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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Januar bis April)

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Nr. 51 - Nr. 60 (1. März - 11. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48721#0328
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von- ihm «K ehenMigett „großen Mann der nationalMeral«
Reichstagssraktton" Mvarket hatte. Der Kommunist R i,1 t c r be-
mühte.sich vergebens, Das Btni, Das ans Den KoinmunGen durch
den MSWwsstrmv tastet, von seiner Partei «bznwaschen. «Reich
dem kommunistischeu Redner erNärte der Unabhängige Frei-d-
hof, den Etat des JiiiMiumristerirnns abzutchnen. Jtiteressant
war schließlich die dlnertennmia der ruhigen Entwicklung Badens
durch den Landbundvertreter, Herrn v. Au. Zum Schluß der
Bomutttagsfitzimg las dann Minister Remmele dän KomnM-
nisten eine verdiente Philippika, die Ne Anhänger der Putschtakitt
nicht vor den Spiegel hängen werden. Alles in allem brachte die
Generaldebatte dein Ministerium des Innern die verdiente An-
erkennung, woran böswillige Hetze aller Feinde der Republik von
links und rechts nichts ändern können.
21. öffentliche Sitzung.
Präsident Witte m a nn eröffnete die Sitzung um 9.80 Uhr.
Bon den Abg. W«ber-BMen (Lib.V.) und Gen. ist eine
körmRche Anfrage bezüglich des in Baden-Baden proklamier-
ten Generalstreiks eingegangen.
Auf die kurze Anfrage Les Abg. Grotzhans (Soz.)
teilt die Regierung mit, das; ihr Gerüchte zügekommen sind, daß
im Oberland-neues Getreide zu 2000 Mk. Per Doppelzentner
ausgekaust werde. Tatsachen waren hierfür nicht zu erbringen.
Sollten sie erbracht werden, so wird die Regierung wogen Preis-
treiberei einschreiten.
Fortsetzung der Beratung des Voranschlags des Ministeriums
des Innern.
Ein Antrag H-ertle (Landbund) u. Gen. wünscht mit Be-
ginn des Wirtschaftsjahres 1922/23 restlose Aufhebung der noch
bestehenden Reste der Zwangswirtschaft.
Mg. S ch m id t - Bretten (Dtsch.-Natl.) begründet seinen An-
trag bezüglich der Zujanmnensetznng der Schlichtungsausschiisse zur
Wahrung der Interessen Lek Gemeinden. — Der Antrag wird dem
Ausschuß überwiesen.
Eingegangen ist ein Gesetzentwurf Mer die Regelung
des Staatshaushalts für ISA und 1921.
Ein Antrag der weiblichen Mitglieder des Hauses wünscht
Ausbau der Einrichtung der Polizeisürsörgeriumn.
Minister Remmele:
Was die Volksmoral betrifft, so besteht manche Kritik am Ver-
haMn vieler Gesellschaft^ zu Recht. Trotzdem ist ein ge-
wisser Fortschritt zu verzeichnen, wenn man an die Tanzwut von
1919-1929 zurücldenkt. Auch Hier werden sich Wieder die alten
MoraWegrifse cinstellen. Hierzu müssen alle VolMrsise mit arbei-
ten. Bezüglich Sparsamkeit in der Verwaltung werden ebenfalls
Fortschritte gemacht. Die Kriegswirtschaft ist aufgehoben. Im
Abbau der Verwaltung vom Kriege her sind wir stark vorwärts
gttoMmen. Für die Höhe der Ausgaben an einzelnen Positionen
ist nicht unser Wille maßgebend, sondern Re Zeitlagc. Wenn die
PotizeiausgabeN hoch sind, so rührt es davon Her, daß bestimmte
Vslkskreise uns soviel Arbeit geben, daß mehr Polizei nötig ist.
Es waren Putsche, Re uns s. Zt. zur Errichtung der FreiWÄ-,
ligenbataillone vermAaßten. Die Weisungen Mer den Kommu-
nisten-Ausstand im Mürz 1921 zeigen genau, was au Vorbereitun-
gen zum Putsch iii. Baven getroffen wurde. Es Kahdelte sich Wer
nicht um SpitzeWerichte, sondern um Anweisungen der „V.K.P.D."
an Vie Ortsgruppen. Darin heißt es, ratz den Worten auch Taten
folgen.müssen. Angesichts dieser Tatsachen erheben die Kommuni-
sten nun heute noch Anklagen. Es war alles darauf angelegt, die
Polizei zu provozieren, damit es MrttveriOetzen gibt und die Kom-
munisten Dam» als Befreier dastehen. Die grossen Schichten des
VR»es machen mit Recht die Regierung verantwortlich, wem» es
zu Unruhen und Plünderungen kommt. Wir Rüden an sich De-
monstrationen; aber wenn die ResierUNg sie in einer Zeitlose für
bedenklich hält, dann müssen sich Die Demonstranten fügen. Die
Urheberin aller Arbeitermorde ist viv Kommunistische Partei. (Sehr
richtig.) Sie hat das Recht verwirkt, andere wegen Blutvergie-
ßens zu kritisieren. (Sehr richtig.) (Abg. Schofer (Ztr.): Wo
blechen die Zw-ischsnruse des Herrn Dock? Abg. Frau Unger
(UM).:- Das bleM in der FginM.)^ ./(Grobe- Heiterkeit.) tzeft
sicht, dgtz den Kommunisten der Wsenbahnerstreik zu früh kam.
Auch hier war start kommunistischer Einschlag. Die ProUauiienmg
des Fguftrcchtes war. noch nie von der Regierung beabsichtigt.
maßgebend. Was die Banken in Baden-Baden betrifft, fo ist hier-
für der Vertrag zwischen Staat und Stavtgememde rnatzgebend.
Denn gleich Badenweiler nnd Bad Dürrheim sind Lei BaLcn-
Baden die Heilquellen, die auch der ärmeren Bevölkerung zugute
kommen, maßgebend. Der Ausdruck Lu-mpengesirsdel ist unberech-
tigt, so bsdiiuerlich auch manche Vorgänge im Kurhaus in Boo m-
Baden sind. Un» die Kohle,»Versorgung sind wir bemüht. Bei der
Brenniholzversorgrnrg ist es, nach Aushebung der Bewirtschaftung,
schwierig hierzu zurückzukchren. Die GeureindeverwMungen soll-
ten nicht nur Forderungen an die Regierung stellen, sondern sich
selbst etwas nm Re Breimholzuotlage kümmern. Gegen die Aus-
fuhrverbote von Württemberg nnd Bayer?» haben wir schon mehr?
malS Beschwerde bei der Reichsregierung erhoben.

Rachuiittagsfitzuns.
Minister Remmele ergänzt seine vormittägigen Ausführun-
gen Bei den Heil- und Pflegeanstalten ist man mit der
Ermäßigung der Sätze sehr weit gegangen. Von weiteren Bau-
projekten dieser Anstalten sah mau ohnehin ab. Mr genügende
Unterbringungsmvglichkeit ist gesorgt. Die Dienst,eit des tech-
nischen Personals ist eine achtstündige nnd dabet bleibt es. Nur
beim Wartepersonal kann eine Verlängerung in Frage kommen;
hierüber sind Erhebungen im Gange. Die Kranken müssen eine
Behandlung erfahren, die menschenwürdig ist. Bei der B i n anz -
not der Gemeinden mutz man die psychologischen Wirkungen
der Steuern in Rechnung stellen. Für uns handelt es sich darum,
die schlimmsten Auswirkungen des Steuersystems zu beseitigen. Am
System selbst kann nichts geändert werden. Wir müssen aus dem
Lastenausgleichsstock den Gemeinden Mittel für die Volksschule»
zur Verfügung stellen; ähnlich müssen Mittel für die Krankenhäuser
beschafft werden. Die Vorarbeiten des Gesetzes zurFörderung
der Sparkassen sind beendet. Die Neuregelung mutz der
neuen Steuergesetzgebung Rechnung tragen, die entgegen den Wün-
schen Badens den Sparkassen wenig günstig ist. Der Kreditwürdig-
keit der Sparkassen droht Gefahr, wenn ihren Beamten zu grotze
Bewegungsfreiheit gegeben wird. Alle Wünsche lassen sich deshalb
auch bei der Neuregelung nicht befriedigen. Die Voranschlags-,
Nechuungs- u. Geschäftsordnung der Bürgerausschüsse wird gegen-
wärtig von den beteiligten Kreisen geprüft. Was die Volksver-
tretung an Anerkennung über die Beamtenschaft sprach, akzeptiere
ich in deren Namen gern. Die Dienstfreudigkeit war immer da.
Der Krieg hinterließ zwar auch hier manchmal Wirkungen, sie
waren jedoch Ausnahmen. Im Fall Ziegelhausen haben wir die
Grenzen des Verwaltungsaufsichtsrechtes nicht überschritten. Die
T e ch n i s ch e N o t h i l f e ist eine Reichsgründung. Die Länder-
regierungen haben ihr keine Instruktionen zu geben. Sie darf nur
bei lebenswichtigen Betrieben eingesetzt werden. Sie
bei Streiks einzusetzen, mutz aus technischen und moralischen Grün-
den abgelehnt werden. Wer sie zu Streikbrecheroraanisationen
machen will, gefährdet den inneren Frieden. (Sehr richtig! bei den
Sozialdemokraten.) Wir haben uns das Vetorecht einräumen lassen!
Wann die technische Nothilfe eingesetzt wird, hat die Negierung zu
entscheiden. Denn ihr Einsatz erfordert auch Polizei! Von unse-
rem Weg lassen wir uns nicht abbringcn. Ueber unsere Auffassung
und deut Sitz der Technischen Nothtlfe tu Stuttgart bestehen keine
Zerwürfnisse. Die Beschwerden Mer die „Karlsruher Zeitung"
Werde ich nachprüfen. (Beifall.)
Ein Antrag ans Schluß der Generaldebatte wird gegen die
Stimmen der Unabhängigen, Kommunisten und einiger Sozial-
demokraten angenommen.
Gpezialberntimg.
Abg. Rausch erklärt, datz die Statistik der Geschlechts-
krankh eiten in Baden ein völlig unzutreffendes Bild gibt. Zur
Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und der Tuberkulose sollten
höhere Geldmittel gewährt werden. Den Städten und Vereinen
sollte in dieser Hinsicht weiter entgegengekommen werben. Der
Antrag ans Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten durch auf-
klärende Vorträge «Nh Films ist ein Messer ohne Klinge. Bei der
Prostitution sollte ein Fürsorgesystem an Stelle des Polizeisystems
gesetzt werden. Das bisherige Systent der Bekämpfung der Ge-
schlechtskrankheiten war nicht erfolgreich. Mau sollte gegen die
Bestimmungen des neuen Gesetzeiitwurss zur Bekämpfung der Ge-
schlechtskrankheiten nicht anlümpfen. Das Uebel der Prostitution
mutz mit neuen Mitteln bekämpft Werden; ich bitte daher um Ab-
lehnung des Antrags Dr. Schofer.
Abg. Frau Dr. Bernays (Lib. Vp.) begründet ihren Antrag
auf ausklürende Vorträge zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten.
Del» Antrag Dr. Schofer stehe ich teils zustimmend, teils ablehnend
gegenüber.
Ministerialdirektor Leers macht Mitteilungen Uber die gesetz-
geberischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten.
Abg. Dr. Kull,nanu (Soz.): Wir stehen auf dem Stand-
punkt, daß der Regierung die öffentliche Moral nicht gleichgültig
sein kann. Pie Schundliteratur mritz bekämpft pocrden. Die Poli-
zeiliche Bekämpfung ist jedoch wirkungslos. Der Kapitalismus
schreitet über jede Sittlichkeit hinweg. Jedes Verbrechen ist auf
soziale Ursachen zurückzuführeu. Ein Mittel, der Schundliteratur
den Boden zu entziehen, ist die S ch ü l e. Auch bei den Lichtspielen
darf man Vas Kind nicht mit dem Bade ansschiitten. Die Geschlechts-
krankheiten müssen auch aus bevölkerungspolitischen Gründen be-
kämpft werden, denn sie habe» vielsach Unfruchtbarkeit zur Folge.
Die Reglementierung der Prostitution hat als Mittel zur Bekämp-
fung der Geschlechtskrankheiten völlig versagt. Es ist ein Unrecht,
daß die arme Frau, die an eine Prostituierte ein Zimmer vermietet,
ins Gefängnis wandern soll, während der reiche Vordellbefitzer
straffrei ausgeht. Aus den verschiedenen Gründen müssen wir
daher den Antrag Schofer ablehneu.
Nächste Sitzung: Freitag nachmittag ^4 Uhr. Tagesordnung:
Fortsetzung der Beratung des Ministeriums des Innern. Gesetz
entwurf über die Kaligewerkschafs.
Schlus; der Sitzung; 8 Uhr.

Die Brotverteperunq und. die in..syMWRHDMge..WHeudkU
GemeiüdeimgrhöAaen.
Vor kurzem Hai die sozialdeniokratische LaudtagssxMiou den Z
Antrag gestellt, daß Mittel in den Staätsvotzmfchlag chngeftellt
werden, um den Gemeinden Zuschüsse zu geb eil, damit ^ste ihren
tn sozialer Fürsorge sichenden Angehörigen das Brot auch ferner
zu dem Preise vor dem 16. Februar1922 abgeben können.
Gin Mannheimer Vertreter begründete ihn am Mittwoch im
Hansl,altsansschnß und wies darauf hin, daß in Mannheim allein
2200 Personen in sozialer Fürsorge stehen. A
Das Zentrum hatte eWn ähnlichest Asttrcch eingereMt. Der
Berichterstatter Dr. Schmitt Hob auf einen bayerischen Antrag
mit denselben Zielen ab, der monatlich 6321000 Mk. kosten würde.
Das Reich hat ihn aber Mgelehnt. Ans Baden übertragen,
würde Re Durchführung eines solchen Antrages die Suinme von
monatlich S440 0M Mk. erfordern. Der HmrsHMKMksschuß
einigte sich deshalb aus folgenden Antrag: Der LandM Äolle be-
.schWetzen, dis Regieruins zu ersuchen zu prüfen, ov nicht Mittel in 2
den Staatsvorcmschlag eingestellt werden können, um den iNemein?
den Zuschüsse zu geben, damit sie den Sozial- und Kleinrentnern,
kinderreichen, bedürftigen Familien sowie dell in sozialer Für-
sorge stehenden Personen das Brot auch ferner zu dem Preise vor
dem 16. Februar 1922 abgeben können."
AI8M MMWkMSW.
Kongreß der Gewerkschaften Deutschlands.
Leipzig, 9. März. Der 11. Kongreß der Gewerkschaften
Deutschlands ist zum 19. Juli nach Leipzig öistberusen worden.
Auf der Tagesordnung stehen u. a. Punkten: Betriebsräte und
Gewerkschaften, das zukünftige Arbeitsrecht in DeutschlaW, Äen>-
dcrung der Nnudcssatzungen. /
Die Bcamtenzcutrale des A. D. G. B. und Afa-Bundes.
Wie die neueste Nummer des „Deutsche» Eisenbahner" mit-
teilte, billigt der erweiterte Vorstand des D. E. V. die unter Mit-
wirkung seiner Vertreter beschlossene Satzung der zu errichtenden
frcigeivcrkschast!ich«i B«mtenze!ttrale des A. D. GB. und des
Afa-Bundes. Nachdem auch die Übrigen beteiligten Verbände des -
A. D. G. B. und des Afa-Bundes dem Satzunasentwurf ihre Zu- :
ftimmnng gegeben haben, kann jetzt die Zentrale ihre Tätigkeit
ausn-e'hmen. Wie Mr hören, soll das auch sofort gefchehem

Aus dem Parteüederr.
Sylvester Dschibladse-p.
Der Begründer der Sozialdemokratische,- Arbeiterpartei Geor-
giens, Sylvester Dschibladse, ist am 17. Februar <M das Opfer bol-
schewistischer Grausamkeit in Tiflis verstorben- Nach der Olknpa-
tion Georgiens durch die Bolschewisten wurde der alte Kämpfer
von den Agenten der OkkupatiousbehörLen ins Gefängnis gewor-
fen. Erst als er schwer krank, monatelang im Gefängnis Hanns
Verlag, wurde er in hoffnungslosem Zustande entlassen. Die Mo-
nate bolschewistischer Inquisition wogen schwerer als die Jahre
WiMcher Verbannung, die Dschibladse im Dienste der Arbeiter-
schaft zn ertragen hatte. Kurz nach dem Lose des Alten wurde
die Wohnung, in der feine Leiche aufgesahrt war, von der politi-
schen Polizei der -OkkupationsbshörLen besetzt. Bott betrunkenen
Soldaten wurde die Leiche gewaltsam weggeschafst und an einem
unbekannten Ort vergraben, der erst am nächsten Tage ausfindig
gemacht werden konnte.
Eine Tagung des Partriausschusses.
Berlin, 8. März. Der Parteiausschutz der Sozialdemokrati-
schen Partei, der Heut« in Berlin im Reichstag zu einer Tagung
zufammentrat, beschäftigte sich heute vormittag mit dem von der
Sozialdemokratischen Partei unterstützten Steuerkomprontttz. Wei-
ter steht das Problem der Internationale aus der Tagesordnung.
In einer Nachmittagssitzung beschloß der Parteiausschutz, den
1. Mai durch Arbettsruhe zu feiern; der Verkehr soll aber
Wi-e an Sonntagen ausrechterhalten und Re gemeinschaftliche Feier
Mit den Unabhängigen soll in einzelnen Organisativuen berateir
Werden. '
Des weiteren hat der Parteiausschuß beschlossen, den diesjähri-
gen Parteitag der SozialdeMokratischen Partei für die zweite
Hälfte des September nach Augsburg einzuberufen.
Die in Ovcrschlesicn getroffenen Maßnahmen wurden
von» Partciausschns; gutgcheitzen. Für den Tag der Ucber-gnbe
Oberschlcsiens haben die Rechtsparteien Trauerkuudgevuugcn ge-
plant. Unsere Genossen lehnen die Teilnahme a b, weil sie an-
gesichts der noch bestehenden Örgesch-Organisaliouvn nationalisti-
sche Ausschreitungen befürcht«,».
Am heutig«» Donnerstag wird der ParteRSlusfchutz genrein-
fam mtt den Redakteuren der Parteipresse die politischen Tages-
fragen besprechen.
WAsW. U M BIM.

So Wahr mir Gott Helf'!
Eine Bauerngeschichte aus den» Tamms
z von Fritz Ritzel. «
l (30. Fortsetzung)
Mitt ausleu-hicuden Amen hatte Christoph Berger den Worten
kes Sohnes Hngehört. Dennoch schien . er von demselben noch
näht ganz befriedigt, denn in feinem leisen Kopsschütteln prägte
sich etwas wie leichtes Mißfallen auf und Wie Vorwurf klang es
aus seiner Stimme, als er jetzt sagte:
„Awer Schorsch — do host du fo e schwer Süud uff dich lade
wolle, daß Man falscher Schein uff mich fällt?"
„Nit nur deswegs hab ich i«it gewußt, was ich umche sollt, Vat-
ter! Noch etwas anneres war's, was mir im Kopp ernm is sänge
— Tag un Nacht. Warum soll ich's Euch uft verrote, Vatter? . . .
Des Hissenauers Malche Hot mir's angetan! Mei Lewe gäb ich
for d<es Mädche — un jetzt soll ich hingche un soll dem Malche sei»
Bruder ins Unglück bringe?"
„Nm Gotteswille, Schorsch — du Werst doch Nit im Ernst an
Re. Tochter von den« Leit denke, die mir un deiner Mutter im
Lewe so viel Böses angetan Howe?" unterbrach Christoph Berger
erschreckt den Sohn. „Do könnt kaan Soge druff liege — nach,
wenn du's bei ve Alte dorchsetz« tatst! Dei' Unglück wär's, wie's
«ach nreins gewese wär, wenn ich domols den; Malche sei Mutter
gefreit hätt! Art läßt Nit von Avt! Unser Herrgott behüt dich vor
erer Fraa, die wo kaan annem Wille kennt, als wie ihr» eigene!"
„Vatter, Ihr kennt des Malche ntt, wie ich's kenn! Des Malche
«llaans is schuld dran, daß ich ufs de rechte Weg komme bin —
daß ich übcrmorje vor Gericht alles sag, was ich totschwe-ige wollt!
Mag ihr Mutter fein wie sie will — des Malche geht kaa krumme
Weg! Dem. Malche Hab ich's zu danke, daß ich kaan falsche Eid
schwör!"
Dem Malche Host du's z« danke? fragte erstaunt der Vater.
«Ja, wie wär dann des?"
„Wie die Fraa Htsseuaner dehinuer is komme, daß ich ihr
Mädche gern hab — ich waatz es ntt! Awer sie Hot mir Nipp un
klar Versproche, daß des Malche mei Fraa werd, wenn ich vor Ge-
richt nit sage tät, Satz ich dem Louis im Wald begegeuH bin!"
„Des sieht ihr ähnlich, der Biua!" warf Christoph Berger er-
bittert ein. „Amn (EttMn) de Brei ums Maul erum ru schuttern
— des versteht sie! No, un weiter!"

„Vor erer Stund do bin ich Leu» Malche selbst drowe in der
SiWerbach begegeud. Es war kann Zufall — sie Hot mich abgepatzt!
Aus Augst bevor, daß ich den Eid leiste tät, wie mir's ihr Mntter
zugemut hot, war sie komme. Un beschwöre Hot sie mich, nur Re
Wahrheit zu sage, wenn nach ihr Bruder ins Unglück kam. Un
warm» Hot sie des getan? Weil sie mich grad so gern Hot, Mc ich
sie — weil sie ntt leid« Wollt, daß ich mir mein ganzes Lewe lang
en Vorwurf zn mache Hätt. Wem» wach Re Feindschaft zwischen
rmsern Leit noch größer Werd, wen» wir zwar» auch nie zusamme-
romme — Hot sie gesagt — dann hawe Mr nns doch nix vorzuwerfe
un Lu behältst Lei' gut Gewisse! Des Hot des Malche getan, Vat-
ter. In der is kaa falsch Mer. Sticht Euch in der ganze Wett e
Zwaates, wo so brav denkt!"
„Des Hot des Malche getan?" wiederholte Berger betroffen.
„Un Ernst is i'hr's gewese?^
„Heiliger Ernst," versicherte Georg. „Do könnt Ihr Euch
— unser Herrgott müßt dann gvad e Wunner tun!"
„Dann all«! Reschpekt vor deut Mädche! Vor der mutz man
die Kapp abzieHc!" sagte der Mte bedächtig. „Awer dir mutz ich
Vorwerse, Schorsch, daß du so laug Re Geschicht in dir ernmgetrage
host, ohne mir, Leim Vatter, « Wort zu sage."
Der Alte hatte-sich hochaufgerichtet, legte die Hand auf des
Sohnes Schulter und fuhr in fast feierlichem Tone fort:
„Du Host gezweifelt an mir, Schorsch — leugn's ntt, du host
gezweifelt! Ich trag dir's ntt nsoch, denn du bist nur en Mensch
»nid der Schein is Widder mich! Siwer grad DeshaW sag sch, dein
Vatter, dir jetzt: Lotz des Hifsenaners den Brief von der Tante
Jette vor Gericht un vor aller Wett zeige — loß des Malche for
dich verlöre sein un kimmt dich's noch so hart an —, awer geh ult
vom grade Weg ab! Sag Re Wahrheit, Schorsch — verschweig
aach nix! Denk dran, Latz du schwöre mutzt: So wahr mir Gott
Helf!"
Die letzten, durch das offene Fenster fallenden Strahlen der
Abendsonne umwoben wie mtt einer Myrte Re Gestalt des Spre-
chenden, der mtt feierlich erhobener Rechten wie ein Apostel der
Wahrheit mahnend vor Dein Sahne stand. Wenn sich in dessen In-
nern »och der leiseste Zweifel an der Schuldlosigkeit des Vaters ge-
regt Hatte — vor diesen Worten flog er wie Spreu vorm Winde
davon. Der Mann, welcher mtt solcher Rückhaltlosigkeit, ohne sich
zu besinnest, zum osfencu Bekenuen der Wahrheit a.nssürdcrte, wenn
MM der Schein begangener Missetat dadurch auf ihn selbst siel,

mutzte ein reines Gewissen besitzen! Mit aufleuchtenden» Blick
faßte Georg des Vaters Hand, preßte sie innig und sagte:
„Etwas anneres hab ich ntt von Euch erwart, Vatter! Mag's
komme, wie's Will! Ich sag Re Wahrheit!"
1V Kapitel.
Ein unerwartetes Geständnis.
Der alte Lorenz mutzte sich mtt feinen» eigenytächttgen Spa-
ziergang doch etwas zu viel zugemutet haben, Venn als Gäorg ihn
am andere!» Tage in seiner Kammer besuchte, fand er den Kranken
recht hinfällig. Der warme Sonnenschein »Md. Re berauschende
Frühlingslust in Verbindung mtt der Sehnsucht nach dem Walde
hatten eben die morschen Kräfte Les Kranken nochmals zmn Auf-
flackern gebracht und ihn mit einem vorübergehenden Wohlbefin-
den über feinen Zustand getäuscht — heute war der Wickschlag
vingetreten und machte sich mit quälendem Husten und erhöhte»!
Fieber in bedenklicher Weife gellend.
Der von Eppstein herdeigerufem Arzt nickte nur bedeutungs-
voll nrit den» Kopfe,- als er der» Kranken nuten achte, verschrieb ein
Bcrrchigutlgsmittkl nnd machte Vein» Fortgehen den Hausherrn
darauf aufmerksam, daß es mit Lorenz rasch zu Ende gehe. Wie
bei allen derartigen..Kranken sei der kommende Frühling gerade Lis
Jahreszeit, welche den DuMem Erlösung von iMer Anal.-MW.-.
Das Beruhigungsmittel, das dem Kranken gegen Abend ein-
gegeben wurde, war übrigens von auffallender Wirkung. Lorenz
verfiel darauf in einen anscheinend ruhigen Schlaf und verblieb
darin bis gegen Morgen, ohne der Hilfe der alten Urschel, welche
bei ihm gewacht hatte, zu bedürfen. Dann aber schien es wie eine
seltsame Unruhe über ihn zu kommen. Wiederholt fragte er, welche
Zeit es sei und wann Georg zu Gericht geh. Als ihm seine Pfle-
gerin bedeutete, daß der junge Herr noch schlafe und keinesfalls
vor zwei Sttmden nach der Bahnstatton saufbrechen würde, lag er
wieder eine zeiflauy sinnend in den Kissen und starrte nach der
Decke, während seine Lippen halblaute Worte murmelten. Dann
verlangte er nochmals Re von» Arzt verschriebene Medizin, nahm
einen Löffel voll davon nutz erklärte, Latz er Georg vor Lessen
Fortgehen unbedingt noch einmal sprechen müsse und zwar in einer
Sache von größter Wichtigkeit. Urschel möge deshalb, wenn lhr
an Lein LevensglUck Georgs.etwas gelegen sei, diesen Wecken -und
herbeirufen.
Kopffrhütttlud entssMte sich -die Alte, um Vern Wunsche Les
Kranken w-chzukommen, und bald daraus trat Georg, den Re grotze
 
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