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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927

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Schiebelhuth, Hans: Vom neuen Naturgefühl: der Mensch von heute braucht viel Natur
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https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0079

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INNEN-DEKORATION

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PROZESSOR lOSHI'HOI-'l'MANN-WlF.N LANDHAUS AST MIT ( jARTHNTRI'PPH

VOM NEUEN NATURGEFUHL

DER MENSCH VON HEUTE BRAUCHT VIEL NATUR

Wir gingen durch eine mittelalterliche Stadt: ver- Urwald den menschlichen Kulturwillen zu ersticken drohte,
winkelte Straßenzüge, verwitterte Häuser, stock- Und diese »Natur- und Landschaftslust« ist auch
werkweis im Profil herausgesetzt, so daß zwischen den nicht anderen Kulturen nachgelebt. Bäume, die in Römer-
dunklen Dächerkanten der liebe Himmel uns entrückter gärten bei Pompeji oder in chinesischen Kaiservillen bei
und tiefer blau erschien, und uns vielleicht deshalb schöner Nanking standen, waren etwas anderes, meinten etwas
vorkam, weil er in diesem Bilde aus Menschenhand, aus anderes für die Menschen, die mit ihnen lebten. Andere
dem alles »Draußen« beinah hermetisch ausgeschlossen Verehrung hauptsächlich. Daß sich die Antike nicht

war, das einzig erlebbare Stückchen Natur war....... »wiederherstellen« läßt, hat doch die Renaissance zur

Sonderbar, wie ein Satz zum Gegensatze führt. Abends Genüge bewiesen. . Eine riesenhafte Umstellung, die das
im Gasthof träumten wir beide von der modernen Garten- Gesicht der Zivilisation völlig verändert, in höchstens
stadt, einem Villenviertel, mit breiten Allee - Straßen, vier Jahrhunderten. Wie kommt denn der Europäer oder
Häuser in anmutigem, lebendigem Vorgarten-oder Land- Amerikaner von heute dazu, daß er sozusagen Gras-
schaftsversteck, Einzelhäusern natürlich, mit einem rufen- halme so schön findet, einen Baum so gerne hat, daß er
den Brunnen im Rasen, vielleicht mit Sonnenblumen am diese Dinge braucht, rundheraus durchaus braucht?«
Zaun, oder Efeu oder Weinlaub um die Fenster, mit einem »Du übersiehst wohl nicht«, wandte ich ein, — »die
Rausch von Kletterrosen über der Mauer .. . also von der ungeheure Summe von Geschichts-Tatsachen, die da mit-
idealen »modernen Gartenstadt« träumten wir....... gespielt haben. Bauhygiene, Verkehrstechnik, Wirtschafts-

★ wesen, Wandel der sozialen Struktur, Rückwirkung kolo-
»Auffallend«, begann mein Freund und Reisebegleiter, nialer Expansion, die Entdeckung der überanstrengten
ein Architekt, »wie maßlos viel Natur der Mensch von Nerven, eine Menge Literatur, Aufklärung, Werther-
heute braucht, wie sich der Gegensatz von Stadt und Land Sentimentalität und Romantik, Wandervogel, zuvor Emer-
verwischt, wie wir wieder am Herzen der Erde wohnen son und Thoreau und die Wald-Verwandtschaft. . .« . .
wollen, wie sich ein ganz anderes Lebensgefühl in unserem »Nein, gewiß nicht«, entgegnete mein Freund, »aber
Planen äußert als in dem unserer mittelalterlichen Ahnen. ich sehe darin teils Ursache, teils Wirkung, nie aber den
Warum ist es für uns beglückender, nahe einer grünen allerinnersten Grund, das letzte Eine am ganzen Vor-
wiese zu wohnen anstatt am Marktplatz? Es gibt doch fall. Nur Heilmethoden, die die Natur erforschen und
im Ernste kein »Zurück zur Natur«. Was einmal war, kennen, können Bauhygiene fordern; — nur eine Tech-
kommt nicht wieder. Und dann, diese Natur ist ja auch nik, die die Natur belauscht und bezwingt, ändert Ver-
eine ganz andersartige als jene, die mit wucherndem kehrswesen und Wirtschaft, — koloniale Expansionen
 
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