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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Januar bis April)

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Nr. 91 - Nr. 100 (19. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48721#0518
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um dieser unwahren Bemerkung,die Menge aus das höchste erregten
und zu Unbesonnenheiten nusreizeu konnten?
Hansen: M) habe es mir Wohl nicht recht überlegt.
Vorsitzender: Hatten Sie von bestimmten rechtsstehende«
Kreisen den Auftrag, sich in dieser Weise zu betätigen?
Hansen: Ich kamt mich nicht mehr recht erinnern.
Verteidiger: Sie waren damals Faktor der deutschnaiio-
nalen „Mecklenburger Warte"?
Hansen: Ja.
Verteidiger: Das genügt wir.
Der Eindruck dieser Aussage war vernichtend. Selbst der
Staats anwalt nannte in seiner Anklagerede Hansen einen
„S ch u st". Die Geschworenen sprachen alle Angeklagten Ns Mts
zwei frei. Diese Seiden -erhielten kleine Gefängnisftrafm, die aber
durch die Untersuchungshast als voll verbüßt angesehen wurden.
Das verbrecherische Treiben der Deutschnationalen ist durch
diesen Prozeß HMänglich entlarvt. Wir können mit Bestimmtheit
behaupten, daß der Fall Hansen nicht der einzige ist, wo kommu-
nistische Arbeiter, ohne cs zu ahnen, von deutschuationaler Seite
zu Gewalttätigkeiten aufgeputscht wurden. Werden den verhetzten
linksradikalen Elementer» nun endlich die Augen ausgehend Wer-
den sie jetzt begreifen, wessen Geschäfte sie betreiben, wem sie einen
Dienst erweisen, wenn sie in gesetzwidriger Weise Vorgehen? Der
Fall Hansen redet eine Kare und eindeutige Sprache. Wer aus
ihm nicht lernt, Laß Ausschreitungen nnd Gewaltiätigleiten seitens
der Arbeiterschaft lediglich im Interesse der Reaktion liegen, der
kann nur als unheilbar verblödet oder als bewußter Verräter der
ArSeiterksche angesehen werden. Der Fall Hansen legt die Frage
nahe, welche Freude die Deutschnationialen über das bisherige
Treiben der kommunistischen Führer vom Schlage der Eberlein-
Zentrale empfinden mutzten. Dentschnationalc Parteigeschäfte
haben diese „Radikalen" besorgt.

Aus dem bayerische« Ordnungsstaat.
In der früheren Schwctnczuchtanstalt Neuherberge Sei Mün-
chen wurde nach Genehmigung durch den Regierungsprästdenten
v. Kahr eine „Fiirsorgeerzichu n gsanstatt" errichtet, trotz des energi-
schen Einspruches der bayerischen SoMldemokratem Die Zöglinge
Wachen in Schweinekoben, ohne ausveichendtz Licht- und Luftzufuhr
unterWbracht. Der Zweck dieses kulturwidrigen Unternehmens
War, ntit Hilfe der billigen Arbeitskräfte, die die Zöglinge dar-
stellen, eine menschenwürdige Anstalt, zunächst aber die dazu —
'offenbar sehr notwendige — Kirche zu Sauen. Der Bau ist natür--
lich nicht vollendet, aber die rücksichtslose Ausbeutung der Zög-
li'-w hat bereits schwere Opfer gefordert. In einem Münchener
ttra--cnhause Mrb ein 14jähriger Zögling an „Huugeröden" wie
die gerichtliche Sektion der Leiche ergab. Er War völlig unterer-
nährt und kämpfte bereits mit dem Lode, als er eingeliefert wurde.
Auch ein anderer Zögling wurde Mit den gleichen KrankheitKev-
scheinungsn eingeliefert, während ein dritter an Bauchtnberkulose
darNisderliegt.
Eine Kommission zur Untersuchung der unhaltbaren Zustände
stellte fest, daß fast alle Zöglinge infolge der übermäßig harten Ar-
beit Hände mit offenen Wunden hatten. Die zum größten Teil
noch nicht 14'Fahre alten, Kinder mußten täglich 9^ Stunden ar-
beiten und wurden trotz 'nnaeniebbaren Essens mit Ochsenziemer
und dergl. zur Arbeit getrieben Eltern, die sich über diese „Er-
ziehung" ihrer Kinder beim Fürforgevater beschweren wollten,
wurden Shue Weiteres abgewiesen.
Benterkenswert ist, daß .dieses saubere Institut unter dem be-
sonderen Schütze des Regieru'NgsprW v. Kahr steht. Es
gäbe Mo für diese gestürzte Größe sicherlich viel dankbarere Auf-
gaben zu erfüllen. Jedenfalls harren seiner Aufgaben, die viel
Wichtiger sind, als seine Besuche Sei den preußischen Funkern und
feine Ansprachen bei jedem nationalistischen Bockbierrnmmsl.
Aus dem ParLeileben.
Genosse Otto Orrs
Esfen, 19. April. Der Reichstags- und Landtagsavgeordnete
Otto Hue ist gestern abend im städtischen Krankenhaus an einer
Lungenentzünduug gestorben.
-!-
Der Tod Huös bedeutet für die gesamte deutsche Arbeiter-
bewegung, insbesondere aber für die deutschen und internationalen
Bergarbeiter einen unermeßlichen Verlust. Die Bergarbeiter hatten
im Kampfe gegen die Zechengewaltigen in Hue einen Führer, der
für sie infolge seiner großen Sachkenntnis und eisernen Energie Un-
vergängliches geleistet hat, aus fast allen internationalen Kongressen
war Hue der anerkannte Repräsentant der deutschen Bergarbeiter.
Nach vent Zusammenbruch Deutschlands hat er aus den verschieden-
sten Konferenzen, insbesondere in Spa, die gesamtdeutschen Inter-
essen aufs beste zu vertreten gewußt und auch jetzt war er wieder
als Mitglied der deutschen Genuadelegation be-
rufen worden, ohne jedoch den: Ruse folgen zu können. Auch un
fere Partei als solche betrauert den Verlust eines ihrer Besten und
Treuesten. Wenn heute in Rheinland und Westfalen trotz der ge-
waltigen Stürme von links unsere Partei fester steht denn je, so

ist das in erster Linie das Verdienst dieses so früh Dahingeschiede-
nen. Er wird uns unvergeßlich sein, sein Geist wird weiterleben,
wenn auch die körperliche Hülle gefallen ist.
Der Reichspräsident an die Witwe Hues.
8.P. Berlin, 20. April. R eich s Präs td e nt E b ert hat
an die Witwe des Genosten Huö folgendes Beileidstelegramm ge-
sandt: „Zu dem schweren Schicksalsschlage, der Sie durch das Ab-
leben Ihres Mannes getroffen hat, spreche ich Ihnen und Ihren
Kindern «reine herzlichste Teilnahme aus. Die deutschen Arbeiter,
namentlich Ne Bergarbeiter, verlieren in dem Dahtngeschiedenen
einen ihrer besten und unermüdlichsten Führer, der als
Sozialpolttiker und Volkswtrtschastler am politi-
schen Leben hervorragenden Anteil nahm und sich große, un-
vergängliche Verdienste erworben hat. Ich selbst be-
trauere in ihm einen lieben und treuen Freund, der mir
durch langjährige, gemeinsame Arbeit verbunden war."

Bezirkspartettag für Oberbayer»—Schwaben.
Der Bezirk Oberbayern—Schwaben der S. P. D. Gelt am 16.
und 17. April in München seinen Bezirksparteitag ab. Energischer
Protest wurde erhoben gegen den unerhörten Lebeusmiltelwucher,
der im Hinblick auf Ne Münchener Gewerbeschau und die Ober-
ammergauer Passtonsspielc im bayerischen Hockstand getrieben
Wird. Den kämpfenden Metallarbeitern Bayerns, Württembergs
und Badens sprach der Parteitag seine Sympathien aus und ve^
pflichtete die Parteigenossen allerorts, Ne Ausgesperrten und
Streikenden in jeder Beziehung zu unterstützen. Genosse Simon
(Schwaben) referierte nach Erledigung des Geschäftsberichts Wer
Stsuerfragen. Von der bayerischen Regierung wurde die Ein-
setzung einer Sachverftändigen-Kominisston gefordert, welche die
Möglichkeiten zur Herbeiführung eines PreiKstillstawdes Prüfer» und
Vie Aufnahme der Vorarbeiten der öffentlichen Bewirtschaftung
der notwendigen Lebensmittel in die Wege letten soll.
Mit größtem Interesse wurde das Referat Erhard Auers
Wer sozialdcniokraiische Landespolitik entgegengenornrnen. Auer
faßte die gegenwärtige politische Lage in Bayern unter dem Ge-
sichtspunkt „Bevormundungs- und Beaufsichtigungssystem des
alten ObrMettsstaates" zusammen. Neuerdings häuften sich die
Versammlungsverbote der Münchener PMzsidirektion wieder in
einer geradezu nn-erhörlen Weife. Traurig genug sei es alber, daß
das Verbot des Auftretens Der Führer der Eisenbahngewerlfchaft
in München auf Veranlassung eines R eichsbeamten, nämlich des
bayerischen Staatssekretärs Des Reichsverkchrslnwisteriums erfolgt
sei.
Der neuerlichen Schwenkung des MMsterPräfidenten Grafen
Lerchenfeld und des Führers der bayerischen Volkspartei, Abg.
Held, stehe die bayerische Sozialdemokratie mit einen» gesunden
Mißtraue»» gegenüber, sie sehe sich vor allem veranlaßt, zunächst
einmal Taten avzuwarten.
Die erste Forderung der bayerischen SozMdemokvaten sei
neben den» Verlangen nach Beseitigung des unerhörten Lebens-
nüttÄwltchers die organische Eingliederung. Bayerns in die deut-
sche Republik, die Vereinfachung der Staatsverwaltung und vor
allem des lediglich zu partUularistifchen Zwecken mißbrauchten
Lündtlag,es, der nach „Berreichlichung" wichtiger V-erwaltungs--
zweige seine EMenzberechtig-ung, wenigstens in dem alten Aus-
maß verloren habe.. . ' '
Der Reichstagsfraktion überwiesen wurde ein Antrag, die
bayerischen Gebirgsorte angesichts der jetzt nicht gelaunten Teue-
rung in Ne Gehaltsllasse 8 ci-nzureihen.
........—
KommuRÄles.
An den SLadtrai Heidelberg.
Die letzte BürserauSschnßsitzung beschäftigte sich ausschließlich
mit dem Bäuprogramm der Stadt Heidelberg in» Baujahr 1922.
Grundsätzlich wurde von Men Parteien an der Forderung scsi-
geb alten, Daß nur gebaut werden' dürfe, wo die Stadt keine Kosten
für Aufschließung des Geländes habe. Aus diesen» Gr-unde wurde
der Baugeländeplan für die Beamteufiedelnng verworfen
Auch die Gemeinnützige Baugenossenschaft für Volks- und
Krisserh-siMstätte» Hat einen Bauplan im Stadtteil KirchMM ent-
worfen und es sollen etwa 32 Wohnungen dorten erstellt werden.
Die Wohnungsnot in diesen» Stadtteil ist eine ganz besondere und
cs ist nur zu bedauern, daß die Stadt für diesen Stadtteil nicht vä-
terlicher sorgt. Aber die Bewohner Kirchheims wisse»» auch dis
Not der Stadt zu beurteilen und wollen deshalb nicht im gewalt-
mäßigen Drängen besondere Vorrechte für sich -in Anspruch nehmen.
Ja, die Mitglieder dieser Baugenossenschaft wollen, um Kosten zu
ersparen und dadurch eventuell mehr Wohnungen für unsere stark
in Wohnung bedrängten Familien zu erreichen, selbst in aktiver
Weise an den Banarbsiten milhelfen, soweit es in ihre»» Kräften
steht und ihre Zeit es erlaubt.
Nun hat die Gemeinnützige Baugenossenschaft der Stadt ein
BangEnde in Vorschlag gebracht, das alle gestellten Forderungen
des Bürgerausschusses erfüllt und der finanziellen Lage der Stadt
Heidelberg entspricht und das auch schon feit Jahrzehnten im Be-
vauuwgsplan Kirchheim als Baugelände vorgemerkt wurde. Jetzt,
wo dieses Gelände an der Moltkestratze in Kirchheim vebgut wer-
den soll, suchen 2 Ackerbefttzcr, Herr Stad trat Georg K alt-
schm ldt und Haüptlehrer K. Fischer ihr Gelände nicht zur

Verfügung zu stellen, während alle' anderen Ackerbefttzcr restlos
ihre Aecker sretgeben. Wie steht es nun mit den beiden sich streitig
stellenden'Herren?
Stadlrat Gg. Kaltschmidt ldentschnat.) zählt zu den reich-
sten und begütertsten Landwirten Kirchheims. Er ist also auf die-
sen Acker in keiner Weise angewiesen. Wem» Hm der Gartent-eil
direkt anschließend an seine Hofmite noch verbleibt, so hat er noch
so Viöl Gartenland, daß er seine Gemüsegärtnerei noch gut weiter-
betreiben kann. Sollte er aber versuchen, Mn -dem Gartenland
anschließendes Ackerland auch als Garten zu bezeichnen, so wäre
dies eine durchsichtige Mache, Ne in einer Zeit der Wohnungsnot
von einen» Stadlmt nicht zu verstehen wäre. Er wird doch sicher
anders Handeln, wie sein verstorbener Baler, der durch seine Bür-
germeistergewcilt verhinderte, daß schon vor Fahren dieses Gelände
bebaut wurde. Wir setzen aber von Stadtrat Gg. Kaltschmidt
als gebildeten Mann voraus, daß er das Wohl der Allgemeinheit
vor seine Eigeninteressen stellt und sucht in aller Bälde auf dem
Wege der Verhandlung das nötige Gelände in Güte an die Stadt
abzutreten.
Haüptlehrer K. Fischer hat seinen Acker vor ungefähr einem
Fahre von seinem sehr begüterten Schwager, dem Stadtverordneten
Mampel gekauft, um hier-eine G-einiisehand-elsgärtnerei zu trei-
ben. Also Herr Mampel brauchte den Acker nicht, dann verlauste
er ihn. Herr Fischer ist Haüptlehrer und -ist doch sicher »Nit seinem
einzigen Kinde nicht aus Neb-engeschäst angewiesen. Herr Fischer
brüstet sich doch so ost, ein wie reicher Landwirtssohn er fei! Da
ist er dock sicher nicht bei einem so großen Eigenbesitz von Güter
und bei solch reichen Schwager und Schwiegermutter auf diesen
Acker angewiesen?
Hat man bei Herrn Dr. Nacke und anderen den Mut und die
Beweggründe gesunden, deren Gelände zu enteignen, so muß auch
hier gleiches Recht für alle geübt werden.
Darum ihr Stadträte, macht jetzt eure Versprechungen wahr,
daß Ihr stets für die Interessen der Allgemeinheit eintreten wollt,
und sorgt dafür, daß jetzt endlich mitM-em Bau von Wohnungen
in dem -geplante!» Gelände in der Moltkestratze begonnen werde.
Oder ist der Geldsack mächtiger als das Wohl der Wohnungsbe-
dürftigen?
' Die Taten werdens zeigen!- F. Pf.

Bürgcrausschußfttzlitlg. Am Donnerstag, den 27. April, nach-
mittags 4 Uhr findet eine Mirger-aüsschußsttzung mit folgender
Tagesordnung statt: 1. Verkündung der Rechnungen der städt.
Kassen für das Rechnungsjahr ISIS—20. 2. Verkündung der Rech-
nungen der städtischen Kassen für das Rechnungsjahr 1920—21.
3. Verkündung der Rechnung der städtischen Sparkasse, sür das Fahr
1919. Nachprüfung der Besoldungsordnung.
Gemeinderatssitzung in Eppingen. Zu Mitgliedern der Holz-
verteilungskommisflon werde« bestimmt, die GomeiMerüte Biel-
hauer, und Frank, Kepner ^Wilhelm, Buchbinder,. Barth, Wald-
meister und AM, Stadirechnev Die Verpflegungskosten im 'Kom-
keuhaus werden mit sofortiger Wirkung festgesetzt für: 1. Mit-
glieder -der hiesigen Krankenkasse auf 30 Mk., 2. Ortsarme s) der
Gemeinden des Bezirks 30 Mk., b) der Stadt Eppingen 25 Mk.,
3. Kranke, die von einer Gemeinde außerhalb des Bezirks von
einer Berussgenossenschast oder Anstalt eingewiefen werden, 35
Mk., 4. Solbstzahler a) Wenn sie hier wohnhaft sind 35—40 Mk.,
b) auswärtige 40 Mk., c) wenn Einzelzimmer beansprucht wird 50
Mk., 5. Kinder bis zu 10 Jahren a) hier wohnhaft 2g Mk,, d) aus-
wärtige 30 Mk. für den Kops um.' Tag. Die durch Verordnung
von» 16. März 1922 erhöhten Schlachtvieh- und Fleischbeschau-
gebkhven sollen auch in hiesiger Gemeinde erhöbe»»- werden. Fleisch-
beschmier D iefenbachor soll die Hälfte dieser Gebühren als
Entlohnung erhalten. — Dem Kr-aftwagensührer Karl Maurer
werden von Mn Grundstück Ler.Schulpsründe Lagv. Rr. 1080 beim
Friedhof ein Teilstück von 3 Ar 85 Qm. bis Martini -1S22 nm
einen Pachtpreis von 300 Mk. überlassen. Das Schw-einernastts-
standgÄd wird auf 1 Btt. für, jedes zum Markte gebrachte 'Schwein
festgesetzt. — Die Anträge des Zenlralperbmtds der Gemeinde-,
beamten B-Kdens vom 25. 3. .1922 auf Anrufung des SclMH-tun-M-
ausfchusses zur Gehalts regst nug der Hebammen Hecker, Barth
ttnd Plag sollen an das Bezirksamt hier weilergeleitet werden.
— Die EinkcmssselderSsrechming sür den Bürgergenuß für das
Jähr 1922 wird ausgestellt. — Die Aufnahme des Taglöhners
Heinrich Wilhelm Gebhard hier in das angeborene Bürger-
recht wird auf 2 Jahre zurück-gewiesen. — Der mit Feldhüter Ink.
V l S s ch abgeschlossene DieMPertrag wird genehmigt. — An Stelle
des nach Pforzheim versetzten Forstmeisters Schaler wird gemäß
8 36 der Geui-ciridewahlordnt'ttia der Landwirt Georg Staub zum
Gemeind-ev «ordneten bestimmt. — Die über die Fahrstraßen füh-
renden gepflasterten Gehwege sollen in Zukunft im Falle des Be-
dürfnisses von den städtischen Wegwarten gereinigt werden.
UZ M» MS Sklk MUMM.
Osterverkehr im Sleiunchtal. Trotz des sehr schlechten Wetters
am zweiten Osteriag, war der Verkehr im Steinachtal allgemein
ein sehr lebhafter. Das konnte mau an» besten beobachten bei der
Abfahrt des Autos nach Neckarsteinach. Schon an der Haltestelle am
Marktplatz kau» es bereits zu AuSeinanderschuu-gen. Jeder wollte
hinein, doch konnten sie nicht alle mit. Da drängte sich dem Zu-
schauer wieder unwillkürlich die Frage aus: Warum wird denn nicht
auch den Sleinachtälern ihr Wunsch erfüllt und die Bahn sobald
als möglich fertiggestellt? Hätten wir erst einmal die Bahn, wie
würde sich erst dann der Verkehr zürn Wohle des ganzen Steinnch-
tals entwickeln. Noch mancher Fremde würde sich mit Vergnügen
den» schönen Steinachtal mit Freuden zuwenden, aber der Fußweg
hält manchen Wanderer ab und wandert dorthin wo er des Abends

„König Kohle".
Von Apton Sinclair.
(24. Fortsetzung) , -
Doch nun verlieh Mary Burke ihrer ätzenden Verzweiflung
Worte. Wie könnten die Dinge geändert werden? Die Herren
feien schlecht und gemein, die ArbMer Feiglinge und Verräter.
Es bliebe bloß Gott übrig, um eine Aenderung zu bewerkstelligen
— Gott aber hätte all diese Dinge so endlos lange -gesehen und sie
dennoch zugelassen. —
Hal war begierig aus Edstroms Antwort. „Mary," — fragte
der alte Mann, — „Haben Sie je etwas Wer Ne afrikanischen
Ameisen gelesen?"
„Nein," sagte sie.
„Millionen und AbernMionen von ihnen wandern in langen
Reihen. Gelangen sie au ebnen Graden, so fallen die ersten hinein
und die folgenden fallen auf die ersten, bis sie den Graden aussül-
lon und die übrigen hinüber können. Wir sind Ms Anreisen,
Mary."
„Keiner kommt Hintiber!" — ries das Mädchen. — „Wie viel
auch immer hineinfallen mögen, dieser Graben ist grundlos tief!"
Er erwiderte: „Das kam» keine der Ameisen wissen, Mary,
sie wissen bloß, daß sie hinein «Mssen. Sogar im Tode klammern
sie sich aneinander, bilde» -eine Brücke, über den der Rest schreitet."
„Ich falle nicht hinein, trete zurück" — erklärte sie heftig. —
»Ich will mich nicht Weswerfen!"
„Sie mögen Wohl zurücktreten" — lächelte Edstrom. „Sie
gehen daun doch wieder in die Reihe. Ich kenne Sie defs-er, als
Sie sich selbst kennen, Mary."
Tiefes Schweigen herrschte in der Keinen Hütte. Draußen
stöhnten die Winde eines frühen Herbstes und plötzlich deuchte
HcN, das Leben sei etwas Hartes, Unerbittliches. In feinem ju-
gendlichen Eifer hatte -er -gemeint, es wäre aufregend und span-
nend, ein Revolutionär zu fein; doch eine Ameise zu fein, eine vor»
Millionen und Wbertnillionen, in einem grundlosen Graben zu
versinken — wie konnte ein M-ensch diesem Gedanken gefaßt ins
Auge Sticken? Er sah aus die gebeugte Gestalt dieses weißhaarigen
Arbeiters, die im schwachen Lampenschein verschwamm» und jäh-
lings dachte er au Rembrandts „Jünger zn Emmis": das düstere
schmutzige Wirtshauszimmer, die zwei zerlumpten Männer, ver-
Z stumm-end vor der Glorie, die ihres Tischg-efähvten Gesicht verMrt.

Und es bedurfte keiner bcsonVeren Phantasie, sich auch um das
Haupt dieses milden, fanftstimmigen alten Mannes einen Morien-
schein zu denken.
„Ich habe nie gehofft, es noch zu erleben" — sagte leise der
alte M-aun. „Wohl hoffte ich, daß meine Sö-Hue es noch sehen
würden, jetzt glaube ich auch dies kaum mehr. Niemals aber habe
ich gezweifelt, daß Ne Arbeiter eines Tages ins gelobte Land oi-n-
ztc-hen werden. Sie werden nicht mehr Sklaven sein und das Pro-
dukt ihrer Arbeit wird nicht mehr von Müßiggängern vergeudet
werden. Und, Mary, glauben Sie es einem, der es Weitz, ein Ar-
beiter und eine Arbeiterin, die diesen Glauben nicht in sich traget»',
habet» allen Grund zum Leben verloren."
HM erkannte, daß er diese»» Manne trauen dürfe und erzählt«
ihm von feinem Vorhaben» Dann, Marys Warnung gedenkend,
fügte er Hinzu: „Wir wolle»» von Ihnen nichts als Ratschläge.
Ihre kraule Frau ..."
„Sie wird nicht mehr lange leben" — unterbrach ihn der alte
M-aun traurig. — „UM auch ich werde ihr bald folgen. Di« weni-
gen Kräfte, die mir geblieb-en, kann ich Wohl noch der gute» Sache
Widmen.
*
Die ganze Verschwörung war grimmig ernste Wirklichkeit für
jene, deren Leben von Hier Arbeit in der Kohlengrube abhing —
Hal hingegen empfand selbst in den schwerwiegendsten AugenhWk-
ken den romantischen Reiz. Er hatte von Revolutionärem gelesen
und von der sie Verfolgemden Polizei; wußte, daß man derlei auf-
regende Dinge in Rußland erleben konnte; hätte ihm jedoch jemand
gesagt, daß es dies auch in seinem freien Amerika -gab, wenige
Siunden von seiner Vaterstadt und der Universitätsstadt eufernt,
er hätte dieser Behauptung niemals Glauben geschenkt.
Am folgenden Abend Wurde Hal von seinem Schachtaufseher
auf der Straße angehalten; der junge Mann schrak bei der Plötz-'
lichen Begegnung zusammen, wie ein Taschendieb, der sich uner-
warteterw-eife einem Polizisten gegenüber befindet.
„Hallo, Junge!" — sagte der Aufseher.
' „Hallo, Herr Stone!" — kam die Antwort.
„Ich möchte mit Ihnen sprechen" — bemerkte der Aufseher.
„Gut, Herr" — und zu sich selbst sagte Hal: „Ich bin er-
wischt!"
„Kommen Sie in mein Haus" — sagte Stone, -und HM folgte
ihn» mit -einem Gefühl, daß dis Handschellen bereits seine -Knöchel
drüLen-

„Sagen Sie einmal" — bemerkte Stone weiterschreitend, —
„Sie sollten mir doch mitteilen, wenn zu viel geredet wird?"
„Ich habe nichts gehört."
„Nun, Sie könnten sich ein wenig mehr anstreMen; unruhige
Geister gibt cs in jeder Kohlengrube." Ganz leise atmete Hal tief
auf, es war demnach ein falscher Alarm gewesen.
Sie erreichten das Haus -des Aufsehers. Dieser Metz sich auf
der Veranda nieder und wies Hal einen Stuhl an. So saßen sie
im Halbdunkel und Stone begann mit leiser Stimme: „Ich
möchte übrigens mit Ihnen von etwas anderem reden; von den
Wahlen."
„Den Wablen?"
„Wußten Sie nicht, daß eine bevor steht i Unser Kongreß»»«»-»
ist gestorben und am Dienstag in drei Wochen findet die Ersatz-
wahl statt."
„Ich verstehe, Herr Stone." — Hal lachte innerlich, nun würde
er selbst erfahren, wovon ihm Olso-n gesprochen.
„Sie haben darüber nichts gehört?" — erkundigte sich de«
Aufseher.
„G'ar nichts, Herr. Ich kümmere mich nicht um Politik; das
liegt mir gar nicht."
„So soll ein Bergmann sprechen" — sagte der Aufseher befrie-
digt. „Wenn alle so viel Verstand hätten, die Polt« den Poli-
tikern zu überlassen, dann wären sie weit besser daran. Sie sollen
sich alle bloß nm ihre eigenen Angelegenheiten kümmern."
„Ja, Herr" — pflichtete Hal demütig bei, — „so wie -man es
Sei den Maultiere»» halten mutz, um sich vor der Kolik zu schützen."
Der Aufseher lächelte lobend: „Sie haben mehr Verstand,
als die meisten. Wem» Sie zu mir halten-, sollen Sie auch schön
Weiterkommen."
„Danke, Herr Stone. Geben Sie mir bloß eine -Gelegenheit."
„Ja, zum Beispiel diese Wahl. Wir bekommen jedes Jahr
eine gewisse Summe Mahlgeld; -etwas -davon könnte auch in Ihr«'
Tasche Meßen."
„Ich könnte es brauchen." — Und Hal zeigte ein vergnügtes
Gesicht. „Was soll ich tun?"
Es entstand eine Pause; Stone so-g an seiner Pfeife; dann
sagte er in geschäftlichem Ton: „Was mir nottnt, ist jemand, der
die Dinge ein wenig ausfpürt und mir "über die L-ase verichtÄ-
Jch glaube, es ist besser, wen» ich »Mt die Leute verwende, die ge-
wöhnlich für Mich arbeiten, fondern einet» nehme, der ganz unver-
dächtig ist. In Sheridan und Pedro wird erzählt, daß -die Demo-
 
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