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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Januar bis April)

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Nr. 41 - Nr. 50 (17. Februar - 28. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48721#0245
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,

Adelsheim, Borberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 10. — Mk. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 2.— Mk., Reklame-Anzeigen
(93 mm breit) 6.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
GeheimMittelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschästsstunden: 8—'/,6 Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 11—12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 82 377. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Dienstag, 21. Februar 1922
Nr. 44 * 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u.äußere Politik, Volkswirtschaft «.Feuilleton:
Dr. E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O.Deibel; für die Anzeigen: H. Horchler, sämtliche in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbasischen Verlagsanstalt W m. b.H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Sckröderstraßs 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme W73, Redaktion 2848.

Zik Mr« W» 8mi IM.

Die VorhereiLungen für Germs.
Wenn demnächst die Stunde von Genua schlägt, schleppt sich
Deutschland mit schwerer wirtschaftlicher Paralyse behaftet
an den Verhandlungstisch, schaut Rußland aus den hohlen
Augen der schrecklichsten Hungersnot anklagend die Nachbarn an,
trägt Frankreich die schwärende Wunde seiner schauerlich zer-
störten Nordprovinzen zur Schau, humpelt England, durch Ab-
satzstockung und Massenarbeitslosigkeit gelähmt, heran, und auch
Italien verzieht, mit der Kolik der latenten Revolution im Leibe,
schmerzhaft das Gesicht; wahrhastig nicht Sieger und Besiegte fin-
den sich ein, sondern nur arme Kriegsopfer, elende Kriegskrüppel.
Aber diese gemeinsame Bresthaftigkeit — schreibt Hermann
Wendel in der „Glock e" — ist das erste Unterpfand für eine
Halbwegs zureichende Erledigung der verschiedenen Probleme, ohne
deren Lösung Europa in immer steilerer Kurve in den Abgrund
saust, in Rußland sterben Millionen Menschen sanglos, klanglos
von der Erde weg, Oesterreich nähert sich allgemach mit seiner Geld-
entwertung russischen Zuständen,-Deutschlands Valuta und Wirt-
schaftslage wird immer österreichischer, und so frißt der eitrige
Brand stets weiter.
Die Politik Poincares allerdings möchte MN jeden
Breis den Sieg der wirtschaftlichen Vernunft in Genua verhindern,
sticht etwa, weil er ein sich an den Qualen der Unterlegenen weiden-
der Unhold wäre, sondern weil er kühl und sachlich jeden Schritt
für unheilvoll hält, der von Versailles wegführt. Seine klein-
bürgerliche Logik vermag nicht zu erfassen, daß jedes Glied
stur gesunden kann, wenn aus dem Ganzen der Krankheitsstoff aus-
veschieden wird, und daß, um dem Ganzen Genesung zu bringen,
nicht einzelne Glieder der Fäulnis überlassen bleiben dürfen. Viel-
mehr fürcht«! er allen Ernstes eine schreckliche lNef.-Hr,- wenn Deutsch -
land wirtschaftlich wieder rote Backen bekommt, und nach den «n-
erforschlichen Ratschlüssen des englischer! Kapitalismus Rußland
Mit deutscher Organisationskrast aufgerichtet wird; gesträubte»
Haares sieht Brtands Nachfolger schon die russische Dampfwalze,
diesmal mit einem deutschen Maschinisten aus dem Führerstand,
Frankreich unter sich zermalmen. Armes Frankreich, da cs in Ver-
sailles nicht einmal gelang, als „einzigen sicheren Schutzwall für
die Westmächte", wie Marschall Fachs Gutachten verlangte, „den
Besitz des Rheins" durchzusetzen! Darum möchte Poincare Genua
verzögern oder zum mindesten verwässern. Frankreich, England
Und Italien sollen vorher die Taktik der Konferenz vereinbaren,
Sicherungen gegen Rußland, Kautelen gegen Deutschland schaffen
Md sich vor allem verpflichte», auch nicht mit einem Lufthauch an
den Vertrag von Versailles rühren zu lassen. Und er merkt nicht,
der kleine Advokat von Bar-le-Duc, wie gründlich sich die Welt seit
tenem Unhetlsfrieden schort dadurch geändert hat, daß ein Vertreter
der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik mit den
Gönnern und Anshältern Denikins, KoltschakS und Wrangels gleich
Zu gleich am Tisch sitzt.
Was aber Deutschland tun kann, um den Pariser Ränke« das
Wasser abzugraben, ist beileibe nicht Schlauheit, dieses verächtliche
Requisit der alten Hinter-drn-Kulisien-Diplomatie. Nach Lassalles
Wort hat es schon manchem den Kops gekostet, in großen Dinge«
schlau sein zu wollen, nnd es ist ein groß Ding, in der Welt das
eingeschrumpfte Vertrauen wieder herzustelleu. Darum können
'vir nur gewinnen, wenn wir mit freier Stirn unsere Karten offen
iwr «ns hinlegen. Das neue Deutschland wird umso eher Miß-
trauen entwaffnen urrd Vertrauen finden, wenn es sich wirklich
MS ein neues Deutschland erweist, das, nach völliger Niederringung
der rostzerfressenen „Blut- nnd Etsen"-Politik, durch ehrliche Arbeit
au der Menschheit Geschehenes vergessen machen will. Aber die
dar Heller an Vertrauen, die die Politik des Kanzlers und der Re-
gierungsparteien bislang im ehemals feindlichen Ausland zusam-
»stugescharrt hat, drohte der Eisenbahnerftreik von der Tischplatte
E fegen. Auf jeden Fall hat die Kolonne Westarp die reinste
«re«de an dem Durcheinander dieser Tage gehabt, denn diesen
lauteren Vaterlandsfreunden ist jeder innere und äußere Zusam-
menbruch des republikanischen Deutschland eine Wonne, weil sich
üach ihren Zwangsvorstellungen nur aus dem vollkommenen Chaos
^er Hohenzollernadler wieder zum Sonnenflug erheben wird. Mit
hämischer Schadenfreude stellten sie dann fest, daß Deutschland mit
stückig und beulig gewordenem Ansehen nach Genua geht.
Mährend und weil aller Aufinerksamkett auf die Stillegung deS
Bahnverkehrs gerichtet war, gelang es dem Wolffschen Telegraphen-
bureau durch eine mehr als harmlose Berichterstattung ein Er-
nguis zu verkünden, das gleichfalls eine würdige Vorbereitung für
^nua ist. In Petersdorfs bet Gleiwitz versuchte ein deut-
lcher „Stoßtrupp" nach sorgfältiger Vorbereitung, wie Durchschnet-
^ung der Telephon- und Telegraphendrähte unter Gebrauch von
Handgranaten und Maschinengewehren ein französisches Quartier
°u erstürmen, in dem am Tage zuvor entdeckte Feuerwaffen,
^chießbedarf und anderes Krtegsgerät aufbewahrt wurden; auf
erden Seiten gab es bei dem regelrechten Gefecht Tote und Ber-
, undete. Oberschlesten ist fett Jahr und Tag der Sammelplatz all
»k Elemente, die, wie abgedankte Offiziere, arbeitSunlustige und
»daulustige Studenten und käufliche Lumpenproletarier mit Gel-
der Schwerindustrie kn Geyeimkonventtkeln den große,!, glor-
reuyen Rachekrieg vorbereiten. Aber ob nun Fäden von Peters-
'H"ach dem übrigen Deutschland laufen oder nicht, wie es ein
Gericht des Reichskommtssars Peters glaubt feststellen zu können,
reden Fall tragen „Deutsche Zeitung", „Deutsche Tageszeitung",
«ettnng" und das Rudel der kleineren Kläffer ihr gerüttelt
- v Verantwortung an dem vergossenen Blut und an den bösen
errungen, die es über uns herausheschwören kann. Rach einer

französischen Darstellung der Vorgänge hat Herr Poincare der an-
gegriffenen Kompagnie sofort die Glückwünsche der französischen
Regierung zukommen lassen. Aber natürlich I Äußer der Flucht des
letzten der Offiziere, die das Reichsgericht wegen Kriegsverbrechens
verurteilt hatte, gibt es ja kein gefundeneres Fressen für die fran-
zösischen Gewaltpolitiker, um den eigenen Landsleuten und den
anderen Regierungen zu zeigen, daß dieses Deutschland noch immer
vom Scheitel bis zur Sohle das alte ist.
Wir wissen trotz allem, daß dem nicht so ist. Mer Herr Wirth
oder Herr Rathenau oder wer immer Deutschland in Genua ver-
tritt, wird es verzweifelt schwer haben, das Gegenteil glaubhaft zü
machen.
Die Vertagung.
Paris, 20. Febr. In London veröffentlichte Reuter gestern
offiziös die Mitteilung, daß mit Rücksicht auf die italienische
Kabinettskrise eine Vertagung der Konferenz von Genua
nunmehr unvermeidlich geworden sei. Im Hinblick auf die eng-
lische Arbeitslosigkeit, zu deren Behebung die Konferenz
schnellstens Mittel und Wege finde« müsse, werde die Vertagung
jedoch nur kurz sein. Die Vorkonferenz der Sachverständigen
sollte möglichst, wie festgesetzt, noch diese Woche stattsinden.
Das LlvydGeorge nahestehende Organ „Daily Chroniele"
meldet, die italienische Krise bedinge eine Verschiebung der Genua-
konferenz um einen Monat, wenn nicht um längere Zeit. Die
englische Regierung hoffe jedoch, ritte ungebührliche Verzögerung
der Konferenz vermeide« zu kvimen. Ebenso werde die Konferenz
der Außenminister über die Orirntfragku.biS zur Ernennung des
neuen italienischen Außenministers JufMchoben werdest müßen,
vielleicht auch dis Londoner Beratung der Sachverständigen für
Genua.
Rrchlmrd mrd Germa.
Berlin, AI. Febr. (Eig. Drahts, d. „B.") Gut informierte
fowjetrussifche Kreise gaben einem Vertreter der Telegraphen-
Union einen Abriß der russischen Auffassung der jetzigen Lage.
Daraus geht hervor, daß der beherrschende Gesichtspunkt der russi-
schen Politik hinsichtlich der Genueser Konferenz der ist, daß Ruß-
land unter allen Umständen entschlossen ist, aus Genua kein zweites
ins wirtschaftliche übersetzte» Brest-Litowsk werden zu lassen. Die
Möglichkeit einer Beschriinkung nicht lokalen aber industriellen Bran-
chen nach wäre in dem Augenblick gegeben, in dem Rußland ohne
vorherige greifbare Abmachungen mit einzelnen Mächten gewisser-
maßen nackt aus der Konferenz von Genua erschiene. Was das
Verhalten Rußlands gegenüber dem Versailler Vertrag und dessen
Artikel 118 angehe, so legt Rußland keinen Wert darauf, schriftlich
unter der Zahl der Siegerstaaten aufzutreten. Gerade wegen dieser
prinzipiellen russischen Einstellung gegenüber dem Versailler Ver-
trag habe Deutschland die moralische Pflicht, »och vor Genua mit
Rußland enie direkte wirtschaftliche Verständigung herbcizuführen
und Rußland in seinem wirtschaftlichen Wiederaufbau zu stützen,
das heißt, Deutschland mutz mit grösster Bewegungsfreiheit nach
Genua gehen. Diese direkte Arbeit Deutschlands mit Rußland kann
durch die deutsche Privatwirtschaft heute schon angebahnt werden,
wogegen Nutzland wirtschaftliche Garantien bis zur Grenze des
Möglichen anzubieten in der Lage wäre. Politische Bedenken in
Deutschland gegen eine solche Verbiitdung seien aus Rücksicht auf
die Innen- und Außenpolitik zu überwinde,:. In diesem Zusam-
menhang zeigten die Nachrichten von russisch-französischen Verhand-
lungen, daß Rußland um jede« Preis sich für Genua Sicherheiten
schaffen wolle. Die Stellung Deutschlands in dieser Frage sei trotz
der Schwierigkeiten für das Reich nicht so unfrei, daß vo» vorn-
herein Verhandlungen wirtschaftlicher Art mit Rutzland als unmög-
ltch angesehen werde« könnte«. Gerade weil Rutzland am Ver-
sailler Vertrag nicht beteiligt sei, stünden derartige Schwierigkeiten
nicht im Wege. Man wünsche mit Deutschland eine direkte Ver-
bindung nicht auf dem Umwege eines in Gemm zu schaffenden in-
ternationalen Syndikats.
Die ReparattonsVerhandlungen in Berlin.
Deutschland auf der Dachverständigen-Vorkonferenz?
Dem „Vorwärts" wird aus Rom gemeldet: Die italieni-
schen Blätter melden übereinstimmend, in bestunterrichteten Kreisen
werde versichert, daß die deutsche Regierung die Aufforderung
erhalten werde, einen Vertreter zu den Prältminarbefprrchungen
über die Konferenz von Genua zu entsenden. Man sei durchaus der
Ansicht, daß Deutschland bei der Vorkonferenz in gleicher Weife
vertrete» sein müsse wie die anderen Mächte und betont, daß die
Präliminarbesprechungen der übrigen Regierungen unter Ausschluß
Deutschlands den Erfolg der Konferenz schädigen, wenn nicht gar
in Frage stellen könne. Man erwartet daher, daß die deutsche Re-
gierung schon in der allernächsten Zeit eine diesbezügliche Benach-
richtigung erhalten werde.
Berlin, 21. Febr. Bor etntgen Woche« beschäftigte sich die
französische Kammer mit -em Ergebnis von Cannes und der Frage
der deutschen Reparationsleistungen. Gewissermaßen als Resultat
dieser Kammerdebatte erhielt dann eine Abordnung der Repa-
rafionskommifston unter der Führung des belgischen Vertreters

Bemelmans den Auftrag, nach Berlin zu reisen, um insbeson-
dere darüber zu verhandeln, in welcher Form die Sachleistungen
für das Jahr 1922 von Deutschland^aufgebracht werden sollen. Die
Kommtssionsvertreter trafen, wie schon gemeldet, vor etwa acht
Tagen in Berlin ein. Bald nach seiner Ankunft stattete Herr Be-
melmans dem Reichsminister Dr. Rathenau einen Besuch ab,
wobei die Modalitäten der Aufbringung der Sachleistungen ein-
gehend besprochen wurden. Im Anschluß hieran begannen dann
die eigentlichen Verhandlungen mit Len Vertretern der zuständigen
Amtsstellen. Hauptzweck dieser Beratungen ist tm besonderen die
Ablösung deS bisher gebundenen Verkehrs durch einen freien oder
gemischten Verkehr. Bet diesem Problem handelt es sich um fol-
gendes: Seit etwa drei Monaten nach Abschluß des Versailler Ver-
trags reichten bekanntlich die Franzosen dem deutschen Reichs-
kommissar zur Ausführung der Wiederaufbauarbeiten Listen ei»,
auf denen die von Frankreich zum Wiederaufbau seiner zerstörten
Gebiete benötigten Waren verzeichnet stehen und angefordert wer-
den. Der Neichskommifsar seinerfeits stellt dann ein Gegenangebot
aus, in deur er angibt, wieviel und für welchen Preis Deutschland
liefern kann. Dieser gebundene Verkehr hat sich aber mit der Zett
als bureaukrattsche Einrichtung erwiesen und einem großzügigen
Lieferungsverfahren mancherlei Hindernisse bereitet. Die Reichs-
regierung hielt gestern nachmittag eine Kabtnerrssitzung ab, in der
über diesen gesamte» zur Debatte stehenden Fragenkomplex be-
rate» wurde. Wieviel Zett die hiesigen Verhandlungen Bemelmans
noch beanspruchen werden, steht noch nicht fest, doch dürste sei«
Aufenthalt in Berlin noch etwa eine Woche währen,
Verlegenheitsgestammel rechts und links.
Heintze, Breitschetd und das Vertrauensvotum.
Den Nattonalliberalen und Unabhängigen ist
es nicht recht Wohl bei der Haltung, Vie sie am letzten Mittwoch
dem Kabinett Wirth gegenüber eingenommen haben, sowohl die
Mehrheiten wie die Minderheiten beider Parteien fühl-en sich
veraMaßt, eine ganze Reihe von Erklärungen, Entschuldigmigen
mrd ReMl'ertigmtgen von sich zu geben.
Wöhrr-L Herr Stresemann nach wie vor «ns dem
Standpunkt steht, daß die Srimnüre der Fraktion nicht anders als
geschlossen gegen den Kanzler abgegeben werden konnten, be-
gründet Dr. Heinze, der bekamttKch als einziges Mitglie-
der volksparteilichen ReichStagSfraktion nicht gegen das Ver-
trauensvotum stimmte, feirre StrllmMnahme ungefähr folgender-
maßen: „Der Eisenbahnerstreck hätte bei längerer Dauer zweifel-
los große politische Gefahren mit sich gebracht, vielleicht wäre«
tveitgehertdic kommunistische Unruhen, teilweise Stillegung der In-
dustrie und schwere Stockungen in der Lebensmittclzusuhr die
Folgen gewesen. Es sei deshalb unbedingt notwendig
gewesen, den Streik so schnell wie möglich zu beendigen. Das hat
der Reichskanzler erreicht und deshalb dürfe man wegen einzelner
Unstimmigkeiten Echt zu stark mit ihm ins Gericht gehen. Den
Erklärungen des Reichskanzlers Wer den Streik hätte man bei-
treten können und da der Mitztmnensanttag sich auch gegen diese
Erklärung gerichtet hat, habe er sich diesem Antrag nicht amscMe-
s;en kömren. Auch Nie außenpolitische Lage habe ihn, mit
besonderer Berücksichtigung der Vorbereitungen für Genna, dazu
bestimmt, sich gegen das Mißtrauensvotum anszusprechen. Im
übrigen hält Dr. Heinze die große Koalition für unbedingt not-
wendig und wünschenswert, ist jedoch der Ansicht, daß durch daS
Mißtrauensvotum der Deutschen BoMpartek der Weg dieser
Koalition erschwert worden sei.
In der „Freiheit" suchen Cri spien und Dittman»
den Standpunkt der Mehrheit der U.S.P. zu rechtfertigen.
Crispien schreibt wesentlich schärfer als Dittman«. Er meint die
Unabhängigen hätten gegen den Kanzler stimmen müssen, weil
die Rsgiermtgspavteien de» Fehler begangen hätten; im Gegensatz
zu dem Verlangen des Kanzlers einen Vertrauensmttrag einzu-
bringen, der sich nur aus die Erklärungen der Regierung zul
Eisendahnerstreikfrage bezogen habe. Innenpolitik und Außen-
politik ließen sich nicht so trennen, daß die eine völlig unabhängig
von der andern betrieben werden könne. Eine Außenpolitik, di«
innenpolitisch auf Kosten des Proletariats betrieben werde, fei in
ihrer Wirkung nichts anderes als eine Politik der Smulionen,
Zweimal in der letzten Zeit fei für die Unabhängigen Sozial-
demokraten der Kriegsfall gegen die Regierung Wirth gege-
ben gewesen: beim Steuerkompromitz und bei dem Vorgehen bei
Regierung gegen die Eisenbahner. Die rechtssozialistische Koatt-
ttonspMtik habe sich längst als unfruchtbar erwiesen und habe
Bankerott gemacht. Das Proletariat fei in seiner Sammlung, in
feiner Machtentsaltung behmderi, well ein großer Teil des Prole-
tariats durch die rechtsfozialistifche KoalitivnsvoMrk gefesselt
werde. Es habe also nicht von der Unabhängigen Sozialdemo-
kratie zu fordern, daß st« regelmäßig hie Regierung Wirch heraus-
haue, sondern es habe von den Rechtsfozialisten zu fordern, daß
sie ihre verhängnisvolle Koalitionspolitik aufgeben und mit dem
gesamten Proletariat den Klassenkampf aufnehmen.
Dittmann stimmt in feinem Artikel mit Crispien darin über-
ein, daß er der falschen Formulierung des Vertrauensvotums
durch die Regierungsparteien We Sümld daran znschiebt, daß die
Unabhängigen dagegen stimmen »nutzten. Er spricht ausdrücklich
aus, daß die Unabhängigen im Gegensatz zu den Rechtsparteien
nicht beabsichtigt hätten, das Kabinett zu stürzen; deshalb habe
auch die Partei keinen Fraktionszwang ausgeübt und ihre Mit-
glieder nicht so vollzählig znsammengerufen, wie es die Rechts-
parteien taten. Die zwölf Umchhängtgen-Abgeordnechn, die bei
der Abstimmung den Saal verließe«, hätten nicht gegen die Ab-
sicht der Fraktion bet der AbstimnmM gehandelt, well die Frak-
tion von vornherein gar nichr den Sturz Wirths «»gestrebt habe.
„Unsere Partei", so schließt Dittmann, „Har keine Ursache, aus des
Stimmenthaltung einiger FraktionsMilglieder bei der letzten Ab-
stimmung irgendwelches Aufheben zu machen. Ob unsere Stel-
lung zum Kabinett Wirth ivsiterhm bleibe» kann Wie bisher, WM
 
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