Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927
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https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0265
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Berger, Joseph: Das ökonomische Zeitalter
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INNEN-DEKORATION
245
JOSEF BERGER, MARTIN ZIEGLER—WIEN KLEINER VORRAUM MIT KLEIDER-ABLAGE
DAS ÖKONOMISCHE ZEITALTER
Ein neuer Zug geht durch die Welt. Der Bleistift sträubt
sich entschieden, die gewohnten'verspielten, roman-
tischen Planungen zu realisieren, streckt die zärtlich ge-
schwungene Linie, zerstört das Ausschwingen des Profils.
Die »neue Sachlichkeit« ist auf dem Marsche, die Maschine
will die Welt regieren. Schon stürzt man sich auf die neue
Formenwelt, türmt Kuben und Platten zu sachlichen Mo-
tiven, baut Möbel: teils wie aus Fels gehauen, teils wie
Gestänge der Maschinen. Aus den sozialen, ökonomischen
Notwendigkeiten einer verarmten Welt ist eine neue
Kunst-Richtung geboren worden. Die armselig - mühe-
volle Produktion der beseelenden Hand ist nicht zeit-
gemäß, — die Maschine soll die Massen-Form schaffen.
Aber wir sehen nirgends den formenden Geist des
Künstlers vor dem mathematischen des Ingenieurs zurück-
treten. Die Maschine, ihre Formen und Rhythmen sind zu
Musen der musiziernden, malenden, bauenden Konstruk-
tivisten geworden. Aus der neuen Sachlichkeit ist eine
»neue Romantik« geworden. Und doch zeigt diese neu
geartete Kunstwelle schon das große soziale Ziel: Verbilli-
gung der Kulturgüter und Schönheit des Zweckmäßigen.
. . Also Schluß mit der Kunst? Der Maschinen-Techniker
hat allein das Wort? Im ökonomischen Zeitalter gibt es
keine Formprobleme? . . Das erste Ergebnis vollendeter
Serien-Erzeugung sehen wir schon um uns: den Fordwagen.
Er gefällt uns nicht. Er ist häßlich, veraltet. Der Ver-
stand sagt: seine Form ist unwichtig, er ist der »Volks-
Wagen« , für jedermann erschwinglich, also restlose Lösung.
Das Gefühl meldet sich verschämt: er ist aber häßlich.
Wenn sich also die Menschen nicht wesentlich ändern,
und dies scheint in den letzten 20000 Jahren der Fall ge-
wesen zu sein — so wird auch weiterhin die Kunst
ins Leben eindringen, die Form des Maschinen-Produk-
tes gestaltet werden . . und die Menschheit vielleicht am
Ende — o schreckliche Vision — Sehnsucht nach maschi-
nengepreßten Ornamenten bekommen? . . josef berger.
1927. vi. 4.
245
JOSEF BERGER, MARTIN ZIEGLER—WIEN KLEINER VORRAUM MIT KLEIDER-ABLAGE
DAS ÖKONOMISCHE ZEITALTER
Ein neuer Zug geht durch die Welt. Der Bleistift sträubt
sich entschieden, die gewohnten'verspielten, roman-
tischen Planungen zu realisieren, streckt die zärtlich ge-
schwungene Linie, zerstört das Ausschwingen des Profils.
Die »neue Sachlichkeit« ist auf dem Marsche, die Maschine
will die Welt regieren. Schon stürzt man sich auf die neue
Formenwelt, türmt Kuben und Platten zu sachlichen Mo-
tiven, baut Möbel: teils wie aus Fels gehauen, teils wie
Gestänge der Maschinen. Aus den sozialen, ökonomischen
Notwendigkeiten einer verarmten Welt ist eine neue
Kunst-Richtung geboren worden. Die armselig - mühe-
volle Produktion der beseelenden Hand ist nicht zeit-
gemäß, — die Maschine soll die Massen-Form schaffen.
Aber wir sehen nirgends den formenden Geist des
Künstlers vor dem mathematischen des Ingenieurs zurück-
treten. Die Maschine, ihre Formen und Rhythmen sind zu
Musen der musiziernden, malenden, bauenden Konstruk-
tivisten geworden. Aus der neuen Sachlichkeit ist eine
»neue Romantik« geworden. Und doch zeigt diese neu
geartete Kunstwelle schon das große soziale Ziel: Verbilli-
gung der Kulturgüter und Schönheit des Zweckmäßigen.
. . Also Schluß mit der Kunst? Der Maschinen-Techniker
hat allein das Wort? Im ökonomischen Zeitalter gibt es
keine Formprobleme? . . Das erste Ergebnis vollendeter
Serien-Erzeugung sehen wir schon um uns: den Fordwagen.
Er gefällt uns nicht. Er ist häßlich, veraltet. Der Ver-
stand sagt: seine Form ist unwichtig, er ist der »Volks-
Wagen« , für jedermann erschwinglich, also restlose Lösung.
Das Gefühl meldet sich verschämt: er ist aber häßlich.
Wenn sich also die Menschen nicht wesentlich ändern,
und dies scheint in den letzten 20000 Jahren der Fall ge-
wesen zu sein — so wird auch weiterhin die Kunst
ins Leben eindringen, die Form des Maschinen-Produk-
tes gestaltet werden . . und die Menschheit vielleicht am
Ende — o schreckliche Vision — Sehnsucht nach maschi-
nengepreßten Ornamenten bekommen? . . josef berger.
1927. vi. 4.