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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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1. Heft
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Kreuser: Briefe an eine edle Frau, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0012

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an: wir Männer sind zu vielen Dtngcn ge-
radezu untauglich, wcil sie ins Reich der
Frauen gehören. Denken Sie, unser Eins
sollte mit Gewandung in Leinen, Wolle, Seidc,
mit Schnitt und Verzicrung, Fransen, Trod-
delwerk, Nadcl und Stickerei u. s. w. fich be-
sassen; würde Jhnen etn solcher Mann nicht
lächerlich, ja verächtlich erscheinen? Die
Geistlichkeit mit ihrer Gewandung befindet sich
in Zhnlicher Lagc, muß also, seic die Thätig-
kcit der cdeln Frauen sich zurückgezogen hat,
dieses bedeutungsvolle Heiligthum (worüber
später einmal) dcm schnöden Mctier, der ge-
meinen Käuflichkeitund dem niedrigen Erwerbe
überlassen.

Jch denke, Sie fühlen die Richtigkeit dieser
Bcmerkung, und irrc ich, so irrten mit mir
alle Völker dcr Vorzeit, nicht blos Christen,
sondern Hciden und Juden. Das Teppich-
werk um die Stistshütte verfcrtigten und stick-
ten dte Frauen und Jungfrauen Jsraels. Die
homerischen Heldinnen weben und sticken, Pe-
nelope das Leichenklcid für Laertes, Helene
und Kirke Freudigcres, sogar das Altmütter-
chen Hekabe bringt mit den troischen Frauen
und Jungfrauen der erzürnten Göttin Athene
einen schönen Peplos (Gewand), und gewiß
war sie dabei eben so thätig gewesen, wte
Karls des Großen Gattin und Töchter, die
dem gewaltigen Kaiser alles Gewand selbst
verfertigten; denn Weben und Sticken war
von jeher Fürstinnenarbeit, adlig nnd adelnd.
Daß bei den christlichen Völkern die Sache
nicht anders stand, könnte mit tansende» Be-
weisen erwiesen werden. Jch will nur Weni-
ges ansühren.

Jn den Analekten von Mabillon findet sich
ein hübschcs Gedicht auf ein Velum, gestickt
von einer spanischen Königin zur Zeit der
Gothenherrschast, und Jhr gelehrter Herr
Kaplan mag Jhnen das Ganze erklären und
deuten. Ausgestorben ist, am Unterrheine
wentgstens so vicl ich weiß, das cdle Geschlecht
der Grafen von Manderschcid; allein die Grä-
finnen von Manderscheid leben noch in den
prächtigen gestickten Kaseln, deren kostbare

3

Ueberblcibsel zn Münstcretfel sich befinden.
Diese Stickereicn sind fünf Jahrhunderte alt,
und wenn cinst in späteren Zeiten eine Jhrer
Nachkömmlinge in der Gerkammer erführe:
„sehen Sie, dieses kvstbare Gewand sttckte
und schenkte die Urältermutter Jhrer Groß-
mutter," glauben Ste nicht, daß die Enkel-
Enkelin sich in der edelsten Freude freuen
würde? Die Gewand- oder Gerkammer der
Kirche befindet sich seit der ältestcn Zeit auf
der Nord-d.h.der Frauenseite (auch Evan-
gelienseite genannt), und ich überlasse es
Jhrem Scharfsinne, das Warum zu enträth-
seln. Jn Köln wenigstens hat sich noch bis
auf unsere Tage eine hübsche Sitte erhalten,
versteht sich, bct den edlern Familien. Jhr
kostbares Hochzettskletd trägt die Braut nur
am Brauttage vor dem Altare, nach dem
Hochzeitstage wandert es an den Altar zurück.
So ist ein schönes Antipendium in St. Alban
das Brautkleid von Sophie D., und bei der
letzten Priesterweihe vorigen September seierte
Herr v. G. seine Primiz, und die herrliche
Kascl hatte die Schwester aus ihrem Ehren-
kletde selbst gefertigt. Das sind noch Reste
alter Sitten. Edle Frauen brauchen nur zu
wollen, und dte sterbende Sitte wird wieder
eine lebendige.

Sie fragen, wenn Sie an die Spitze eines
Stickvereines für Ktrchcnschmuck zu treten ge-
neigt seien, wie dann die Sache wohl anzu-
fangen sei. Dicses Wie ist ein sehr weitläufi-
ges Feld, und wtrd im Einzelnen noch zn
vielen Gesprächen und Briefen Anlaß geben.
Also für Heute nichts davon. Für's Erste
aber halte ich es für unumgänglich nöthig,
daß Sie einmal klar übersehen, was von
Kirchenschmuck, vorzüglich !n Stickerei, der
weiblichen Thätigkeit anheimfällt. 3ch theile
diesen Stoff solgendermaßen ein.

Erstens zerfällt der Kirchenschmuck in
priesterliche Gewänder: Chorkappen, Ka--
seln, Levitenröcke, Stolen, Velen, Antipendieu
u.s.w. Setdenwerk, voreinstinGoldfäden,
mit dazu gehörigem deutungsvollem Bild-
werke, nach Zett und Oertlichkeit, Festtagen
 
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