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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927

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Fechter, Paul: Der Mensch und der Raum: eine geistesgeschichtliche Betrachtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0485

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INNEN-DEKORATION

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AUSSTELLUNG: »DIE WOHNUNG«-STUTTGART 1927 HERRENZIMMER. HAUS PROF. Dr. JOSEF FRANK-WIEN

Das Raumgefühl wird Proportionsgefühl, Empfinden für
das objektiv Gliedernde der Koordinaten, die den Bau
und seine äußere Ordnung beherrschen. Der Raum wird
Ding, Objekt, dessen Herr der Mensch ist, der das
Errungene eifersüchtig festhält gegen die Übermacht des
Raumganzen — dann allmählich aufsteigend zum freien
Glück gesicherten Besitzes. . Aus dem Gesetz, das am
Anfang steht, wächst die Schönheit, und zuletzt die Frei-
heit des Selbstgestaltens, des Ausdrucks für das Welt-
bild, das der Geist in langsamer Auseinandersetzung mit
den Dingen sich diesen gegenüber errungen hat. Die
Architektur als Gestaltung des Äußeren wird
Spiegelbild des geistigen Kampfes um die Be-
herrschung und Ordnung der äußeren Welt. .

Ist die Auseinandersetzung in der äußeren Welt voll-
zogen, dann ist die Stunde für die Entdeckung der Seele
gekommen, da erst taucht der Innenraum als geistiger
Bildwert auf und die zweite Phase der Architektur be-
ginnt: die Schaffung eines direkten »Spiegelbildes
der Seele«. Das Ich - Existenzgefühl, als innenräum-
liches, stellt sich neben den Herrscherwillen des Geistes

über die Außenwelt; zu Maß, Zahl und objektivem Kubus
tritt das Licht als neues Mittel des Ich-Ausdrucks. Es
wird geboren mit der Entdeckung des Innenraums. Neben
die materiellen Mittel der Architektur stellt sich ein
Immaterielles: das Verhältnis des Geistes zur Seele und
später zu sich selbst bringt sich am durchleuchteten Innen-
raum zu sinngemäß sich steigernder Darstellung.....

Von dem ersten Aufsteigen eines Geistigen, das noch
gebannt wird von der Furcht vor dem unendlichen, noch
nicht erkennbaren Geheimnis der Welt, bis zu den Höhen,
auf denen der Geist ohne Umweg sich ergreift, spiegelt
sich diese Entwicklung in den einzelnen Phasen der Bau-
Geschichte. . Architektur-Geschichte ist Geschichte des
Geistes am Sinnbild des Raums, — bis zu dem Augen-
blick, wo der freigewordene Geist dieses Sinnbilds nicht

mehr bedarf. . paul fechter (in »die Tragödie der Architektur«).

*

GEIST UND SEELE. Die virtuoseste Leistung sämt-
licher Geisteskräfte wird manchmal toter und
leerer sein und mithin weniger »Genie« verraten als ein
einziger Blick der Leidenschaft. . ludwig klages.
 
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