegenheiten Poineare,
Stellvertretender Ministerpräsident, Justiz und
Elsatz-Lothringen: Barthou,
Krieg und Pensionen: Maginot,
Marine: Ratbertt,
Finanzen: de Lasteyrte,
Inneres: Maunoury,
Unterricht: Berard,
Oeffentliche Arbeiten: Le Troquer,
Landwirtschaft: Cheron,
Kolonien: Sarraut,
Handel: Dior,
Befreite Gebiete: Retbel,
Arbeit: Teyroynet,
Gesundheitswesen: Strauß.
Unter st aatssekretär beim Ministerpräsidenten: Col-
rat, für die Handelsmarine: R i 0, sür das Post- und Telegraphen-
wesen: Laff 0 nt, für den technischen Unterricht: Visa!, für die
Lustschiffahrt: Eynac.
Diese 10 Minister verteilen sich der Parteigruppierung nach
wie folgt: 4 Minister sind Mitglieder der demokratisch-republikani-
schen Linken, nämlich Maunoury, Maginot, Berard und Barthou;
3 Minister sind Mitglieder der Partei Arago, nämlich de La-
steyrtr, Dior und Raibertt; einer ist radikaler Sozialist
(Sarraut); einer ist Mitglied der republikanisch-sozialen Union
(Reibe!); einer ist Mitglied der Linksrepubltkaner (Le
Troquer). Von den 4 Senatoren, die die Ministerposten er-
halten haben, sind 2 aus der Gruppe der republikanischen
Unfton entnommen (Poineare und Cheron), 2 gehören derradi -
kalen Gruppe an (Strauß und Leyronnet). Von den fünf
Unter st aatssekretären ist einer Mitglied der republikanisch-
sozialistischen Partei (Laffont); 2 andere sind Sozialrepublikaner
(Rio und Visal); der vierte ist Linksrepubltkaner (Eynac) und
Unterstaatsfekretär Colrat gehört der demokratischen Linken an.
Die Unterredung Lloyd Georges mit Poineare.
Paris, 15. Jan. Die Unterredung Poincares mit
Lloyd George, die gestern nachmittag in der englischen Bot-
schaft stattfand, dauerte etwa 1)4 Stunden. An offiziellen Stellen
wurde über ihren Inhalt mitgcteilt, daß der Verlauf der Unter-
haltung äußerst heftig gewesen sei. Man unterstrich den rein
persönlichen Charakter der Aussprache, die jedoch ein Vorspiel für
die kommenden Verhandlungen sein dürste. Sowohl Lloyd George
als auch Poineare hätten die Notwendigkeit einer gemeinsamen
Politik für Frankreich und England in engster Solidarität betont.
Auf die Frage, ob die in Cannes auf der Tagesordnung stehenden
Fragen zur Erörterung gelangt seien, wollte man an offiziellen
Stellen keine Auskunft geben.
Paris, 16. Jan. Ueber die Unterredung, die gestern zwi-
schen Poineare und Lloyd George stattfand, wird jetzt
noch folgendes bekannt: Poineare erklärte, daß er keine Entscheidung
fällen könne, er sei jedoch überzeugt, daß kein ernster Kon-
flikt zwischen den beiden Ländern entstehen könne. Er hoffe,
daß in den künftigen Verhandlungen in den wichtigen Fragen
Uebereinstimmung erzielt werde. Dies sei notwendig, bevor man
den französisch-englischen Vertrag unterzeichne. An zahlreichen
Stellen der Welt stünden sich heute französische und englische Inter-
essen gegenüber, der hier liegende Stoff für Differenzen müsse aus
der Welt geschafft werden. Daher müsse man die gesamte Lage
prüfen und natürlich auch die Frage der Reparationen, des euro-
päischen Wiederaufbaus und des nahen Ostens. Dann brachte
Poineare die verschiedenen Wünsche auf Abänderung und Erweite-
rung des Vertrags vor. Die Garantiedauer von 10 Jahren sei zu
kurz. Auch sei ein Zusatz erforderlich, daß Frankreich und England
gemeinsam intervenieren würden, wenn Deutschland Polen an-
greife. Auch sei eS wünschenswert, daß sofort Zusammenkiinfte von
französischen und englischen Generalstäblern ersolgen, um die Prak-
tischen Einzelheiten im Falle einer Mobilisation zu erläutetn.
Lloyd George erklärte, er wünsche Vor allem die Frage der
Reparationen und der Wiederherstellung Europas erledigt zu sehen.
Er lege ganz besonderen Wert darauf, datz sofort eine Zusammen-
kunft zwischen dem neuen französischen Finanzminister mit Robert
Harne stattfinde. Poineare erklärte sich bereit, die Konferenz zu
veranlassen. Weiter sagte Lloyd George, Lor- Curzon werde am
Montag nach Paris kommen und Gelegenheit nehmen, mit Poin-
care verschiedene auswärtige Fragen zu erörtern, namentlich hin-
sichtlich des nahen Ostens. Poineare erklärte sich zu einer solchen
Unterredung bereit. Dann sprach man von der Konferenz von
Genua, wöbet Poineare sagte, Frankreich werde diese Konferenz
selbstverständlich beschicken, aber er selbst werde nicht erscheinen.
Die Unterredung dauerte fast zwei Stunden.
Rathenau über das Moratorium.
Heute Kabincttssttzung.
Paris, 14. Jan. Der Sonderberichterstatter des Hablogramm
hatte Gelegenheit, sich einige Minuten mit der deutschen Delegation
zu unterhalten, die er um Auskünfte befragte. Die deutsche Dele-
gation glaubt, datz die Beziehungen zwischen Deutschland und den
Alliierten sich bestem und datz die Unterhandlungen von Cannes
autzerordentlich viel nützen könne:», wenngleich sie praktisch durch
die französische Mtnisterkrise behindert worden seien. Dr. Rathe -
nau habe ihm erklärt, datz Deutschland die Entscheidung des Wte-
dergutmachungsausschustes annchme. Er habe hierüber schon nach
Berlin berichtet und er zweifele nicht daran, datz die deutsche
Regierung vollkommen mit dem übereinstimme, was er vor der
Wiedergutnmchungskommission und dem Obersten Rat dargelegt
habe.
Mitglieder der deutschen Abordnung Heven hervor, datz ihnen
seitens der interalliierten Delegierten ein Sutzerst höflicher Empfang
bereitet sei. Die Verhandlungen wurden in den angenehmsten For-
men geführt. Die auf der Konferenz herrschende Atmosphäre sei
einer Verständigung recht günstig gewesen. Das Deutschland
einstweilen wenn auch nur kurzfristig gewährte Entgegenkommen
scheine zu guten Hoffnungen sür eine endgültige Regelung zu be-
rechtigen. Auch die Einladung zur Wtrtschastslonferenz in Genua
eröffne günstige Aussichten sür den Wiederaufbau Mittel- und Ost-
europas.
Berlin, 14. Jan. In der heute morgen begonnenen Chef-
besprechung in der Reichskanzlei, an der autzer den Mlnistem Ver-
treter aller an dem Reparattousproblem interessierten Restarts teil-
nahmen und die bis zum Mittag dauerte, wurden entscheidende
Beschlüsse nicht gefasst. Man gedenkt die Rückkehr Rathenaus
und der deutschen Abordnung aus Cannes abzuwarten, die vor-
aussichtlich morgen abend erfolgen wird. Am Montag nach-
mittag um 4 Uhr tritt dann das Kabinett zu einer grundlegen-
denKabineltssitzung zusammen, an der auch Rathenau
und voraussichtlich die anderen Delegierten tcilnehmen werden.
Die sür nachmittags vorgesehene Konferenz des Reichskanzlers »nit
den Parteiführern über Steuerfragen wird wahrscheinlich ver-
schoben werden, zumal die neugeschäsfene Lage nicht ohne Ein-
wirkung auf die Steuersragen bleiben dürfte.
Prag oder Budapest?
(Vor» unserem Wiener Korrespondenten.)
* Wien, den 13. Januar.
Der Vertrag, der in dem Schlosse Lana bei Prag zwischen
den Regierungen Oesterreichs und der Tschechoslowakei abgeschlossen
wu de, bedroht die österreichische Regierung, die einer Koalition
zwischen Christlichsoztalen und Großdeutschen ihre Entstehung ver-
dankt, mit einer schweren Krise. Die Grotzdeutschen sind in größter
Erregung und drohen mit der Sprengung der Koalition und mit
dem Rücktritt ihres Ministers. Wie schwer die Krise ist, geht nicht
nur daraus hervor, daß die Christlichsozialen sich rüsten, die Er-
regung der Großdeutschen dadurch zu besänftigen, daß sie ihnen
einen größeren Anteil an der Regierung anbteten, sondern auch
daraus, datz sie jetzt krampfhafte Anstrengungen machen, sich als
Opfer der Rennerschen Außenpolitik hinzustellen, die in
einem „Geheimvertrag" mit der Tschechoslowakei Oesterreich die
stärksten Bindungen auferlegt habe, so datz der Vertrag von Lana
nur eine Folge dieser Bindungen sei.
Ob es den Christlichsoztalen gelingen wird, die Großdeuischen,
sei es dadurch, daß sie alle Schuld auf die bösen Sozialdemokraten
abwälzen, fei es dadurch, daß sie den Grotzdeutschen mehr Minister-
posten anbieten,'zu beruhigen, läßt sich natürlich schwer Voraus-
sagen. Schliesslich wird den Grotzdeutschen nicht viel anderes übrig
bleiben, als sich aus dem Schmollwinkel herauszubegeben; denn
eine Regierungsbildung mit den Sozialdemokraten ist ganz aus-
geschlossen. Die Sozialdemokraten lassen sich aus ihrer Oppositions-
stellung durch keine Lockrufe herauslocken — so ist eben eine Regie-
rung nur möglich, wenn die beiden bürgerliche» Parteien sie bilden.
Zu dem Experiment der Neuwahlen werden sich weder die Christ-
lichsozialen noch die Grotzdeutschen gerade jetzt entschlietzen. Es
Würde für keinen von beiden irgend etwas herauskorumen.
Allerdings wird es den Großindustriellen nicht leicht fallen,
ihre Truppen, die sie zum Kampf gegen den Vertrag, der die Deut-
schen in der Tschechoslowakei und den Anschluß an Deutschland
verrate, aufgerufen haben, wieder zurückzurufen. Denn man mutz
ihnen zugeben, daß der Vertrag unglaublich ungeschickt
stilisiert ist und auch bet nicht übernationalen Leuten den An-
schein erweckt hat, als ob er für wirtschaftliche Vorteile, namentlich
eine Anleihe von 500 Millionen tschechischen Kronen, die Würde