Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 38.1927
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0491
DOI Artikel:
Neues Wohnen - Neue Erfülltheit: vernünftig und gut bauen ist das Ziel
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.10702#0491
INNEN-DEKORATION
471
WEISSENHOF-SIEDLUNG IN STUTTGART WOHNRAUM. HAUS PROF. ADOLF SCHNECK
NEUES WOHNEN — NEUE ERFÜLLTHEIT
VERNÜNFTIG UND GUT BAUEN IST DAS ZIEL!
Es ist im Grunde etwas verwunderlich, daß dauernd Gebundenheit und Dumpfheit! Wir sehen das überall,
von »Normung« und gar von »Typung« gesprochen es ist mit Händen zu greifen. Dahin ist die heutige
wird, dagegen vom Wohnen und vom Wohnbedürfnis Wohnung zu entwickeln, diese Sehnsucht hat sie zu
garnicht oder kaum«, — so führte Prof. Adolf Rading- erfüllen und dementsprechend sowohl Räume zu schaffen
Breslau in einem Vortrag aus. »Die Wohnung ist nicht nur als auch Wohnblock und Stadt räumlich umzuformen,
ein »Rechen-Exempel«, sondern auch eine Funktion. Das Es gibt die Möglichkeit 1. des »individuellen« Woh-
Wohnen hat nicht nur materielle Grundlagen, son- nens; 2. des »kollektiven« Wohnens, d. h. erstens des
dern auch geistige. Dieses Geistige des Wohnens ist Sichzurückziehens aus der Umwelt und zweitens der
in unserer Zeit in Vergessenheit geraten. Es genügt nicht: Hingabe an die Umwelt. Diese Feststellung bedeutet
ohne Liebe, ohne Hingabe und innere Teilnahme aus dem durchaus kein Festlegen der äußeren Form. Ein kollek-
»Wohnproblem« ein »Verpackungs-System« zu machen. tives Wohnen ist möglich in Wolkenkratzern, die weit in
Vergessen wir nicht, es handelt sich darum, eine Parks verstreut sind, und ebensowohl in einer Flachsied-
Sehnsucht zu erfüllen, einem Geistigen gerecht zu wer- lung mit Einfamilien-Häusern. Es wird aber notwendig
den! Aber diese Sehnsucht geht — Verzeihung — nicht sein, in Bebauung und Wohnung die neue geistige Ein-
nach Karnickelställen und Torfklosetts als Dungspender Stellung herauszuarbeiten. . Ein individuelles Wohnen ist
für den Garten, nicht nach einem eingeengten klei- heute nur mehr möglich innerhalb einer großen kollek-
nen, pseudo-romantischen Spießbürger-Dasein, das über tiven Form, und wir können heute schon voraussagen,
seine vier Pfähle nicht hinweg kann, sondern nach daß entsprechend dem Aufgeben der formalen Selbstän-
äußerster Gespanntheit und Erfülltheit des Le- digkeit des Hauses auch die formale Selbständigkeit der
bens, Einfügung des Einzellebens in die Gesamtheit des Stadt aufgegeben werden muß, wiederum entsprechend
Lebens. Die Sehnsucht des heutigen Menschen heißt: ihrer Einordnung in den Kollektivismus der Wirtschaft.
Leben, das Leben leidenschaftlich zu fühlen; die Sehn- Die Grundlage der zukünftigen Wohnung ist dahin
sucht des heutigen Menschen geht nach Erhebung, Be- zu entwickeln: Freiheit und Selbständigkeit zu erlangen,
freiung, nach Auflockerung, nach Gelöstheit, nicht nach für das eigentliche, über Selbsterhaltung und Naturge-
471
WEISSENHOF-SIEDLUNG IN STUTTGART WOHNRAUM. HAUS PROF. ADOLF SCHNECK
NEUES WOHNEN — NEUE ERFÜLLTHEIT
VERNÜNFTIG UND GUT BAUEN IST DAS ZIEL!
Es ist im Grunde etwas verwunderlich, daß dauernd Gebundenheit und Dumpfheit! Wir sehen das überall,
von »Normung« und gar von »Typung« gesprochen es ist mit Händen zu greifen. Dahin ist die heutige
wird, dagegen vom Wohnen und vom Wohnbedürfnis Wohnung zu entwickeln, diese Sehnsucht hat sie zu
garnicht oder kaum«, — so führte Prof. Adolf Rading- erfüllen und dementsprechend sowohl Räume zu schaffen
Breslau in einem Vortrag aus. »Die Wohnung ist nicht nur als auch Wohnblock und Stadt räumlich umzuformen,
ein »Rechen-Exempel«, sondern auch eine Funktion. Das Es gibt die Möglichkeit 1. des »individuellen« Woh-
Wohnen hat nicht nur materielle Grundlagen, son- nens; 2. des »kollektiven« Wohnens, d. h. erstens des
dern auch geistige. Dieses Geistige des Wohnens ist Sichzurückziehens aus der Umwelt und zweitens der
in unserer Zeit in Vergessenheit geraten. Es genügt nicht: Hingabe an die Umwelt. Diese Feststellung bedeutet
ohne Liebe, ohne Hingabe und innere Teilnahme aus dem durchaus kein Festlegen der äußeren Form. Ein kollek-
»Wohnproblem« ein »Verpackungs-System« zu machen. tives Wohnen ist möglich in Wolkenkratzern, die weit in
Vergessen wir nicht, es handelt sich darum, eine Parks verstreut sind, und ebensowohl in einer Flachsied-
Sehnsucht zu erfüllen, einem Geistigen gerecht zu wer- lung mit Einfamilien-Häusern. Es wird aber notwendig
den! Aber diese Sehnsucht geht — Verzeihung — nicht sein, in Bebauung und Wohnung die neue geistige Ein-
nach Karnickelställen und Torfklosetts als Dungspender Stellung herauszuarbeiten. . Ein individuelles Wohnen ist
für den Garten, nicht nach einem eingeengten klei- heute nur mehr möglich innerhalb einer großen kollek-
nen, pseudo-romantischen Spießbürger-Dasein, das über tiven Form, und wir können heute schon voraussagen,
seine vier Pfähle nicht hinweg kann, sondern nach daß entsprechend dem Aufgeben der formalen Selbstän-
äußerster Gespanntheit und Erfülltheit des Le- digkeit des Hauses auch die formale Selbständigkeit der
bens, Einfügung des Einzellebens in die Gesamtheit des Stadt aufgegeben werden muß, wiederum entsprechend
Lebens. Die Sehnsucht des heutigen Menschen heißt: ihrer Einordnung in den Kollektivismus der Wirtschaft.
Leben, das Leben leidenschaftlich zu fühlen; die Sehn- Die Grundlage der zukünftigen Wohnung ist dahin
sucht des heutigen Menschen geht nach Erhebung, Be- zu entwickeln: Freiheit und Selbständigkeit zu erlangen,
freiung, nach Auflockerung, nach Gelöstheit, nicht nach für das eigentliche, über Selbsterhaltung und Naturge-