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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 229-204)

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Nr. 281 - Nr. 290 (2. Dezember - 12. Dezember)
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^terzeile s4« uuu br.) 7 Textteil: Di« 70 mm br. Millimeterzeil« W verlangte Beiträge ohne Rückporto werden nicht zurückgesandt. Gerichts^: Heidelder«.
_WmatMitunÄ mit den Nettasrn: Aus der Mit der Fran Dir LeWun-r / Srimatlvartr / MirMaft und Kunst
^IZttBote Seidclberg, Mittwoch, 4. Dezember 1035 70. Mrgnng / Nr. 283


Ab.

Der große Tag der deutschen Turner in Frankfurt a. M.

Die Nadilalsozialisten und die Abstimmung
über den Entschlietzungsantrag Rucart.
Paris, 3. Dez. In der Sitzung der radikal-
sozialistischen Kammergruppe wurde über den
Entschlietzungsantrag des Abgeordneten Rucart
kein Beschluß gefaßt. Dieser Entwurf würde von
der Regierung nicht angenommen werden, weil
er keine Vertrauenserklärung für die Regierung
enthält und praktisch sogar auf eine Verurteilung
zum Mindesten des Ministerpräsidenten hinaus-
läuft. Die Haltung der radikalsozialistischen
Gruppe ist dahin zu deuten, daß Staatsminister
Herriot seinen persönlichen Einfluß im Laufe der
Fraktionssitzung eingesetzt hat. Herriot hat «r-
klärt, daß die Regierung ja bereit sei, die vom
radikalsozialistischen Landesparteitag gemachten
Vorschläge anzunehmen. Wenn sie die Vollmacht,
die ihr dadurch gegeben sei, nicht ausnlltze, sei es
immer noch Zeit, gegen die Regierung Stellung
zu nehmen. In parlamentarischen Kreisen er-
wartet man, daß es Herriot gelingen wird, in
den beiden kommenden Tagen einen ziemlichen
Teil der radikalsozialistischen Gruppe für die Po-
litik der Regierung zu gewinnen.

idkx 3. Dez. Die langerwartete Aussprache
sogenannten Bünde begann am
nm 10.30 Uhr vor spärlich besetzten
s^isn' Die Regierung war durch den Jnnen-
er ve^reten.
Alen - Tagesordnung stehen etwa zehn An-
die Tätigkeit der sogenannten
der Volksfront, die von links bzw.
ktzf» Angebracht sind, und zwei Gesetzent-
' Qer eine regelt die öffentlichen KuNd-
H^n und ist nach seinem Berichterstatter
bmannt; der zweite regelt Einfuhr,
De?, ng sowie den Besitz von Waffen.
«M„l°NlnmnWsche Abgeordnete Ramette
Ms.^rschiedene Schriftstücke und Zeitungs-
ente rwr, die
k Gefährlichkeit der Feucrkreuzler und
"?r übrige» „faschistischen Bünde" und die
ö-ly/i " liche Duldsamkeit" der Regierung
sollten. Vor allem aber müsse gegen
Ersten de la Rocgue vorgegangen wer-
Redner warf der Regierung vor, mit
stomeinsame Sache zu machen und
dffz Vorbehalte zum Gesetzentwurf Chau-
ex befürchte, daß seine Bestimmun-
k Nr gegen die rechtsstehenden Kampf-
sondern auch gegen die Verbände der
^.„^Ngewendet werden könnten. Ramette
^ß Mehrheit des französischen
„ssNter der Volksfront stände, und sprach
ü-z^ll^für die Beseitigung des Kabinetts
!f>hch^!.^ond beschloß die Kammer, die Aus-
itz, Nor dst Bünde am Dienstag uachmit-
tzz sl „Donnerstag und Freitag sortzNietzen
«»„V^er Redner bestieg der radikal'ozia-
Guernut die Tribüne
war auch Ministerpräsident und
»kh ^">1'ter Laval in der Kammer erichie-
^tte auf der Regierungsbank Platz
^kteDer radikalsozmiistische Redner er-
'v einem zivilisierten Lande dürfe
bewaffnete Macht des Staates ge-
llrmee und Polizei. Er fragte die
ob sie die Tätigkeit und die Heraus-
n z^-?Ev der militarisierten Verbände wei-
wolle, und verlas dann verschie-
Aid^^üge aus der ,,Action Francaffe"
rechtsstehender Blätter, die sogar
'Mxk. Klingen gegen linksstehende Politiker,
tpgen Leon Blum, enthielten.
«sti^I, Linken wurden Borwürfe gegen den
^kp^^r laut, dem vorgsworken wurde,
^^udwortlichen Schriftleiter nichts
'^iim„;vs^on zu haben. Es wurden Rufe laut:
chftlo Vchards!" Gestützt auf zahlreiche
behauptete Gurenut, daß die Ben
Michsll der sogenannten Kampfbünde offen-
N, Daraus ergebe sich die Notwendig-
vorzugehen. Entweder müsse die
hre Methoden ändern, oder man
^^rung wechseln!
ll>urde die Bormittagssitzung um
.^CZ beendet. Die Aussprache wird
KZe fortgesetzt.
N 'r Mittagspresse beurteilt den bis
?°v,.»i^,^bauf der Kammeraus'Prache günstig.
? »Paris Midi", der große ÄngriU
llnon habe durch die zweimalige Ver-
^oHobu-ng in der vergangenen Woche
Merkst swicht und Geialhr emgöbüßt. Die
Erregung kurz nach den blutiger
"en von Limoges sei geschwunden.
Dh in -er Kammer
Pftj vorübergehend aufgehoben.
Die bisher ruhig verlau-
A tzijv^^^sprache über die sogenann-
nahm am Nachmittag ziemlich
Charakter an, so daß der Kam-
öeben die Sitzung vorübergehend
, putzte.
b??"°lsozialistische Abgeordnete Nu-
? Abn« einleitend, daß er im Namen
^rs ^^ordneten der Linken spreche. Er
Nfth^.Regierung vor, die Bünde trotz
^ner Herausforderungen ermutigt zu

Bei den deutschen Meisterschaften im Geräteturnen in Frankfurt a. M. boten beson-
ders die 1b Endkampfteilnehmer mit ihren Kürübungen Leistungen von hervorragen-
der Wirkung. Der hohe Stand der deutschen Turnkunst berechtigt zu den schönsten
Hoffnungen für das kommende Olympia. Deutscher Gerätemeister wurde Konrad Frey.
Man sieht hier einen Ueberblick über die große Frankfurter Festhalle beim Aufmarsch
der Olympia-Mannschaft. (Schirner-M)

Ausschusses für die Untersuchung der Ereig-
nisse vom 6. Februar bekanntgeworden ist.
beabsichtigt, der radikalsozialistischen Kammer-
gruppe für den Abschluß der Kammeraus-
sprache über die Bünde folgende Entschlie-
ßung vorzuschlagen:
„Die Kammer ist entschlossen, nur eine Re
gierung zu unterstützen, die gewillt ist, mit
Energie die republikanischen Einrichtungen
zu verteidigen und die öffentliche Ordnung
aufrecht zu erhalten, und geht zur Tagesord-
nung über."
Eine gleichlautende Entschließung wurde
im Jahre 1899 von der Kammer angenom-
men, nachdem der damalige Präsident der
Republik, Loubet, in Auteuil belästigt wor-
den war. Sie führte zu dem Sturz des Ka-
binetts Dupuy.
In der radikalsozialistischen Kammergruppe
wird voraussichtlich eine lebhafte Aussprache
über diesen Entschließungsentwurf stattfinden,
da er keine Bertrauenserklärung für die Re-
gierung enthält und folglich von den radi-
kalsozialistischen Ministern des Kabinetts La-
val nicht angenommen werden kann.

Am im französischen Parlament
W der Aussprache Mer -le BliMsragr / Echmre AngrW grgen Laval / Dir Linkt verlangt Rücktritt -ts
Mstizministers
Die Regierung habe Aufforderungen
zum Mord und zu Gewalttaten und
Generalproben zum Bürgerkrieg zuge-
lassen.
Als der Sprecher einige Fälle aufzählte, in
denen angeblich Angreifer gegen politische
Persönlichkeiten nicht zur Verantwortung
gezogen worden seien, und als er besonders
an die Verletzungen des Abgeordneten Elbe!
erinnerte, der bei einem solchen Zusammen-
stoß ein Auge verloren habe, bemächtigte sich
der Kammer steigende Unruhe. Von der lin-
ken Seite des Hauses wurde wiederholt der
Rücktritt des Justizministers gefordert.
Ministerpräsident Laval erwiderte, daß
im Falle Elbel gegen den Angreifer eine
Untersuchung eingeleitet worden sei. Sach-
verständige prüften, ob der Angreifer im
Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten sei.
Die Worte des Ministerpräsidentten gingen
in dem Lärm unter, der von der linken
Seite des Hauses kam.
Die Unruhe dauerte fort, als der Justiz-
minister anschließend seine Haltung in den
ermähnten Fällen rechtfertigen wollte.
Der Kammerpräsident hob schließlich dse
Sitzung auf.
FMWmg -er KkMNMMMM
Paris, 3. Dez. Nach der Sitzungspause setzte
der radikalsozialistische Abgeordnete Rucart
seine Kritik an der Haltung -er Regierung fort.
Er bezeichnete die Verordnung zur Aufrecht-
erhaltung der Ruhe und Ordnung als unzurei-
chend. Sie hätte auf Seiten -er Bünde nur La-
chen hervorgerufen, und sie enthalte kein Wort
von -er privaten Miliz, deren Auflösung schon
der Ausschuß vom 6. Februar verlangt habe. Ru-
cart schloß mit der Feststellung, daß „die Menge
vom 14. Juli" (damit ist die Kundgebung Ser
Volksfront an der Bastille gemeint) kein Ver-
trauen mehr zur Regierung haben könne. Die
Ausführungen Rucarts wurden von den Sozia-
listen und Kommunisten mit stärkstem Beifall
ausgenommen.
Ein mWMMMAr
EMWrAWsMtVMj
Paris, 3. Dez. Der radikalsozialistische
geordnete Rucart, der als Berichterstatter des

Die Kammer auf Donnerstag vertagt
Paris, 3. Dez. Die Kammer vertagte sich am
Dienstag gegen 19 Uhr auf Donnerstag vormit-
tag. Im Verlauf der Sitzung hatte noch -er so-
zialistische Abgeordnete Valiere das Wort ge-
nommen. Er schob die Verantwortung sür -i«
blutigen Zwischenfälle, die sich vor einigen Wo-
chen in seiner Heimatstadt Limoges abgespielt
hatten, auf die Feuerkreuzler.

Vie MvnMemsliMll
Königs
Für Frieden, Verstärkung der Landesverteidi-
gung und wirtschaftlichen Aufbau
London, 3. Doz. Das neue Parlament ist
am Dienstag mittag eröffnet worden. Die
Thronrede des Königs wurde vom Lordkanzler
im Oberhaus verlosen.
Sie beginnt mit der Feststellung, daß di«
Beziehungen zu den fremden Mächten nach
wie vor freundschaftlich seien. Die Außenpolitik
der Regierung gründe sich daher wie bisher
auf eine unzweideutige Unterstüt-
zung d e s Völkerbundes. Dve Regie-
rung bleib gewillt, in Zusammenarbeit mit an-
deren Mitgliedern des Völkerbundes die Ver-
pflichtungen der Genfer Satzung zu erfüllen.
Insbesondere sei sie entschlossen, zu jeder Zeit
ihren Einfluß voll für die Erhaltung des Frie-
dens geltend zu machen.
Im Verfolg dieser Verpflichtung habe sich
die Regierung gezwungen gesehen, in Zusam-
menarbeit mit etwa 50 anderen MitgliÄsstaa-
ten des Völkerbundes gewisse Maßnahmen
wirtschaftlicher und finanzieller Natur auf
Italien auzuwenden. Gleichzeitig werde sie
auch weiterhin ihren Einfluß zugunsten eines
Friedens ausüben, der für alle drei Parteien,
nämlich Italien, Abessinien und den Völker-
bund, annehmbar sei.
Die - Thronrede erwähnt hierauf kurz die
demnächst in London beginnende Flotten-
konferenz. Der König gibt seiner Befriedi-
gung darüber Ausdruck, daß alle Einladungen
angenommen wurden. Er vertraue darauf, daß
die Arbeiten der Konferenz von Erfolg gekrönt
sein würden.
Der nächste Absatz der Thronrede richtet sich
insbesondere an die Mitglieder des Unterhau-
ses. Es wird darin die Unterbreitung der Vor-
lagen über die Verb e ss e r u ng d e r Lan-
desverteidigung angekündigt. Die Er-
füllung der internationalen Verpflichtungen
aus den Völkerbundssatzungen ebenso wie der
angemessene Schutz des "Britischen Reiches
machten es zu einer zwingenden Notwendigkeit,
die Mängel in der Landesverteidigung zu be-
seitigen. „Meine Minister", so heißt es wört-
lich, „werden Ihnen zur gegebenen Zeit ihre
Vorschläge vorlegen. Sie werden auf das Min-
destmaß dessen beschränkt kein, was erforder-
lich ist."
Die Thronrede wendet sich sodann wieder an
die Mitglieder beider Häuser. Es wird die
Fortsetzung der Bemühungen zur Förde-
rung der wirtschaftlichen Erho-
lung angekündigt. Besondere Aufmerksamkeit
werde man den Gebieten schenken, wo die Ar-
beitslosigkeit am größten sei. Weiter
gelte die Sorge der Regierung einer Besserung
der Verhältnisse im Bergbau. Die Verein-
heitlichung der Bevkaufseinrichtungen des
Bergbaues sei ins Auge gefaßt, ebenso die Ver-
einheitlichung der Gefälle und Schürfgerecht-
samen, die unter staatliche Kontrolle gestellt
'werden sollen. Die Sichevheitsverhältnitfse un-
ter Tage sollen verbessert werden. Die Moder-
nisierung des englischen Eisenbahnwe-
sens soll durch eine Anleihe unter Staats-
garantie eingöleitet werden Es folgt noch eine
Reihe sozialpolitischer Fragen.
Wegen der Hoftrauer sind die üblichen prunk-
vollen Zeremonien bei der Parlamentseröff-
uung unterblieben. Bei dem Eröffnungsakt
selbst wurde der König durch die Königliche
Kommission vertreten, deren Führer der Lord-
kanzler ist.
London, 4. Dez. Die beiden Häuser des
Parlaments traten Dienstag nachmittag zu
der großen Aussprache über die Thronrede zu-
sammen. Im Unterhaus lehnte der Führer der
Opposition die Thronrede ab. Ihm antwor-
tete Ministerpräsident Baldwin, der dabei
auch auf die Außenpolitik Englands und auf
den ltalienisch-abesstnischen Streit einging.
 
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