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Heidelberg, Samstag, 11. Februar 1922
Nr. 36 * 4. Jahrgang
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Zur Lage.
Xr.Heidelberg, den 11. Februar.
Der Augenblick, in dem der verhängnisvolle Etsenbahnerstrctt
proklamiert wurde, barg schwere außen- und innenpolitische Ge-
fahren in sich. Vor wenigen Wochen hatte die Konferenz von Can-
nes die ersten kargen Erfolge der deutschen Erfüllungspolitik ge-
brach« und eben erst war es gelungen, durch Las Kompromiß der
Zwangsanleihe ein innerpolitisch tragfähiges Fundament für die
Außenpolitik des Kabinetts Wirth zu schaffen. Es bestand durch-
aus die Gefahr, daß dieser Streik, zumal wenn er sich zu einem
Generalstreik auswettete, diese Regierung weggesegt und ein inner-
politisches Chaos geschaffen hätte. Unter diesem Gesichtspunkt muß
man es begrüben, daß der Streik zu keiner Kabinettskrtfe geführt
hat und daß er beendet worden ist, bevor er sich zu einem kata-
strophalen Generalstreik ausgewachsen hatte, wie es die Kaia-
strophenpolitiker von links und rechts ja sehnllchst wünschten. Aber
Sei all diesen politischen Momenten und bei aller Verurteilung der
«»gewerkschaftlichen Art, mit der dieser Streik der Reichsgewerk-
schast aufgezogen und durchgeführt wurde, darf doch die eigentliche
soziale Grundursache des Streiks nicht allzusehr in
den Hintergrund zurücktreten, eine Vernachlässigung dieser Fak-
toren könnte sich trotz des Abbruchs des Eisenbahnerstreiks in der
Zukunft bitter rächen. Wir haben die Empfindung, daß der
Reichskanzler Dr. Wirch in seiner grossen Erklärung über den Streik
dicsrn sozialen Faktoren nicht genügend gerecht geworden ist und
daß diese in den Kreisen der Streikenden und den mit ihnen sozial-
gewerkschaftlich Sympathisierenden keine Beruhigung schaffen wird.
Wir verstehen wohl die Empörung des Kanzlers über diesen „wil-
den" Streik einer einzelnen Fachgewerkfchaft des Beamtenbundes,
der den zemralen Lebensnerv der staatlichen und privaten Wirt-
schaft lahmlegt. Wir vermögen auch durchaus die sachlichen Mo-
tive der Schärfe zu würdigen, mit der der Kanzler sich gegen das
Strettrecht der Beamten «ussprach, wenn wir auch gewisse Formu-
lierungen fsir allzu schroff halten und auch sachlich etwas anderer
Meinung sind. Abe? ein« schärfere und loyalere Herausarbeitung
der sozialen Grundursachen des Streiks hätten wir gewünscht, die
Wirkung der Rede wäre entschieden eine bessere gewesen. Dr.
Wirth sagte u. a.:
„Dies alles waren die sachlichen Grundlagen des
Streikes, von denen ich Ihnen gezeigt zu haben glaube, daß sie
teils unberechtigt waren, teils geringfügig, teils
bereits elnoeleiteter und mit Aussicht auf Einigung
geführter Verhandlungen."
Dr. Wirth sprach von de« Verhandlungen über dir Ueber-
teuerungszuschüsse und die WirtschastSbcthilsen, er sagte aber nichts
von den grundlegenden sozialen Ungerechtigkeiten derReichsbesol-
dungsordnung, nichts von den niederen kaum an das Existenz-
minimum heranreichenden Einkommen gewisser Beamtengruppen
und von den allzugroßen und unsozialen Spannungen zwischen
den unteren und oberen Beamtenkategotten. Dir Sympathie, die
dem Streik an sich — seinen sozialen Ursachen, nicht seinen Metho-
den! — in allen unteren und mittleren Beamtenkreisen sowie auch
in der Arbeiterschaft je länger ums» mehr entgegengebracht wurde,
zeigte die gereizte Stimmung, die in diesen Gruppen infolge ihrer
sozialen Verelendung vorhanden ist. Bei allem Selbstbewutztsein
über ihren politischen Steg und bei all ihren scharfen Reden gegen
das Streikrecht der Beamten wird die Regierung dieses sozial-
politische Grundproblem nicht vergessen dürfen, von seiner
Lösung wird es abhängen, ob wir in Zukunft von ähnlichen Kata-
strophen bewahrt bleiben.
Wir freuen uns, daß der Standpunkt, den Genosse Wels
gestern im Reichstag als den der sozialdemokratischen Partei dar-
gelegt hat, sich durchaus mit dem unfrigen deckt, insbesondere, wenn
er betont, daß „die. Arbeitspflicht keines Menschen so geregelt
kein dars, daß ihm das letzte Abwehrmittel versagt bleibt, daß
Beamte in außerordentlichen Umständen das Strett-
rech, für sich in Anspruch nehmen können, läßt sich nicht bestreiten".
Weniger erfreulich dagegen, aber durchaus nicht unerwartet sind
die Gewitterwolken, die sich gestern im Reichstag zusammengezogen
haben und die sich beute schon gegen das Kabinett Wirth entladen
können. Es ist durchaus dankenswert, daß der Unabhängige
Dittmann vor der ganzen Oefsentlichkeit festgestellt hat. daß der
Vorstand der Retchsgewerkschasi, die plötzlich so wild geworden ist,
in feiner Mehrheit aus Bolksparteilern und Deutschnationalen be-
steht und daß von den Neichsmgsabgeordneten zwei Deutschnatio-
nale, zwei Volksparleiler und ein Demokrat der Neichsgewerkschaft
««gehören. Was sagen dazu die unabhängigen und kommunisti-
schen Proletarier, die so leidenschaftlich für die Reichsgewerkschast
«egen die Weisungen ihres freigewerkschaftlichen Deutschen Eifen-
bahnrrverbandes Stellung genommen haben?
Umso unverständlicher sind aber die Vorstöße der Rechten gegen
den Reichskanzler, weil er sich zu nachgiebig gezeigt und die Diszi-
plinierungen zu einer politischen Angelegenheit des gesamten Kabi-
netts gemacht habe. Wir stehen hier natürlich voll und ganz hinter
der Erklärung des Kanzlers. Man wird sich sür die heutige Reichs-
mgssitzung ans weitere schwere politische Zusammenstöße gefaßt
wachen müssen. Ob sie sich zu einem MehrhettSangrtff gegen die
Regierung zuspitzen werden? Nun, wir werden ja sehen.
Bon der öffentlichen Meinung Deutschlands unbeachtet ist in
Woche die Konferenz von Washington zu Ende gegangen.
^5. » Verhängnis der deutschen Geschichte seit der Revolution,
M der größte Teil der Volksgenossen über die Bedeutung der
d-L w Weltport,tk für das Schicksal des eigenen Staates und
z,", ^Etariars immer noch nicht genügend klar geworden ist und
außenpolitische Ereignisse immer wieder von inner-
knmn,. Bewegungen und Kämpfen zugedeckt werden. Und dabei
Al-° von Washington prinzipielle Bedeutung für
« Weltgeschichte der nächsten Zukunft zu. Ihrs Ereignisse dürfe«
nicht gemessen werden an einer schönen über alle Erdenschwere er-
V. , >... in.» Lovrics, aus dri wir Biclcs lernen könnten!
havenen pazifistischen oder sozialistischen Ideologie, sondern sie
müssen in Beziehung gesetzt werden zu den konkreten, realpoliti-
schen Faktoren der gegenwärtigen Wirklichkeit. Wo sind jetzt jene
Allerwelts-Propheten, die seit Jahren den großen englisch-ameri-
kantsch-japanischen Krieg geweissagt haben, ja, die schon Jabr
und Tag der Schlachten desselben vorauszusagen wußten und da-
mit unseren primitiv-romantischen Nationalisten einen neuen Aus-
stieg Deutschlands vor das Auge zauberten? Wohl hat der Welt-
krieg und sein Ausgang zwischen England, Amerika und Japan
neben manchen nicht zu unterschätzenden politischen und ökonomi-
schen Gemeinsamkeiten auch manche Gegensätze geschaffen. Das
große Problem der „Abrüstungskonferenz" von Washington war,
ob es gelingen würde, diesen Gegensätzen durch friedlich schiedliches
Einvernehmen bei manchem Opfer der Beteiligten die schlimmsten
Gtftzähne auszubrechen. Und es ist gelungen, trotz schwerer Hem-
mungen und Widerstände. Als nüchterne Kaufleute setzten sich
Engländer, Amerikaner und Japaner an den Konferenztisch und
anstatt mit einem neuen Krieg in der Tasche ergebnislos ausein-
anderzugehen, gründeten sie eine Ostasiatische G. m. b. H — Poli-
tischer Art natürlich — und anstatt weiteren unnützen, kostspieligen
und gesährlichen Wettrüstens einigten sie sich auf ein bestimmtes
Flsttenverhältnis. Das war realpolitische FriedenSarbsit im
Was könnten wir Deutsche heute fein, wenn wir auch nur mit einer
Spur solcher realpolitischer Gesinnung in den Jahren 1900—1912
Englands Wottenverhältniszahlen und seine Vorschläge einer eng-
lisch-deutschen weltpolitischen G. m. b. H. angenommen hätten!
Und wie könnte Europa heute dastehen, wenn man sich 1914 in
solcher nüchternen Gesinnung zu einer solchen Konferenz zusammen-
gesetzt hätte!!! ...
Was Washington für England, Amerika und Japan bezüglich
ihrer ostastaiischen Probleme war, kann Genua sür England.
Deutschland, Frankreich und Rußland und ihre Europapolttit
werden. Aber Frankreich, das ja bereits die Beratungen der Was»
hingtsner Konferenz in übelster Weise zu stören versucht hat, möchtt
auch Genua am liebsten ganz vereiteln. Leider hat es Amerika iv
diesem Falle sür sich, das sich zunächst aus rein liberalistisch-sinanz«
kapitalistischen Interessen heraus von der Konferenz fernballe»
will. Man muß nur wünschen, daß England, Lloyd George, sic?
gegen Potncare durchsetzt. Deutschland jedenfalls ist heute bereit
mit den anderen zusammen nüchtern kaufmännisch am Wiederaus«
bau Europas mitzuarbeiten, unter Verzicht aller früheren ata«
vistisch-seudalen Militär- und Kriegsrsmantik. Dafür bürgt uns
das Kabinett Wirth, in erster Linie der Minister des Auswärtige»
Dr. Rathenau.
Gew itterstimmung im Reichstag.
Scharfe Angriffe der Rechten gegen den Reichskanzler. — Eine nsrre Kanzlsrrede
Tie Sitzung wird in Tumult und Unruhe abgebrochen.
Berlin, den 10. Februar.
Zn der heutigen Rrtchstsgs'sttznng sprach als erster
Reichrverkehrsminister Gröusr.
Auch er sprach sich aufs schärfste gegen die Arbeitsniederlegung Lurch
Beamte aus. Grüner näher Lus Las Ultimatum der
Reichsgewerkschast ein und insbesondere aus das
Arbeitözeitgcsctz,
das nicht als Ausnahmegesetz gegen die Beamten angesehen wer-
den dürse, da es auch aus Arbeiter und Angestellte Anwendung
finden solle. Ueber die Wirkung der Verordnung des Reichspräsi-
denten, die zu Bekämpfung des Streiks notwendig war und über
den Einfluß, den sie auf die Beendigung des Streiks gehabt habe,
könne man erst ein Urte» fälle», wenn sich übersehen lasse, wie die
Verordnung auf den einzelne« Stellen der Direktionsbezirke an-
gewendet worden sei. Der Gedanke, daß mit der Aufhebung
der Ausnahmeverorvnung auch die auf ihrer Grundlage eingekette-
teu Strasmatznahmen hinfällig seien, müssen als rechtlich nicht
haltbar abgelehnt werden. Der Minister wandte sich dann dm
Richtlinien für da« Disziplinarverfahren
zu, die das Kabinett beschlossen hat und die nichts anderes seien
als der Ausfluß des Beamtenrechts. Er könne es mit
seiner Auffassung nicht vereinbaren, schwere dienstliche Vergehen
der Beamten nicht zu bestrafen. Wenn er das unterließe, würde er
sich ja selbst eines schweren dienstlichen Vergehens schuldig machen.
Auch würde die Autorität der Regierung gegenüber den Beamten,
Vie Pflichtgetreu bct ihrer Arbeit geblieben sind, die schwerste Er-
schütterung ersahren. ES werde lediglich nach Recht und
Gesetz verfahren werden, im ordentlichen richter-
lichen Verfahren in zwei Instanzen, sowohl gegen dis fest-
angestellten wie gegenüber den kündbaren Beamten.
In der politischen Aussprache kam als erster
Abg. Wels (Soz.)
zum Wort. Er führte u. a. aus:
Durch das jeder gewerkschaftlichen Schulung widersprechende
Verhalten weiter Arbetterkretfe in dem Streik dieser Tage ist leider
der Kampf der Gewerkschaften nm die völlige Beseitigung der Tech-
nischen Nothilse, die ganz gewiß nicht zur Beruhigung der Ar-
Seitermassen mich tl ft, sehr erschüttert worden.
Auch der Reichskanzler hat durch den Ausdruck „Beamten-
revotte" nicht zur Entspannung beigetragen.
Ohne Zweifel bat der Streik ein großes materielles und moralisches
Unglück über Deutschland gebracht. Das mutz uns veranlassen,
feinen Ursachen nachzugehen und die Quellen derartiger Erschei-
nungen zu verstopsen. In der Befoldungsordnung müssen künftig
soziale Gesichtspunkte stärker zur Geltung gebracht werden. Auch
die Art, wie mit den Beamten verhandelt wurde, war nicht immer
glücklich. Trotz der fraglosen Berechtigung der Beamtenschaft zu
ihren Klagen muß doch die Art mißbilligt werden, wie sie den
Kampf eröffnet und wie sie ihn geführt har. Und ganz besonders
verwerflich sind die Methoden, die die Streikleitung zur an-
geblichen Aufklärung der Bevölkerung angewandt hat. Die fozial-
Kmokratische Partei trete unbedingt für eine
Anpassung der Gehälter an die Kaufkraft des Geldes
ein und werde jeden Verfuch, an dem Achtstundentag zu rütteln,
entschieden abwebreu. Ein Streik aber fei nach sozialistischem
Grundsatz als eine zweischneidige Waffe zu betrachten,
die niemals angewendet werden dürfe, nur um Unzufriedenheit zu
erzeugen, sondern die nur gebraucht werden sollte, wenn die Ge-
samtheit der Arbeiterschaft Verständnis dafür haoe. Die Arbeiter-
klasse habe Seine Wirkung viel schwerer empfinden müssen Äs die
Kreise des Besitzes. Schließlich hätten selbst die Parteien, ÄWDU
Streik grtthistzen, von der Hilfe Gebrauch gemacht, die die Tech-
nische Rothilfe der Allgemeinheit geleistet habe. Aus der anderen
Seite aber sei die Befürchtung begründet, daß« »
rechtsradikale gegenrevolutionäre Elemente den Streik schütte«,
und diese Befürchtung habe sich sogar zu dem Gerücht verdichte^
daß Kapp und Oberst Bauer wieder im Lande seien. Die
Verordnung des Reichspräsidenten nannte der sozial-
demokratische Redner zwecklos.
wenn er auch zugeben müsse, daß die Regierung von der Rechte«
wie von den Mittelpatteten aufs schärfste angegriffen worden wärtz
wenn sie diese an sich nutzlose Verordnung nicht erlassen hätte. Nut
sei die Verordnung wieder beseitigt und künsttg müsse man daraus
lernen und einsehen, daß man mit solchen Maßnahmen der Auto«
rität der Regierung mehr schade als nütze.
Abg. Wels wandte sich dann zu der Frage des Streikrecht 1
der Beamten und gab der äußersten Linken zu bedenken,
wie wohl die russische Regierung mit einem Eisenbahner
umspringe»« würde,
der seine Kameraden zum Streik aufsordern würde. Er erinnerte
an die Verordnung des Arbeiter- und Soldatenrats unmiltelba?
nach der Revolution, die den Streik in lebenswichtigen Betrieben
verbot und wies ebenso wie am Vortage der Reichskanzler aus di«
Stellungnahme des unabhängigen Ministers Lipinski hin. Di«
mehrbeitssozialdemokrattsche Auffassung gehe nicht einmal ss wett,
wie die dieses unabhängigen Führers. Ein unbrschrSnkteS Streik-
recht werde keine Partei und keine Regierung den Beamten zu-
billtgen. Der Redner legte abermals die Unterschiede Lar, die
zwischen der wirtschaftlichen Stellung eines Arbeiters und eines
Beamten bestehen und bezweifelt, datz die Beamtenschaft in ihrer
Gesamtheit einen So einschneidenden Unterschied zwischen ihrer
Stellung und der der Arbeiterschaft verlangen würde. Allerdings
dürfe ein letztes Notwehrmittel keinem arbeitenden Menschen ver-
sagt bleiben. Eine solche Notwehr seien die Beamtenstreiks im
besetzten Gebiet gewesen. Der Versuch dagegen, den jetzigen Streik
zu vergleichen mit dem Widerstand, den die Beamtenschaft anläßlich
des Kapp-Pittfchss gegenüber diesem Gewaltstreich leistete, indem
sie jenen „blutigen Dummköpfen" die Gefolgschaft vertagten, sei
durchaus abwegig. Das Problem fei festzusteücn, wo das Rot-
wehrrecht des arbeitenden Menschen anfange. Zum Schluß ver-
langt der sozialdemokratische Sprecher, datz die angekündiglen Richt-
linien für ein Disziplinarverfahren ohne jede Schikane durchgeführt
würden und er zitiert das Wort Lenins: „Nur Arbeit und Disziplin
können uns retten". Dieses Wort gelte auch für Deutschland.
Abg. Höfle, der Redner des Zentrums, stellte sich vorbehalt-
los hinter die Regierung und lehnte das Streikrecht der Beamten
grundsätzlich ab. Die Regierung habe den Streikenden keine Kon-
zessionen gemacht. Er müsse es ablehnen, datz von deutsch-
nationaler Seite der Streik gegen die Republik ausgenützt
werde.
Die Rede des deutschnattonalen Abg. Berndt wurde von der
Linken, gegen die sie sich besonders wandte, mit großer Unruhe aus-
genommen. Berndt erklärte die Negierung am Streike sür mit-
schuldig, auch das Ende des Streiks beweise die Schwäche der Re-
gierung. die ganz unter sozialdemokratischem Einfluß stehe.
Sehr scharf wandte sich der Volksparleiler Abg. Scholz gegen
den Reichskanzler, dessen Worte im schärfsten Widerspruch mit seine»
Taten stünden. Für die Beamtenschaft gebe es kein Strettrecht.
Tadeln müsse er insbesondere, datz man die Richtlinien über die
Disziplinierung dem zuständigen Ressortminister genommen und
dem Gesamtkabinett übertragen Habs-
Nochmals ergriff hieraus
Reichskanzler Dr. Wirth
das Wort. Er verteidigte sich gegen die Vorwürfe der Rechte«,
er habe auf Beschluß des gesamten Kabinetts mit de» Spitzen-
verbänden verhandelt. Die
Frage der Disziplinierung,
die das gesamte Volk bewegt, war eine so große politische Frag?»
daß man sie nicht einem einzigen Ressortminister übertragen konnte.