Tageszeitung für die Werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Voßberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.
Bezugspreis: Monatlich einlchl. Trägerkohn 10.— Mk. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 2.— Mk-, Reklame-Anzeigen
(93 mm breit) 6.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmrttelanzeigen werden nicht ausgenommen.
^escl äftsstunden: 8—'/,6 Uhr. Sprechstunden derRedaition: 11—12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.
Heidelberg, Donnerstag, 2. Februar 1922
Nr. 28 * 4. Jahrgang
Verantwortl.: Für innere u.äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton:
Dr.E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O.Geibel; für die Anzeigen: H.Horchler, sämtliche in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadischen Verlagsa statt G.m.d.H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstratze 33.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2373, Redaktion 2643.
MM AWU ikl WM» in MdesWÄ.
Keine Streikbewegung in Süddeutschland.
Die Ausnahmeverordnung des
Reichspräsidenten.
Berlin, 1. Febr. Auf die Nachricht des Streikbeschlusses
tritt eine Verordnung d«S Reichspräsidenten in Kraft,
worin es heißt:
Den Bahnbeamten ist ebenso wie allen übrige« Beamten nach
dem Beamtenrecht die Einstellung oder Verweige-
rung der Arbeit verboten. Wer hierzu auffordert, wird
Mit Gefängnis und Geldstrafen bis zu 50000 Mark be-
straft. Ebenso wird bestraft, wer Anlagen und Betriebsmittel
vetriebSunfähig macht.
Die Reichsverordnung ermächtigt de» RetchsverkehrSmlniftre
zur Sicherstellung der Notstandsarbeiten. Die arbeitswilligen
Eisenbahner dürfen wirtschaftlich nicht benachteiligt werden.
Solche Benachteiligungen werden mit Gefängnis und Geld-
strafe beleg«.
Der Durcheinander in Berlin. — Auch
Frankfurt im Streik.
Berlin, 2. Febr. (Gig. Drahtm.) Wie da« ReichsverlehrS-
Ministerium mttteilt, hat das satzungs widrige Vorgehen der
Reichsgewcrlschaft ihre Stellung schwer erschüttert und es ist frag-
lich, inwieweit der Strcikproklamation Folge g e -
leistet wird. Die Eisenbahn hat alle Maßnahmen getroffen,
um den lebenswichtigen Verkehr durchzuführen.
Die Schutzpolizei befindet sich seit gestern abend in Alarmbereit-
schaft, um eventl. die Bahnhöfe und Bahndämme zu besetze« und
Segen jedes Verbrechen zu schützen.
Die Streikleitung der Retchsgewerkschaft hat sich
nach der von der Regierung erlassenen Ausnahmrverordrumg aus
Sicherheitsgründen unsichtbar gemacht. Der Vorstand der Reichs-
gewerkschaft erklärt, bis zur Stunde von der Maßnahme der Streik-
leitung nichts zu wissen. Die „8 e i t" berichtet, daß ein Aktions-
ausschuß der Eisenbahner, der den Streik für das ganze Reich
durchführen sollte, verhaftet worden sei. Eine amtliche Be-
stätigung war nicht zu erlangen und auch mit der Relchsgewerk-
schaft eine Verständigung unmöglich.
Frankfurt a. M„ 2. Febr. (Drahtb.) Auch im DirekttonS-
bezirk Frankfurt ist mit dem Streik begonnen worden.
Seit 12 Uhr nachts hat der Zugverkehr aufgehört.
Die Verwaltung wird versuchen, die lebenswichtigen Verkehrszüge
aufrecht zu erhalten, doch ist nicht mit Gewißheit darauf zu rech-
nen, daß dies gelingen wird. Im besetzten Gebiet ist der
Streik von der Interalliierte« Kommission verboten worden.
Es wird uns darüber gedrahtet:
Berlin, 1. Febr. (Drahtmeldung.) Die interalliierte Feld-
eisenbahnkommifflon in Wiesbaden hat mitgrteilt, daß die
Rhrinlandkommisslon im Einvernehmen mit dem Oberkomman-
dierenden der Rheinarmee beschlossen habe, den Streik der
Eisenbahner im besetzten Gebiet nicht zu dulden.
Auch hat der Vorsitzende der Retchsgewerkschaft des Direktionsbe-
SirkS Köln die Erklärung abgegeben, daß die Retchsgewerkschaft
beschlossen habe, den Streik nicht aus das besetzte Gebiet
«uszudchuen.
Berlin, 2. Febr. Die Funktionäre der Berliner städt. Be-
triebe haben beschlossen, eine Urabstimmung vorzunehmen, ob in
den Streik eingetreten werden soll.
Die Situation in Baden, Württemberg und
Bayern.
Wie die „R. Bad. Landesztg." in ihrer Morgenausgabe mit-
teilt, wurde ihr von der BetriebSinspcktion Mannheim die Mit-
teilung, daß nach einer Meldung der Generaldtrektton Karlsruhe
der Streikausbruch von der Reichsgewerkschaft Deutscher Eisen-
bahner, Landesstelle Baden, verschoben worden sei.
Eine amtliche Bestätigung dieser Nachricht konnten wir in
Karlsruhe noch nicht erhalten, doch wurde uns dort versichert,
daß die Mitteilung zweifellos den Tatsachen entspreche;
tna» knüpft daran die Hoffnung, daß der Streik damit für
Bade» überhaupt vermieden sein dürfte.
Karlsruhe, 2. Febr. (Eig. Drahtber.) Die Landesstell«
Bade» der Retchsgewerkschaft deutscher Etsenbahnbeamter und
Anwärter hat beschlossen, vorläufig nicht in den Streik
bin zutreten, da zunächst noch versucht werden soll, die Regie-
rung zu Verhandlungen zu bewege«.
Wie uns aus Stuttgart telegraphiert wird, hat die Lan-
desstelle Württemberg der Reichsgewerkschaft deutscher Eisenbahn-
beamten erklärt, sie sei nicht in der Lage, ohne weiteres dem
Streikbeschluß der Reichsgewerkschaft Folge zu leisten. Eine end-
gültige Entscheidung werde erst im Laufe des Mittwoch herbei,
keführt.
Stuttgart, i. Febr. Der württembergische Eisenbahn-
verband (Gewerkschaft Deutscher Eisenbahner) und der Eisenbahn-
, amtenverein des gehobenen mittleren Dienstes (Deutsche Ver-
lehrsbeamtengewerkschaft) haben heute beschlossen, sich an dem
von der Reichsgewerkschaft angekündigten Streik nicht zu be-
teiligen.
Zn Bayern ,nacht sich nach einer uns aus München zuge-
«angenen Drahtnachricht unter den Eisenbahnern keine Bewegung
>nr das Eintreten in den Streik bemerkbar.
Wie uns mitgeteilt wird, gehen die süddeutschen (badischen)
«uge nur bis Darmstadt bzw. ab Darmstadt, mit Frankfurt ist
lever Eisenbahnverkehr unterbrochen.
Der Etfenbahnerstreik in Norddeutschrand, de» Ne Reichs-
gewerkschaft deutscher Eisenbahner beschlossen hat, ist heute nacht
zur Durchführung gelangt.
In ganz Norddeutschland ist seit heute nacht 12 Uhr der Zug-
verkehr eingestellt. Die Regierung hat Maßnahmen getroffen, um
gegen die Streikenden energisch vorzugehen. In Süddeutschland
ha« der Streik keinen Anklang gesunden, der Verkehr geht hier wie
gewöhnlich vor sich.
Bei dieser Gelegenheit ist die theoretische Frage des Streik-
rechts der Beamten aufgeworfen worden. Auch wer auf diesem
Gebiet zu weitherzigen Auslegungen neigt, wird zugebcn müßen,
daß zwischen Streik und Streik ein Unterschied ist. Es ist ein
Unterschied, ob z. B. die Arbeiter einer Parsümeriesabrik streiken
oder ob ein Arzt die Vornahme einer lebensrettenden Operation
von der Erfüllung einer erhöhten Honorarsorderung abhängig
machen wollte. ES ist auch ein Unterschied, ob Arbeiter eines
privatkapitalistischen Betriebs streiken oder ob Beamte des Staates
es tun, die durch ihre Arbeitsverweigerung Staat und Wirtschaft
an den Rand des Abgrunds bringen können.
Niemand hat diesen Unterschied klarer erfaßt als der sächsische
Minister des Innern, -er Unabhängige Lipinski. Er war es,
der in der Sitzung des Sächsischen Landtags vom 4. Oktober 1921
folgendes anführte:
Daß die Beamten als Gewerkschaft im Sinne der Arbeiter
nicht in Betracht kommen, das geht doch daraus hervor, daß die
Beamten nicht wie die Arbeiter auf die wirtschaftliche Konjunktur
angewiesen sind, sondern eine dauernde Stellung genießen. Das
ist doch das Wesen des Beamtenverhältnisses, daß, wenn sie sich
nicht Verfehlungen zuschulden kommen lassen, sie für Lebenszeit
in ihrer Stellung gesichert stich. Der Arbeiter aber ist von der
Konjunktur abhängig; '»st der Beschäftigungsgrad groß, wird er
beschäftigt, ist er niedrig, wird er entlassen. Er hat die Unbill
der wirtschaftlichen Konjunktur allein zu tragen und restlos zu
übernehmen. Er steht in keiner gesicherten Stellung, und des-
halb mutz er auch im Tageskampfe immer seine Lebenshaltung
den wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen versuchen. Dieser
Kampf beschäftigt uns fortgesetzt, weil die Lebensmittelpreife
und die Preise sür alle Bedarfsartikel ungeheuer steigen und das
Einkommen damit nicht gleichen Schritt hält. Wie der Unter-
nehmer zur Aussperrung greift, so der Arbeiter zum Streik. Ein
solches Recht hat der Beamte nicht, kann er nicht haben. Seine
Stellung ist lebenslänglich gesichert, unter ganz bestimmten Karr-
ieren festgelegt. Er hat nicht bloß den Staat als Arbeitgeber
gegen sich, sondern er hat zur Abstellung von Mängeln die ge-
setzgebenden Körperschaften für sich.
Er kann durch Beeinflussung der gesetzgebenden Körper-
schaften den Willen des Volkes erkunden und sich aus den Willen
des Volkes einstellen. Er hat also nicht notwendig, den wirt-
schaftlichen Kamps zu führe» wie der Arbeiter, er kann deshalb
auch in seiner Organisation nicht die gleichen Mittel anwenden
Wie der gewerbliche Arbeiter.
Wir möchten nicht ganz so wett gehe» wie der Unabhängige
Lipinski, sondern vielmehr die Frage offen lasten, ob nicht in ge-
wissen, alleräußersten Fällen auch sür die Beamten die Waffe der
Arbeitseinstellung als letztes Noiwehrmittel in Betracht kommen
kann. Sicher aber ist soviel: Wenn schon jede Arbeitergewerkfchaft
es sich dreimal überlegen muß, ob sie zum letzten Mittel greifen
soll oder nicht, so mutz eine Beamtengewerkschast es sich zehnmal
überlegen. Schon gar, wenn es sich um eine Gewerkschaft von
Eisenbahnbeamten handelt, die nach einem berühmt oder berüchtigt
gewordenen Wort »die Hand an der Gurgel des Staates hält".
Der Notstand, mit dem die deutschen Eisenbahnbeamten rin-
gen, ist kein besonderer. Er ist der allgemeine Notstand der schaf-
fenden Masten und der deutschen Republik selbst. Aus den Mitteln
des Reiches läßt sich das, was die Beamten wollen, nicht holen,
sondern nur aus den Mitteln der Allgemeinheit. Das müssen
Regierung und Reichstag bedenken und sie sind verpflichtet, sür
einen gerechten Ausgleich zu sorgen. Unter Umständen müssen sie
die Interessen der Allgemeinheit verteidigen, auch gegen die Be-
amten.
Aus keinen Fall dürfen sie ihre Haltung durch einen Streik
bestimmen lasten. Ein Streik kann bestenfalls ein Mittel sein, ihre
Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Frage zu lenken, aber er darf
kein Mittel fein, um den Willen der Volksvertretung dem Willen
der Interessenvertretung einer einzelnen Gruppe unterzuordnen
Es kann das Ziel einer gewerkschaftlichen Bewegung sein, das
Unternehmertum im Streik zu schlagen, aber es darf nicht ihr Ziel
sein, den Staat selber zu schlagen. Denn der Staat ist etwas ganz
anderes als eine Fabrik-A.G. oder ein« Warenhaus G.m.b.H. Er
ist die organisierte Gesamtheit d«S Volkes selbst und muß als solche
über allen Interessengruppen stehen.
Der Swett der Eisenbahner i» Norddeutschland wird nicht
von langer Dauer sein, denn es fehlt ihm die Geschlossenheit der
Eisenbahner.
Die Reichsgewerkschaft hat bisher noch keine Versuche unter-
nommen, mit den übrigen Eisenbahner-Verbänden eine Verbin-
dung herzustellen. In ctngeweihten Kreisen wird behauptet, daß
die Leitung der Retchsgewerkschaft mit voller Absicht einer Ver-
ständigung mit den anderen Eiseubahnerverbänden aus dem Wege
geht. Die Richtigkeit dieser Behauptung wird durch die Tatsachen
bestätigt. Woraus stützt die Retchsgewerkschaft ihre Macht? Nach
ihren Satzungen zerfällt ihre Organisation tn neun Fachgewerk-
schaften. Für den Streik sind nach zuverlässigen Mitteilungen
die Fachgewerkschaften 2, 3 und 8 gewonnen. Die letztere, die das
Sokomottv-Personal umfaßt, ist die wichtigste,, aber auch da wird
mit einer restlosen Beteiligung nicht gerechnet, vielmehr der Pro-
zentsatz aus 75 bis SO geschätzt. Die Fachgewerkschasten 2 und 3
umfassen das Zugbegleitpersonal, die Bahnwärter, Weichensteller,
Stellwerksaufseher, Vrückenwärter usw. Aus diesen Fachgewerk-
schasten wird mit einer Beteiligung von rund 50 Prozent gerechnet.
Demnach gehört nicht viel Scharfsinn dazu, um zu erkennen, daß
es hier lediglich die Gruppe der Lokomotivführer ist, die die Ent-
scheidung des Kampfes yerbelführen soll.
Rathenau im Urteil der Presse.
Der „Vorwärts" kommentiert die Ernennung Rathenau-
nur ganz kurz und sagt:
„Die Ernennung Dr. Walter Rathenaus zum Minister des
Auswärtigen war schon seit längerer Zett zu erwarten und, den
Tatsachen vorauseilend, schon wiederholt gemeldet worden. Rathe-
nau, der die Verhandlungen von London und Cannes geführt
hat, erschien als berufener Mann, die Sache Deutschlands auch i»
Genua zu vertreten. Er wird das nun nicht mehr als Kommissar
der Regierung, sondern als Minister tun.
Die Ernennung ist schon deshalb zu begrüßen, wett der Zu-
stand, daß der vielbeschäftigte Reichskanzler auch die Geschäfte des
Außenministers führte, auf die Dauer nicht haltbar war. Aber
auch deshalb, weil durch sie die Vorstellung, als seien gewiße Leute
schon die Diktatoren Deutschlands, zerstört wird. Man darf in
dieser Ernennung eine sachliche und persönliche Garan-
tie dafür erblicken, daß jene Vorstellung falsch war."
Das demokratische „Berliner Tageblatt" rekapituliert
kurz die Leistungen des Ingenieurs, Kaufmanns, Industriellen und
Schriftstellers Ratyenau, der bereits 1909 in Paris mit den Fran-
zosen über die Mannesmann-Affäre in Marokko verhandelt hat.
Tas Blatt kommt zu dem Urteil: „Dr. Rathenau ist also völlig
in die außenpolitische und wirtschaftliche Materie eingsarbettet und
La es augenblicklich höchste Zeit ist, die Vorbereitungen
für Genua zu treffen, so hat der Reichskanzler offenbar ge-
glaubt, mit der ohnehin in Aussicht genommenen Eruennnng
Rathenaus nun nicht länger zögern zu dürfen."
> Aus der „Boss. Zt g.", die dem Außenminister Rathenau die
vertrauensvolle Unterstützung der demokratischen Reichstagsfrak-
tton zusagt, erfahren wir Näheres über den Kampf der Deutschen
Volkspartei gegen Rathenau. „Als der Reichskanzler am Freitag
der Deutschen Volkspartei von seiner Absicht Mitteilung machte,
dem Reichspräsidenten die Ernennung Dr. Rathenaus zum
Außenminister vorzuschlagen, erklärte die Deutsche Volkspartei, daß
sie es als einen Affront empfinde» würde, wenn vor den eigent-
lichen Besprechungen über die Koalitlonsbtldung durch die Be-
setzung eines so wichtigen Portefeuilles ein fait accomplt geschaffen
werden würde; für die Deutsche Volkspartei würde sich daraus
eine neue Situation ergebem
Abg. Becker-Hessen hat unmittelbar darauf als Sprecher der
Deutschen Volkspartei zur Regierungserklärung jene Rede gehal-
ten, die durch ihre betonte Zurückhaltung und durch die Unter-
streichung, daß eine Bindung seiner Partei nicht vorliege, ausge-
fallen ist. Die gleichen Bedenken wie am vergangenen Freitag
sind auch gestern von den Führern der Deutschen Volkspartei in
einer Besprechung mit dem Reichskanzler geltend gemacht worden.
Die Fraktion der Deutsche» Volkspartei hat unmittelbar nach voll-
zogener Ernennung zu ihr Stellung genommen und eine Ent-
schließung gefaßt, daß die Fraktion dadurch die Freiheit ihres
Handelns wtedergewonnen hat."
Bedeutend zurückhaltender klingt gegenüber diesem Protest
der Volkspartei der Kommentar der volksparteilichen „Deut-
schen Allg. Ztg." Nach einer Darlegung der Tätigkeit, Rathe-
naus tn der letzten Zeit heißt es da: „So ist es eigentlich eine
selbstverständliche Lösung, daß der Mann, der die wichtigsten Be-
sprechungen geführt hat, jetzt auch die volle Verantwortung für
seine Wirksamkeit vor dem Volke und dem Parlamente übernimmt.
Dabei ist es beachtenswert, Latz der Vorstand der Demokratischen
Partei es kürzlich abgelehnt hat, Rathenau als Vertreter der De-
mokraten in das Kabinett zu entsenden. Der neue Minister deS
Auswärtigen wird demnach nicht als Parietmann, sondern alS
Fachmtntster tn das Ministerium eintreten."
Was die Blätter tn Paris und London angeht, so kann
man von einer günstigen Auslandspresie sprechen. Einige fran-
zösische Blätter warnen vor der diplomatischen Geschicklichkeit
Rathenaus, anderen bedeutet Rathenaus Ernennung seinen Steg
gegen Stimres. Das „Echo de Parts" sagt, Rathenau bestrebe
sich, die Politik zu vertiefen, die das Ministerium Wirth feit dem
Mai 1921 betrieb und die allmählich die Alliierten dahin geführt
habe, ihre Strenge gegenüber Deutschland zu mildern und eine
Politik anzunehmcn, die keine Sanktionen nach sich ziehe. Rathe-
nau schmeichle sich, dieses Ergebnis endgültig auf der Konferenz
in Genua erzielen zu wollen. Er erkläre fast offen, auf eine enge
Entente mit Frank re ich hinzuztelen. Wenn der gute Wille
sich in Deutschland wahrhaft zeige, werde Frankreich ihn mit all
seinen Kräften unterstützen; aber die Geschichte der letzten Jahre
habe bewiesen, daß Frankreich nur mit Tatsachen rechne und sich
nicht mit Worten bezahlen lassen dürfe.
Ausland.
Poincare sabotiert die Konferenz von Genu«.
Parts, 2. Febr. (Eig. Drahtm.) Poincare bat den Ver-
tretern der interalliierten Regierungen in Paris die Frage vor-
gelegt, ob die Verbündeten noch Interesse an der Konferenz von
Genua hätten, nachdem feststehe, daß die Vereinigten Staaten
daran nicht teilnebmen. Nach Ansicht Frankreichs sei der Oberste
Rat ausreichend befugt, die im Interesse der Alliierten liegenden
Entscheidungen von sich aus zu fälle«. ,