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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 229-204)

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Nr. 291 - Nr. 300 (13. Dezember - 24. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43256#0687
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M WMM / AßmuimM / WisiMNaft M-K Kunst

Sriöelberg, Kreilm, 2«. Dezember 1S3Z

Wzer Bete

7». Mrgrmg / Nr. 2S7

»Die pariser Vorschläge sind lol!"

SNSEnzen lehni ab

Ein großsr ZW im Mechaus / Soare rechtsertigt sich / Baldwin nimmt die Nerantwortung auf sich
Ablehnung der Mißtrauensantrüge

der „Altar das Vaterlandes", an dem die
Ohfevhandlung durch die Königin von Italien
eröffnet worden war, abends von Hunderten
von Fackeln erleuchtet, während die letzten
Trauringe vor dem Grab des Unbekannten
Soldaten abgegeben wurden. Nach den ersten
Nachrichten llrmen am Mittwoch in Rom und
der Provinz Rom MN 000 Trauringe zusam-
men, darunter 100 000 in Rom selbst, wobei
jedoch zu berücksichtigen ist, daß vielfach bereits
in den letzten Wochen gerade vom einmcheren
Volk die Trauringe bereits abgegeben worden
sind.

MspmbriW otz KMaM
Reuter über die militärischen Vorbereitungen in Aegypten

Mussolinis Mbe nsO keim Antwort
Eine italienische Auslegung
Rom, 19. Dez. In amtlichen italienischen
Kreisen erklärt man am Donnerstag abend,
daß die italienische Stellungnahme zu den fran-
zösisch-englischen Vorschlägen noch nicht fest-
gelegt sei. Die Lage sei daher unverändert.
Auch die Rede Mussolinis bei der Einwei-
hung von Pontinia könne nicht, wie es im
Auslande geschehen sei, als Antwort, Italiens
auf die französisch-englifchen Vorschläge ange-
sehen werden.
Auch sei es noch nicht sicher, ob -der Große
iaschdstische Rat in seiner nächsten Sitzung in
der Nacht zum Samstag die Prüfung der Vor-
schläge werde abschließen können.

London, 19. Dez. Die abessinische Regierung
händigte am Donnerstag in Addis Abeba dem
-britischen und dem französischen Gesandten ihre
Antwort auf den Pariser Friedensplan aus.
Reuter zufolge besagt die Antwort, daß die
Vorschläge schlimmer seien als ein Mandat; sie
könnten daher nicht angenommen werden.
Vorpostengesecht südlich von Makalle
Asmara, 19. Dez. (Funkfpruch -des Kriegs-
berichterstatters des DRV.) Am Mittwoch
abend ist es südlich von Makalle zu einem
-schweren Vorpoftengefecht gekommen. Einer
abefinischen Abteilung war es gelungen, sich
den italienischen Vorposten zu nähern. Die
Vorposten schafften sich durch rasendes M-a-schi-
n-engew-elhrseuer Luft und, schlugen die Angrei-
fer zurück.
Rom, 19. Dez. Die amtliche Mitteilung Nr.
75 des italienischen Propagandaministeriums
enthält folgenden von Marsch-all Badogli-o ge-
drahteten Heeresbericht:
„Von der Eritrea-Front ist nichts zu ver-
zeichnen. Die Luftwaffe hat auf feindlich«
Truppenzusammenziohungen im Tal des Ta-
kazz-e Bomben abg-eworfen.
Die beiden neuen im Somaliland eingerich-
teten Kre-isvevwaltungen haben unter Zusam-
menarbeit mit den örtlichen Führern und No-
ta-beln ihre regelmäßigen Geschäfte ausgenom-
men. Die Kreisverwaltung in Busle: hat die
Rechtsprechung über das Schebeli-Gebiet. Eine
weitere Kreisverwa-ltung wurde in Gorrahai
mit Rechtsprechung über die Ogaden-S-tämme
eingerichtet, die sich uns unterworfen haben."
Dw ftirrliKr Ablieferung der
Armringe abgeWMen
Rom, 19. Dez. Die feierliche Ablieferung der
goldenen Trauringe an den Gefallenendenkmä-
lern in ganz Italien ist erst am Mittwoch spät-
abends abgeWofs-en worden. In Rom -war

Flugboote veranstalten tägliche Uebnngen über
der Stadt.
Fm Hasen liegen etwa 8g britische Kriegs-
schisse.
Zum erstenmal in semer Geschichte ist der Ha-
fen so voll, daß zwei Kreuzer -außerhalb des
Hafens vor Anker gehen mußten. Das westl'ch
der Stadt gelegene Küstengebiet, das bis vor
wenigen Monaten ein beliebtes Ausflugsziel
war, ist jetzt für Neugierige gesperrt. In
Alexandrien wird angenommen, daß im Kriegs-
fall ein Angriff auf die britische Flotte von der
Zwölf-Jnsel-Gruppe und von Rhodos erfolgen
würde, und daß dabei U-Boote die Hauptrolle
spielen würden, um die britischen Kriegsschiffs
von der Küste zu entfernen und einer aus Li-
byen vorrückenden Armee bessere Aussichten
für einen Durchbruch zu geben. Es wind all-
gemein geglaubt,
daß ein Angriff von Libyen aus fehlschla-
gen würde, solange die britische Flotte die
ägyptische Küstenlinie beherrscht.
Große Mengen von Flugzeugen treffen ständig
ein, und obwohl die Zahl der in Aegypten be-
findlichen Militärmaschinen streng geheim ge-
halten wird, ist bekannt, daß d>« britische Luft-
stärke im nahen Osten weit größer ist, als die
jetzige italienische L-uWärke in Libyen.

London, 19. Dez. Eine Reutermeldung aus
Alexandrien gibt eine lebendig« und lehrreich«
Darstellung der in Aegypten im Gange befind-
lichen militärischen Vorbereitungen. Es heißt
darin u. a., daß viele Dampfer aus England
militärische Ladungen aller Art bringen, wie
Flugzeuge, Geschütze, Tanks, Lastkraftwagen
und Tausende von Rollen Stacheldraht. B«'
Sidi Bichr in der Umgebung von Alexandrien
befindet sich
eine regelrechte militärische Zeltstadt,
die von einer zehn Kilometer langen Stachel-
dra-htsperr-e umschlossen ist, und asphaltierte
Straßen, Lichtspielhäuser und Kaffees besitzt.
5000 neue Zelte sind von England unt-er-wegs,
und weitere Truppen werden binnen kurzem
erwartet. Den Einwohnern ist es bereits eine
tägliche Gewohnheit geworden, Reihen briti-
scher Kriegsschiff« bei Schießübungen zu beob-
achten, und der Donner von Luftabwe-Hrge-
schützen ist an der Küste «in gewöhnliches Er-
eignis. An strategischen Punkten der Stadt
schießen hölzerne Kasernen und Bürogebäude
wie Pilze in die Höhe.
Der Gegensatz zu Kairo, wo alles normal
geblieben P, G auffallend. Flugzeuge und

von allen Seiten in einer Weise gedrängt
habe, daß eine Weigerung unmöglich gewe-
sen sei. Die Besprechungen hätten in einer
wahren Kriegsatmosphäre begon-
nen. Es habe auf der Hand gelegen, daß die
große Mehrheit der Genfer Mitgliedstaaten
gegen die Anwendung militärischer Sühne-
maßnahmen war. Die Zeit habe gedrängt.
Innerhalb von fünf Tagen sollte das Oel-
embargo in Genf behandelt werden. Er habe
sich nicht berechtigt geglaubt, eine Vertagung
des Embargo vorzuschlagen, wenn dem Völ-
kerbund nicht hätte gezeigt werden können,
daß die Verhandlungen praktisch begonnen
haben.
Unter Beifall wies Hoare darauf hin,
daß mit Ausnahme Englands kein Völ-
ksrbundsstaat irgendwelche militärische
Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hätte,
während die meisten Mitgliedstaaten an
wirtschaftlichen Sanktionen teilgenommen
hätten.
Hinzu sei gekommen, daß nach seiner Auf-
fassung eine englisch-französische
Zusammenarbeit wesentlich war,
wenn man nicht einen Bruch in Genf hätte
heraufbeschwören und wenn man die Sank-
tionsfront nicht hätte zerstören wollen.
Zwei Tage lang habe er mit Laval über
eine Erörterunqsgrundlage verhandelt. Es
sei nicht von Bedingungen geredet worden,
die den Kriegführenden auferlegt werden
sollten. Auch seien die Vorschläge, die sich
aus diesen Besprechungen ergaben, nicht Vor-
schläge Englands oder Frankreichs gewesen.
Vielmehr sei manches darin, was weder ihm
noch Laval lieb sei.

vierzehn Tagen ein Wendepunkt er-
reicht worden, der schneller gekommen sei
als manche es erwartet hätten. Eine neue
Lage sei durch die Frage einer Oelsperre
entstanden. Gesetzt der Fall, daß das Oel-
embargo unter Mitwirkung der Nichtmit-
gliedstäaten hätte in Kraft gesetzt werden
können, so würde das Oelausfuhrverbot un-
ter Umständen das Ende der Feindseligkei-
ten erzwungen haben. (Lauter Beifall.)
Aber gerade deshalb wäre die Lage vom
Standpunkt des italienischen Wider-
standes sofort gefährlicher geworden.
Von allen Seiten seien Berichte einge-
gangen, die keine verantwortliche Regie-
rung hätte unberücksichtigt lassen dürfen,
daß nämlich Italien ein Oelembargo als
eine militärische Sanktion oder als
Kriegshandlung ansehen würde.
„Ich wünsche," so fuhr Hoare fort, „die
Lage völlig klarzustellen. Als Nation emp-
fanden wir keinerlei Furcht vor irgendeiner
italienischen Drohung. (Lauter Beifall.) Wie
auch immer sich Italien verhalten haben
würde, wir würden — wie die Geschichte
lehrt, jeden Schlag mit Erfolg zurückgeschla-
gen haben."
Ihm habe iedoch etwas völlig anderes vor-
geschwebt. Ein isolierter Angriff
dieser Art auf eine einzige Macht ohne die
Gewißheit einer vollen Unterstüt-
zung deranderenMächte hätte nach
seiner Ansicht fast unvermeidlich zu der Auf-
lösung des Völkerbundes geführt.
Unter diesen Umständen habe er sich vor zehn
Tagen nach Paris begeben, wozu man ihn

London, 19. Dez. Die von der ganzen
Mt mit Spannung erwartete Unierhaus-
^sprache über den italienisch-abessinischen
'^rest und di« Pariser Friedensvorschläge be-
^nn am Donnerstag gegen 16.45 Uhr MEZ.
Mch pm aufsehenerregenden Rücktritt des
Außenministers Hoare hatte sich das Interesse
pr Oöffentlich'keit an der Aussprache noch ge-
"°'gert.
^Das Unterhaus war bis auf den letzten
Mtz gestillt, als die Sitzung mit der üblichen
Mgezeit um 16.45 Uhr eröffnet wurde. Als
Mdwin mit sehr ernster Miene das Haus
ptrat, blieben die Beifallskundgebungen aus.
Fatt dessen erfolgten einige unterdrückte
Mrt-Hört-R>uf« aus den Bänken. Die Span-
^g erreichte ihren Höhepunkt, als der Ku-
'"ckgetretene Außenminister Hoare -rschien
N mit lauten Beifallskundgebungen von der
7"nisterbank emvfangen wurde. Das Haus
M mit einem Schlau vollkommen ruhig. Sir
husten Chamberlain, der in manchen Kreisen
der zukünftige Außenminister angesehen
Frh, räumte seinen Eckplatz auf der Regie-
Fügsbank für Haare ein und ließ sich auf
M daneben befindlichen Sitz nieder. Diese
fand allaemefn große Beachtung
Als erster Ausspracheredner erhob sich
Ai,
begann mit der Ditte IIM Nachsicht, ein-
M im Hinblick auf die vielen verwickelten
'stagen, mit denen er sich befassen weroe,
, w anderen aus Rücksicht auf die bekonde-
Schwieriokeiten. denen er in den letzten
Men gegenübergestanden habe.
Leider babe er sich auf ärztliche Anord-
My ins Ausland begeben müssen. Noch
bäuerlicher sei. daß er im Ausland einen
^glückseligen Unfall erlitt, der keine sofor-
Fe Rückkehr verhindert habe. Das Ergeb-
sei gewesen, daß eine vielleicht auf
Frige Darlegungen zurückgehende Kritik
? weit um sich gegriffen babe. daß es für
E im Augenblick ietzt kchwieria sei, irgend-
?"e Verteidig"ngsftellung einn'ne'tmrn.
'M man im Einzelnen auf die Umstände
Metzen wolle, die zu seinem Rücktritt ge-
hätten. Seit seinem Amtsantritt als
uGenminister babe er die Dringlichkeit
""eier großen Frauen erkannt:
Astens olles zu tun. was in seiner Macht
Fue, um mne große europäische
j/uersbrunst zu verhüten, >md zwri-
M. nichts unversucht zu lasten, nm einen
stfieg zwischen Großbritannien
Italien zu Verbindern.
Mr persönlich babe alles in keiner Macht
Fehende getan, um die Weltmeinuna oeaen
d il Krieg zwischen Italien und Abestinien
der Genfer Vollversammlung auftubie-
M Jeder weitere Tog diekes Krieges habe
stoßere und oeföbrlichere Fragen beraufbe-
woren. Es seien Schwierigkeiten im
,Fl:.nen Osten entstanden und Schwis-
,Miten in Aegypten. A"ch kn mebr gts
Mr Gegend Europas bä^eri sich droben^e
;; ?uen zusgmmenaenmen. Jedermann mäste
darüber klar sein, dgß weite Krelle der
Mfüststben Oeffentlickckeit einen Bruch mit
lallen befürchteten unv gleichzeitig große
Mbasität emyfanden über die Mimi-chkeft
x.M Schwächung der Ne^teidioung Frgnk-
Ms. Angesichts dieser Tatsachen habe er
Men um eine Regelung zu ermög-
di^ührend er auf der einen Seite loyal
heb ^Etik der Säbnemaßnahmen fortgeletzt
yM' dabe er auf der anderen keinen Tag
sMbergehen last-m. ohne nicht auf iraend-
z, r Art und Weise eine friedliche
ei»„ ^ung dieser schickkalskchweren Aus-
aanderkekung berbeiznführen.
England habe dis doppelte Aufgabe ge-
habt, in vollem Maße an dem kollek-
tiven Vorgehen teilzunehmen und gleich-
artig zu versuchen, eine Friedens-
Mrundlage zu finden.
n beiderlei Hinsicht sei vor etwa

Die Vorschläge seien jedoch beide«
Staatsmännern als die einzige aussichts-
reiche Grundlage künftiger Besprechun-
gen erschienen.
Es sei notwendig gewesen, einen Versuch zu
machen, und wesentlich sei es gewesen, die
englisch-französische Solidarität aufrecht zu
erhalten. In diesem Geiste habe man sich
auf die Vorschläge geeinigt. Das sei die ein-
zige Erklärung und Rechtfertigung der Pa-
riser Verlautbarung.
Hoare setzte sich dann mit den Vorschlägen
im einzelnen auseinander.
Im letzten Teil seiner Rede betonte Hoare
unter dem Widerspruch der Arbeiterpartei,
daß man von vielen Seiten des Unterhauses
für koloniale Wünsche des Auslandes einge-
treten sei. Er zitiert den englisch-französischen
Vertrag von 1906 und den Notenaustausch
zwischen England und Italien vom Jahre
1925. England habe darin Italien besondere
wirtschaftliche Belange für einen weit größe-
ren Teil Abessiniens zuerkannt, als in den
Pariser Vorschlägen über die südabessinische
Interessensphäre enthalten sei.
Die Pariser Vorschläge seien ganz erheb-
lich ungünstiger für Italien als die Forde-
rung, die Mufsolini im letzten Sommer an
Eden gestellt habe. Es gebe nur zwei Wege
für die Beendigung des Krieges: entweder
einen Frieden durch Vereinba-
rung oder einen Friedendurch Waf-
fen streckung. Er glaube an die erste
Möglichkeit. Die zur Erörterung stehenden
Verharrungen seien fehlgeschlagen, das
Problem aber, das zu lösen sei, bleibe be-
stehen.
Man stehe vor einem neuen und viel ge-
fährlicheren Abschnitt des Krieges.
Mit Ausnabme von England, das seine
Flotte im Mittelmeer sowie Verstärkungen
in Gibraltar und Aden zusammengezogen
habe, habe kein anderer Staat einen Finger
gerührt. Dem Ministerpräsidenten habe er
 
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