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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 229-204)

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Nr. 241 - Nr. 250 (15. Oktober - 25. Oktober)
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HeMberyervolksblatt

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^0 Einzelnr. 10 Erscheint wöchentl. 6 mal. Äst die Zeitung am Er-
bestecht kein Anrecht ans Entschädigung. Anzeigenpreis: Die llspal-t.
ereile (4tz mm Lr.) 7 Textteil: Die 70 rnin br. Millimeterzeile 25 sM

Wmalzritung mit den Beilagen: Aus der Well der Frau


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M Lesestunde / SeimaltVMle / WUeMaft und Kunst

vte

Seidrlbrrg, ImimAag, 24. Sktober 1935

7«.MrgMS/W.24S

dOwin glaubt an anßenpoliWe deruhigmg

Der zweite Tag der Unterdausdebatte / Lloyd George gegen Baldwins Auffassung

, Nie Rede Baldwins
^Et. Die politische Aussprache im
am Mittwoch mit einer Rede
fortgesetzt. Im Hinblick auf die Aus-
Hoares und die bevorstehende Rede
f'bg« or,. stch der Regierungschef auf
^Sen "dsätzljcho Bemerkungen und Betrach-
fest, daß jedes Wort, das der
! - "stiii-, gestern gesprochen habe, die volle
der einigen Kabinetts habe und
für Völkerbundsangelegenhei-
^ner Tätigkeit in Genf in ständi-
mit seinen Kollegen in London ge-
M«, ' sein Vorgehen einmütig billigten,
s * b»» auf die englische Völ -
c ^kern .Politik ein und sprach von den
Ansicht seien, daß es eine Hin-
die es England ermögliche, hinter
Völkerbundes vorzugehen. Nichts
sei beabsichtigt.
«ll/?^aige Regelung müsse eine für
u«d L°rteien, Italien, Abessinien
» Völkerbung, gleich annehmbare
ein» w Lösung darstellen.
.-^ogelung erzielt werden könnte, die
n b Krieges beträchtlich abgekürzt oder
, "" der Frucht einer möglichen Aus-
Krieges befreit, so mache dies jede
i- §hdte "?>. n^rt, vorausgesetzt, daß der oben
"Zündsatz aufrechterhalten werden
i -
Ü"°r denhabe der Völkerbund
R ^ist°/^ehbnden Verhältnissen Besseres
k°^ien ? seinerzeit beim Beginn seiner
«W» Gesichts der ungeheuren Schwierig-
diixs^"sie erwartet worden sei.
so vergessen datz man es nicht mit
I? °r s»!^f"f^^den Völkerbund zu tun habe,
.Begründern vorgeschwebt habe,
Völkerbund, den drei der
und ^^,^on der Welt liegen gelassen
De» n„t ? vielleicht nur einer schwan-
ers/^iitzung durch einige seiner Mit-
dun» Der Ministerpräsident unter-
»»^hrunn bereits in Worcestex gemachten
N die gestrige Rede Hoares
d°^Seb ° England kein isoliertes
"itzt sichtig e; England ge-
in s»i„w"ter zu gehen, als es der Völker-
Aiem . Eesamtheit tun werde.
o habe England an einen Krieg
« ^»nn c Stacht. (Beifall.)
^sliin ^rach Baldwin über die Wieder-
^Ngen ' n>obei er auf die gestrigen Be-
l>^Nbeut ^^positionsführers Attlee über
I>> ^inoin^ Vermehrung der britischen Streit-
K- handele sich um eine Verstär-
Uer eidigungsdienste innerhalb des
ö ^ixn„„ ens für die Sache des internationa-
-i?erU"rf/nd nicht für selbstsüchtige Zwecke.
°>l»lik» füe die Amtsführung irgend-
s/len Regierung im gegenwärtigen
li^ocht .^/untwortlich sein, wenn er nicht die
t? dem die Mängel zu beheben, die
bingest,>Nt^^.g° in den englischen Wehrdien-
°r ni.st fsniten. Ohne diese Vollmachten
«f^polit;, einen Augenblick lang die jetzige
i?°r Akin n^^°5!üfiren.
u^posttn» ^Präsident wandte sich dann dem
i^erh a, r" Problem der A u f l ö s u n g d e s
^stlen ios und der Ausschreibung von
^aldin-
»»trat die Ansicht, datz in der
!s»d° isk eine Ruhepause bevorstehe,
o»uua» t Ennne nicht sagen, ob dies im
se« Er>>»^ sein werde. Aus die-
^8estb» ^"be er es als seine Pflicht
Li ^uflij!., "nm König eine sofortige
biecü»,. g Parlaments zu erbitten.
I»^^l>in^^^°uEe lediglich noch gewisse
ö"ersi^" Ausschusses für die Arbeits-
die K f" f'ie Tat umzusetzen.
der arbeiterparteilichen Op-
d!?°gierun" °inen Mitztrauensantrag gegen
V -2-wegen der Arbeitslosigkeit auf den
fist ein? m „öu legen, so bedaure er, keine
Qn "Neu a>^^ürterung zur Verfügung stellen
L» ^io» Unterhaus ser auf Bitten der
um der internationalen
iv» xfue Woche früher einberufen wor-
ib» di^ ^^blick auf die überragende Vedeu-
-glicht halte es die Regierung für
'i,;M Unterhaus drei Tage für ein«
herüber zur Verfügung zu stellen.

Lenkt Natten ein?
Italienische Division aus Libyen zurückgezogen
London, 23. Okt. Wie hier verlautet, hat
der italienische Staatssekretär für ausmrätige
Angelegenheiten Suvich am Dienstag dem
britischen Botschafter in Rom mitgeteilt, datz
die italienische Regierung Anweisung gegeben
habe, eine Division italienischer Trupps aus
Libyen zurückzuziehen. Sir Eric
Drummond habe diese Entscheidung als Bei-
trag zur Besserung der Beziehungen zwischen
England und Italien begrüßt. Amtliche Kreise
in London, so schreibt der diplomatische Korre-
spondent des Reuterbüros hierzu, bewahren
Zurückhaltung. Ein Beschluß über die britische
Antwort aus diese italienische Entscheidung sei
noch nicht gefallen, obwohl mit Sichert an-
genommen werden dürfe, datz sich das Kabinett
in seiner heutigen Sitzung hiermit besaßt habe.
Es werde darauf hingewiesen, daß Itali c
auch jetzt noch zwei Sonderdivi-
sionen in Libyen habe.

Sodann verlas der Führer der oppositionellen
Arbeiterpartei, Attlee, den Wortlaut des Mitz»
trauensantrages,der der Regierung das
Vertrauen versagt, weil es ihr nicht gelungen
sei, die Arbeitslosenfrage erfolgreich zu bekämp-
fey. Die Weigerung Baldwins, diesen Antrag
zur Erörterung zuzulassen, sei eine Beleidigung
des Unterhauses. Offenbar wünsche Baldwin,
jede Aussprache für das Arbeitslosenproblem zu
unterdrücken.
Der konservative Abgeordnete Amery be-
grüßte den die Aufrüstung betreffenden Teil der
Baldwinrede und die Erklärung, datz an militä-
rische Maßnahmen nicht gedacht werde.
Nach Amery ergriff
Lloyd George
das Wort. Er bezeichnete die Bemerkung Bald-
wins, daß in der Außenpolitik eine Ruhe-
pause bevorstehe, als eine erstaunliche
Erklärung. Er frage den Ministerpräsiden-
ten, ob er sich eines Augenblicks seit dem Welt-
krieg erinnern könne, wo die Lage düsterer ge-
wesen sei als jetzt. Wenn es eine Ruhepause
gebe, dann deshalb, weil die Regierung Bürg-
schaften gegeben habe. Bei dieser Bemerkung
schüttelte der Außenminister verneinend den
Kopf. Aber, so fuhr Lloyd George fort, wenn
die Regierung Italien keine Garantien gegeben
habe, bann verstehe er nicht die Ruhepause.
Wirtschaftliche Sühnemaßnahmen könnten lange
dauern und vielleicht größere Meinungsverschie-
denheiten zwischen den Boykotteuren als zwischen
den Boykottierten auslösen.
Lloyd George verlangte hierauf Einzelheiten
über die zwischen Frankreich und Italien im
Januar ds. Js. getroffenen Abmachungen. Frank-
reich habe sich in Abessinien wirtschaftlich des-
interessiert und habe dafür von Italien gewal-
tige Zugeständnisse erhalten, deren Charakter
man kennen müsse. Frankreich sei heute in der
Lage, seine italienische Grenze praktisch unge-
schützt zu lassen. Ihm sei gesagt worden, daß
Frankreich dieses Zugeständnis mit 18 Divisionen
bewerte, was etwa die Hälfte der deutschen Ar-
mee darstelle. Der diplomatischen Redewendung,
daß Frankreich sich in Abessinien wirtschaftlich
desinteressiert habe, müsse aber eine besondere
Bedeutung zugrunde liegen.
Er frage daher die englische Regierung,
ob sie etwa ein ähnliches Versprechen wie
das Frankreichs an Italien gegeben habe.
Außenminister Sir Samuel Hoare antwor-
tete: „Nein."
Lloyd George fragte weiter, welche Personen
auf englischer und italienischer Seite in Stresa
informell die abessinische Frage besprochen hät-
ten. Seine dritte Frage beziehe sich auf den In-
halt dieser Besprechungen. Damals habe Abes-
sinien bereits zum zweiten Male sich an den Völ-

kerbung gewandt, während die italienischen
Truppenentsendungen bereits in vollem Gange
gewesen seien. Lloyd George zitierte hierbei
einen Bericht in einer konservativen Zeitung,
wonach Frankreich von Januar bis September
einschließlich der drei Monate, während der das
Waffen- und Munitionsausfuhrverbot bestand,
große Mengen von Chemikalien, die für die
Kriegsindustrie benötigt wurden, nach Italien
ausgeführt habe. Auf eine Zwischenfrage des
Außenministers Hoare, ob es sich hier um amt-
liche Ziffern handle und ob er sie etwa von der
französischen Regierung erhalten habe, erwiderte
Lloyd George, daß er Hoare die Quelle seiner
Informationen vertraulich mitteilen werde.
Eine weitere Frage Lloyd Georges galt den
Entschädigungen, die bekanntlich auf Grund der
Genfer Beschlüsse denjenigen Ländern gezahlt
werden sollen, die durch die wirtschaftlichen
Sühnemaßnahmen besonders in Mitleidenschaft
gezogen werden. Lloyd George wollte wissen, ob
England in dieser Hinsicht irgendwelche Ver-
pflichtungen eingegangen sei.
Lloyd George fragte ferner, ob England ver-
sprochen habe, die ganze oder einen Teil der bri-
tischen Mittelmeerflotte zurückzuziehen. Im
Sanktionssystem, so fuhr er fort, seien erhebliche
Lücken vorhanden, was auf das Fehlen Deutsch-
lands, Brasiliens und der Vereinigten Staaten
zurückzuführen sei.
Die Rede Lloyd Georges wurde allgemein mit
Beifall ausgenommen.
(Fortsetzung siehe Seite 8)


Abessinische Stammesfürsten unterwerfen sich den Italienern
Erstes BW vom-der Unterwerfung aibössinffcher Sbam-meshäu-ptlinge unter die italienische
Oberhoheit. Dieses BW wurde nach der Einnahme von Msum laufgenominen und zeigt
zwei abeffimsche Stammesfürsten in unterwürfiger Haltung vor dem italienischen General
de Bono tzrechchH, (Scherl-B-Wer-d-ienst-Lstü

Aus-

zu ersehen, daß über d-ie

MiMrMiMiA SelvröBr
(B-on unserem außenpolitischen Mitarbeiter.)
Gewiß finden im Rom Verhandlungen stath
vielleicht sind es auch nur unverbindliche Ge-
sprächs — und gewiß bemüht sich Frankreich,
um aus der Praktischen Anwendung der Genfer
Beschlüsse herauszukommen, eine Verständigung
zwischen England und Italien hevbeiguführen.
Es ist aber grundfalsch, vom Friedensverhand-
lungen zu sprechen. Friedensv-erha-ndlnngen
können doch nur zwischen Italien und Abeffi«
nien stattfind-en, vielleicht durch Vermittlung
einer anderen Macht. England kann den Frie-
den nicht herbeiführen. Um die Lage richtig zu
sehen, sind die folgenden Ueberlegungen not-
wendig:
Italien hat, nach dem Urteil des Völker-
bundes, Abessinien angegrisfen.Es wurde dar«
auf in Genf beschlossen, gegen Italien Sanktio«
nen zu verhängen, um es zur Einstellung des
Krieges zu veranlassen und als Schuldigen zu
bestrafen. England hatte im Genf die Führung.
Der Völkerbund als solcher hat also die Maß-
nahmen gegen Italien zu verantworten. "Ug-
land könnte nun gar nicht einseitig sich .r:t
Italien verständigen. Es hat im Laufe der Zeit
auch wiederholt erklärt, daß es im Rahm-n
d-es Völkerbundes handele und Italien nur
dem Völkerbund mit Vorschlägen kommen
könne.
England hat aber über die Maßnahmen
d-es Völkerbundes hinaus, eine starke Truppen-
konzentration in Aegypten vollzogen, es hat
danoben eine Befestigung von Gibraltar und
von Malta vorgenommen, es hat eine starke
Kriegsflotte im Mittelmeer versammelt. Des-
halb, sagt es, weil Italien in Libyen, westlich
von Aegypten ebenfalls starke militärische
Kräfte gesandt habe. Dadurch sah sich Aegypten
und England bedroht. Diese starken Gegen-
sätze ließen -einen Zusammenprall Italiens und
Englands im Mittelmeer oder in Aegypten
vermuten. Und js mehr England in der Sa-nk-
tionsfrage d-ie Führung herausköhrte, nm so
leichter konnte es sein, daß die Spannung zwi-
schen England und Italien zu feindlichen Aus-
brüchen in der Nähe d-er Kriegszome führte.
Wird also in Rom verhandelt, so geht es
lediglich um die Frage, d-ie zwischen Eng-
land und Italien zu erledigen ist, um
die Vermeidung eines Zusammenstoßes zwi-
schen den -beiden Mächten, nicht aber um die
Beendigung d-es Krieges m Abessinien. Aus
den römischen und englischen Meldungen ist
denn auch deutlich zu ersehen, daß über die
Zurückziehung italienischer Truppen aus Libyen
und um eine -Schwächung -der englischen Flotts
-im Mittelmeer verhandelt wird. Also um die
Beseitigung der englisch-italienischen Span-
nung. Die Beseitigung dieser Spannung könnte
d-er Anfang von Friedensverhand-lungen sein.
Doch diese -gehen den Völkerbund allein an, der
zu entscheiden hat, ob die Sanktionen eingestellt
werden. England kann von sich aus nicht mehr
allein darüber -befinden. England und -der Völ-
kerbund haben sich, was die Sanktionen an-
la-ngt, außerdem so festgeleigt, daß Italien be-
stimmte Bedingungen -erfüllen müßte, ehe an
Friedensverhandlungen und an ein Na-chgvben
des Völkerbundes gedacht werden kann.
Man muß deshalb an eine Konsequenz
des Völkerbundes glauben, weil er,
wenn auch nicht völlige Einigkeit über die
Sanktionen besteht, -sich diesmal unbeugsam ge-
zeigt hat, weil er sich nach außen und innen
so versteifte, datz er nicht gut von seinen For-
derungen akgshen kann. Diese gehen dahin,
daß Italien Abessinien zu räumen habe, ehe an
Verhandlungen gedacht werde. Es -ist nicht an-
zuneh-men, d-atz England mit d-er Beseitigung
der Spannungen zwischen Rom und London
auch- Dolmetsch des Völkerbundes wird und
Verpflichtungen für den Völkerbund überneh-
men kann.
Von -diesem Gesichtspunkt aus d-ie schweben-
den Verhandlungen gesahen, kommt man zu der
Ueberzeugung, daß an einen Frieden in Ost-
afrika nicht gedacht werden kann. Italien wird,
nachdem es -den Krieg nunmehr — teilweise
erfolgreich — in Abessinien hineingetragen hat,
es ablehnen, einen fußbreit Boden zu opfern.
Und damit verbaut es dem Völkerbund die
Möglichkeit, d-en Weg zum Frieden zu finden,
-der vielleicht durch eine Beseitigung der
Kriegsgefahr zwischen Italien und England
geebnet sein mag, aber nicht gangbar geworden
 
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