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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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1. Heft
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Literatur / Miszellen / Korrespondenzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0024

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gekommen ist, wo allein die anthentische Schilde-
rung jener heiligen Gewänder sich findesi so glaube
ich nochmal auf diese hochintercffanten Gegenstände
zurückkommen zu dürfcn.

Der Bischof hatte seiner geliebten Kirchc anßer
eincm großen Kclche sammt Röhrchen (zur Leitung
des heiligen Blntes), cincm Miffale und Evange-
lienbuch mit Elfenbeindeckel noch zum Geschenke
gemacht: eine Albe, ein Humerale, ein Cingulnm,
eine Casula sammt Stola und Manipcl, ein Plu-
viale und zwei Dalmatiken. Diese Gegenstände
werden nun von jenem Mitgliede des Stistes, das
sie immer vor Augen hatte, in fvlgender Weise
geschildert: „Auf dem Humerale, welches der
Priester auf die Schultern und um deu Hals zu
nehmen Pfiegt, ist in derMitte angebracht dasLamm
Gottes, und an den Ecken sieht man die vier Thierc
der Evangelisten, mit Edelsteinen und Gemmen
prachtvoll gestickt. Die Albe ist vom feinsten Linnen
und sehr lang. An dem Theile der Albe, welche
vom Halse bis zur Brust reicht, hat der Nadel-
maler mit Gold- uud Seidenfäden von verschiede-
ner Arbeit das Bild Christi ausgeführt, welchen
Nikodemus vom Kreuze abnimmt, während Maria
.dic MutterJesu und seinLieblingsjüuger Iohanncs
zur Seite stehen. Gegen den Saum der Vorder-
seite hin schen wir mit ähnlichcr Knnst dargestellt
Christnm mit den zwölf Aposteln, Christus sitzt da
in ihrer Mitte; zu seiner Rechten steht Petrus,
den Schlüffel in der Nechtcn, das Buch in der
Linken haltend; zur Linkcn steht Paulus mit eiuem
Buche. An diese reihen sich Andreas mit cinem
Buche, Jakobus mit demselbeu Attribute und die
übrigen Apvstel, alle prachtvoll, wcnn auch nicht
künstlich für unsre Zeit, ausgHihrt. Jn dcr Mittc
der Albe (Meichclbeck sagt auf dcr Rückseite) sieht
man dic Gestalt eines Weibes, das in der rechten
Hand ein Meffer trägt, in der Linkeu aber eine
große Rolle. Neber ihrem Haupte steht die Jn-
schrift: SxnuZoAU. Zu ihrer Rechten erblicken
wir den König David mit ciner Krone auf dem
Haupte und einer gleichen Rolle; zur Linken aber
den Propheten Jsaias, Jeremias, Elisäus und
die übrigen Propheten, ein anmuthiges Schaustück
sür Liebhaber des Alterthums (das schrcibt ein
Mann, deffen Kvpf von einer nugeheuern Perrücke
bedeckt ist!) Außerdem ist noch das Ciugulum da,
aus Gold uud Seidenfäden gewirkt und mit gleichen
Quasten versehen. Die Cascl hat die alte Fvrm
cines Häuschens und bedeckt den ganzen Leib mit

Ausnahme des Hanptes, ist rund, reicht bis zu den
Fersen nnd ist überall geschlvffen; an den Armen
muß sie der celebrircnde Priester anfschlageu. Die
Dalmatikcn und das Pluviale sind nicht sehr ver-
schieden von der gegenwärtigen Form; von Seiden
gefertigt, zeichnen sie sich nur durch ihre Größe
aus. Wir bemerken noch, daß es in unserer Kirche
bis zur Neuzcit üblich war, daß der celebrirende
Priester in der heiligen Weihnacht bei der ersten
Messe sich jenes Kelches und der angegebenen Pa-
ramcnte bediene."

Das ist die Schilderung, die uns jener Chronist
des vorigen Jahrhunderts vvn diesem fast unver-
gleichlichen Schatze der alten Kirchenstickerei zu
machen beliebt. Die Aufhcbung jeües Stiftes i. I.
t 802 hat alle diese Herrlichkeiten vernichtet. Wahr-
scheinlich wurden diese Paramente alle als Trödel
verbrannt oder weggeworfen. Die werthvollsten
Gebilde der Kunst wanderten auf den Schutthaufen.
Also die Originalien sind verloren! Aber auch
jene Schilderung läßt für den Kunstfreund vieles
zu wünschen übrig, die Größe, der Charakter, die
Kolorirung der einzclnen Bilder, der Schmuck der
Kasel wird nicht weiter berührt. — Uebrigcns
lernen wir aus ihr immerhin Mauches! ' Wie
sinuig nnd bcdentungsvvll ist die Wahl der hei-
ligen Bilder gewesen! Auf dem Humerale war
das Lamm so gestickt, daß es gerade auf den Rücken
des Priesters zu liegen kam. Ringsum standen-
als Zeugen des Opfertodes des Lammes die vier
Evangelisten. Unterhalb an der Vorderscite der
Albe war der Kreuzestod Jesu, vder vielmehr seine
Abnahme vom Kreuz, wo sein heiliger Leib in reinc
Linnen gelegt ward, wie beim hciligen Opfer, dar-
gestellt. Unterhalb wieder ist das alte Testameut
mit den Prophcten angebracht, die jenen Opfertod
des Herrn vorausgesagt und vorgebildet. Zu uuterst
aber finden wir das neue Testament geschildert,
Christus mit seinen Apvsteln, denen er den Auftrag
gegeben, jenes Opfer zu fciern zu seinem Gedächt-
niß bis zu seincr Wiederkunft! Dieß über die Be-
deutung! Dann aber müffen wir noch auf die
nngeheuere Mühe hinweisen, die svlches Bildwerk
zu sticken verursachte. Und dazu kommt, daß die
meisten dieser Bilder nicht gesehen wurden, wcnn
der Priester mit dieser Gewandung an den Altar
trat! Die Casula bedeckte ja den ganzen Leib!
Solches konnte man nur in jenen Zeitläuften
schaffen, wo man deu Schmuck der Kirche nicht
blvß um Geld schuf, sondern um Gottes willen,
weil er cs sieht und lvhnt, was um scinetwillen ge-
schieht, mag es auch kein Menschenaug erblicken! —

Or. 8iZkiLrt.

Aus Tirol. (Jm Nvvember- Korrespondenz.)
— Jhr Programm, der „Kirchenschmuck", liegt
als cine fertige in sich abgeschlvffene Sache vor,
in der es weniger zu rathen als vielmchr zu helfen
gibt. Daher wollen wir anstatt viel hin und her
zu reden, sogleich mit einem Berichte aus Tirol
 
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