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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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1. Heft
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Kreuser: Briefe an eine edle Frau, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0011

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2

Die That verschmäht's, in Worten viel zn kramen,
Nach Gott giebt es ein einzig heil'ges Liebein
Es liegt schon welterzieh'nd inr Mntternamen,

Als Opfer in der Schöpfung Bnch geschrieben,

Jn Zucht und Heiligung und Sitt' und Ehreu
Der Znkunft ihre Lebcnsfahrt zu lehren.

O wenn die Mütter ihre Hoheit kännteu,

Die Volkerzukunft, ihre eignen Kinder,

Glückselig dann sich alle Völker nännteu;

Denn gute Sühne gäb's, Jungfraun nichtmindcr,
Und gute Völker w«ren gleich vorhanden,

Ein neu Geschlecht, die bestc Welt entstandcn.

Schon an dem ersten Mutterblick' nnd Laute
Das zarte Kind sich bildet und ernähret.

Aufwächst die Seel' als licht- nnd nachtvertrantc,
Wie kosend schon die fromme Mntter lehret.

Allein wohin verirrt sich meine Feder?

Des Lichtes Weihekraft kennt ja Jedweder.

An anderm Werk wnnsch' ich Sie zu betheil'gen,
Sie, hohe Frau! ja alle Fräulein, Frauen.
Weshalb? Um unsre Zukunft mit zu heil'gen,

Mit an des heil'gen Geistes Bau zu bauen,

Und in der Knnst der Kirche wie vorzeiten
Den Weg des Herrn, des Heils mit zu bereiten.

Doch genug mit den Versen, die iu Jhrer
Nähe leicht flüssig werden, wie Rheineis am
Frühltngswehen, und nun einige schlichte
Worte über den Zweck metnes Schreibens an
Sie, von der ich mir einbilde, daß Sie bald
an die Spitze eines Werkcs treten werden,
dem tch mehr Wichtigkeit beilege, als es den
Anschein hat. Sie wisscn auch seit dem Jahre
des glorreichen Pöbels 48, dasi tch scharf ge-
nug sehe, und wenn im Mittelalter die edle
Frauenwelt ein edles Ritterthum bilden und
erztehen konnte, so hat sie gewiß die Kraft,
eine chrtstliche Kunstwelt neu zu schaffen, von
der ich geradezu behaupte, daß ste zu allen
Zeiten mehr oder mindcr in den Bereich dcr
Frauen sällt. Es versteht sich, daß bet den
Frauen die Jungfrauen mit gcmcint sind,
allerdings keine ariostischen, sondern solche rei-
nen Augen, wie wir sie aus alten Goldgrün-
den und in Jhrer Umgebung so gerne sehen,
denn Weihekrast hat nur die Reinheit.

Jedoch zur Sache. Seit dem Scheintode
des deutschen Reiches unter Marimiltan, der
allmälig tn wirklichen Todesschlaf übergieng,

gewann Frankretchs Lheilungskunst die Ober-
hand uber die Männer, das goldene LudwtgD-
Paris das Uebergewicht über die Frauen durch
die Mode, und die sranzösische Kunst wurde
ebenfalls Wcltherrin. Auch die französische
Klertsei konnte sich des Hofes, seiner gallika-
ntschen Artikel und seiner Kunst nicht erweh-
ren. Sogar im Bereiche des Heiltgen wurde
das Verdcrben gesät, bts es endlich unter dem
armen unschuldigcn sechszehnten Ludwig groß i
gewachsen war. Europa wurde zerschlagen,
mit ihm die Kirche. Daß die Wunden noch
blutcn, haben Ste selbst ost bemerkt, nicht
minder, wte wenig unsere herrlichen Cathedra-
len der alten Zeit und der Kirchenschmuck
neumodischen Plunders zusammenstimmen und
passen. Grade für diesen Ktrchenschmuck
inöchte ich Ste und durch Sie alle edlern
Frauen Jhres Kreises in Anspruch nehmeu.

Da Sie verständig überall nach dcm Warum
sragen, so will ick) meine Gründe angeben.

Jch könnte sagen: das Gefühl der Unwürde
und das Bedürfniß des Würdigen regt stch
allenthalben und wächst von Tag zu Tag;
denn die lange Nacht scheint zu weichen. Auch
ließe sich und zwar mit Wahrhett durch-
führen, daß die Männerwelt nachfolgen muß,
wenn die Frauenwelt einmal wicder thätig,
wo ste darf, an's ktrchliche Leben sich an-
schließt. Es tst also der Frauen eigener Vor-
theil, wieder die Macht jener Zeiten zu ge-
wtnnen, als die Burgfrau Catechismus und
Sitte und Treue dem rauhern Manne ein-
flößte und mit dem Burgfräulein eine wahre >
Frau d. h. Herrin (Frohn-Herr),* Dame d. i.
Domina war, und über mehr zu gebieten i
hatte, als über nichtssagende Komplimenie.
Auch könnte ich für Jhre Gesinnung im schar-
fen Hinblicke auf unsere eigensüchtige Krämer-
zeit sagen: blobtssss obliAs, mag alle Welt
nur an's Nehmen denken, etn adlig Gemüth
gtebt. Jch könnte diese Gründe noch vielfach
vermchren, allein ich führe einen schlagenden

* Frohn bedeutet altdeutsch Herr, daher Herrn-
hof, Herrndienst, Herrnleib, Frohnhof, Frvhndienst,
Frohnleichnam, frohnen, einem Herrn dienen.
 
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