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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 229-204)

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Nr. 291 - Nr. 300 (13. Dezember - 24. Dezember)
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HeÄelberyerVMsblatt

^ülm Bote

Heidelberg, Mittwoch, 18. Dezember 1SZ5

7«. Mrgmig / Rr. 2S5

k Schriftleitung «. Geschäftsstelle: Heidelberg, Bergh. Str. 58/81, Fernspr. 71S1. Aiqeigem-
schlutz: 8 Uhr, Samstag 8^8 Uhr vormittags. Für fernmündlich übermittelt« A«f-
2 träge wird keine Gewähr übernommen. Postscheck-Konto Karlsruhe Nr. 8185. Un«
verlangte Deiträge ohne Rückporto werden nicht znrückgosandt. Gerichtsst.: Heidekderg.
M LMtUKA / SßjmatWMr / WUmMstt mö MM

^Ssprets: Durch Botenzustellung und Post monatl. L.88 bei der Geschäftsstelle
geholt 1.88 Einzelnr. 18 3?/. Erscheint wöchentl. 6 mal. Ist die Zeitung am Er-
^Neg verhindert, besteht kein Anrecht auf Entschädigung. Anzeigenpreis: Die Ispalt.
Äimetergeile s46 vom br.s 7 Textteil: Di« 78 mm br. Millimeterzeile 25 3A/
WmatMltung mit den Beilagen: Aus der Mit der Fm«



Line außenpolitische Erklärung Lavals
Eine stürmische Kamnmsitzung / Laval siegt bei der Abstimmung wieder mit 304:252 Stimmen

der

,?"ris, 17. Dez. Ministerpräsident Laval gab
z Dienstag vormittag bei der Beratung des
Ghalis des Außenministeriums eine außen-
rische Erklärung ab:
wolle, führte Laval eingangs aus, dre Kri-
s?k>.di« auf der Kammertribüne gegenüber der
^Mischen Außenpolitik geäußert worden seien,
Unbeantwortet lassen. Frankreich habe alles
um den Versuch zu machen, den Krieg zu
rindern; als er dennoch erklärt worden sei,
- >u Genf der Mechanismus der kollektiven Si-
tz-Seit in Kraft gesetzt worden. Hinsichtlich der
Memaßnahmen habe sich die französische Re-
tz, ?ug mit der britischen Regierung noch vor
,Aurn der Feindseligkeiten dahingehend ge-
daß keinerlei militärische Sühnemaßnah-
K? ungewandt würden, die zu einer Blockade
,,/^n könnten. Mit einem Wort, man habe
ausgeschaltet, was eine Ausdehnung des
r '°nisch-abessinischen Streites auf Europa zur
M haben könnte.
Verschiedentlich habe Frankreich sich be-
Mht, eine Grundlage für neue Ver-
Handlungen zu finden.
yMch hätte die Frage der Ausdehnung der
^"chaftlichen Maßnahmen vor dem Verbin-
A ln^bschuß behandelt werden sollen. Er habe
^ Vertagung der auf den 29. November festae-
Sitzung erbeten, weil er zunächst mit Sir
i^uel Haare eine Unterredung haben wollte,
i? ^ren Wichtigkeit die Kammer überzeugt
r, Ulüßte. Diese Unterredung habe zu dem be-
""t-n Plan geführt.
Dieser Plan stelle — er zögere nicht,
dies zu erklären — für die englische Re-
gierung nnb für die franMOche Negie-
rung die Kren«: ihrer An»renqunoen
^ar. Frankreich und England seien
"Urchaus berechtigt gewesen, das zu tun.
was sie getan hätten, denn Frankreich
Und England seien in Genf anfgesordert
worden, das Werk d-r Vermittlung sort-
Zusehen.
cMN habe gesagt, daß der Plan dem Angrei-
rine Belohnung ausstelle. Zunächst sei da-
hinzuweisen, daß Frankreich keinen Plan
!gearbeitet habe und keinerlei Entschluß zu
,..g hatte. Frankreich habe nur die Aufgabe
hjg ihm vom Völkerbund gestellt worden
Dem Völkerbund gebühre es, einen end-
gültigen Beschluß zu fassen.
/> 8aval, lehne aber die an dem Plan geübte
h "ik als ungerecht und falsch ab. Er wisse
was man ihm vorwerfe, aber er seh- nicht,
I«? ein anderes System man Vorschlägen
^ie. Was würden an seiner Stelle die Geg-
unternehmen? Würden sie vielleicht zu der
»/'ommenen und brutalen Anwendung aller
,,?Uewaßnahmen schreiten? (Zwischenruf von
MS: Sie würden den Krieg erklären! — Er-
,^er anhaltender Lärm und erreate Antwort
i>er Linken.) Die veranwortlichen Vertreter
verschiedenen Länder hätt-n bewußt die vsr-
.Mdenen in den Völkerbundslabunoen vvrveft-
Bestimmunocn beschränkt und bewußt hät-
,'w jede Gefahr eines europäischen Krieges
/Malten wollen. Keiner der Vertreter der
k^ien Länder habe iemals eine andere Mei-
geäußert. Um die Gefahr einer Ansdeh-
/Ug dxg Krieges zu vernvid-n. habe er vorge-
^?Uen, Anregungen zu machen, die zu einer
ichou, ehrenhaften und oerechten Lmung
Streites üibren könnten. (Erregte Zwischen-
"°n links.)
Die ganze Welt wolle den Frieden und
^»nnsten des Friedens habe er gehandelt.
Die DMchM HM EMßWM
tzMch der Erklärung des Ministerpräsidenten
unternahmen die Vertreter dar Li-nks-
einen nachdrücklichen Vorstoß gegen
L/Ubgiarunst. Nacheinander grisien Mei So-
«Mlm und" ein Kommunist die ?lußenpolftik
äußerst scharf an und warfen ihm ei" !
hAHen gegenüber dein Völkerbund vor. Die
sj-^vache no'hm zeitweise einen le-idensch-ait-
MCharakter an. Bezeichnend war die ge-
ll sstene Einmütigkeit aller Linksparteien em-
o^ch des größten Teiles der Radikal'sozia-
Es fiel auf, daß sogar Staatsminister
^utot die Ausführuncsen der Oppostti-onsrsd-
zustimmendem Kopfnicken aufnahm.

Angesichts dieser Wendung fach Ministerprä-
sident Laval sich veranlaßt, zu erklären, daß er
bereit sei, eine allgemeine Aussprache über seine
Außenpolitik anzunechmen, und schlug als Zeit-
punkt den 27. Dezember vor.
Der Sozialistenführer Leon Blum forderte
jedoch unter Bezugnahme auf die bevorstehen-
den entscheidenden Beratungen des Völker-
bundsvates eine sofortige außenpoilitische Aus-
sprache. Er kündigte eine außenpolitische An-
frage an, die er unverzüglich einbringen werde,
und deren sofortige Behandlung er verlange.
Laval erklärte, daß er gegen diesen An-
trag die Vertrauensfrage stellen werde.
Die Kammer wird sich also in ihrer heutigen
Nachmittagssitznng um 3 Uhr über den Antrag
Blums schlüssig werden müssen, zu dem die
Regierung die Vertrauensfrage stellen wird.
In den Wandelgängen der Kammer sind die
Meinungen über die Aussichten der Regierung
für diese Abstimmung durchaus geteilt.

304:252 EtimMN für Laval
Am 27. Dezember Behandlung der
außenpolitischen Anfragen
Paris, 17. Dez. Die Abstimmung über die
Festsetzung der Behandlung der außenpoliti-
schen Anfragen in der Kammer auf den 27.
Dezember ergab 304 Stimmen für Laval und
252 gegen. Die Regierung hatte bekanntlich die
Vertrauensfrage gestellt.
Eine Vereinbarung Laval—Heriot.
London, 17. Dez. Der französische Berichter-
statter des „Daily Telegraph" meldet aus Pa-
ris, zwischen Laval und Herriot sei vor einer
Woche folgende Regelung geschlossen worden:
1. Falls Mussolini oder der Negus den Pariser
Plan ablehnen, bleiben die Sühnemaßnahmen
in Kraft.
2. lieber die Frage der Oelsperre wird ein
neuer Ministerrat abzuhalten sein.

Britische Kabinettssitzung
Sir Samuel Soarr erkrankt

London, 17. Dez. Das britische Kabinett
trat am Dienstag vormittag zu einer andert-
halbstündigen Beratung zusammen, in der die
Richtlinien festgelegt wurden, die- dem Völker-
bundsminister Eden, der bekanntlich am Diens-
tag mittag nach Genf fährt, mitgegeben wer-
den sollen.
An der Kabinettssitzung nahm der Außen-
minister Sir Samuel Hoare nicht teil. Wie
verlautet, ist er erkrankt und muß das Bett
hüten. Sein Arzt hat ihm dringend für meh-
rere Tage Bettruhe anempfohlen. Welche Be-
deutung diese Erkrankung hat, ist zur Zeit noch
nicht festzustellen. Unter Umständen wird die
Krankheit den Außenmimisler zwingen, der
Aussprache im Unterhaus am Donnerstag fern
zu bleiben. Ein Beamter des Foreign Office
erklärte allerdings, daß Hoare bei der Debatte
anwesend sein werde, wenn es ihm irgend-
möglich sei.
Unmittelbar nach der Kabinettssitzung such-
ten Baldwin, Eden und Chamberlain sowie
Robert Vansittart den Außenminister in seiner
Wohnung auf.
SMW am Jommstas im Mrrhaus
Einfache Vertrauensfrage? Gleichzeitig
Aussprache im Oberhaus
London, 17. Dez. Am Dienstag abend
wurde mitgeteilt, daß sich Außenminister Hoare,
wie ursprünglich vorgesehen, an der Unterhous-
aussprache am Donnerstag beteiligen werde.
Er wird die Erörterungen mit einer ansführ-

lich-m Darlegung der Umstände und Erwägun-
gen eröffnen, die zur Ausarbeitung der Pari-
ser Friodensvorschläge geführt haben.
. Nach einer Reutermeldung wird die Rede
Hoares keinen reumütigen, sondern einen kämp-
ferischen Charakter haben. Der Außenminister
werde voraussichtlich zwar nicht alle Einzelhei-
ten ausdecken, aber dem Unterhaus doch so
weitgehende Mitteilungen machen, daß man
die Lage klar erkennen könne.
Die Aussprache wird vom Mm-ist-erpräsiden-
len Baldwin abgeschlossen werden. Wie ver-
lautet, wird er die einfache Vertrauensfrage
stellen. Er will damit die Absicht der Arbeiter-
partei vereiteln, eine Abstimmung für oder ge-
gen die Frieüensvorschläge herbeizuführen und>
so einen Teil der Regierungisanhänger zu ver-
anlassen, gegen die Regiernngspolitik zu stim-
men.
Lord Halifax teilte am Dienstag im Ober-
haus mit, daß die ursprünglich aus Mittwoch
an-gesetzte Aussprache über die Pariser Frie-
densvorschläge auf Donnerstag verschoben sei.
Die Aussprache wird daher in beiden Häusern
gleichzeitig stattfinden.
Entschließung der englischen Arbeiterpartei
gegen den Friedensplan
London, 17. Dez. Der Landesausschuß der
englischen Arbeiterpartei nahm am Dienstag
eine Entschließung" an, in der eine entschiedene
Berivahruvg gegen die Pariser Friedensvor-
schläge eingelegt wird.

GrößereGefeOiStatißkeitamTakazzesiuß

Rom, 17. Dez. Der italienische Heeresbericht
Nr. 73 verzeichnet zum ersten Mal zwei größere
abessinische Vorstöße und besagt darüber folgen-
des:
„Beträchtliche gegnerische Kräfte, die auf 3000
Krieger geschätzt werden, haben unsere am Ta-
kazze-Fluß verteilten Veobachtungsvorposten bei
dem Flußübergang von Mai Timchet (65 Kilo-
meter südwestlich von Aksum) angegriffen. Un-
sere eritreischen Truppen haben sich nach hart-
näckigem Widerstand auf den Paß Dembeguina
(20 Kilometer nördlich vom Mai Timchet) zu-
rückgezogen. Zur gleichen Zeit hat eine andere
Gruppe abessinischer Krieger talabwärts den
Fluß überschritten, um mit einem Umgehungs-
manöver in der Landschaft Schire zu operieren,
-deren Bevölkerung sich unterworfen hatte. Das
gegnerische Manöver hat zu Kämpfen geführt,
die unter reger Teilnahme unserer Luftwaffe und
Tankabteilungen zur Zeit im Gange sind. Bei
den ersten Zusammenstößen sind vier Offiziere
und neun Soldaten der Heimatarmee gefallen
und drei Offiziere verwundet worden. Die Ver-
luste der Eingeborenentruppen belaufen sich auf

einige Dutzend Tote und Verwundete. Die Ver-
luste des Feindes sind noch nicht festgestellt, sie
sind aber beträchtlich."
Zer Kaiser von Abessinien reist an die
Nsrdsront
Addis Abeba, 17. Dez. Der Kaiser von
Abessinien, der, wie bekannt, den englisch-
französischen Plan zur Beilegung des ita-
lienisch-abessinischen Streitfalles als außer-
halb jeder Erörterung stehend ablehnt,
trifft jetzt die letzten Vorbereitungen für die
Abreise an die Nordfront, da seiner An-
sicht nach alle Aussichten auf einen baldigen
Frieden in weite Ferne gerückt sind. Von
den beiden Fronten wird keinerlei Gefechts-
tätigkeit gemeldet. Die Ausrüstung des
abessinischen Heeres wird durch das tägliche
Eintreffen großer Mengen von Waffen und
Munition ergänzt. Auch Sanitätsabtei-
lungen und Feldlazaretts werden eiligst
durch Karawanen nach allen Gebieten der
Front entsandt.

Sie ttaliemMen Einwände
----- Nom, den 16. Dezember.
Wenn es bisher nicht ganz leicht war, sich
über die militärische Lage der Italiener in
Ostafrika und über ihre Widerstandskraft
an der wirtschaftlichen Sanktionsfront ein
zuverlässiges Urteil zu bilden, so war es
doch klar, daß die Lage an der diplomatischen
Front am wenigsten günstig aus-
sah. Die von Laval und Hoare in Paris
ausgearbeiteten, in der letzten Fassung von
der englisch und französischen Regierung
gebilligten Friedensvorschläge haben dieses
Bild entscheidend verändert. Italien hat
offensichtlich einen politischen Gewinn ge-
macht, der auch durch die noch ungewissen
Entscheidungen der nächsten Tage nicht mehr
völlig entwertet werden kann. Damit soll
über die Frage, ob die Pariser Vorschläge
wirklich zum Frieden führen, gar nichts ge-
sagt sein. Aber ganz gleichgültig, was dar-
aus werden mag, ob (wie schon zweimal in
der jüngsten Geschichte des abessinischen
Konfliktes) ein erfolgloses Zwischenspiel
oder der Anfang einer dann allerdings über
Abessinien hinausgreifenden politischen Be-
reinigung — es ist nicht mehr aus der Welt
zu schaffen, daß eine französische und eine
englische Regierung einem schriftlich sormu-
mulierten Vorschlag zugestimmt haben, der.
nicht nur den echten Ausdehnungsbedürfnis-
sen Italiens, sondern auch den durch den
italienischen Einmarsch in Abessinien gegen
den Willen und gegen die Grundsätze des
Völkerbundes geschaffenen Tatsachen Rech-
nung trägt. Düe Gründe, mit denen Laval
den englischen Außenminister zu dieser über-
raschenden und grundsätzlichen Wendung
überreden konnte, sind in diesem Zusam-
menhang nebensächlich. Für die Italiener
zählt die Tatsache, daß die zwei maßgeben-
den politischen Gegenspieler in einem be-
stimmten Augenblick bereit waren, den abes-
sinischen Konflikt nicht mehr unter dem Ge-
sichtspunkt der verletzten Rechtsordnung des
Völkerbundes, sondern lediglich unter dem
Gesichtspunkt eines rein politisch gedachten
Ausgleichs zu betrachten. Der Völker-
bundsgedanke hat damit einen
schweren Stoß bekommen. Er hat,
soweit es auf Frankreich und England an-
kommt, in der Aktion gegen Italien seine
moralische Rechtfertigung verloren. Eben
dies ist der politische Gewinn der
Italiener.
Nun ist es freilich noch keineswegs sicher,
wohin das alles führt. Den Italienern
wäre es zweifellos am beuemsten gewesen,
wenn der Negus die Pariser Vorschläge
rundweg abgelehnt hätte. Dann hätten sie
sich nur zu überlegen brauchen, welche Tak-
tik am zweckmäßigsten zu dem Ziele geführt
nätte, eins grundsätzliche Bereitschaft zur
Erörterung der Pariser Vorschläge erken-
nen zu lassen, ohne sich an die konkreten
Einzelheiten zu binden. In diesem Falle
wäre die moralische Basis der Sanktionen
auseinandergebrochsn, und die politisch und
wirtschaftlich für Italien günstigen Folgen
hätten kaum ausbleiben können. Indessen
hat der Negus den Italienern nicht den Ge-
fallen getan, ihre politische Lage noch wei-
terhin zu erleichtern. Seine außerordentlich
geschickt formulierte Note an den General-
sekretär des Völkerbundes ist vielmehr dar-
auf abgestellt, die Vollversammlung des
Völkerbundes in einer öffentlichen Diskus-
sion vor die verantwortliche Entscheidung
über die Frage zu stellen, ob die Pari-
ser Vorschläge mit den Grund-
sätzen des Völkerbundes zu ver-
einbaren sind. Mit diesem Schachzug
macht sich Abessinien alle Kräfte des Völ-
kerbundes zu Verbündeten, die ihrerseits
die Pariser Vorschläge mit nicht geringer
Bestürzung ausgenommen haben. Die tak-
tische Lage Italiens ist dadurch und ebenso
durch die in England und Frankreich selbst
entstandenen Eegenbewegungen gegen
Hoare und Laval recht verwickelt geworden.
Noch am letzten Samstag Nachmittag ist
in Rom von zuständiger Seite erklärt wor-
den, daß die italienische Regierung noch
geraume Zeit brauche, um die Einzelheiten
der Pariser Vorschläge sorgfältig zu studie-
ren. Diese Erklärung und ähnliche Äeuße-
rungen der italienischen Presse entsprangen
 
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