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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Januar bis April)

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Nr. 51 - Nr. 60 (1. März - 11. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48721#0306
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Die sozialdemokrtttische Fraktion zur
Getrsidehauffe.
S.P. Berlin, 6. März 1S22. (Eig. DMHtb.)
Die sozialdemokrattsche Reichstagssraktion trat Mn Samstag
mittag zusammen, um -en Bericht Wer -die mit dem Reichskanzler
UN- -sm Finanzminister geführten Besprechungen Wer die
Zwangsanleihe enigegenzunehmen. Eine endgültige Stellung-
nahme -er Fraktion zu den Plänen -es Rcichssinanzminisieriums
jvir-d erfolgen, sobald das Gutachten -es R eichswiri schafts ra t e s
twrliegt und die übrigen Parteien ihre Auffassung näher -argelegt
Haven. Allgemein wurde eine schnelle Verabschiedung der Steuer-
gesetze aus a,chen-politischen Gründen für notwendig erachtet.
Gleichzeitig beschäftigte sich die Fraktion mit der Brotversor-
gung und den Getreideprcifen, Es wurde zum Ausdruck gebracht,
daß es notwendig ist, von -er Regierung sine Verordnung zu ver-
langen, nach der die bereits erfolgten Getreideaufläufe der neue«
Ernte, soweit sie zu außergewöhnlich hohen Preisen erledigt wur-
den, Mr ungültig erklärt werden. Sollte sich die Regierung zu
einer entsprechenden Verordnung nicht entschließen, so wird er-
wartet, dass den Ländern die Ermächtigung erteilt wird, die zu M-
normen Preisen getätigten Verkäufe für ungültig zu erklären.
Weiter stellte sich die Fraktion ans -en SMld-unkt, das; dahin ge-
wirkt werden mutz, für das neue Erntefcchr eine erhöhte Getreide-
umlage zu gebundenen Preisen zu erreichen.
Ausland.
Wichtige Konferenzen.
Paris, 6. März. Die Pariser Konferenz der Außenminister
Englands, Frankreichs und Italiens über die Orientfrage und die
Beilegung des griechisch-türkischen Konflikts wird im Pariser Aus-
wärtigen Amt abgehalten und wahrscheinlich am 23. März begin-
nen. Gleichzeitig wird die Londoner Konferenz der alliierte«
Sachverständigen für die Ausarbeitung des technischen Programms
der Konferenz von Genua beginnen. An dieser Londoner Kon-
ferenz werden französische, englische, italienische, belgische un-
japanische Vertreter teilnehmen. Polen und die Kleine Entente
sind nicht vertreten.

Ueber Av Millionen Hungernde in Rußland.
Moskau, 3. März. (Priv.-Tel. der „Frkf. Ztg.") Die
Hungersnot wächst, neue Gebiete sind als tzungerge-
biete erklärt, darunter Turkesta n, das anfänglich selbst 290 WO
Flüchtlinge ernähren wollte, aber so von Hungernden überschwemmt
wurde, daß es heute selbst Hunger leidet. Die Zahl der Hungern-
den wächst dauernd und beträgt heute über 30 Millionen. Das
Elend in den Hungergebieten vergrößert sich. Selbst in Orten
der Wolgagegend kommen Fälle vor, daß menschliche Leiche« ver-
zehrt werden. Die russische Vertretung des Auslandskomitees
hat alles getan, uni die Spenden rasch an die Bedürftigen gelangen
zu lassen. In mehreren Hungergouvernements sind Verpflegungs-
zentren geschaffen worden, so in Kasan, Saratow, Samara, Tarzt-
kin, Tscheljabinsk. 700 OVO Weuschen werden augenblicklich ernährt,
ihre Zahl wächst mit dem Eintreffen weiterer Levensmitteltrans-
porte aus dem Ausland. Bier neue Dampfer mit Lebensmitteln
sind unterwegs. Bon überall treffe« Dnnktelegramme von Partet-
und Gewerkschaftsgrnppen ein. Die örtlichen Behörden und die
Bevölkerung rechnen bestimmt mit der Fortdauer der Hilfe des
Auslandes und au viele« Örtert ist sie die einzige Hoffnung. Außer
Lebensmitteln werden dringend gebraucht Transportmittel aller
Art zur raschen Weiterbeförderung der Lebensnrittel. Die Hilfe
Kes Auslandes darf nicht aussetzen, die Hoffnung der Hungernden
Nicht enttäuscht werden.
...- .. ..—
W Ktt AMlMMMWS.
Delegieriemvahl im Merallarheiiervsrhand.
Bei der gestern hier stattsesundeuen Tclcgiertenwahl wurde
die Liste der M.S.P. gewählt. Näherer Bericht folgt.

Neumayr der Betriebsräte.
(Aus d. MitteAungsÄl. d. LaniMSausschusses -. A.D.G.B. Baden.)
Im Monat März find wiederum die BettiebSratswahten
vorzunehmen Die Ortsausschüsse müsse« sich unbedingt -er Ar-
beit unterziehen und wagen dein nokst) endigen geordneten Gang
-er Sache den Kollegen bchAWch sein. Die Wichtigkeit -es Amtes
erfordert die Tüchtigsten ausznsuchen. Nicht daö Gesetz allein,
sondern die Tüchtigkeit der Person ist mit ausschlaggebend sür ein
erfolgreiches Arbeiten -es Betriebsrates. Es ist überall dahin-
gsOnid zu wirken, -atz die Wahlen innerhalb eines Bezirks in allen
Betrieben an einem Tage statlfinden. Sind die Betrisbswahlen
vorbei, müssen sofort die Gruppenräte gebildet werden, -em dann
die Bildung des Zentmlmles und -es Vollzugs rat zu folgert hat.
Das notwendige enge AnsammeuarbMen. Mtt den Betriebsräten

erfordert, daß die Leitung dtzr Vollzugsräte inögsichst. nlit^inem
Bovstandsrnttglied des Ä.D.ßk.B. in Per'sonalnnionPerbunden
' wird. '..'
Drohende Spaltung des Deutschen
Eisenbahner-Verbandes.
Vor einigen Tagen brachte die Morgenausgabe der Rot. Fahne
unter der obigen Ueberschrift eine« sensationell zugespitzten Bericht
über eine in -en Sophiensälen stattgefundene Generalversamm-
lung der Ortsgruppe Berlin des Deutschen Eisenbahner-Verban-
des. Es wird darin ausgeführt, datz der Bezirksletter Knebel
über Maßnahmen des Hauptvorstandes berichtete, nach denen be-
schlossen worden sei, ihn, Knebel, als Ortsangestellten nach Gleiwitz
und den ersten Bevollmächtigten der Ortsgruppe Berlin, Willi
Schulz, als Sekretär in das Bezirksfekretariat zu versetzen.
Außerdem sei der Ortsangestellte Wilhelm Linke aus dem Ver-
bände ausgeschlossen worden. Knebel soll daran die Be-
merkung geknüpft haben, datz es jetzt „um die elementarsten Rechte
der modernen Arbeiterbewegung gehe-, denn der Grund für die
vom Vorstand ergriffenen Maßnahmen sei in dem Verhalten der
genannten Personen während des letzten Eisenvahnerstreiks zu
suchen. Linke selbst gab in der Versammlung als Grund seines
Ausschlusses an, datz er in einer öffentlichen Versammlung in
Magdeburg an Stelle des Kommunisten Geschke über die Lohn-
bewegung der Eisenbahner referiert und sich gegen den Deutschen
Eisenbahnerverband ausgesprochen Haven soll. Die Redaktion der
„Roten Fahne" fügt diesem Bericht hinzu: „Durch das diktatorisch«
Vorgehen des Hauptvorstandes des Deutschen Eisenbahner-Ver-
bandes ist die Gefahr der Spaltung dieser Organisation in bedroh-
liche Nähe gerückt."
Zunächst mutz festgestellt werden, daß in dem Versammlungs-
bericht einige Nngenautgkeiten enthalten sind. Nicht richtig ist
es z. B. — wie wir von maßgebender Seite erfahren —, datz der
für Berlin bestimmte neue Bevollmächtigte Ferse vom Deutschen
Bauarbeiter-Verband übernommen sei. Es handelt sich vielmehr
um den Angestellten des Deutschen Etsenbahner-VerbandeS für den
Ortsbezirk Weiden. Die Gründe, die -en Vorstand veranlaßten,,
Linke aus dem Verbände auszuschlietzen, find darin zu suchen, daß
Linke unter einem falschen Namen als Referent in der Magde-
burger Versammlung auftrat und dort ausgeführt hat, der Deut-
sche Eisenbahner-Verband müsse unter die Diktatur der kommu-
nistischen Politik gestellt werden.
Was die Gefahr der Spaltung betrifft, so besteht diese nur
bei den Drahtziehern der Kommunistischen Partei, bzw. den Re-
dakteuren der „Roten Fahne". Die Auflösung der Ortsgruppe
Berlin hätte zur Folge, datz die kommunistischen Agitatoren, die
den Deutschen Eisenbahner-Verband als Tummelplatz ihrer poli-
tischen Kämpfe benutzen, allerdings ausgeschlossen blieben; jedoch
würden alle Eisenbahner, die sich dem Verbände angeschlossen
haben, ui» ihre Wirtschaftliche Lage zu verbessern, auch fernerhin
Mitglieder bleiben und durch die Auflösung selbst keinerlei Nach-
teile haben. Selbstverständlich ist die Parteizugehörigkeit nicht
ausschlaggebend. Es kommt lediglich darauf an, daß die Mit-
glieder sich auf den Boden der sozialistischen und gewerkschaftlichen
Grundsätze stellen. Der Schritt würde also, wenn er getan werden
mützte, ganz wesentlich zur Gesundung der Organisation beitragen.
Jedenfalls hatte die Organisation bisher in solchen Fällen, wo
eine Auslösung von Ortsgruppen aus ähnlichen Anlässen sich not-
wendig machte, keine Schädigung zu verzeichnen. Keinesfalls wer-
den durch die Versetzung einzelner Beamter der Organisation die
elementarsten Rechte der modernen Arbeiterbewegung versetzt, Im
Gegenteil, der Vorstand hält sich dabei streng im Rahmen seiner
Befugnisse. Nach H 25 der Satzungen des Deutschen Eisenbahner-
Verbandes werden zur wirksamen Unterstützung des Vorstandes,
zur Durchführung der Beschlüsse der Generalversammlungen und
der Vervandsvestrebungen, sowie zur Förderung der Agitation in
der? einzelnen Eisenbahndirekttonsbezirken Bezirksleiter ängestellt..
Die Wahl ersolgt durch den Vorstand nach Verständigung mit dem
Bczirksbeirat. Aus der Fassung des 8 25 ergibt sich ganz klar,
datz der Vorstand berechtigt ist, die Bezirksletter anzustellen, bzw.
zn entlassen. Der 8 22 der Satzungen verpflichtet den Vorstand,
alle Interessen -es Verbandes wahrzunehmen, sowie den Orts-
verwaltungcn entsprechende Verhaltungsvorschriften zu erteilen.
Nach dem § 26 hat der Hauptvorstand das Recht, Ortsbeamte an-
zustellen. Der Amtsantritt eines Ortsangestellten darf erst nach
Bestätigung des Gewählten durch den Versandsvorstand erfolgen.
Aus dieser Fassung ergibt sich ohne weiteres, datz der Vorstand das
Kontrollrecht und damit auch die Möglichkeit hat, einen ungeeig-
neten Angestellten zu entfernen. Der Vervandsvorstand ist also
völlig in seinem Recht, wenn er Angestellten, die sich für ihren
Posten nicht eignen, eine andere geeignetere Tätigkeit zuweift. Das
ist in dem vorliegenden Falle geschehen, weil der Vorstand der
Auffassung ist, datz die genannten Angestellten sich auf den bisher
innegehabten Posten nicht bewährten, insbesondere in schwierigen
Situationen versagten. Der Vorstand wird — wie uns ausdrück-
lich versichert wird — deshalb unbekümmert um das Geschrei der
„Roten Fahne" und der hinter ihr stehenden kommunistischen Draht-
zieher seine Maßnahmen durchführen, um die gewerkschaftliche Or-
ganisation für die ihr gestellten Ziele kampfbereit zu erhalten.

» Mmm kW W VW Wlk.
Von Dr. O, Marx, Rechtsanwalt, HMelberg.
V. Wie macht man sich uttÜStige Koste«?
Eine Dame in Emgrabb (1000 Mfi demjenigen, der hieraus
den Namen einer deutschen Stadt biwetl) MGs ist echt bajuva-
rischem Groll iiberzuschäumen, wenn n,M sie aüsMdert, doch gütigst
ihre Schulden zu bezahlen. Sie wirst mit „Erpressung" nur
so um sich, obwohl sie gar nicht Weitz, was eine Erpressung eigent-
lich ist. „Wer, um sich oder einem Dritten einen recht s w i d -
ritzen Vermögensvorteit zn verschaffen, einen anderen durch
Gewalt oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unter-
lassung nötigt", das ist ein Erpresser. Sicher ist, datz ein Ver-
mögensvorteil, auf dessen Erlangung ein Rechtsanspruch besteht,
kein rechtswidriger ist. Wenn ich mit erlaubten Mitteln Zahlung
einer Schuld verlange, begehe ich niemals Erpressuüg. (Dagegen
kann eine N ö t igung stattfinden, auch wenn dem Täter ein An-
spruch aus das erzwungene Verhalten zusteht. Nötigung kommt
aber nur dann in Frage, wenn ich einen anderen widerrechtlich
durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einem Ver-
brechen oder Vergehen zu einer Handlung, Duldung oder
Unterlassung nötige: z. B. ich zwinge Meinen Schuldner mit vor-

gehaltenem Revolver zur Bezahlung seiner Schuld; dies ist Nöti-
gung, sie wird viel milder bestraft als die Erpressung). Wenn ich
einer mehr oder minder hübschen Bayerin schreibe: „Abladen!", so
ist das gar keine Erpressung, so wenig es eine Erpressung wäre,
wenn ein Gerichtsvollzieher zu einem Schuldner, gegen den wegen
Nichtletstung des Osfenvarungseides ein Haftbefehl besteht, sagen
Würde: „Wenn Sie jetzt nicht gleich aus dem Bett" — tu das sich
-er Schuldner gelegt hatte, um -en kranken Mann zu markieren --
„ausstehen, dann werde ich Sie sestnehmen und ins Gefängnis
befördern lassen!". Wenn mir aber die Dame schreibt, „wenn ich
ihr schriebe, sie solle zahlen, sonst werde sie verklagt, so sei das
eine Erpressung", so ist das eine Beleidigung.
Wie inan sich nun unnötige Kosten macht? Unnötige Kosten
macht man sich schon dadurch, datz man seine Schulden nicht be-
zahtt, sondern wartet, bis der Anwalt in Bewegung gesetzt werden
muß. Die Schuld der Frau beträgt 800 Mk. Auf freundliches
Anklopsen gibt sie 400 von sich. 400 weitere zahlt sie nicht. Man
Mutz den Weg der Klage beschreiten. Nun haben wir „zur Ent-

lastung der Gerichte" seit dem Kriege die Einrichtung, datz bei Geld-
forderungen zunächst ein Zahlungsbefehl ergehen; muß, außer wenn
die Forderung über 3000 Mk. iss und direkt beim Landgericht Klage
erhoben wird. Ich kann aber auch bei Beträge« über 3000 Mk.
zunächst beini Amtsgericht eine» Zahlungsbefehl nehmen. Wenn
nun der Zahlungsbefehl widersprochen wird, brauche ich nicht
etwa, wie viele Leute meisten, noch besonders zu klagen, sondern
ich beantrage Terminsbestimmung (dies kann auch gleich im Antrag
auf Zahlungsbefehl geschehen; bei Sachen über 3000 Mk., die doch
nach meinem Aufsatz HI vor die Landgerichte gehören — wenn
nicht die Zuständigkeit des Amtsgerichts vereinbart ist! —, kann
ich sogar im Antrag aus Zahlungsbefehl gleich für den Fall des,
Widerspruchs beim Amtsgericht Verweisung an das Landgericht
beantragen). Ich nehme also einen Zahlungsbefehl über 400 Mk,
Obwohl die launische Dame das Geld schuldig ist, legt sie doch
Widerspruch ein. Datz sie gleichzeitig das Geld noch bezahlt, zeigt
noch größere Unerfahrenheit. Durch die Einlegung des Wider-
spruchs macht mail sich ganz unnötige Rosten, wenn man kein Recht
hat, die Schuld zu bestreiten. Deshalb habe ich mich gefreut, als ich
aus der Rückseite eines bayerischen Zahlungsbefehls las:
„Erheben Sie nur dann Widerspruch, wenn Sie -en gefor-
derten Betrag nicht schulden, oder wenn er noch nicht fällig ist!
Ein grundloser Widerspruch kann sehr hohe Kosten zur Folge
haben!"
Eine solche Inschrift könnte auch das badische Justizministe-
rium auf jedem Zahlungsbefehl anbringen lasscir. Wozu faule
Prozesse führen? Darum, Schuldner, lege gegen einen Zahlungs-
befehl nur dann Widerspruch ein, wenn du das Geld nicht schuldig
bist! Sonst machst du dir hohe Kosten. Die kannst du sparen und
dafür deinem von dir so zärtlich geliebte,r Gläubiger ein schönes
Geburtstagsgeschenk kaufen.

Soziale Rundschau.
Die gleitende Gehaltsskala für die Beamten.
8.r». Berlin, 3. März^ In der heutigen Sitzung des N
Ausschusses erstattete der Abg. Morath (D.V.) Bericht über die
Tätigkeit des Unterausschusses, der zur Prüfung der Möglichkeit
der Einführung einer gleitenden Gehaltsskala eingesetzt war. Del
Unterausschutz ist zu dem Ergebnis gekommen, datz die möglichst
baldige Einführung der gleitenden Skala wünschens und emp-
fehlenswert ist. Ueber die Einzelheiten der Durchführung jedoch
hat keine Eistigung erzielt werden können. Von feiten der Re-
gierung wurde Wert darauf gelegt, die folgende Frage beantwör-
jet zu sehen: Hält es der 23. Ausschuß für erträglich, -ätz bei Ein-
führung der gleitenden Skala die Beamten hinter den Arbeitern
Zurückbleiben, Wenn diese durch Tarifverträge höhere Bezüge er-

So wahr mir Gott Helf!
Eine Bauerngeschichte aus dem Taunus
von FritzRitzel.
(26. Fortsetzung)
„Warum wir den Bries nit gezeigt Hawe? Des Mk ich dir
MAS genau ansenanner setze. An -en Bries Hot Laans mehr von
uns gerecht, wie die alt Jette gestorwe is und der Prozetz woge
MM Wiese los is gange. Der Brief is jo zwM Jcchr vor der
Jette ihrnr Tod geschpi-ewe. Mehr wte hunnert Mol Hot sie uns
Versproche gehabt, datz die Wiese an uns falle sollte — do war's
uns -ganz aus den, Sim, komme, -atz sie es Ms nach emol schrift-
lich gewe Hot. Erft nachdem der Prozetz längst vorbei war, -o is
Mr beim Raume der Brief i-n die Händ komme. Do hätte wir
jetzt hingehe un dein Vatter unglücklich Mich« könne. Wir hawe's
nit getan. Warum ? WM wir uns Sünd gefürcht hawe, Böses ,M
Bösem zu vergelte — weil uns die arm Mutter, du un dein Ge-
schwister, die Ihr doch nnschnldig an -er Sach wart, leid getan
häwe.. Wenn mein Mann iheit noch yinging NN tät den Bries vor
Gericht zeige — Lein Vatter wär en verlorener Man«!"
„Un domit wolle Sie mich zwinge, en falsche Eid zu schwöre,
Frau Hissenauer? Ich soll sage: „Sv wahr mir Gott Helf — ich
hab ni x gesehe?" sagte Georg mit erstickter Stimme.
„Es is kann falscher Erd — «du sollst nur schwelge! Fall doch
Nil immer Widder wie die Katz uff vier Fütz! Betracht dir doch
emo! die Sach ganz ruhig! Wenn dus an die groß Mock hängst,
datz du -en Louis gsssh-e host, dann kimmt unser armer Bub for
sei Lebtag ins Unglück, wir, sei Leit un sei Hochzeitern mit ihm —
bist Lu awer still un verrätst nix — wer Hot dann -o awer auch
nur -«geringste Schade? Kaan Mensch! Und du selbst host e alt
Unrecht gut gemacht, Schorsch — du bringst zwaa Familie, die sich
ihr halb Lewe kam spinnefeind gewefe sinu, Widder 4n Friede zu-
famme! Kannst Lu dich «daun do noch besinne?"
In flüsterndem Tone hatte Frau Hissenauer gesprochen und
Mr «sther,.W., tzest ..BMM» herangetreten, den osfeuvar das,
dvas er Ms dem Brief -er Dante Jette gelesen, -och mehr ergrif-
fen hatte, alS er sich nach seinen vorherigen Worten den Anschein
gab. Siarr hastete sein Blick am Boden und, als sähe er etwas
Entsetzliches, prägte es sich wie namenlose Angst in seinen Mienen
aus - vor dem gesehenen schriftlichen Beweis dort begann fein un-
erschütterlicher Glauben an den- Water dem Zweifel zu weichen —

-cur Zweifel, der ihn schon einmal nach jener Erzählung -es alten
Unton beschlichen hatte.
Und als Werfall« ihn Ml diesem Zweifel eine körperliche
Schwäche, -ließ er sich aus einen neben vem Disch stehenden Stuhl
nieder und stützte den Kopf mit der Hand. Er mutzte in dem Wirr-
saal der auf ihn einstürmenden Gedanken erst einen Hast suchen,
mußte erst klar mit sich werden, ehe er einen Entschluß faßte. Trotz
der immer mehr zunehmenden Dunkelheit erkannte die kluge Frau
Sabine wohl den Eindruck, welchen der Brief und Hre Worte aus
Len Burschen gemacht hatten. Sie hatte entschieden an Terrain ge-
wonnen — Georg schwankte und wtes Hr Ansinnen nicht mehr
mit zornigen Worten zurück, La galt es jetzt noch sine« letztet«
Trumps anszuspielen und alle seine -- wie sie sich sagte — klein-
lichen Bedenken zu verscheuch«!. Mit einer mütterlich zutrau-
lichen Bewegung legte sie -em Burschen die Hand auf die Schulter
und sagte in liebevollem Don:
„An Schorsch — wie täte mein Mann un ich uns freue, wenn
Wir endlich aa-nig mit Eich Wär«! Mei Malche War überglücklich
— du brauchst nit zusMunenguzucke, ich wakch jo, -atz des Malche
-ich gern Hot, do müßt ich jo nit sei Mutter sei, un ich Waas; nach,
daß dir unser Mädche a -es Herz gewachse is — die Müdcher draus
hawe mirs verzählt. Schorsch, an dir liegt's je-, ob alles gut aus-
geht, ob alles so kimmt, wie wir's Wünsche und gewiß auch du: Ich
will kaa Wort mehr rede — dein gesunder Verstand werd dir schon
sage, was du zu tun host!"
Mit leisen Schritten trat sie zurück, ergriff Len auf dem Tisch
Gegenden Brief und verließ das Zimmer.
Ws Georg nach einer geraumen Weste sich emporrichtete, war
er allein In der gemütlichen Stube der Schmiltebas war es ja
fast vollständig -Unkel geworden, so Latz Vie Umrisse -er altertüm-
lichen Möbel kaum zu erkennen waren. Eintönig dumpf tickte die
im Winkel sichende grobe GchrarMHr, gemütlich flnnmte der große,
aus der Hinterwan- ragemde Ofen; einige grelle Strahle,warben
fielen aus feinem unleren TM Ms den wechgeschenerstn Fußboden
und halbverwehte Laute von Me-nschensWmren drangen aus der
anstoßenden Küche herein. Begierig lauschte Georg -en verschib-
Lcuen. Tönen, heftete forschend seine Blicke aus dm am Boden spte-
l end en Feuerschein, aus die sich in matter Helle von der gegenüber-
licgeudön Wand abhsvenden Bst Mr, als wolle er sich vergewissern,
ob denn alles Wirklichkeit sei, was er in Lieser Stunde erlebt un-
erfahren. Ein solcher Sturm der verschiedenartigsten Enlpsindnn-
gcn hatte noch niemals fein Innerstes dmchtobt. Quälender Zwei-

fel an der Unschuld Ms Vaters, banges Hoffen Ms die Erfüllung
seiner heißesten Wünsche, Empörung über das von -er Mutter
Mulchens an ihn gestellte Ansinnen, -- alles wogte wirr durch-
einander und raubte ihn, jede Fähigkeit, seine!,; eignen festen Wil-
len zu behaupten. Was sollte er tun, nur sich aus diesem Zwie-
spalt zu lösen und doch sein Gewissen rein zu erhalten? WeuU
der Inhalt -es verhängnisvoll«« Briefes in die Oeffentlichkeit
kam, »dann war Lee Name seines Vaters, sein eigner Name lst-
brandnmrkt für alle Zeiten! Galt auch die Angabe -er Schreiberin
nicht als Beweis für Mu Meineid, und wär die Straftat als solche
möglicherweise verjährt — in der öffentlichen Meinung ivar der
Vater gerichtet, Las Verbrechen, -essen man ihn im Geheimen be-
zichtigte, war dann in Len Augen aller vollgültig erwiesen! Konnte
er, der Sohn, -en Vater Preisgeben? Winkle HM nicht das er-
träumte Glück au der Seite jenes holden Wesens — ivar ihm dies
Glück nicht als Preis geboten worden; wenn er von dem graden
Weg, der ihm Richtschnur für sein Leben war, nur um ein kleines
zurückwich? -
Mit dumpfen Schlag verkündete die Mr in, Winkel di« fünfte
StMtdc. Erschreckt fuhr der Sinncrwe zusaiMien und sah sich
scheu um, als befürchte er, -atz jemand seine geheimsten Gedanken
berauschen könne. Wie ein Dieb, -er jede Beghgnnng mit Mew
scheu scheut, schritt er dann leise aus den Zehen durch das Zim-
mer, klingle vorsichtig die Tür auf und verltetz eilig das Zimmer
Theater, Kunst und Wissenschaft.
Konzert Bruno Stürmer.
Gestern, Sonntag vormittag, sand im HMsü Karlftratze 16 das
5. Konzert mit Kompositionen moderner Musiker stai-t. Diese zeit-
genössischen Komponisten machen einein das Verstehen -essen, was
sie wollen und fühlen, Las Aufsehen in ihren Gedanken, nicht
leicht. Die hergebrachten Formen vielfach verschmähend, schaffen
sie sich bewußt Hre eigenen Gesetze, einen neuen Rahmen. Sicher-
lich ist das Meiste dem gährende Geiste unserer Zett entsprungen
Gutes und Wertvolles mit Unbrauchbarem, Vergänglichem ge-
mischt. Die Läuterung und Ausgeglichenheit wird auch Hier Mw
kommen. Die stärkste und ansprechendste der drei zum Vortrag ge-
brachten Kompositionen scheint uns die von' Elisabeth Stürmer
recht gut gespielte Sonate von L. W i n d s p er g e r für Geige ,m»
Klavier zu fein. Nicht nur die scharfe Gliederung dieser Sona«
in drei charakteristische Sätze, sondern auch die Erfindung und trey
 
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