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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Januar bis April)

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Nr. 61 - Nr. 70 (13. März - 23. März)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,

Adelsheim, Voxberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 13.— Mk. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 2.— Mk-, Reklame-Anzeigen
(93 mm breit) 6.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Eeheimmlttelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Eeschäftsstunden: 8—'/,6 Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 11—12Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22 577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Montag, 13. März 1922
Nr. 61 * 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere «.äußere Politik, Volkswirtschaft «.Feuilleton:
Dr.E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O. (Seibel; für die Anzeigen: H. Horch! er, sämtliche in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadischen Verlagsanstalt G.m.b.H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2643.

Was will England in Genna?
Der Wandel der Reparationsidcologie
Von Dr. Artur H eichen.
Die Zahlung der ersten Goldmilttarde zum 31. August 1921 hat
die Undurchführbarkeit des Zahlungsplans des Londoner Ulti-
matums bewiesen — bewiesen vor allem den Reparationsempsangs-
berechtigten, die durch die deutsche Zahlung fast mehr geschädigt
wurden als Deutschland selbst. Jene Zahlung löste bekanntlich den
Zusammenbruch der Markvaluta aus, der wiederum dem deutschen
Dumpingexport den stärksten Anstoß gab und in Deutschland selbst
zu einer unerhörten industriellen Hochkonjunktur, namentlich der
Exportindustrie, führte. In den hochvalutarischen Länder« aber —
eine hochwertige Valuta wirkt als Ausfuhr- beziehungsweise Ein-
fuhrzoll, eine sinkende Valuta dagegen als Exportprämie — nmtzten
die Fabriken allenthalben feiern. Allenthalben wurden Betriebs-
einschränkungen vorgenommen. Ein wachsendes Arbeitslosenheer
zehrte an den öffentlichen Mitteln. Freilich wäre es eine Ueber-
treibung, zu behaupten, daß die Weltwirtschastskrists lediglich
eine Folge der Reparationszahlungen sei; die Weltkrisis hat da-
neben noch tiefere und allgemeine Ursachen, aber die Tatsache läßt
sich nicht aus der Welt schaffen, daß die Reparationszahlungen die
Krisis, namentlich zu Lasten etnzelnerwentger Länder, ver-
schärft haben. Die Zuspitzung der Krisis in der zweiten Hälfte des
Jahres 1921 hat England — das beweisen die Ziffern für die eng-
lische Kohlen- und Eisenproduktiou sowie die Lage des englischen
Schiffbaus und der Schiffahrt — relativ am schärfsten getroffen.
Gegenüber dem Zusammenbruch der deutschen Mart und des da-
durch hervorgerufenen deutschen Valutadumpingexports sahen sich
nämlich die verschiedenen Länder in einer durchaus verschiedenen
Lage. Relativ am schwersten wurden d t e Länder betroffen: 1. die
mn währungsgesündesten waren, und 2. deren volkswirt-
schaftliche Struktur am meisten auf Exporttudustrte und
Außenhandel eingestellt war.
England hat nu» das Pech, daß es in der letzteren Hinsicht an
der Spitze marschiert und in der erstere» Hinsicht so ziemlich mit
an erster Stelle rangiert. Das englische Pfund, obwohl eiire Papier-
währung, ist verhältnismäßig intakt und wird in dieser Hinsicht
nur vom Dollar und vom Schweizer Franken übertroffen. Die
amerikanische Währung hat selbst tu der kritischen Zeit der Jahre
1916 bis 1918 die Goldbasts niemals verlassen. Die Schweiz ist
vor wenigen Wochen, wenn auch noch nicht währungsgesetzltch, so
doch tatsächlich zur Goldwährung zuriickgekehrt. Der nächste Staat,
der berufen ist, in die Reihe der Goldwährungsländer zurückzu-
kehren, ist — England. Im abgelarifenen Jahre betrug das Dis-
agio des Papierpfnndes gegenüber dem Vorkriegsgoldpfund nur
noch 15 bis 25 Prozent. Ueberdies aber — und das ist Wohl am
«reisten ausschlaggebend für die Wandlung der englischen öffent-
lichen Meinung gegenüber dem Reparationsproblem — ist Wohl
kein Land vom Außenhandel und von der Exporttndnstrte so ab-
hängig wie England. Gegenüber der industriellen Produktions-
und Exportkapazität dieses Landes, spielt der heimische Marit keine
ausschlaggebende Rolle. Sind doch in der englischen Landwirtschaft
nur etwa 8 Prozent der Gesamtbevölkerung tätig.
Anders liegen die Dinge schon in den Vereinigten Staaten,
obwohl auch dieses Land alle Nöte einer gesunden Währung zu
verspüren bekommt. Dort ist die wirtschaftliche Konjunktur in viel
geringerem Maße auf die Prosperität des Außenhmtdels eingestellt,
aus dem das Land nur einen kleinen Bruchteil seines gesamten
Volkseinkommens zieht. Das wirtschaftliche Rückrat des Landes
bildet vielmehr die Konsumkraft des amerikanischen Farmers.
Irr einer ähnlichen Lage befindet sich das zudem noch durch eine
uuterwertige Währung begünstigte Frankreich. Dieses Land ist
seiner volkswirtschaftlichen Struktur nach mehr oder weniger ein
sich selbst genügender Agrarstaat, auch wenn es sich jetzt bemüht,
mit Hilfe der in Lothringen neu erworbenen Eisenerze und der
deutschen billigen Reparationskohlen in einen Exportindustriestaat
htneinzuwachsen. Die Wogen der Weltwirtschastskrists treffen aber
die Agrarstaaten am wenigsten, weil deren Wirtschaft gewissermaßen
»in sich" ruht. Von der Markkatastrophe ist Frankreich verhältnis-
mäßig nur recht wenig berührt worden. Die deutsche Dumping-
gefahr hat für dieses Land bei weitem nicht die aktuelle Bedeutung
wie für England oder Holland oder Skandinavien. Deshalb ist auch
sein Interesse an einer Stabilisierung der Mark zur Beseitigung der
deutschen D^rmpinggefahr nicht groß. Größer ist jedenfalls sein fis-
kalisches Interesse am Bezug deutscher Reparationsbar- und -sach-
leiftnngen zwecks Balancierung und Entlastung seines Budgets.
Diese Tatsachen — ganz abgesehen von der militaristischen Intran-
sigenz seiner Staatsletter und seines Parlaments — machen es er-
klärlich, warum die Reparationsideologie Frankreichs gewisser-
maßen auf dem toten Punkte verharrt, warum es wie Shylock auf
seinem Versailler Schein beharrt und warum es von einer Revi-
sion des Londoner Zahlungsplans nicht viel wissen will. Wäre
Frankreich ein Exportindustriestaat mit einer hohen Währung wie
England, dann wäre die Lage eine andere. Dann wäre die Ge-
neigtheit zu einem Schuldnachlaß für Deutschland — aus feinem
wohlverstandenen eigenen Wirtschaftsinteresse Heraus — vielleicht
ebenso groß wie heute schon die Englands. (Nebenbei bemerkt: es
war ein Kardinalirrtum der „Kontinentalpolitik", um die es heute
recht still geworden ist, diese Zusammenhänge zu übersehen bezieh-
ungsweise nicht zu sehen. Die Kontinentalpoltttk war eine aprio-
ristifche politische Konstruktion, die mit den gegebenen ökonomi-
schen Tatsachen in striktem Widerspruch stand.)
Wie liegen die Dinge nun für England? Weshalb ist sein
Interesse an einer Revision des Londoner Zahlungsplans, an ei-
ne,« unmittelbaren Schuldnachlaß für Deutschland so besonders
llroß? Welche Gründe führten also England nach Cannes, und in
welcher Sonderstellung wird es auf der Weltwirtschaftskonferenz
m Genua erscheinen? Das Volume» des gesamten Welthandels
tst etwa auf die Hälfte zusammengeschrumpft. Um die rest-

liche Hälfte ist ein erbitterter Kampf aller Außenhandel treibenden
Länder entstanden — ein Kampf, in dem die tiesvalutartschen Län-
der, namentlich Deutschland, den hochvalutartschen Ländern eine
Niederlage nach der andern verbringen. In dieser Bedrängiris grei-
fen die hochvalutarischen Länder zu Abwehrmaßnahmen, um den
Dumpingexport der ttefvalutarischen Länder etnzuschränken und
zu beseitigen. Auch kann man mit Zollbarrieren und mit kleinen
Krediten von Fall zu Fall nicht die alte Kaufkraft Kontinental-
europas wiederherstellen. Die Wiedergewinnung dieser Absatzmärkte
für England, die Wiederbelebung des internationalen Handels be-
darf anderer und tiefer greifender Maßnahmen. Diese Ziele sind
nur durch eine Stabilisierung der internationalen Wechselkurse und
insbesondere der Reichsmark zu erreichen. Eine stabilisierte Mark
beseitigt die Exportprämie für die deutsche Mark, verschlechtert die
Konkurrenzbedingungen für die d « uts ch e Industrie und verbessert
die der englischen Industrie — und öffnet zugleich die Abzugs-
kanäle für den englischen Export nach Mitteleuropa. Das aber ist
das jetzige Hauptziel der englischen Wirtschaftspolitik, das Ziel, das
Lloyd Georges nach Cannes geführt hat und mit dem er in Ge-
nua wieder erscheinen wird. Rur auf dem Wege über eine Repara-
tionspolittk im Sinne eines Schuldennachlasses für Deutschland
und einer gründlichen Abänderung des Londoner Zahlungsplanes
(Herabsetzung der Gesamtverpfltchtung, Umwandlung von Deviieu-
in Sachleistungen als Grundprinzipien!) ist dieses Ziel zu erreichen;
denn eine Stabilisierung der Mark tst nur möglich mittels ciner
Reaktivierung der deutschen Zahlungsbilanz durch Beseitigung des
Ueberdrucks, der heute noch infolge überhoher Goldzahlungsver-
pflichtungen auf der Marktdevise lastet.
So erklärt sich die Bereitschaft Englands, zu seinem Teil auf
seinen halben oder ganzen Reparattonsanteil zu verzichten. Diese
englische Politik steht jedoch in einem stritten Gegensatz zu den
Stimungen der französischen Politik. Frankreichs Argumente sind
die Ruinen in Nordfrankreich, England aber verweist auf die uu-
sichtbcreu Ruinen seines zerrütteten Handels. Alle Politik ist eine

Summe von Kompromissen. Auch England wird sein Ziel, das sich
zunächst mit dem Interesse Deutschlands deckt, nur etappenweise
gegen den Widerstand Frankreichs durchsetzen können. Eine solche
Etape wird auch Genua sein. Das'Endziel einer endgültigen Re-
gelung des Reparationsproplems liegt noch in der Ferne!
Der energischste Verfechter dieser englischen Politik ist die
Londoner City. Die Krise des englischen Wirtschaftslebens spie-
gelt sich nicht nur in der englischen Urproduktton (Kohle und Eisens
wider, die auch heute noch überwiegend ihr Heil in einem gegen
Deutschland gerichteten Protektionismus erblickt, sondern vor allen?
in dey Geschäftszweigen, die mit dem englischen Außenhandel uno
dem internationalen Handel überhaupt am wenigsten verknüpft sindj
also Bank, Schiffahrt und Versicherung. Das aber ist die Londoner
City! Schon Vor Jahresfrist ist Lord Inchcape von der Royal
Mail Steamship Comp. für eine Reparattonspolittk in diesem Stun4
eingetreten. Die Dialektik der Dinge hat seitdem — insbesondere
seit der Markkatastrophe in den Sommer- und Herbsimonaten — diö
englische Reparationstdeologie in beinahe revolutionärem Wandel
Vorwärtsgetrieben. Die Propagandistik Professor Keynes, der nicht
nur theoretischer Nationalökonom, sondern auch Aufsichtsratsvor-
sitzender einer der größten englischen Versicherungsgesellschaften ist,
ist der deutschen Oeffentlichkeit ausreichend bekannt. Die neueste
Nummer des „Economist" berichtet iiber zivei Generalversammlun-
gen großer englischer Aktierlbanken. In beiden Versammlungen
stand das Reparationsprsblem zu Diskussion. Auf der Versamm-
lung der Aktionäre der Barclays Bank entfaltete Mr. Goodc-
nough, in der der London Joint City ans Midland Bank kein an-
derer als Mc Kenn« selbst feine Dialektik zugunsten einer Revision
der deutschen Zahlungsverpflichtungen mit Argumenten, wie sii
von deutscher Seite zwar schon seit Jahren vertreten worden sind,
aber auch jetzt nicht umfassender und tiefgründiger hätten vertreten
werden können. Den gleichen Wandel der Dinge zeigt die englische
Tagespublizistik, von der „Daily News" und dem „Manchester
Gnrdian" angefangen bis zur „Times".

Der KW V Sie WW WMM
Vor schwerwiegenden Entscheidungen. — Amerika fordert seine
Besatzungskosten. — Blutige Streikkümpfe in Südafrika.

Bor der Entscheidung über das deutsche
Stundungsgesuch.
PartS, 11. März. Rach einer Meldung des Berliner Korre-
spondenten des „Mattn" Haven sich am Freitag abend zwei De-
legierte der deutschen Regierung nach Paris begeben,
um der ReparattonSkommisston die Erklärung zu übermitteln, daß
Deutschland nicht mehr in der Lag« sei, die nächsten Dekade,rzah-
lungen zu leisten.
Der „Temps" meldet:
Das Memorandum des Reichskanzlers Dr. Wirth vom 28. Ja-
nuar wird offiziell der ReparattonSkommisston überwiesen. Die
Kommission wird wahrscheinlich in kurzer Zett Beschluß darüber
fassen, ob Deutschland für 1922 ein Moratorium zu gewähren ist,
und im Bejahungsfälle, welche Garantien gefordert werden müssen.
Die deutschen Zahlungen.
lieber den Abschluß der Verhandlungen der alliierten Finanz-
minister wird von der Agentur Havas eine halbamtliche Auslassung
verbreitet, in der es heißt: Was die Kontrolle der deut-
sch e n F i u a n z e n betrifft, so tst es wahrscheinlich, daß die Macht-
befugnisse des Garantieausschusses verstärkt werden. Die deutschen
Anleihen sollen dazu dienen, das Kapital der deutsche» Schuld zu
tilgen. Sie könne» nicht dazu dienen, die Jahreszahluugen z»
decken, die Deutschland zu entrichten hat, vielmehr sollen sie der
Höhe ihrer Begebung entsprechend zur Annullierung der Obligatio-
nen der Serien X und 8 verwendet werden. Auf diese Weise wird
der Zahlungsplan anfrechterhalten. Was die Pfänder für die
Anleihen anbelangt, so hat man außer an die Zolleinna h m en,
die in Gold entrichtet werden können, an dte Aufrechterhaltung der
26prozentigen Ausfnhrabgabe gedacht. Diese Abgabe hat
1921 ungefähr 1 Milliarde Goldmark
ergeben, ein Bettag, der ausreichend erscheint, um eine Anleihe
in Höhe von 13—14 Milliarden zu verbürgen. Natürlich soll nicht
die Reparationskommission die Anleihen auflegen, vielmehr soll
diese Operation durch ein Finanzkonsortium erfolgen. Die
Operation wird abhängig sein von der Aufhebung der allgemeinen
Hypothek, die auf den Einnahmen Deutschlands ruht.
Die Annahme des Steuer-Mantelgesetzes in
den Ausschüssen.
8.?. Berlin, 12. März. Die Vereinigten Steuerausschüsse
des Reichstags traten am Samstag zur Beratung des Gesetzent-
wurfs über Aenderungen des Finanzwesens (Mantelgesetz)
zusammen. K 1 dieses Gesetzes bestimmt, daß die Reichsregierung
für diejenigen Kredite, dte für das Rechnungsjahr 1922 bereit-
gestellt und nicht für dte Verkehrsanstalten bestimmt sind, Mittel
im Wege einer in Reichsmark einzuzahlenden, in den ersten drei

Jahren unverzinslichen ZwangSanleihe in Höhe des Gegenwertes
von einer Milliarde Goldmark flüssig machen soll. 8 2 schreibt vor,
daß die lä Steuergesetze, soweit »richt in ihnen etwas ande-
res bestimmt ist» einheitlich zugleich mit dem Mantelgesetz in Kraft
treten. Abg. Pach nicke (Dem.) erklärte die Zustimmung seiner
Fraktion zu dem Mantelgesetz. Die Modalitäten der Zwangs»
anleihe werde ein besonderes Gesetz bestimmen. Abg. Bern»
stein (Soz.) vermißt im Gesetzentwurf dte allerdings schwer zu
definierenden Termine für die Einführung der Zwangsanlethe.
Abg. Hekfferich (D.N.) erklärte, daß feine Fraktion erst ii»
Plenum werde endgültig Stellung nehmen könne», da der Gesetz-
entwurf ihr erst jetzt zugegangen sei. Seine Fraktion sei gegen
das Gesetz. Abg. Henke (Unabh.) verweist kurz auf die ableh-
nende Stellungnahme seiner Partei. Abg. Becker- Hessen (D.VP.)
stellt gegenüber Presseäußerungen fest, daß seine Partei die Bediu»
gungen sich nicht aus der Hand winden lasse, unter denen das
Kompromiß geschlossen wurde, und verweist auf die Zustimmung
des Reichskanzlers in seiner Erklärung, daß die Vorschläge de«
Deutschen Volkspartei die Grundlage des Kompromisses abgeben
würden. In der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf gegen di«
Stimmen der Deutfchnationalen und Unabhängigen von den ver-
einigten Steuerausschüsik» angenommen.

Hermes Ernennung.
8.P. Berlin, 11. März. Dte Ernennung des bisherigen
Reichsernährungsministers Hermes zum Reichssinanzminister hat
in parlamentarischen Kreisen große Verwunderung hervor-
gerufen. Allgemein herrschte am Freitag in der Wandelhalle des
Reichstags dte Auffassung vor, daß ein Mann, gegen den in den
letzten Tagen schwere Beschuldigungen erhoben wurden, nicht zum
Reichssinanzminister hätte ernannt werden dürfen, bevor die Vor-
würfe der Bestechung restlos beseitigt waren. Zweifellos ist diese
Auffassung nicht ganz unberechtigt. Gegen sie spricht bisher nur
dft Vermutung, daß die Zentrnmssraktion, die über den
Fall Hermes doch genau unterrichtet sein muß, die Ernennung nicht
zugelassen hätte, wenn sie die Vorwürfe als so schwerwiegend be-
trachtet, wie sie in der Oeffentlichkeit htngestellt werden. Aber sei
das, wie es sei! Jedenfalls ist Herr Hermes, dem durch die Er-
nennung zum Reichssinanzminister das Vertrauen der Regierung
ausgesprochen wurde, jetzt verpflichtet, vor aller Oeffentlichkeit zu
erklären, wie sich die Angelegenheit mit den „Weinflaschen" ver-
hält, bevor das Gericht feststellt, was Wahres an den Vorwürfen tst.
Das deutsche Volk und die Fraktionen des Reichstags haben ein
Recht darauf, zu verlangen, ob die Vorwürfe der Bestechung gegen
einen Reichsminister berechtigt sind oder nicht. Mit der Ernennung
von Hermes zum Reichsfinanzmintster taucht naturgemäß die Frage
auf, wer soll Reichsernährungsmintster werden? Es werden
Namen genannt, die auf leeren Vermutungen beruhen. Die Sozial-
demokratie hat vorläufig keinen Anlaß, sich um angebliche Mtnister-
kandidatupsn zu kümmern, da sie nach wie vor dieAussasjWtg vertritt,
 
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