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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Januar bis April)

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Nr. 91 - Nr. 100 (19. April - 29. April)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Boxberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.

czugspreis: Monatlich einkchl. Trägerlohn 20.— Mk., Anzeigenpreise:
Dis einspaltige Petitzeile (86 mm breit) 2.— Mk., Reklame-Anzeigen
(9'' mm breit) 6.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimnnttelanzeigen werden nicht ausgenommen.
r'. stb äftsstunden: 8—'/»K Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 11—12 Uhr.
P ! ! ch evkkonto Karlsruhe Nr. 22 577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Freitag, 28. April 1822
Nr. 98 * 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft ».Feuilleton:
Dr. E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O.G sibel; für die Anzeigen H. Horch ler, sämtliche in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadischen Verlagsanstalt G.m.b.H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstratze 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2318.

Krieg oder Frieden?
Eine neue ernste Rede Lloyd Georges. — Der Kamps um
den europäischen Waffenstillstand.

* Heidelberg, den 28. April.
Die neueste Weuvuug der Dinge in Genua zeigt, daß Lloyd
George alle seine Kräfte einsetzt, um trotz der deutsch-russischen
Vertragskrtse und der Sabotage Frankreichs die Konserenz mit
einem positiven Erfolg abzuschlietzen. Geplant ist nichts weniger
als eine Uebertragung des Washingtoner Pazific-Avkommens,
d. h. des zehnjährigen ostasiatischen Waffenstillstandes auch aus
Europa. In seiner gestrigen nachstehenden Rede hat der englische
Premier ein sehr düsteres Bild von der gegenwärtigen Lage
Europas gezeichnet, ein Bild, das sicherlich seinen Zweck erfüllen
wird, die öffentliche Meinung und den größten Teil der Konferenz-
staaten für de» englischen Friedens-, oder besser gesagt Waffen-
stillstandsplan zu gewinnen. Bei aller durchsichtigen Zweckhaftig-
keit dieser Rede, die als ein glänzendes rhetorisches Meisterwerk
bezeichnet werden mutz, kann aber ihr Inhalt nicht ernst genug ge-
nommen werden. Es sind zur Zeit tatsächlich ganz ungeheure Ex-
plosivstoffe in Europa vorhanden, die jeden Tag neues Elend über
die eben erst vom Weltkrieg heimgesuchten Völker bringen können.
Wenn Lloyd George sich bemüht, dieses drohende Unheil zu ban-
nen, so nicht mir deshalb, weil sein ganzes politisches Prestige so
eng mit Genua verbunden ist, sondern insbesondere, weil es ein
dringendes Bedürfnis der englischen Politik und Wirtschaft ist,
Europa so bald als möglich wieder in Ordnung zu bringen, wenn
nicht das englische Weltreich in seinen Fundamenten erschüttert
werden soll. Es wäre verfrüht, jetzt schon von einem diplonmti-
schen Erfolg Lloyd Georges zu sprechen, es hängt alles davon ab,
inwieweit es ihm gelingt, seinen ursprünglichen Plan gegenüber
Frankreich durchznsetzen oder Wenigstens Frankreich zu isolieren,
was allerdings bet der Kleinen Entente kaum gelingen dürfte.
Auch scheint es uns mehr als fraglich, ob es Lloyd George ge-
lingen dürste, Poincare als Angeklagten nach Genua zu zitieren.
Vielleicht aber fällt Lloyd George im letzten Moment selber wieder
nm, wie in Versailles und in der oberschlestschen Frage, denn was
bedeutet schließlich ein europäischer Friedenspart, der an der Ab-
«üstungsfrage vorbeigcht und Frankreichs Recht auf Sanktionen
in irgend einer zweideutigen Weise einfchlicßt-
Lloyd Georges Rede.
Genua, 27. April. Auf einem von den englischen und
amerikanischen Pressevertretern zu Ehren Lloyd
Georges gegebenen Diner hielt der englische Premiermiirister
eine Rede, in der er u. a. sagte:
Als der Krieg zu Ende war, hofften wir, datz dies auch das
Ende der Herrschaft der rohen Gewalt bedeuten würde. Ob diese
Hoffnung sich erfüllt, hängt in vollstem Matze von der Genueser
Konferenz ab. Die Schwierigkeiten in Europa bestehen darin,
das; es zuviel ungeregelte Fragen gibt. Jede dieser
Fragen enthält die Vorbedingung für einen europäischen Brand.
Einige Leute sind ungeduldig, weil wir nicht in zwei Wochen zu
einer Lösung gelangt sind. Es wird länger dauern. Die Was-
hingtoner Konferenz hat drei Monate gedauert, aber sie
hat ihr Ziel erreicht. Sogar sechs Monate oder ein Jahr würde»
nicht zuviel sein. Ich will nicht sagen, daß ich drei Monate oder
noch länger hier bleiben werde. Aber wir dürfe» nicht hoffen, die
Schwierigkeiten binnen zwei, drei oder vier Wochen zu überwinden.
Wir müssen mehr Zeit dazu haben. Große Probleme liegen vor.
Die ganze Grenze von Osteuropa ist so gut wie unge-
regelt. Von der Ostsee vis zum Schwarzen Meere gibt es kaum
eine Grenzlinie, um die es keinen Streit gibt, und jede Linie
enthält in sich die Möglichkeit eines furchtbaren Konfliktes. Zum
Teil liegt die Schuld bei keinem Volke, sondern bei dem Durch-
einander von Rassen, das in Mitteleuropa besteht. Es
gibt unendliche Möglichkeiten für künftige Konflikte, und ob Ame -
rika will oder nicht, es würde unvermeidlich hinetngezogen wer-
de» wie in den Weltkrieg. Hierdurch sind die Schwierigkeiten nicht
erschöpft.
Deutschland und Rußland sind im Zustande eines halben Anta-
gonismus gegenüber dem Rest von Europa. Das bezieht sich auf
zwei Drittel von Europa.
Nur ein Blinder kann sich einbilden, datz durch irgend eine
Kombination zwei große Völker, die zwei Drittel von Europa
repräsentieren, niedcrgehalten werden können.
Die Völker Europas müssen in guten Beziehungen zu einander
stehen. Man mutz sich klar machen, was es heißt, wenn Europa,
ständig in zwei Teile gelagert, verfallen würde. Das deutsch-
russische Abkommen war für manche Leute eine Offenbarung. Ich
habe es schon vor langer Zeit gewagt, meine warnende Stimme zu
erheben und zu sagen, was unvermeidlich geschehen müßte, wenn
es kein gutes Einvernehmen gibt. Es ist unvermeidlich die Mög-
lichkeit eines hnngerletdenden Rußlands gegeben, das von einem
zornigen Deutschland ausgerüstet wird. Wie lange wird es noch
dauern, bis Europa verwüstet wird, wenn dies die ständige Politik
irgend einer -europäischen Kombination bildet. Im Augenblick
gehören wir zu einer beherrschenden Gruppe von Siegern. Dies
wird nicht ewig dauern.
Weit» unser Sieg in Unterdrückung auSartet, werden wir
nach dem Gefühle der Menschheit den Sieg, den Gott uns
gegeben hat, mißbraucht haben.
Die Strafe wird unvermeidlich folge»!. Wir müssen gerecht und
lair sein. Wir müssen uns in der. Stunde unseres Triumphes be-

schränken; sonst wird Europa ein Chaos iem, und zwar noch zu
Lebzeiten von Leuten, die, wie ich, graue Haare haben. Darum
habe ich schwer gearbeitet, um die Konferenz zu einem Erfolge zu
gestalten. Ich bin erschrocken über Das Sturmwetter, das sich
am Horizont zusammenzieht und am europäischen Himmel höher
und höher emporsteigt.
Das Sturmwetter wird unvermeidlich losbreche»», wenn nicht
durch irgend ein Mittel die Atmosphäre gereinigt wird.
Wenn Genua erfolglos bleibt, wird meine Warnung sich als be-
rechtigt erweisen. Ich bin erstaunt über die Leute, die das nicht
begreifen und angesichts der schwersten Sturmzeichen sich mit
selbstsüchtigen Trivialitäten befassen. Darum möchte
ich, daß Genna mit einem wirklichen Friedenstag endet. Ohne
dies wird es trotz aller Teilergebnisse ein Mißerfolg sein. Ich
freue mich, Gelege»cheit zu haben, dies vor der britischen und
amerikanischen Presse zu sagen. Ich wollte, Amerika wäre
selbst hier, nicht aus selbstsüchtigen Motiven, sondern weil Amerika
eine besondere Autorität besitzt. Seine Nichtzugehörigkeit zu
Europa würde ihm das Recht geben, das zu sagen, was uns, die
wir alle irr diese alte Streitfrage verwickelt sind, kaum möglich ist.
Es ist zu sPät, dieserr Aufruf jetzt zu erlassen. Amerika ist nicht
hier und Europa »nutz sein nröglichstes tun, um seine Probleme auf
eigene Manier möglichst gut zu löse,». Dies kann mit Ihrer Hilfe
geschehen. Sie können die öffentliche Meinung erregen, die Leiderr-
schasten aufstacheln und die Menschheit zornig machen. In solcher
Atmosphäre ist kein Friede möglich. Aber auf der anderen Seite
können Sie Geduld, Versöhnung urw kameradschaft-
lichen Geist predigen, und wenn Sie dies tun, werden Sie
Teil haverr an einer historischen Tat.
Der französische Kabinettsrat.
Paris, 28. April. Der frai»zöflfche Ministerrat hat gestern
vormittag in einer SitztMg über den Vorschlag Lloyd Georges
beraten, zu einer Konferenz des Obersten Rats oder, wie eine an-
dere Darstellung vefagt, zu einer Konferenz aller Simmtarn,ächte
des Versailler Vertrages, als auch Deutschland, nach Genua zu
kommen. Die Minister konnte,» sich in der Vormittagssitzuug nicht
darüber einigen, ob Poincare sich damit einverstanden erklä-
ren soll, in Genua gemeinsam mit de» Alliierte,» über die etwa am
31. Mai zu ergreifenden Sanktionen und über die Widersprüche zu
diskutieren, die sich zwischen dem Vertrag von Rapallo und dem
Versailler Vertrag ergeben sollten. Bis jetzt spreche,» die französi-
schen Zeitungen einstimmig nur vom Obersten Rat, nicht von
ei,»er Konferenz der Versailler Signatarmächte. Ruch unter dieser
Formel wird dem Gedanken Lloyd Georges Obstruktion gemacht.
Neber de,» Ausgang des Mintsterrats von heute, der sich abends
noch einmal versammelte, Verlautet nur, datz die Regierung ein
neues Telegramm anBarthou geschickt hat, worin der
französische Delegierte die Weisung erhielt, seine seit Anfang der
Konferenz eingenommene Stellung aufrecht zu erhalten und von
der Resolution von Cannes und vom französische,»
Memorandum vom letzten Januar in den Verhandlungen
mit den Sowjetvertreten» nicht abzuweichen. Der Presse wurde
in einen» offiziellen Eommuuntqu« nur folgendes mitgeteilt: „Der
Ministerrat hat sich heute um 6 Uhr unter dem Vorsitz Poincares
versammelt, um die aus Genua elngrlaufenen Telegramme über
die Verhandlungen mit den Sowjets zu Prüfer»." lieber die Ver-
handlungen, die über die Einladung Lloyd Georges geführt wor-
den sind, wird also strengstes Stillschweigen beobachtet.
Sanktionsdebatte am 7. Mai.
Genua, 28. April. Der Tagung der Signatarmächte deS
Vertrages von Versailles ist auf den 7. Mai angefetzt worden.
Deutschlands Kampf gegen den Zollkrieg.
Genua, den 26. April.
In der Sitzung der Wirtschaftskommission hielt Unterstaats-
sekretär Hirsch eine bedeutsame Programmrede über Grundfragen
der gegenwärtigen Zollpolitik, wobei er sich insbesondere für den
Abbau der zur Zeit bestehenden europäischen Zollschranken ein-
setzte, weil sie Deutschland daran hindern, seine normale Produk-
tion wiederherzustellen und seine Handelsbilanz von Tag zu Tag
passiver gestalten.
Dr. Hirsch führte u. a. aus: Der französische Delegierte Serruys
hat gestern aus die Zersplitterung Europas in eine
große Zahl von selbständigen Territorien hingewiesen, die in
ihren, Gefolge eine für die Produktion der Wirtschaft nachteilige
Zersplitterung des Verkehrswesens, der Münzsysteme und der zoll-
wirtschaftlichen Gesetzgebung nach sich gezogen habe. Ich habe
feststellen können, daß die Länge der Landesgrenzen
zwischen den Ländern Mitteleuropas, Ost- und Südeuropas sich
um mehr als 6000 Kilometer verlängert hat. Man
denke. cm die Heere von Beamten zur Bewachung dieser neuen

Grenzen, an die Bände von Verordnungen und Einzelbescheiden
zur Regelung des Personell- und Warenverkehrs, an die fortge-
setzten Hemmungen deS Austausches durch Ein- und Ausreise-
erschwerungen, neue Zollsysteme und Handelsverbote. Mer nicht
nur das privalwirtschastliche Interesse des Handeltreibenden wird
durch diese Zersplitterung verletzt.
Das Interesse der Weltarbeit im ganzen verlangt
gebieterisch die Rückkehr normaler Wirtschasts- und Handels-
beziehungen. Der gegenwärtige Zustand kann nicht anders bezeich-
net werden als ein System des allgemeinen Zoll-
kriegs, gemildert durch einseitige Meistbegünstigung gegenüber
einigen Ländern. Dabet sind die Kräfte so verteilt worden, daß
die an sich schwächsten Länder den andere» die Meistbegünstigung
zu gewähren haben. Die zerstörende Wirkung dieses
Zustande 8 für alle liegt auf der Hand, denn niemand kann ein
kaufkräftiger Abnehmer sein, wenn er selbst seine Produktion nicht
absetzen kann. Darüber hinaus sind aber gerade diese handels-
politisch schwächsten Staaten diejenigen, aus denen die schwerster»
finanziellen Verpflichtungen gegenüber den, Ausland lasten. Zur
Abtragung dieser Verpflichtungen gibt es nur ein einziges Mittel:
Zahlung mit dem Ertrag der Arbeit, d. h. durch Ausfuhr von
Gütern. Aber gerade diejenigen Staaten, die die Zahlung ihrer
Forderungen verlangen, verhindern mit Einfuhrverboten und un-
geheuren Zollschranken die einzige mögliche Durchführung der
Schuldavtragung.
Seit rund 60 Jahren hat der europäische Handelsverkehr auf
dem System der wechselseitigen Meistbegünstigung
geruht. Die deutschen Zusatzvorschlöge zum Londoner Memoran-
dum gehen von dieser Tatsache aus, indem sie gegenüber dem jetzi-
gen Zustand wirtschaftlicher Ungleichheit in Europa die wechsel-
seitige Gleichberechtigung wiederherstellen wollen. Dieser Grund-
gedanke führt zu der Forderung der gegenseitigen Einräumung der
Mcistbegünstigungsrechte, besonders hinsichtlich der Zolltarife,
durch alle europäischen Staaten. Aus diesem Gedanken folgt
ferner die Forderung, das gegenwärtig in Europa herrschende
System von Kampfzöllen sobald als möglich abzubauen.

Vor der Uebergsbe Oberfchlestens.
Oppeln, 26. Avril. Die „Oppelner Morgenzeitung" ver-
breitet folgenden Aufruf der interalliierten Kommissionen an die
Bewohner OberschlesicnS, welcher von General Le Ron d, Gene-
ral Marints (als Vertreter Italiens) und Geneml Henne-
ker (als Vertreter Englands) unterzeichnet ist:
„Die Uevergabe der oberschlestschen Gebietsteile an Deutsch-
land bzw. Polen in Ausführung des Friedensvertrags von Ver-
sailles ist nur noch eine Frage von Tagen. AnsangMai sollen
die Vertreter der deutschen und polnischen Regierung von der
interalliierten Regierungskommission nach Oppeln berufen werden,
um die Uebergabe der öffentlichen Verwaltung an die deutschen
bzw. polnischen Behörden vorzubereiten. Dieser ungewöhn-
liche Zustand rechtfertigt ungewöhnliche Maßnahmen. Keinem
Friedensstörer soll Gelegenheit gegeben werden, den öffentlichen
Frieden zu gefährden. Alle friedlichen Menschen dieses Landes
müssen es sich vorbehaltlos und m engen Einvernehmen mit den
anderen angelegen sein lassen, alle Ungeduld im Zaume zu halte,»,
unüberlegten Handlungen vorzubeugen und überall und bei jeder
Gelegenheit die Sprache der Vernunft zu führen. Möge also die
Bevölkerung Oberschlesiens Selbstbeherrschung üben, möge
sie ihre Ruhe und Würde bewahren, um der interalliierten Kom-
mission zu ermöglichen, in Ruhe und Frieden ihre Machtbefugnisse
auf Deutschland bzw. Polen zu übertragen."
Hermes von Genua abgereist.
Berlin, 27. April. Reichsfinanzminister Hermes ist
gestern von Genua abgereist, um an der am Freitag in Würz-
burg stattfindenden Konferenz der Finanzminister
der Länder teilzunehmen. Es wird sich dort darum handeln, die
Anteile der Länder an den Reichssteuern festzusetzen.
Vanderlip in Berlin.
Berlin, 27. April. Der bekannte amerikanische Finanz«
man» Vanderlip ist in Berlin eingetroffen.
Ein Kriegsschuldprozeß in München.
Die Fälschung der bayerischen Handschristsbeweise.
M ttnchen, 27. April. In dem heute eröffneten Prozeß des
früheren Prtvatsekretärs Kurt Eisners, Fechen-
bach, erklärte der Gerichtsvorsitzende, der Prozeß müsse sich auf
die Fragen erstrecken: Liegt eine Fälschung bayerischer Gesandt-
schaftsberichte vor?, War sie von nachteiligen Folgen auf den
Friedensschlutz von Versailles?, Hat der Beschuldigte die Fälschung
begangen? Die Parteien erklärten sich mit diese,» Standpunkte
des Gerichtes einverstanden. Fechenbach erklärte, datz der Bericht
des Legattonsrates von Schön schon veröffentlicht worden sei,
wie Kurt Eisner ihn diktiert hatte. Eisner habe erklärt, die Presse
leide unter starker Raumnot und man müsse daher den Berich:
kürzen. In den längeren Ausführungen Fechenbachs behauptete
dieser, daß Herr v. Schön das deutsche Auswärtige Amt unrichtig
informiert habe. Ferner erklärte Fechenbach, datz Eisner bet der
Annahme, es handele sich bet dem Bericht über die Schuld am
Kriege um einen Bericht des bayerischen Gesandten in Berlin,
Grasen v. Lerchenseld, einem Irrtum zum Opser gefallen sei. Dieser
sei später von Eisner berichtigt worden. Trotzdem sei aber der
Vorwurf der Fälschung aufrechterhalten worden. Das Gericht
beschloß, Den Staatsrat im bayerischen Ministerium des Aeußeren,
v Lössel, darüber zu vernehmen, ob er nach Ausbruch der Re-
volution Gesandtschaftsakien aus dem Ministerium des Aeußeren
entfernt und erst auf Aufforderung Eisners zurückgebracht habe,
und aus weichen Gründen er diese Entfernung der Akten vorae-
nonnnen habe.
 
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